Tag: Wohnung

  • Wahrnehmung des Kommunismus 30 Jahre danach: gemischte Bewertung

    Wahrnehmung des Kommunismus 30 Jahre danach: gemischte Bewertung

    Laut einer Meinungsumfrage glauben nach 30 Jahren seit dem Sturz der kommunistischen Regime in Osteuropa immer noch 27% der Rumänen, dass das kommunistische Regime gut für Rumänien war, weitere 30% sind hingegen der Auffassung, dass der Kommunismus schlecht war. Gleichzeitig antworten 34,4% der Befragten mit der Äu‎ßerung Die Dinge sind komplizierter; Der Kommunismus in den 1950er Jahren war eine Sache, der während des Ceauşescu-Regimes war anders.“



    Eine weitere soziologische Umfrage, die im November gestartet wurde, zeigt, dass die Hälfte der Rumänen glaubt, dass es im Kommunismus besser gewesen sei. Diese Art von Umfragen wird seit 1989 durchgeführt, und die Ergebnisse waren stets etwas anders. Zum Beispiel glaubte 20 Jahre nach der Dezemberrevolution von 1989 etwa die Hälfte der Rumänen, dass es vorher besser war, und 14% von ihnen glaubten, dass sich die Dinge nicht zum Guten geändert hätten. Unabhängig von den Unterschieden zwischen den Methoden und Ergebnissen ist es ganz klar, dass es viele positive Wahrnehmungen gibt, vielleicht genauso viele wie die negativen. Die Forscherin Manuela Marin von der West-Universität in Timişoara (Temeswar) hat in mehreren Studien das Phänomen analysiert, das als kommunistische Nostalgie“ bezeichnet wurde. Sie ist der Meinung, dass man zur Erklärung dieses Phänomens diejenigen Aspekte analysieren sollte, die die Menschen in Bezug auf die jüngste Vergangenheit als positiv wahrnehmen. Manuela Marin:



    Nach dem, was mir aufgefallen ist, geht es hier vor allem um das Wohlbefinden, das den Menschen durch die staatliche Bevormundung zuteil wird: ein stabiler Arbeitsplatz und Lebensbedingungen, die als anständig angesehen wurden, bis hin zu einer gewissen Gleichheit in der Gesellschaft. Was die Rumänen am Kommunismus meiner Meinung nach schätzten, war der bevormundende Staat, der sich in das Leben der Bürger einmischte. Auch im Hinblick auf frühere Umfragen sollte erwähnt werden, dass die Rumänen nicht wieder in das politische Regime mit all seinen Einschränkungen der Rede- und Meinungsfreiheit zurückkehren wollen. Was sie wollen, ist eine Mischung zwischen dem sozialistischen Wohlergehen und der Freiheit, die sie jetzt genie‎ßen.“




    In Wirklichkeit war der sozialistische Wohlstand eine Illusion. Wie könnte man also diese verschönte Wahrnehmung der Vergangenheit erklären? Manuela Marin versucht es und antwortet:



    Wir müssen daran denken, dass es in den 1970er–1980er Jahren und sogar in den 1960er Jahren, weil man normalerweise zwischen den verschiedenen Stadien des Kommunismus unterscheidet, den Menschen darauf ankam, eine Wohnung in einem Wohnblock zu bekommen, Zugang zu Elektrizität und hei‎ßem Wasser zu haben und auch ein stabiles Einkommen zu erlangen. Für die in den 1940er und frühen 1950er Jahren geborene Generation war das das Maximum an Wohlstand, von dem sie träumen konnte. Die 1970er Jahre gelten als die Jahre des sozialistischen Wohlstands, aber die Menschen damals hatten nichts, womit sie diesen Wohlstand vergleichen konnten. Sie erinnern sich nur an den festen Arbeitsplatz, an den Urlaub am Meer oder in den Bergkurorten und dass sie sich irgendwann eine Waschmaschine oder einen Fernseher leisten konnten. Wir müssen diejenigen verstehen, die vom Land kamen und sich in einer Stadt oder einem besser entwickelten Ort niederlie‎ßen, das war ein Schritt nach vorn in Bezug auf den materiellen Wohlstand.“




