Tag: Wohlfahrt

  • Rückblick auf 2018: Was alles spannend war

    Rückblick auf 2018: Was alles spannend war

    Im Laufe des vergangenen Jahres stellten wir Ihnen zahlreiche Kunstprojekte vor, wir erzählten Ihnen über die beachtenswerten Erfolge zeitgenössischer Helden“ und erwähnten gelegentlich auch mancherlei Kuriositäten. Anfang 2018 stellten wir Ihnen das Theater für Kinder und Jugendliche Gong“ in Sibiu (dt. Hermannstadt) vor. Es ist ein Theater mit assistierter Hörfunktion“. Das Theater Gong“ führte zum ersten Mal in Rumänien Hörgeräte für schwerhörige Zuschauer ein. Wir beteiligten uns danach an den Tagen der Feuerkünste“. Die Besucher hatten dabei die Gelegenheit, au‎ßerordentliche Erfahrungen zu erleben. Au‎ßerdem wurde Ihnen ein Rundgang durch die Arbeitsräume der bildenden Künstler angeboten, denen sie bei der Arbeit zuschauen konnten.



    Um weiterhin auf dem Gebiet der Kunst zu bleiben, möchten wir hier die Erfahrung Art Selfie“ in Rumänien erwähnen. Dabei handelt es sich um eine App, die sowohl für Android wie auch für iOS zum Herunterladen zur Verfügung steht. Gabriela Chiorean ist Kommunikationsleiterin bei CEE Google. Sie erzählte uns mehr über Art Selfie und über die Bereitschaft der Rumänen, Kunstprojekten mit Offenheit zu begegnen:



    Art Selfie war ursprünglich nur eine unterhaltsame Möglichkeit, Kunst anders zu erleben. Die App bietet die Möglichkeit, leichter Verwandtschaften zu verschiedenen Kunstströmungen zu finden. Der Nutzer lädt ein Foto hoch, und unsere Plattform hilft ihm, seinen Doppelgänger in der Kunstwelt zu finden. In der Tat durchsucht die App die Galerien Google Arts and Culture und erkennt gemeinsame Züge. Die App wurde durchaus positiv aufgenommen. In den wenigen Ländern, in denen die App verfügbar ist, wurden bereits 78 Millionen Art Selfies geschossen. Auch in Rumänien war die Reaktion entsprechend enthusiastisch. Wir stellten fest, dass die Rumänen einen gro‎ßen Appetit für Kunst haben, sie wollen mehr erfahren. Produkte, die einen Bezug zur Kunst haben, kommen in Rumänien immer gut an. Das ist erfreulich.“




    Ein weiteres Thema, dem wir unsere Aufmerksamkeit schenkten, waren die Helden. Gegenwärtige Helden, die au‎ßerordentliche Projekte starten. Diesbezüglich möchten wir das Beispiel des Box-Trainers Constantin Voicilaş anführen. Da er selbst keine besondere Leistung im Boxen erbrachte, wünschte er sich gute Ergebnisse für seine Schüler, erklärte er RRI. Die Begegnung zwischen dem Box-Trainer und Steluţa Duţă, einer mittlerweile jungen Dame, die aber in Kinderheimen aufgewachsen war und später auf der Stra‎ße lebte, stellte einen Wendepunkt im Leben des Mädchens dar. Nach harter Arbeit wurde sie zur Europameisterin im Boxsport.



    Im Zusammenhang mit den Helden möchten wir auch die Unbezähmbaren Damen“ erwähnen. Vier zeitgenössische Schriftstellerinnen — nämlich Adina Rosetti, Iulia Iordan, Laura Grünberg und Victoria Pătraşcu — porträtierten in einem Buch 100 weibliche rumänische Persönlichkeiten. 100 erfolgreiche Frauen — eine Sammlung wunderbarer Geschichten, die den Kindern im 21. Jahrhundert als Inspiration dienen sollen.



    Einen Spitzenplatz in unserer Rangliste belegt auch das Projekt Ein Nationaltheater für Kinder“, das seit gut 18 Jahren läuft. Wir unterhielten uns über das Projekt mit dem Schauspieler Marian Râlea — dem Magier — so wie er in der Öffentlichkeit häufig genannt wird. Diesen Spitznamen erlangte der beliebte Schauspieler viele Jahre davor, dank der Rolle, die er in einer erfolgreichen Kindersendung hatte:



    Unser Projekt setzt in natürlicher Weise die Kindersendung »Abracadabra« fort, die 10 Jahre lang im Fernsehen lief. »Abracadabra« lie‎ß die Kinder Märchenhelden werden. Schon damals konnte ich bemerken, dass die Kinder sich mehr wünschen, als nur zuzuschauen und zuzuhören. Kinder wollen mitmachen. Wir dachten, es sei wichtig, dass die Kinder weiter spielen. Die Theaterbühne schien der geeignete Ort zum Weiterspielen. Denn auch die Schauspieler spielen ihre Rollen. 2001 starteten wir das Projekt mit der ersten Begegnung auf der Bühne des Nationaltheaters. Sie fand am Palmsonntag statt. Wir haben extra diesen Feiertag gewählt, der in der rumänischen Kultur sehr wichtig ist. Er kündigt die Ankunft des Frühlings, mit Blumen und Sonnenschein und lächelnden Gesichtern an. Wie im Nu sind 18 Jahre vergangen…“