    All diese Vorteile und Fortschritte wurden vom Staat bereitgestellt, so dass die positive Wahrnehmung des Kommunismus auch eine Frage der Nostalgie für diese Art von fürsorglichem Staat ist. Im Kommunismus wurde alles vom Staat geregelt: Arbeit, Wohnung, Urlaub und sogar Freizeit. Der schnelle und traumatische Niedergang der Wirtschaft, der durch den angekündigten Übergang vom Sozialismus zum Kommunismus ausgelöst wurde, verwirrte viele und lie‎ß sie von einer Art involviertem Staat träumen, was aber seinen Preis haben sollte, wie Manuela Marin erläutert:



    Der Einzelne sah sich mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert, die alles in Frage stellten, was ihm bis dahin vertraut war: die eigene Existenz und das Leben im Allgemeinen. Es geht um das, was ich das Verschwinden des Gesellschaftsvertrages nenne. Der kommunistische Staat ist ein paternalistischer Staat, der einen gewissen ungeschriebenen Sozialvertrag mit den einfachen Bürgern abgeschlossen hat: Ich sorge für eure Grundbedürfnisse, und ihr verpflichtet euch, euch zu unterwerfen und die Entscheidungen der kommunistischen Partei oder des Staates umzusetzen.“




    30 Jahre nach dem Untergang dieses bevormundenden Staates haben es die nachfolgenden Regierungs- und Verwaltungsstrukturen nicht geschafft, die Abhängigkeit vom Staat durch das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit einiger Institutionen zu ersetzen, die bestimmte Rechte garantieren. Wir haben mehr dazu von der Historikerin Alina Pavelescu, der stellvertretenden Direktorin des Nationalarchivs in Bukarest, erfahren:



    Gegenwärtig bedeutet es für einen Bürger, sich gut aufgehoben und sicher zu fühlen, auch den anderen Mitgliedern der Gesellschaft, den Behörden und Institutionen zu vertrauen. Und dieser Mangel an Vertrauen ist verständlich, solange die Beziehungen zwischen Bürgern und Institutionen in unserem Land nicht so gut sind, mit so vielen ungelösten Fragen in den letzten 30 Jahren, die sowohl mit dem kommunistischen Regime als auch mit der postkommunistischen Zeit zusammenhängen, als viele ehemalige Bonzen des kommunistischen Regimes die öffentliche Agenda besetzten und nur ihre persönlichen Interessen verfolgten. Die Folge ist das mangelnde Vertrauen der Bürger in andere Menschen und auch in die Institutionen.“




    Andererseits sind viele der im Kommunismus entstandenen Probleme nur mühsam und teilweise gelöst worden. Ganz im Gegenteil, viele negative Aspekte haben sich hartnäckig gehalten und haben mancherorts sogar zugenommen. Und das habe bei den jungen Leuten, die glauben, dass es sich um Phänomene aus der jüngsten Vergangenheit handelt, Verwirrung gestiftet, meint Alina Pavelescu:



    Es ist ziemlich merkwürdig, dass viele junge Leute oder Menschen mittleren Alters sagen, dass es früher besser gewesen sei, wenn man bedenkt, dass diejenigen, die damals lebten, wissen sollten, dass zum Beispiel die Behandlungsbedingungen in den Krankenhäusern schrecklich waren, so viel schlimmer als heute. Das Bestechungssystem zum Beispiel stand bereits in den 1980er Jahren fest im Sattel und hatte sich in allen Krankenhäusern verbreitet.“




    Aber damit die jüngeren Generationen über all diese Dinge erfahren, sollte die Geschichte des Kommunismus besser vermittelt und verstanden werden. Bildung und geringere Erwartungen an einen paternalistischen Staat könnten Lösungen für die jüngeren Generationen sein, um die aus dieser Zeit geerbten Mentalitäten loszuwerden. Alina Pavelescu glaubt, dass Kinder heute die Chance haben, in einer offenen Gesellschaft und einer Welt zu leben, in der ihr kritisches Denken frei wachsen kann.