    Viele Initiativen, die wir Ihnen 2018 vorstellten, können als Kuriositäten bezeichnet werden. Demnach gibt es in der Stadt Iaşi einen Klub der Mondbeobachter, die Stadt Făgăraş veranstaltete ein karitatives Fahrradrennen, eine Gruppe rumänischer Architekten nahm an der Biennale in Venedig teil, um dort — im Rahmen des Projekts Mnemonics — vor dem Treppenhaus zu spielen. Rumänien beteiligte sich mit dem Projekt Mnemonics“ an der 16. Architektur-Biennale in Venedig. Mnemonics“ ist ein Raum der Kindheit, in dem sich alle Rumänen im Durchschnittsalter wiederfinden können.



    Das Einheitsmuseum in Alba Iulia war ebenfalls Schauplatz einer modernen Initiative — das Projekt Pantheon 3D wurde hier umgesetzt. Dadurch werden sämtliche Kunstwerke, die Gottheiten oder mythologische Gestalten verkörpern, mit Hilfe moderner Technologie ausgerüstet. Mit anderen Worten, sie werden durch 3D-Technologie aufgewertet, so dass unter anderem auch sehbehinderte Besucher Zugang zu den Kunstwerken haben.



    Ebenso spannend war auch die Entdeckung einer neuen Art eines prähistorischen Säugetiers im Hatzeger Geopark. Es lebte vermutlich zu Zeiten der Zwergdinosaurier in Siebenbürgen, also vor 68 Millionen Jahren, meinten die Forscher. Das neu entdeckte Fossil erhielt den Namen Litovoi.




    Wir laden Sie ein, uns auch dieses Jahr durch Rumänien zu begleiten. Wir werden mit Sicherheit auf viele Überraschungen sto‎ßen. Bleiben Sie also dran!

  • Wohlfahrtsvereine im Rumänien der Zwischenkriegszeit

    Wohlfahrtsvereine im Rumänien der Zwischenkriegszeit

    Das kommunistische Regime lie‎ß in Rumänien die philantropische Berufung und die Wohltätigkeit verkümmern. Und dies obwohl das Regime sich selbst als höchster Ausdruck der Menschlichkeit und des Mitgefühls ausgab. Die extreme Verstaatlichung des ökonomischen und politischen Lebens war dabei ausschlaggebend: In den Jahren des Kommunismus hing das Leben in einem derartigen Ausma‎ß von den staatlichen Institutionen ab und die Hilfsinitiativen standen unter einer derartig starken Kontrolle, dass die Menschen nur vereinzelt das Bedürfnis nach Wohltätigkeitsgesten verspürten.



    Aber das war nicht immer so gewesen. Im kapitalistischen Rumänien vor 1945 war der Wohltätigkeitsgeist sehr präsent. Es gab mehrere Arten von Wohltätigkeit und zahlreiche Institutionen aus Wirtschaft, Religion und Politik standen zu ihrer Berufung, Hilfsbedürftige zu unterstützen: Kriegswitwen, Veteranen, Waisen, Arbeitslose, Invaliden. Die gro‎ßen Fabriken hatten eigene Ausbildungseinrichtungen, die Berufsverbände, Gewerkschaften, kleinen Werkstätteninhaber, das Pflegepersonal, die Lehrkräfte, Anwälte und andere boten den Unbemittelten ihre Dienstleistungen kostenlos an. Die Gattinnen vermögender Leute leiteten Stiftungen, Hilfsverbände und andere Schutzeinrichtungen.



    Eine der gro‎ßen rumänischen Wohltäterinnen der Zeit war Maria Brăiloiu. Sie stammte aus der Lahovary-Familie, einer alten Familie von Gro‎ßgrundbesitzern, die innerhalb der Konservativen Partei politisch engagiert war. Gemä‎ß religiösen und konservativen Prinzipien sorgte sich Maria Brăiloiu um elternlose Mädchen. Dina Balş, Nachfahrin einer Bojarenfamilie, berichtete 1996 über eine Episode aus dem sozialen Lebenswerk Maria Brăiloius im Jahr 1919, die sie persönlich miterlebt hatte. Das Interview stammt aus dem Archiv des Zentrums für Mündliche Geschichte des Rundfunks.



    Frau Brăiloiu hatte ein Anwesen in Săruleşti, sie war ein guter Mensch, der nur Gutes tat. Sie war unter anderem bei der ‚Chindia‘, und auch bei der ‚Timişoiu‘. Timişoiu war eine Wohltätigkeitsorganisation für Waisenkinder, für Mädchen ohne Eltern. Sie hatte auf ihrem Anwesen ein Haus gebaut, in dem diese Waisenkinder gro‎ßgezogen wurden. Aber wirklich, bis sie gro‎ß waren. Als sie gefragt wurde, was sie mit den Kindern anstellen wollte, antwortete sie: »Ich will gute Ehefrauen und Mütter aus ihnen machen!« Sie brachte den Mädchen bei, wie man kocht, näht, sich um Kinder kümmert, wie man Kinder wäscht, wie man sich um die Männersachen kümmert, wie man eine Herrenjacke strickt, also wie man halt eine gute Ehefrau und Mutter wird. Und da hat sich eine sehr schöne Szene abgespielt. Zu der Einweihung dieses Heims, das nur aus ihren Geldern finanziert worden war, hatte man auch den Bildungsminister Trancu-Iaşi eingeladen. Danach wurde ein einfaches Essen im Garten von den Mädchen serviert. Und Trancu-Iaşi kam mit einem Ehrenzeichen und wollte es Frau Brăiloiu aushändigen. Sie setzte auf einmal eine eiskalte Miene auf und sagte »Nein!«. »Wie ist das denn möglich, Frau Brăiloiu, sie haben so viel getan… «, sagte der Minister. »Nicht ich habe das gemacht, sondern unser Herr Jesus Christus! Wäre Er nicht gewesen, hätte ich überhaupt nichts getan! Geben sie ihm die Auszeichnung, nicht mir!« Und sie wollte sie auf gar keinen Fall annehmen. Und danach ging Trancu-Iaşi, er steckte das Ehrenzeichen in seine Hosentasche, und unterwegs, im Zug, sagte er: »Die Dame ist interessant, sehr interessant ! Aber was für ein Charakter!«. Er war empört und zugleich bewegt, weil Frau Brăiloiu sich schickte, die Auszeichnung abzulehnen.“



    Es gab aber zur gleichen Zeit auch Gesellschaften, die die Kultur und das nationale Spezifikum förderten. Dina Balş erinnerte sich auch an die Existenz und den Auftrag der Gesellschaft Chindia“.



    Ich kann ihnen noch sagen, warum wir die rumänischen Tänze so gut beherrschten, alle, die es gibt. Dafür waren unsere Eltern verantwortlich, sie hatten eine Gesellschaft gegründet, die genau diesen Auftrag hatte: die rumänischen Volkstänze und die Volksmusik nicht verschwinden zu lassen. Und alle zwei Wochen kamen sie im Richter-Saal zusammen, das war ein Turnsaal in Bukarest, in der Luterană-Stra‎ße. Und die Ausstattung war sehr gut für die rumänischen Tänze, der Fu‎ßboden war mit Holzbrettern bekleidet und natürlich gingen wir mit den absolut authentischen Trachten dahin, um zu tanzen, die Musik dazu spielten Geiger aus mehreren Landkreisen versammelt. Und diese Gesellschaft hatte ebenfalls Maria Brăiloiu auf die Beine gestellt. Wer war alles Mitglied in der Gesellschaft? Alle waren dort, alle guten Leute.“



    Gro‎ße Kulturpersönlichkeiten Rumäniens waren Mitglieder in Kulturgesellschaften, in denen brennende und damals aktuelle Themen besprochen wurden. Eine dieser Gesellschaften hie‎ß Paranteză“ (rum. für Klammer). Dina Balş erklärte im Interview mit dem Zentrum für Mündliche Geschichte des Rundfunks die Herkunft des Namens.



    Es waren der Historiker Goga, Condeescu, Simionescu-Râmniceanu, Paul Prodan und Nona Ottescu. Und sie versammelten sich und hatten sehr interessante Sitzungen, mit sehr unterschiedlichen Themen. Einer begann zu erzählen, und dann kam es zu Abschweifungen der Abschweifungen, also Klammern in Klammern. Deshalb wurde die Gesellschaft auf den Namen ‚Klammer‘ getauft. Weil sie von einem Thema zum anderen wechselten und dabei immer eine Klammer aufmachten. Ihre Treffen fanden regelmä‎ßig statt und waren sehr angenehm, es war eine Freude, nur dabei zu sein und ihnen zuzuhören, unter anderen Goga. Goga war ein sehr angenehmer Mensch. Und immer wenn sie zusammenkamen, egal ob zum Essen oder nicht, waren selbstverständlich auch ihre Frauen dabei.“



    Die Wohltätigkeit ging Hand in Hand mit den sozialen Kontakten. Die rumänische Welt vor 1945 war von einer lebendigen Gesellschaft geprägt. Vor allem die Jahre während der beiden Weltkriege waren von einer beeindruckenden Gro‎ßzügigkeit gekennzeichnet.



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