  • „80east“ – das Mini-Museum der Lebensbedingungen in den 1980er Jahren

    „80east“ – das Mini-Museum der Lebensbedingungen in den 1980er Jahren

    Im Dezember dieses Jahres verzeichnen wir 30 Jahre seit der antikommunistischen Revolution von 1989 in Rumänien — eine Zeit der Erinnerung, Andacht und Gedenken und vielleicht auch der Nostalgie. In der Auffassung des Vereins Funky Citizens“ ist dieses Jahr auch eine gute Gelegenheit, die bürgerliche Apathie zu bekämpfen. Ausgehend von dem Grundsatz, dass Schüler vielfältige Erfahrungen machen müssen, damit der Bildungsprozess, insbesondere in Bezug auf die politische Bildung, ein gründlicher wird, startete der Verein Funky Citizens“ ein Projekt mit dem Titel 80east“. Dabei sollen die Lebensbedingungen der Menschen in den 1980er Jahren anschaulich wiederhergestellt werden. Vereinsmitglieder rüsteten eine Wohnung mit allem aus, was die Menschen damals zu Hause hatten: von Möbeln über Haushaltsgeräte bis hin zu Dekorationsartikeln.



    Die jungen Besucher dieser Wohnung können die Kluft zwischen den vielen Dingen, die den Menschen damals fehlten, und den Rechten, die sie heute genie‎ßen, wahrnehmen. In diesem bürgerlichen Schulungslabor wird den Gymnasiumschülern die Funktionsweise des derzeitigen demokratischen Systems erklärt, um ihnen zu helfen, sich ihrer Rechte und Pflichten bewusst zu werden und zu lernen, wie sie am Entscheidungsprozess teilnehmen können. Die Anfang des Jahres eingeweihte Wohnung aus den 1980ern wurde als Minimuseum des täglichen Lebens der Menschen während der letzten Jahren des Kommunismus in Rumänien und als bürgerliches Bildungslabor konzipiert, wie Cosmin Pojoran vom Funky-Citizens-Verein sagt:



    In dieser Wohnung machen Kinder eine interaktive pädagogische Erfahrung. Wir beginnen mit Geschichten aus dem täglichen Leben der Menschen. Sie haben vielleicht zu Hause von Ceauşescu oder Gheorghiu-Dej gehört, wissen aber nichts über die persönlichen Geschichten der Menschen. Das ist, was wir tatsächlich in den Vordergrund stellen möchten: Welche Entscheidungen auf hoher Ebene getroffen wurden und wie sie das Leben der einfachen Menschen beeinflussten. Zuerst haben wir ein bisschen mit der Idee eines Museums gespielt, deshalb hat die Wohnung eine nostalgische Atmosphäre, und es wäre leicht, in einen Kult der Vergangenheit zu versinken, aber dies ist nur die erste Schicht. Kinder, die zu uns kommen, gehen aufs Gymnasium, sind also um die 18 Jahre alt und fühlen nichts von der Nostalgie derer, die diese Zeit erlebt haben. Au‎ßerdem haben wir uns zum Ziel gesetzt, eine Brücke zwischen den Generationen zu schaffen, zwischen diesen Kindern und ihren Eltern und Gro‎ßeltern. Wir möchten, dass sie nach ihrem Besuch hier nach Hause gehen und mit ihren Verwandten über den Kommunismus sprechen.“




    Interaktivität ist die wichtigste Unterrichtsmethode in der 80east“-Wohnung, wie Anabella Costache vom Funky-Citizens-Verein sagte:



    Durch Spiel und andere persönliche Erfahrungen, kombiniert mit historischen und theoretischen Informationen, können die Schüler mit dieser Umgebung interagieren und ihre eigenen Schlussfolgerungen ziehen, was in der Schule, in der politischen Bildung oder im Geschichtsunterricht nicht wirklich der Fall ist. Tatsächlich ist das Projekt von der folgenden Feststellung ausgegangen: dass das, was in der Schule unterrichtet wird, zu wenig ist, um die Schüler nachvollziehen zu lassen, was damals geschah, um ihnen zu ermöglichen die vielen Ungerechtigkeiten wahrzunehmen, die damals herrschten, damit die Heranwachsenden wissen, wie sie reagieren sollen, wenn sie Anzeichen sehen, dass ein ähnliches System wieder an die Macht kommt.“




    Nach einem Spaziergang durch die Wohnung und dem Eintauchen in die Welt voller Engpässe der 1980er Jahre werden die jungen Besucher aufgefordert, bestimmte Aufgaben zu erfüllen, die ihnen helfen, Vergangenheit und Gegenwart besser zu unterscheiden. Das erläutert Andrei Bulearcă vom Funky-Citizens-Verein, der zur Aufstellung dieser Aufgaben beigetragen hat:



    Diese Aufgaben sollen ihnen ein wenig auf die Nerven gehen und sie frustriert machen. Zum Beispiel bestand die Küchenaufgabe darin, Lebensmittel zu finden, die während des Kommunismus schwer zu bekommen waren und in der Küche nirgends zu finden sind. Offensichtlich werden sie diese Nahrungsmittel nie finden und am Ende werden wir darüber sprechen, wie frustriert sie sich darüber gefühlt haben, sie nicht zu finden. Dies wird ein Vorwand sein, über Engpässe und über das, was den Leuten damals fehlte, über einige ihrer Rechte, die damals verletzt wurden, jedoch heute in einer Demokratie gewahrt werden, zu sprechen. Somit möchte man den Unterschied zu den Entbehrungen während der kommunistischen Jahre betonen. Dadurch heben wir die Bedeutung der Demokratie hervor und betonen, warum es wichtig ist, dass junge Menschen sich am politischen Leben beteiligen.“




    Der Verein versucht daher, die eher unzureichenden Informationen über den Kommunismus, die den Schülern in der Schule zur Verfügung gestellt werden, zu ergänzen. Zum Beispiel wurde bislang nur ein Wahlkurs zur Geschichte des Kommunismus in die Lehrpläne des Gymnasiums aufgenommen und den Schülern der 11. und 12. Klasse angeboten. Einige der Schüler, die an dem 80east-Projekt teilgenommen haben, hatten jedoch bereits Hintergrundinformationen von ihren Familien. Anabella Costache:



    Wir waren angenehm überrascht, festzustellen, dass viele Leute über den Tag des 17. Dezember 1989 [Tag des Ausbruchs der antikommunistischen Revolution im westrumänischen Temeswar — Anm. d. Red.] sprachen. Diesen Tag heben wir auf besondere Weise hervor, indem wir eine von Radio Freies Europa an diesem Tag ausgestrahlte Sendung spielen. Die Aufnahme, die wir spielen, sollte dazu dienen, einen verschlüsselten Brief an einen Freund in der Bundesrepublik Deutschland zu schreiben, in dem sie Informationen über das Geschehen in Rumänien verlangen, da Ceauşescu eines im öffentlichen Fernsehen sagte und man von Radio Freies Europa etwas völlig anderes erfuhr. Der Brief musste verschlüsselt sein, da Briefe früher von der Securitate (der ehemaligen politischen Polizei) geöffnet wurden und das Briefgeheimnis somit verletzt wurde.“




    Zweifellos besteht Bedarf an Aufklärung und Information über den Kommunismus. Ein Beweis dafür sind ältere Meinungsumfragen, da dieses Thema in letzter Zeit nicht erforscht wurde. Im Jahr 2010 gaben 44% der Rumänen an, dass der Kommunismus eine gute, aber nicht richtig umgesetzte Idee“ gewesen sei. In jüngerer Zeit, im Jahr 2016, antworteten mehr als die Hälfte der Befragten (52%), die bei einer soziologischen Umfrage gebeten wurden, die Leistung der kommunistischen Partei im Vergleich zu den gegenwärtigen Parteien zu bewerten, dass die Kommunisten besser“ regiert hätten, während nur 18% von ihnen schlechter“ antworteten. Über 40% der jungen Befragten glaubten, dass die Kommunistische Partei Rumäniens besser gewesen sei als die derzeitigen Parteien.



    Andrei Bulearcă, 21, Student an der Fakultät für Politikwissenschaften, hat eine Erklärung für die Meinungen der Generation, der er angehört:



    Junge Menschen haben diese Zeiten einfach nicht erlebt, au‎ßerdem haben wir kein Museum der Zeitgeschichte und nur eine Handvoll Kurse zur Geschichte des Kommunismus im Gymnasiums-Unterricht. Sie verfügen nicht über ausreichende Informationsquellen über den Kommunismus. Sie sind jedoch der Meinung, dass es damals besser war, weil sie, meiner Meinung nach, tatsächlich mangelndes Vertrauen in die gegenwärtigen oder jüngsten Regierungen Rumäniens zeigen.“




    Die Menschen können ihre Enttäuschung über die Funktionsweise des derzeitigen Systems und der derzeitigen Institutionen nur dann überwinden, wenn sich der gegenwärtige Stand der Dinge ändert. Dies kann nur durch Wissen und Beteiligung der Bürger erreicht werden und dafür macht sich der Verein Funky Citizens“ stark.

  • Das Văcăreşti-Delta und seine Bewohner

    Das Văcăreşti-Delta und seine Bewohner

    Mitte der 1980er Jahre beschloss das kommunistische Regime, ein symbolisches Denkmal der Hauptstadt Bukarest niederzurei‎ßen: das Kloster Văcăreşti, das Mitte des 18. Jahrhunderts errichtet wurde. In der Nähe des ehemaligen Klosters sollte ein künstlich angelegter See eingerichtet werden, die Bauarbeiten hatten bereits früher begonnen. Als der antikommunistische Aufstand 1989 ausbrach, verzichteten die Behörden auf das geplante Projekt und das 190 Hektar breite Gelände wurde indes zu einem Feuchtgebiet, das ebenfalls einen gro‎ßen wissenschaftlichen Wert aufwies. Es handelte sich um ein wahres Ökosystem mit einer Tier- und Pflanzenwelt, die jener eines Deltas ähnlich sind. Über 90 Vogelarten (Reiher, Kormorane, Möwen, Schwäne, Blässhühner, Wildenten — viele davon durch internationale Regelungen geschützt), Säugetiere, Fische, Amphibien fanden hier ein Zuhause. Es gibt zudem klare Beweise dafür, dass im Văcăreşti-Delta“ auch der Otter lebte.



    Die Nichtregierungsorganisation Rettet die Donau und das Delta“ hat ein Projekt angesto‎ßen, das den Văcăreşti-Sumpf zu einem Naturpark in der Stadt umwandeln soll. Um ein deratiges Projekt zu entwickeln, müsste man nicht nur bürokratische, sondern auch soziale Schwierigkeiten aller Art überwinden. Der Leiter der Organisation Rettet die Donau und das Delta“, Dan Bărbulescu, erläutert:



    In diesem Gebiet üben viele die Wilderei aus. Wir sind der Meinung, dass sich die rumänischen Behörden mehr dagegen einsetzen müssten. Wir haben eine gute Zusammenarbeit mit dem Umweltministerium entwickelt. Wir kommen mit Vertretern des Ministeriums regelmä‎ßig zu Gesprächen über dieses Projekt zusammen. Das Projekt ist auf den ersten Blick leicht umzusetzen, in Wirklichkeit müssen wir aber viele Schwierigkeiten überwinden. Selbst mit der Unterstützung des Umweltministeriums legt uns die Mentalität verschiedener Beamten zahlreiche Hindernisse in den Weg. Das Areal hat zudem das Interesse einiger Immobilieninvestoren erweckt, die hier Wohnblocks und Shopping Malls bauen wollen.“



    Der Văcăreşti-Sumpf gehört derzeit niemanden, das Areal bietet obdachlosen Menschen eine Beherbergung. Andere fischen oder sammeln Abfall, der hier in gro‎ßer Menge existiert. Die meisten erwarten Spenden von Wohltätigkeitsorganisationen. So ist der Fall von Aurelia, die in der Gegend in einer improvisierten Baracke wohnt. Sie ist nicht die einzige, die hier eine Unterkunft gefunden hat.



    Wir sind eine Familie — ich, der Ehemann, die Kinder und die Schwiegermutter — und neben uns wohnt sein Bruder, mit ihm auf dem selben Hof wohnen noch weitere 5-6 Familien. Etwas weiter vor leben noch drei Familien, sie haben sieben Kinder. In einer anderen Baracke lebt noch eine Familie mit 12 Kindern. Es ist sehr schwer für uns, so zu leben. Vor allem für die Kinder ist es schwer in der Schule, sie haben ja kein Licht, um ihre Hausaufgaben zu machen. Wir haben auch keine Heizung.“



    Die widrigen Bedingungen machen es den Familien sehr schwer, die Kinder zur Schule zu schicken. Und dennoch besuchen die zwei älteren Jungen und die zwei Mädchen ziemlich regelmä‎ßig den Unterricht. Weil ihre Familie seit geraumer Zeit über keine eigene Wohnung verfügt, konnte die mittlere Tochter, Alina, nicht rechtzeitig eingeschult werden. Sie ist jetzt 12 Jahre alt und erst in der dritten Klasse. Wenn sie manchmal danach gefragt wird, warum sie mit 12 erst die dritte Klasse besucht, antwortet Alina:



    Weil mich meine Mutter spät zur Schule geschickt hat. Es hätte mir gefallen, wenn ich früher dorthin gegangen wäre und mehr gewusst hätte. In Zukunft würde ich gerne gut lernen.“



    Die Familie muss seit vielen Jahren unter diesen Umständen leben, erzählt Aurelia.



    Seit 15 Jahren leben wir so, wie Sie sehen können, in Baracken. Wir hatten auch im Metalurgiei-Viertel früher Baracken; dort haben wir 13 Jahre lang gewohnt, auf einem Grundstück, das verkauft wurde. Hierher bin ich auf Empfehlung meines Bruders gekommen. Er hat mich hierher gebracht, weil er ebenfalls hier wohnt. Ich wei‎ß gar nicht, wem dieses Grundstück gehört. Wir gehen durch die Plattenbauten, sammeln wiederverwertbares Material ein, von Plastikflaschen bis hin zu Altpapier, Konservendosen und Kupferkabeln. Wir kennen uns mit dem Angeln nicht aus. Wir kommen über die Runden, wie wir das bereits seit Jahren tun. Und wir werden so weitermachen, bis wir einen Arbeitsplatz gefunden haben.“



    Mit der Verbesserung der Lebensbedingungen und der Berufssituation befasst sich seit einigen Jahren der Verein Samusocial. Die angebotene Unterstützung besteht aus der Besorgung von Personalausweisen, Schulsachen, Kleidung und Schuhen und der Hilfe bei der Arbeitssuche. Und das ist aus mehreren Gründen problematisch, wie Monica Tăutul von Samusocial berichtet:



    Wir finden Arbeitsplätze für diese Menschen, die meisten sind aber Saisonjobs. Wir müssen leider über Schwarzarbeit reden. In kurzer Zeit kommen sie zu ihrem alten Leben zurück und verlangen unsere Hilfe. Wir als Verband nehmen uns vor, nebst einem Arbeitsplatz auch eine Wohnung für diese Menschen zu finden. Eine Person, die auf der Stra‎ße schläft, kann natürlich nicht gut arbeiten, weil sie sich nicht gut ausruht. Die Ernährung ist nicht sehr bedeutend. Wesentlicher ist die Hygiene. Der Arbeitgeber denkt, dass diese Personen nicht einmal die Grundpflichten erfüllen können und verzichtet deshalb auf ihre Arbeit.“



    Wohnungen in Bukarest zu finden, ist allerdings keine leichte Aufgabe. Ideal wäre es für die Bewohner des Văcăreşti-Sumpfs, weiterhin hier leben zu dürfen. Die Gründer des Projekts für die Erklärung Văcăreşti-Sumpfs zum geschützten Naturpark haben konkrete Vorstellungen. Dan Bărbulescu, Exekutivdirektor des Verbandes Salvaţi Dunărea şi Delta“ (Rettet die Donau und das Delta) dazu:



    Wir wissen, dass hier zahlreiche Familien leben. Wir wollen sie nicht von hier vertreiben. Sie leben im Delta und sie müssen ihr Leben weiterhin hier verbringen. Die Lebensbedingungen müssen aber verbessert werden. Es gibt Sozialfälle und sie brauchen die Hilfe des Staates. Wir kommen mit den Ideen, eine davon wäre, dass diese Menschen eine Art Rangers, Reiseleiter oder Wächer werden könnten. Wir kommunizieren miteinander. Vor zwei Tagen hat uns ein Bewohner angerufen und gesagt, man hacke Bäume ab. Das ist ein weiteres Problem. In jedem Herbst braucht man Holz für das Feuer. Der Park muss besser überwacht werden. Die Berwohner könnten sich daran beteiligen.“



    Das Projekt erfreut sich der Unterstützung des Umweltministeriums und der Rumänischen Akademie und die Betreiber kämpfen heute gegen die Bürokratie der Lokalverwaltung und die Rückerstattungen an. Danach soll die Initiative vom Parlament gebilligt werden.



    Audiobeitrag hören: