Category: Kulturchronik

  • Kostümbildnerin Dana Păpăruz über ihre Erfahrung am Set preisgekrönter Produktionen

    Kostümbildnerin Dana Păpăruz über ihre Erfahrung am Set preisgekrönter Produktionen

    ‚Hinter den Hügeln‘ (in der Regie von Cristian Mungiu), ‚La Gomera‘ (Regisseur Corneliu Porumboiu), ‚RUXX‘ (in der Regie von Iulia Rugină und Octav Gheorghe), ‚Boss‘ (in der Regie von Bogdan Mirică), ‚Schatten‘ (in der Regie von Igor Cobileanski, Bogdan Mirică), ‚Warboy‘ (Regisseur Marian Crișan) sind nur einige davon. Für ihre Leistungen wurde Dana Păpăruz mit drei Gopo Preisen ausgezeichnet: 2016 und 2017 für die Filme des Regisseurs Radu Jude ‚Aferim!‘ und ‚Inimi Cicatrizate‘ (‚Vernarbte Herzen‘), und 2019 für „Moromeții 2“, den zweiten Teil der Moromeții-Trilogie in der Regie von Stere Gulea. „Aferim!“, der bei den Berliner Filmfestspielen den Silbernen Bären für die Regie gewann, spielt in der rumänischen Landschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts. „Vernarbte Herzen“ ist von dem autobiografischen Roman des Schriftstellers Max Blecher inspiriert, der im Jahr 1937 veröffentlicht wurde.

     

     

     

    Der Anfang 20-jährige Emanuel, der an Knochentuberkulose leidet, ist Patient in einem Sanatorium an der Schwarzmeerküste. Dort sind Menschen untergebracht, deren Knochen sich einfach auflösen, und Gipskorsette hindern sie daran, auseinanderzubrechen. Doch Emanuel hat seinen ganz eigenen Humor nicht verloren, und er amüsiert sich oft über seine Lebenssituation und seine Umwelt. Über ihre Erfahrung bei diesen Projekten sagte Dana Păpăruz: „‚Aferim!‘  war wirklich hart, ich glaube, es war das Projekt, das meinen Wert irgendwie erhöht hat. Für ‚Vernarbte Herzen‘ war das Budget kleiner als für ‚Aferim!‘ und es war eine neue Herausforderung, weil es in einer völlig anderen Zeit spielt. Das ganze wäre nicht möglich gewesen ohne eine Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen für Maskenbildner und Bildhauer, die die Gipsfiguren für die an Knochentuberkulose erkrankten Filmfiguren herstellten, die auf mobilen Betten ausgestreckt werden mussten. Die große Herausforderung bestand darin, dass ich die Kostüme auf der Grundlage dieser Abdrücke anfertigen musste, also die meisten Kostüme in diesem Projekt wurden von meinem Team angefertigt, nur wenige wurden ausgeliehen. Zumindest für die von Ivana Mladenovic gespielte Figur von Solange wurde viel investiert, etwa die Hälfte des Budgets, das uns zur Verfügung stand.

     

     

     

    Die Handlung von ‚Vernarbte Herzen‘ spielt in der Zwischenkriegszeit, die sehr modern war und viele Menschen wollten die europäische Mode übernehmen. All dies hat mir geholfen, meine Vorstellungskraft voll auszuschöpfen. Außerdem ist ‚Vernarbte Herzen‘ eines der Projekte, bei denen ich sehr geschätzt habe, dass ich dank dem Regisseur Radu Jude wirklich kühne Ideen einbringen durfte. Ein Beispiel dafür ist der Vogelhut, den Ivana Mladenovic trägt. Inspiriert wurde ich zu diesem Hut durch ein Vogue-Titelbild aus dem Jahr 1939, das ich Radu Jude zeigte, der meine Idee akzeptierte. Wir mussten natürlich nach Varianten suchten, um den Hut herzustellen. Ich dokumentierte die Kostüme mit allem, was ich aus dieser Zeit finden konnte, mit Modemagazinen, Fotos rumänischer Künstler und natürlich mit Büchern.“

     

     

    Eine weitere wichtige Zusammenarbeit für die Karriere von Dana Păpăruz war die mit dem Regisseur Cristian Mungiu für die Produktion „Hinter den Hügeln“ aus dem Jahr 2012. Der von Cristian Mungiu geschriebene, inszenierte und produzierte Film ist von den Sachbüchern der Schriftstellerin Tatiana Niculescu inspiriert, die den Fall des Exorzismus einer Nonne im Kloster Tanacu im Kreis Vaslui thematisieren. Dana Păpăruz: „Im Prinzip sollte „Hinter den Hügeln“ kein komplizierter Film werden, was die Kostüme angeht. Außerdem lässt Cristian Mungiu einem normalerweise alle Freiheiten und erwartet, dass man selbst Vorschläge macht. Aber der komplizierte Teil, mit dem wir nicht gerechnet hatten, war die Tatsache, dass die Figuren bestimmte Kostüme tragen, und es ist sehr schwierig, so etwas vor Ort zu dokumentieren, in einem Kloster, in einer sehr geschlossenen Umgebung.  Aber wir hatten das Glück, dass die Hauptdarstellerinnen einige Zeit in einem Kloster verbringen konnten, und das hat uns sehr geholfen zu verstehen, was das Klosterleben ausmacht. Dana Tapalagă, die im Film die Äbtissin des Klosters spielt, versuchte Details herauszufinden, die für uns sehr nützlich waren, wie sie zum Beispiel den Schleier oder die Kopfbedeckung machen, die die Nonnen immer tragen müssen.“

     

     

     

    Dana Păpăruz hat zuletzt mit dem Regisseur Stere Gulea zusammengearbeitet, der Ende letzten Jahres „Moromeții 3“ herausbrachte, einen Film, der eine einzigartige Trilogie im rumänischen Kino abschließt, die auf den Romanen und dem Leben des Schriftstellers Marin Preda basiert. Dana Păpăruz: „Das ist ein Film, der auf einer tiefen Ebene die Veränderungen erklärt, die die 1950er Jahre für Rumänien gebracht haben. Es war ein sehr anspruchsvolles Projekt für mich, ich hatte während der Dreharbeiten keinen einzigen freien Tag, ich musste auch zu Hause arbeiten. Gleichzeitig handelt es sich um einen frischen Film, was die Kostüme angeht, und ich denke, dass es eine überraschende Geschichte sein kann, vor allem für junge Zuschauer“. „Moromeții 3“ hat beim TIFF/ Transilvania International Film Festival 2024 den Publikumspreis gewonnen und wurde auf mehreren nationalen Filmfestivals gezeigt.

     

     

     

     

     

  • „Horror Vacui”: Die ausgesetzten Kinder des Kommunismus

    „Horror Vacui”: Die ausgesetzten Kinder des Kommunismus

    Diese Theateraufführung „Horror Vacui“ hatte das Ziel, starke Emotionen zu wecken und gleichzeitig auf ein traumatisches Kapitel der rumänischen Vergangenheit aufmerksam zu machen: die massenhafte Aussetzung von Kindern während der kommunistischen und frühen postkommunistischen Ära. Mehr als eine Million Kinder wurden damals im Stich gelassen – Opfer eines Systems, das sie zu „Niemandskindern“ machte. Das Projekt versteht sich als kulturelle Initiative, die sozialen Wandel fördern und die gesellschaftliche Widerstandskraft stärken will. Der Schauspieler, Dramatiker und Initiator des Projekts ‚Horror Vacui‘, Alexandru Ivănoiu, sprach mit uns über die Inspiration hinter dem Projekt.

     Diese Frage wird mir in letzter Zeit oft gestellt – und an jedem Aufführungstag scheint sich meine Antwort zu ändern. Heute wurde mir bewusst, dass ich diese Performance auch ins Leben gerufen habe, um meine Schauspielerkollegen näher zusammenzubringen, damit sie über ästhetische oder politische Differenzen hinwegsehen. Ich wollte wissen, ob es uns gelingt, Menschen um ein gemeinsames Projekt, eine Idee zu versammeln – vielleicht 500. In einer Zeit, in der es so leicht ist, Unterschiede zu finden und sie als triftige Gründe zu nutzen, um andere zu meiden, schien mir das eine wichtige Herausforderung.
    So wie jede Geschichte in unserer Performance das Thema Verlassenwerden berührt, erforschen wir gleichzeitig das Gegenteil: Verbundenheit. Und als Künstler erkennen wir, dass es Momente gibt, in denen das, was wir gemeinsam erschaffen, wichtiger ist als das, was wir allein tun.

    Die in der Event-Performance ‚Horror Vacui‘ verwendeten Texte basieren auf Zeugnissen und Geschichten, die im Museum des Verlassenwerdens archiviert wurden, sowie auf Werken zeitgenössischer Autoren. Sie formen eine kollektive Reflexion über die Anerkennung der Vergangenheit und den Wiederaufbau der Zukunft. Darüber hinaus schafft diese Initiative einen intimen, fortlaufenden Raum für den Dialog und die Suche nach Lösungen. Alexandru Ivănoiu erzählt uns mehr über die Objekte, auf die sich dieses Projekt stützte.

    Wir können von mindestens 253 Beispielen, Zeugnissen, Aussagen, Fotos und Materialien sprechen, die uns das Museum des Verlassenwerdens zur Verfügung gestellt hat, um sie in ‚Horror Vacui‘ einzubinden. Ergänzt werden diese durch Texte zeitgenössischer Autoren sowie gespendete Texte und Zeugnisse – unter anderem von anderen NGOs und sozialen oder kulturellen Akteuren, die sich mit dem Thema Verlassenheit auseinandersetzen. Insgesamt war es eine gewaltige gemeinschaftliche Anstrengung, an der über 505 Mitwirkende beteiligt waren. Besonders dankbar sind wir also dem Museum des Verlassenwerdens: Durch ihre Archivarbeit konnten wir dieser Performance neues Leben einhauchen.

    Was waren die größten Herausforderungen bei diesem Projekt?

    Die größte Herausforderung war zweifellos die Programmgestaltung. Es ist extrem schwierig, die Zeitpläne von 500 Schauspielern zu koordinieren, zumal für ein Projekt dieser Größenordnung oft nur ein begrenztes Zeitfenster zur Verfügung stand. Gleichzeitig ist es paradox – denn ich glaube nicht, dass es je eine passendere Zeit als diese gegeben hat. 500 Schauspieler in nur zwei Monaten zusammenzubringen, war also eine gewaltige Aufgabe, aber nicht unmöglich.

    Welches war das Ziel hinter dem gesamten Vorhaben – lautete die nächste Frage an Alexandru Ivănoiu, dem Initiator des Projekts ‚Horror Vacui‘.

    Unser vorrangiges Ziel mit diesem Vorhaben ist letztlich eine Gesetzesänderung. Wir fordern offiziell – gemeinsam mit Papercuts, dem Museum des Verlassenwerdens und mehreren NGOs – die Einrichtung einer Kommission, die Missbrauchsfälle in Kinderheimen von 1966 bis 2007 dokumentiert und untersucht. Wir wollen recherchieren, um ein Gesetz zu schaffen, das Klarheit darüber gibt: Wie viele Betroffene gibt es? Wer sind sie? Und was ist ihnen widerfahren?

    Denn wir sind überzeugt, dass nur ein solches Gesetz echten Wandel ermöglichen kann. Solange es weder Konsequenzen noch Anerkennung gibt, bleibt der Missbrauch ein unbearbeitetes Kapitel. Doch Anerkennung wäre bereits ein großer Schritt zur Heilung – und sie ist so einfach umzusetzen.

    Alexandru Ivănoiu sprach zum Abschluss auch über die Menschen, die an der Realisierung des Theaterprojekts beteiligt waren, sowie über die Reaktion des Publikums auf ‚Horror Vacui‘.

     „Insgesamt war die Reaktion derjenigen, die an dem Projekt teilgenommen haben, sehr positiv. Wir haben ein Netzwerk von Freiwilligen und aufgeschlossenen Akteuren aufgebaut, die nicht nur Informationen geteilt, sondern auch positiv über die Idee gesprochen haben. Ich denke, sie sind auch zu Botschaftern unserer Mission geworden. Die Reaktion des Publikums ist ebenfalls sehr schön. Am Erfreulichsten ist, dass wir um 4 oder 5 Uhr morgens immer noch Zuschauer haben. Die Menschen wachen auf, um ihre Freunde, Familienangehörigen oder Kollegen zu sehen, und bleiben dann, um auch andere zu sehen. So entsteht eine kleine Gemeinschaft, die etwas ganz Besonderes ist.

  • Casa Radio legt Nina Cassian erneut auf

    Casa Radio legt Nina Cassian erneut auf

    Nina Cassian war nicht nur Lyrikerin, sondern auch Essayistin, Übersetzerin, Komponistin und bildende Künstlerin. Sie entstammte einer jüdischen Familie und bewegte sich bereits als Jugendliche in linken intellektuellen Kreisen. Mit 16 Jahren trat sie der damals verbotenen Kommunistischen Jugendorganisation bei, angetrieben von der Idee, die Welt von fundamentalen Gegensätzen zwischen Geschlechtern, Rassen, Völkern und Klassen zu befreien.

    Ihr literarisches Debüt gab sie 1947 mit dem surrealistischen Lyrikband La scara 1/1  (deutsch: Größenordnung 1/1). Nach einem ideologischen Angriff in der Parteizeitung Scânteia begann sie vorübergehend, sich dem sozialistischen Realismus zuzuwenden, kehrte aber „nach einer Umweg von etwa acht Jahren“, wie sie selbst sagte, zur authentischen Poesie zurück. Zudem schrieb sie Kinderliteratur und übersetzte Werke von Shakespeare, Bertolt Brecht, Christian Morgenstern, Iannis Ritsos und Paul Celan. Ein Kinderbuch über zwei Tigerjunge (Originaltitel: Povestea a doi pui de tigru numiţi Ninigra şi Aligru) brachte ihr 1969 den Preis des Rumänischen Schriftstellerverbands ein.

    1985, während eines Aufenthalts als Gastprofessorin an der New York University, erfuhr Cassian von der Verhaftung und Ermordung ihres Freundes Gheorghe Ursu, in dessen von der Securitate sichergestellten Tagebuch auch ihre eigenen regimekritischen Äußerungen vermerkt waren. Sie entschied sich, in den USA zu bleiben. In Rumänien wurden ihre Bücher verboten und ihre Wohnung enteignet. In den USA veröffentlichte sie Übersetzungen ihrer rumänischen Gedichte (Life Sentence) sowie Werke auf Englisch (Take My Word for It!, Blue Apple und Lady of Miracles), für die sie 1994 den Golden Lion Award der New York Library erhielt. Die letzten 30 Jahre ihres Lebens verbrachte sie in New York, wo sie ihre Memoiren schrieb – ein dreibändiges Werk, das zwischen 2003 und 2005 in Rumänien erschien.

    Die Neuauflage des Hörbuchs “Dans” – auf Deutsch Tanz – wurde von Cosmin Ciotloș betreut und bei einer Veranstaltung des Verlags Casa Radio präsentiert. Zu den Gästen gehörten der Regisseur Alexandru Solomon und der Schriftsteller Călin-Andrei Mihăilescu. Ciotloș betonte die stilistische Relevanz von Cassians Werk: „Mich interessiert, wie viel von Nina Cassian in der heutigen rumänischen Poesie noch lebendig ist. Viele Sprachspiele in den Gedichten von Florin Iaru lassen sich auf sie zurückführen. Auch manche von Mircea Cărtărescus Gedichte, die  eigentlich auf Ion Barbu abstellen, tragen ihr stilistisches Erbe. Junge Dichter von heute, darunter Ioan Coroamă, Florentin Popa und Mihnea Bâlici, stehen ihrer Poesie näher, als man denkt. Cassians Werk ist mehr als ein nostalgisches Erinnerungsstück – es bleibt eine lebendige, produktive poetische Form.“

    Călin-Andrei Mihăilescu, seit den späten 1980er Jahren in Kanada ansässig, kannte Cassian noch aus den Sommern im Schwarzmeerdorf 2 Mai und später aus ihrer Zeit in New York. Er beschrieb sie als außergewöhnliche Persönlichkeit: „In diesem Hörbuch kann man Nina Cassians Stimme vernehmen, aufgenommen zwischen den 1950er- und den frühen 2000er-Jahren. Ihre Stimme gehörte zu den großen rumänischen Stimmen: gebildet, klug, raffiniert und zugleich erotisch. Ich habe sie in ihren letzten 20 Jahren in New York näher kennengelernt. Wir veranstalteten Creative-Writing-Workshops – mal auf Rumänisch, mal auf Englisch. Nina hatte dabei immer eine Flasche Whisky, oft von minderer Qualität, aber stets als Literflasche, und sie konnte jeden unter den Tisch trinken. Sie rauchte mehr als ich – und glauben Sie mir, ich rauche wirklich viel. Sie war eine Diva. Eine Diva, die in einer recht schäbigen Hochhauswohnung auf der Roosevelt Island lebte, aber ihre Wohnung war voller Zeitschriften, darunter Gazeta Literară und România Literară, und sogar ein Paris Match aus dem Jahr 1968 mit einem Bericht über Charles de Gaulles Besuch in Bukarest.“

    Ein besonders bewegender Moment der Veranstaltung war die Vorführung eines Kurzfilms von Alexandru Solomon. Die Aufnahmen, die er als Jugendlicher in Vama Veche gemacht hatte, zeigten Nina Cassian gemeinsam mit seiner Mutter, der Malerin und Kunsthistorikerin Yvonne Hasan, und weiteren Künstlerfreunden.

  • Digitale Archäologie im Stadtmuseum Bukarest

    Digitale Archäologie im Stadtmuseum Bukarest

    Die Ausstellung nimmt Besucher mit auf eine faszinierende virtuelle Reise in die Vergangenheit der Hauptstadt – von der Stadt Bukarest im 15. bis zum 19. Jahrhundert. Sie bietet neue Einblicke in das tägliche Leben und die Entwicklung Bukarests.

    Kuratorin Alina Streinu sprach mit uns über die Ausstellung und das dahinterstehende Projekt.

    Die Ausstellung wurde im Rahmen eines von der Verwaltung des Nationalen Kulturfonds kofinanzierten Projekts organisiert, das die mittelalterliche Geschichte Bukarests aus keramischer Perspektive beleuchtet. Das Projekt entstand in Zusammenarbeit mit Kollegen des Nationalen Instituts für Kulturerbe und hatte das Ziel, Keramikfunde aus archäologischen Kontexten symbolträchtiger Gebiete Bukarests sichtbar zu machen. Dafür wählten wir aus dem Erbe des Stadtmuseums jene Gefäße aus, die wir als besonders repräsentativ erachten – sie stammen aus diesen historischen Stadtgebieten und erzählen noch heute vom häuslichen Leben der Bukarester im 17., 18. und 19. Jahrhundert.

    Welche Gefäßarten wurden bei den archäologischen Ausgrabungen entdeckt, die die Grundlage der Ausstellung bilden? Woher stammen sie, und welche Erkenntnisse liefern sie?

    Im Laufe des Projekts stellten wir fest, dass die meisten gefundenen Keramikobjekte vor allem Küchen-, Koch- und Serviergefäße sind. Während die Küchenkeramik eine bemerkenswerte Einheitlichkeit aufweist und sich in vielerlei Hinsicht ähnelt, zeigen sich bei der Servierkeramik einige interessante Unterschiede. So fanden wir beispielsweise Krüge, die jenen aus dem Osmanischen Reich stark ähneln, sowie Bierkrüge mit deutlichen Parallelen zu germanischen Vorbildern. Zudem entdeckten wir Mineralwasserkrüge und andere kleine Artefakte, die als Importgüter nach Bukarest gelangten – ein Zeugnis der Handelsbeziehungen zwischen der Walachei und den großen Handelsmächten jener Zeit.

    Alina Streinu berichtet uns auch über die digitale Komponente der Ausstellung im Suțu-Palast – die Website mmb.cimec.ro. Sie dient als digitaler Katalog der archäologischen Forschungen zu den in der Hauptstadt entdeckten Keramiken.

    Die archäologischen Untersuchungen des Stadtmuseums Bukarest begannen in den 1950er Jahren und werden bis heute fortgesetzt, um Funde ans Licht zu bringen, die das schriftliche Geschichtsbild Bukarests ergänzen, erklärt Streinu.

     Das Projekt und die Ausstellung gehen auch mit dem Start der Website mmb.cimec.ro einher, auf der die Ergebnisse dieser Forschungen präsentiert werden. Dort sind Bilder von 300 Keramikobjekten aus dem Bestand des Bukarester Stadtmuseums zu sehen, von denen 150 von Kollegen des Nationalen Instituts für Kulturerbe in 3D gescannt wurden. Zudem wurden auf der Website Archivaufnahmen des Stadtmuseums aus den 1950er, 1960er und 1970er Jahren veröffentlicht, die archäologische Forschungen an historischen Stätten in Bukarest dokumentieren.

    Kuratorin Alina Streinu erläutert weiter die Intention hinter der Ausstellung „Digitale Archäologie“ im Stadtmuseum.

    Eine der treibenden Ideen hinter diesem Projekt und der Ausstellung war es, ein neues Publikum anzusprechen. Deshalb haben wir auch neue Techniken wie die 3D-Technologie eingesetzt, um das kulturelle Erbe aufzuwerten und zu fördern. Durch den Einsatz dieser innovativen Methoden, die wir für die präzise und kohärente Dokumentation von Kulturgütern für absolut relevant halten, konnten wir auch ein jüngeres Publikum erreichen. Am Ende des Projekts organisierten wir sogar einen Workshop an der Fakultät für Geschichte, bei dem wir alle Materialien des Projekts vorstellten. Besonders die Studenten, die jüngeren Kollegen, zeigten großes Interesse an der 3D-Technologie – insbesondere daran, wie die 3D-Modelle erstellt wurden und der gesamte Bearbeitungsprozess dahinter aussieht. Es besteht also echtes Interesse von jungen Fachleuten, mit denen wir hoffen, in Zukunft zusammenzuarbeiten, um diese neuen Techniken weiterzuentwickeln und das kulturelle Erbe noch wirkungsvoller zu dokumentieren und zu fördern.

    Zum Abschluss unserer Diskussion gab Alina Streinu einen Überblick über die archäologischen Stätten in der Hauptstadt, aus denen die Ausstellungsstücke im Bukarester Stadtmuseum stammen.

    Die meisten der digitalisierten Gefäße, die sowohl online als auch in der Ausstellung im Suțu-Palast zu sehen sind, stammen aus Forschungen, die im Umkreis der Straßen der heutigen Altstadt von Bukarest durchgeführt wurden. Diese Forschungen wurden hauptsächlich von Archäologen des Bukarester Museums koordiniert, aber es gab auch Ausgrabungen in anderen Bereichen, wie dem Cotroceni-Palast, dem Radu-Vodă-Hügel und der St.-Nikolaus-Udricani-Kirche. Die jüngsten Ausgrabungen gehören zu den neuesten Entdeckungen.

  • Dokumentarfilm wirft gnadenloses Licht auf desolate Wohnzustände

    Dokumentarfilm wirft gnadenloses Licht auf desolate Wohnzustände

    Der Tod des Iosif Zagor (Orginaltitel: Moartea lui Iosif Zagor), das Dokumentarfilmdebüt von Adi Dohotaru ist eine der bewegendsten rumänischen Produktionen von 2024. Beim Astra Film Festival von Sibiu wurde er lobend erwähnt, das One World Romania Festival zeigte ihn als Auftaktevent. Dohotaru erzählt die Geschichte des Videografen Iosif Zagor, der seine letzten vier Lebensjahre dokumentiert – geprägt von Einsamkeit, Krankheit und der Angst vor Zwangsräumungen aus drei verschiedenen Unterkünften, in denen er unter prekären Bedingungen seinen Lebensabend verbrachte.

    Mit seiner alten Kamera hält Iosif Zagor das eigene Leben und das anderer Menschen in Sozialwohnungen fest. Das zentrale Thema des Dokumentarfilms – das Wohnen – wird aus der Perspektive der Verwundbarkeit betrachtet und zeigt, wie es für immer mehr Menschen zunehmend schwierig wird, an Wohnraum zu kommen. Der Film beleuchtet auch die oft missbräuchlichen Zwangsräumungsverfahren und ihre Auswirkungen auf Betroffene.  Die Dokumentation gibt Iosif Zagor eine Stimme und schafft einen Rahmen der Selbstdarstellung, in dem verwundbare Menschen ihre Geschichten selbst erzählen und sichtbar werden können.

    Regisseur Adi Dohotaru erinnert sich:
    2017 machten mich Freunde aus der Zivilgesellschaft auf die Lage von Menschen aufmerksam, die von Zwangsräumung bedroht waren – etwa 50 Personen. So lernte ich Iosif Zagor und seine Nachbarn kennen. Iosif hatte eine alte, staubige Kassettenkamera, die er lange nicht benutzt hatte. Ich bat ihn, seine eigene Situation und die seiner Nachbarn zu filmen, um die Behörden und die Öffentlichkeit auf ihr Problem aufmerksam zu machen. Zwar konnten wir die Räumung damals nicht verhindern, aber zumindest hinauszögern – sodass die Betroffenen nicht mitten im Winter obdachlos wurden. Ich blieb mit Iosif und einigen seiner Nachbarn in Kontakt und durch die Arbeit wurden wir mit der Zeit echte Freunde. So entstand die Idee, einen Film zu drehen, der vulnerablen Menschen eine Stimme gibt.

    Adi Dohotaru arbeitet mit der Methode der sogenannten Partizipativen Aktion und nutzt in seinen Projekten die Technik der performativen Anthropologie, um seine Mitwirkenden in den Mittelpunkt zu stellen. Er schreibt Gesetze und Gedichte, betreibt zivilgesellschaftliche und umweltbezogene Forschung.
    „Ich habe den Tod des Iosif Zagor gedreht, weil ich gescheitert bin. Als Aktivist, Forscher und Politiker habe ich – gemeinsam mit anderen Experten, Aktivisten und vulnerablen Menschen – politische Maßnahmen vorgeschlagen, damit der Staat in sozialen Wohnungsbau investiert. Die EU-Durchschnittsquote für soziale und bezahlbare Wohnungen liegt knapp unter 10 %, in Rumänien ist sie mit 1 % jedoch weitaus niedriger“, zeigt Dohotaru auf das Problem.

    „Tatsächlich ist die Situation in Rumänien deutlich schlechter als im europäischen Durchschnitt. Ein großes Problem ist, dass nach 1989 der Bestand an öffentlichen Wohnungen privatisiert wurde. Eine alternative Politik hätte mehr Sozialwohnungen  erhalten können. So hätten wir Problemgruppen eine Chance gegeben. Doch es kam anders. Während im Westen weiterhin Sozialwohnungen gebaut wurden, geschah dies in Rumänien nicht. Seit Jahrzehnten geht  auch in Westeuropa der öffentliche Wohnungsbestand tendenziell zur Neige. Warum hat sich der Staat aus dieser Aufgabe zurückgezogen? Weil wir einen neoliberalen Staat haben, der soziale und umweltpolitische Maßnahmen kaum mehr unterstützt. Dennoch bleibt das Wohnen ein Bereich, der staatlich reguliert werden sollte. Ob und wie sich dies ändern lässt, ist eine lange Diskussion. Der Film zeigt, was mit den Betroffenen geschieht, wenn der Staat entweder fehlt oder nur minimal präsent ist. Und dieses Problem ist global zu beobachten. Wir leben in einer individualistischen Ellenbogen-Gesellschaft, in der jeder mit seinen eigenen Problemen beschäftigt ist und kaum Zeit hat, sich für die Sorgen anderer zu sensibilisieren. Deshalb müssen wir nicht nur individuell, sondern auch als Gesellschaft daran arbeiten, Dinge zu verändern. Dafür braucht es soziale und politische Bewegungen, die solche Themen auf die Agenda setzen. Doch derzeit engagieren sich im politischen Mainstreaam nur wenige  für soziale Fragen wie Wohnen oder Lebensqualität.“

    Den Dokumentarfilm von Adi Dohotaru produzierte Monica Lăzurean-Gorgan durch Filmways in Mitarbeit mit dem Verein SOS – Nachhaltige Gesellschaft. Koproduzenten sind Adi Dohotaru und Radu Gaciu, der Schnitt stammt von Alexandru Popescu. Unterstützt wurde der Film vom Masterprogramm für Dokumentarfilm der Theater- und Filmfakultät der Babeș-Bolyai-Universität in Cluj-Napoca.

  • Festival Filmikon: Filme, die menschliche und christliche Werte in den Vordergrund rücken

    Festival Filmikon: Filme, die menschliche und christliche Werte in den Vordergrund rücken

    Das zweite Internationale Filmfestival Filmikon hat auch dieses Jahr das Publikum zu einer Auswahl von Filmen eingeladen, die im Laufe der Jahre von ökumenischen und interreligiösen Jurys auf mehr als 30 Filmfestivals in der ganzen Welt ausgezeichnet wurden. Nach den Filmvorführungen fanden Gespräche zwischen den Organisatoren und dem Publikum über christliche und menschliche Werte auf der Grundlage der Produktionen. Während die erste Ausgabe von Filmikon 2024 in Bukarest stattfand, wurde die zweite Ausgabe ausgeweitet und findet im Rahmen des Jubiläumsjahres 2025 in Iasi, Cluj-Napoca, Oradea und im Vatikan statt. Wir sprechen mit Ileana Bârsan, Filmkritikerin und Leiterin von Filmikon, über die Werte, die den Filmen im Festivalprogramm zugrunde liegen und die Bedeutung des Preises der Ökumenischen Jury, der an Spielfilme vergeben wird, die bei internationalen Filmfestivals in aller Welt wie Cannes und Berlin im Wettbewerb stehen.

     

    „Der Name des Preises mag den Eindruck erwecken, dass diese Filme einen engen Bezug zur Religion haben, aber diese Produktionen sind nicht nur für Menschen gedacht, die eine enge Verbindung zur Kirche haben. Die Ökumenische Jury setzt sich aus Fachleuten zusammen, die von SIGNIS (Katholischer Weltverband für Kommunikation) und Interfilm (einer internationalen interreligiösen Filmorganisation) nominiert wurden, und die größte Auszeichnung ist ein unabhängiger Preis, der bei diesen internationalen Festivals an Filme vergeben wird, die menschliche und christliche Werte betonen, Werte, die wir in letzter Zeit ein wenig verloren haben. Es handelt sich um Filme, die versuchen, uns zu überzeugen, mit den anderen achtsamer umzugehen und das ist etwas was wir manchmal aus Mangel an Zeit, Interesse oder Großzügigkeit nicht machen. Diese Produktionen erzählen ihre eigenen Geschichten, haben aber letztlich eine universelle Botschaft.

     

     

    Das war das Ziel des Filmikon-Festivals, Filme zu zeigen, die von Jurys ausgezeichnet wurden, die auf diese Themen oder Nuancen achten, Filme, die wir dem rumänischen Publikum anbieten und die Diskussionen, ja sogar Sorgen auslösen, die über das Kino hinausgehen. Es ist sehr wichtig, dass diese Filmgeschichten die ernsten Fragen und Themen, von denen wir normalerweise in den Nachrichten hören, nuancieren. Durch diese Filme fangen wir an, uns Fragen zu stellen und uns selbst ein wenig zu hinterfragen, uns sogar zu fragen, was wir hier in unserer Gemeinschaft tun können und so weiter. Denn auf globaler Ebene oder auf der Ebene der Politik im Allgemeinen sind wir klein und können diese Dinge nicht kontrollieren, aber wir können kontrollieren, was um uns herum passiert“.

     

     

    Zum ersten Mal seit 2024 hat auch das Transilvania International Film Festival TIFF eine Ökumenische Jury eingesetzt, der auch Ileana Bîrsan angehörte. Der Film „Frate de-o vara“ (Sommer Brothers, Regie: Joren Molter), der beim TIFF 2024 mit dem Preis der Ökumenischen Jury ausgezeichnet wurde und das Abenteuer ‚Io, Capitano‘ (Regie: Matteo Garrone, Gewinner des SIGNIS-Preises, Venedig 2023), eine zeitgenössische Odyssee über die Gefahren der Wüste, die Schrecken der libyschen Gefängnisse und die Gefahren des Meeres standen dieses Jahr auf dem Programm des Filmfestivals. Filmikon präsentierte auch eine Gruppe rumänischer Filme, die sich mit aktuellen Themen befassen oder die Geschichten von Personen aus dem wirklichen Leben erzählen, die als Vorbilder dienen können. Ileana Bârsan, Festivalintendantin. „Wo die Elephanten hingehen“ ist ein rumänischer Film von Gabi Virginia Șarga und Cătălin Rotaru, der einen Sonderpreis der Ökumenischen Jury des TIFF 2024 erhielt. Der Film erzählt die Geschichte eines Kindes, das einige Erwachsene in seinem Leben hat, die noch verwirrter und verlorener in ihrem eigenen Leben sind als das Kind selbst.

     

     

    Dieses Kind, das an einer Krankheit leidet, ist hoffnungsvoll und gelassen und so voller Leben, dass es irgendwie schafft, das Leben der anderen zu verändern. Auf dem Programm stand auch der Kurzfilm „Tote Katze“ (Regie: Ana-Maria Comănescu), der mit dem SIGNIS Preis auf TIFF 2024, ausgezeichnet wurde. Auf dem Programm stand auch der rumänische Film aus dem Jahr 2019, „Cardinal“ von Nicolae Mărgineanu, eine Produktion die das Leben von Bischof Iuliu Hossu im Mittelpunkt hat. Ein griechisch-katholischer Kardinal, der für die Geschichte Rumäniens von großer Bedeutung war, ein Held der Großen Union, der im Gefängnis von Sighet inhaftiert war und schließlich in einem Zwangshaus landete. Wir sprechen hier von einem Märtyrerweg, der leider nicht einzigartig in dieser Zeit ist“. Das Filmkonzert „Christus“ und der Film „Der Kardinal“ wurden bei den Feierlichkeiten zum 2025 Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, das vom 24. bis 26. Januar stattfand, auch im Vatikan gezeigt. Ein Jubiläumsjahr zu feiern ist eine 700 Jahre alte katholische Tradition, die alle 25 Jahre wiederholt wird.

     

     

  • Aus dem Archiv: Stadtmuseum präsentiert Ausstellung zur Cantacuzino-Familie

    Aus dem Archiv: Stadtmuseum präsentiert Ausstellung zur Cantacuzino-Familie

    Unter dem Titel „Die ersten Angehörigen der Cantacuzino-Familie im Bestand des Stadtmuseums Bukarest“ widmet sich die Ausstellung den Anfängen dieser bedeutenden Adelsfamilie. Mihaela Rafailă, Kuratorin und Expertin der Abteilung für moderne und zeitgenössische Geschichte des Bukarester Stadtmuseums, erläutert die Absicht hinter dem Projekt.

     „Mit der temporären Ausstellung zur Cantacuzino-Familie möchte ich der Öffentlichkeit bedeutende historische Schriftstücke aus dem 17. und 18. Jahrhundert vorstellen. Diese Dokumente, verfasst auf Papier oder Pergament in kirchenslawischer und rumänischer Sprache mit kyrillischen Buchstaben, erwähnen Mitglieder der Cantacuzino-Familie in unterschiedlichen Kontexten. Sie erscheinen sowohl als Zeugen im Fürstlichen Rat, durch die Ämter, die sie dort innehatten, als auch als Unterzeichner von Kaufverträgen oder als Aussteller von Urkunden und Orden. Besonders hervorzuheben sind dabei  Șerban und Ștefan Cantacuzino.

    Der Kammerherr Constantin Cantacuzino, eine zentrale Figur der Ausstellung des Bukarester Stadtmuseums, war der erste bedeutende Vertreter dieser adligen Familie aus der Walachei. Geboren 1598 und ermordet 1663, war er nicht nur ein großer Herrscher und Kulturschaffender, sondern auch ein Woiwode. Mihaela Rafailă erzählt uns mehr über seine außergewöhnliche Persönlichkeit und seinen Einfluss.

    Nach seiner Heirat mit Fräulein Elina, der jüngsten Tochter des Woiwoden Radu Șerban – zu Hause liebevoll Ilinca genannt – begann Constantin Cantacuzino seinen Aufstieg an den walachischen Höfen. Sein persönlicher Reichtum, den er geerbt und vermehrt hatte, wurde durch die Mitgift seiner Frau weiter gesteigert. Dadurch war es ihm möglich, seine elf Kinder – sechs Söhne und fünf Töchter – in die einflussreichsten Familien der wohlhabenden Bojaren aus der Walachei und Moldawien einzuheiraten. Als Kammerherr genoss Constantin Cantacuzino hohes Ansehen. Seine umfassende Bildung und seine Leidenschaft für Bücher zeichneten ihn ebenso aus wie seine wirtschaftlichen und diplomatischen Verbindungen. Besonders bei den Türken war er angesehen, was ihn zu einem engen Vertrauten des Woiwoden Matei Basarab machte. Im 17. Jahrhundert prägte Cantacuzino als eine der dominierenden Persönlichkeiten die rumänische Politik nachhaltig.

    Die Kuratorin Mihaela Rafailă stellt auch Elina Cantacuzino (1611–1687), die Ehefrau des großen Adligen Constantin Cantacuzino, in kurzen Zügen vor.

     Elina Cantacuzino bewies außergewöhnliche Stärke und Charakter. Sie zeigte Vergebung gegenüber den Mördern ihres Mannes, große Entschlossenheit bei der Rettung des Hauses nach dem Verlust der familiären Stütze und Umsicht bei der gerechten Aufteilung des Vermögens unter ihren Kindern. Ihre Liebe zu ihren Söhnen zeigte sich in den sanften, aber eindringlichen Ratschlägen, stets wie Brüder zusammenzuhalten. Darüber hinaus beeindruckte sie durch ihren Mut, indem sie selbst die weite und beschwerliche Reise zu den Heiligen Stätten unternahm.

    Welche Dokumente, die für die Geschichte dieser berühmten rumänischen Familie von Bedeutung sind, zeigt die Ausstellung den Besuchern?

    In der Ausstellung wird Constantin Cantacuzino, der Begründer der Cantacuzino-Familie in der Walachei, erstmals in einer Urkunde vom 8. Juni 1626 erwähnt. Dort erscheint er als Zeuge des Fürstlichen Rates und bekleidete das Amt des Oberkammerherrn.

    Die Ausstellung „Die ersten Angehörigen der Cantacuzino-Familie“ präsentiert der Öffentlichkeit drei bedeutende Werke, die für die rumänische Kulturgeschichte von herausragender Bedeutung sind. Im Mittelpunkt steht die „Bukarester Bibel“, auch bekannt als „Șerban Cantacuzinos Bibel“. Dieses Werk markiert die erste vollständige Übersetzung der Bibel ins Rumänische und wurde im Jahr 1688 veröffentlicht. Mihaela Rafailă ergänzt weitere Details zu dieser außergewöhnlichen Veröffentlichung und ihrer kulturellen Bedeutung.

     „In der Ausstellung sind auch drei Bücher zu sehen. Das erste ist „Das heilige und göttliche Evangelium, verfasst nach der griechischen Tradition der Evangelien“. Dieses wurde  im Auftrag und auf Kosten von Herrn Serban Cantacuzino im Jahr 1682 gedruckt.

    Zudem wird die Bibel, auch als „Bukarester Bibel“ bekannt, in der Ausstellung präsentiert. Auch die politische und geografische Geschichte der Walachei wird in der Ausstellung behandelt. Der Autor dieses Werks wurde von dem großen Historiker Nicolae Iorga als der erste Hofbeamte Olteniens, Mihai Cantacuzino, identifiziert. 

    Doch zurück zur Bibel, sie gilt als die erste vollständige Übersetzung der Heiligen Schrift ins Rumänische und wurde im Auftrag „unseres gütigen christlichen und erleuchteten Herrn Ioan Șerban Cantacuzino Voievod“ angefertigt. Die Bibel, die auf Papier mit Wasserzeichen gedruckt wurde, ist von besonderer Bedeutung. Ihre Einbände bestehen aus mit Leder umwickelten Holztafeln, deren Verzierung im Heißpressverfahren hergestellt wurde.

    Die Veröffentlichung der Bukarester Bibel war ein bedeutender Schritt auf dem Weg zur Etablierung der Landessprache als liturgische Sprache und gleichzeitig ein Meilenstein der typografischen Kunst in der Walachei. Sie legte die Grundlagen für die Schriftsprache der Kirche und hatte einen nachhaltigen Einfluss auf die religiöse und kulturelle Entwicklung der Region.

    Die Bibel fand weite Verbreitung in den rumänischen Ländern – in der Walachei, Moldawien und Siebenbürgen – und gelangte sogar bis nach Polen, als ein Exemplar dem ehemaligen Metropoliten Dosoftei, der im Exil lebte, übergeben wurde. Ein weiteres Exemplar befand sich im Besitz von Papst Benedikt XIV. und wird heute in der Bibliothek der Universität von Bologna aufbewahrt. Zudem zirkulierte die Bibel in Siebenbürgen, in den Landkreisen Alba und Hunedoara.

  • Das Buch als Kunstobjekt: Die Austellung “Book.art.est”

    Das Buch als Kunstobjekt: Die Austellung “Book.art.est”

    Im Interview mit unserem Redakteur Ion Puican sprach Andreea Petrov  als Sprecherin des Veranstalters Art Cell über die Details der Ausstellung.

    Die Ausstellung Book.art.est ist ein internationales Projekt, das das Kunstbuch in den Mittelpunkt stellt – nicht nur als Träger von Texten, sondern als eigenständiges, von experimenteller Kunst inspiriertes Kunstobjekt. Dieses besondere Medium verbindet visuelle Ästhetik mit konzeptionellem Denken und lädt den Betrachter ein, eine Erfahrung jenseits des klassischen Lesens zu erleben. Die Ausstellung in Bukarest präsentiert ein breites Spektrum an Interpretationen des Buches als Kunstobjekt und lädt das Publikum ein, das Buch in seiner Rolle als vielschichtiges künstlerisches Medium neu zu entdecken.

    Andreea Petrov erklärte uns, wie wir das Buch als Kunstobjekt in der Vision von „Book.art.est“ betrachten können.

     Ein Buch ist weit mehr als ein Medium zur Übermittlung von Informationen – es ist ein Kunstwerk in sich. Seine Form ist ein integraler Bestandteil seines Konzepts und vereint eine Vielfalt von Elementen: Worte, Bilder, Struktur, Druckverfahren, Einband und Materialien wie Textilien, Papier oder Marmor. Sogar das Verschlusssystem eines Buches trägt zur Gesamtaussage bei. Als interaktives, tragbares und leicht weiterzugebendes Objekt macht das Buch Kunst zugänglich – auch außerhalb formaler Galerie- oder Museumskontexte. Diese Art von visuellem Artefakt hat sich über die Zeit hinweg weiterentwickelt und wurde stark von Avantgarde-Bewegungen wie dem Dadaismus, Konstruktivismus und Futurismus beeinflusst. 

    Andreea Petrov erzählte uns auch, welche Künstler an der Ausstellung teilnehmen und welche Bücher sie als Ausstellungsstück vorschlagen.

     Eine Vielzahl von Künstlern – darunter Maler, Bildhauer, Collagekünstler, Illustratoren, Typografen, Schriftsteller und Dichter – beteiligt sich an „Book.art.est“. Das Projekt verfolgt das Ziel, neue Generationen von Künstlern zu fördern und aufstrebenden Talenten die Möglichkeit zu geben, neben etablierten Künstlern auszustellen. Die Teilnehmer kommen nicht nur aus Rumänien, sondern auch aus Polen, darunter Studenten der Kunstakademie in Wrocław. Gezeigt werden Installationen, Illustrationen, Skizzenbücher, Fotoalben, Collagen, experimentelle Bücher mit farblichen oder materiellen Interventionen und vieles mehr. Kuratiert wird die Ausstellung von Evghenia Gritsku und Daniel Loagăr, die zugleich auch selbst ausstellen.

    Die Auswahl der Künstlerinnen und Künstler erfolgte im Rahmen eines offenen Aufrufs. Andreea Petrov von der Art Cell liefert dazu weitere Details.

     Die offene Ausschreibung zielte darauf ab, Künstlerinnen und Künstler aus unterschiedlichen Fachrichtungen für die Teilnahme zu gewinnen. Die Auswahl stellte eine Herausforderung dar, da der Begriff des Buchobjekts sehr weit gefasst ist. Dennoch zeichnen sich die Werke der ausgewählten Künstler durch eine beeindruckende Vielfalt und Tiefe aus, die die zahlreichen Facetten dieses Konzepts widerspiegeln, während sie gleichzeitig eine klare Verbindung zum zentralen Thema bewahren.

    Unsere Frage zum Abschluss – Welche weiteren Events hat „Book.art.est” geplant? – beantwortet Andreea Petrov.

     „Im Rahmen von „Book.art.est“ sind insgesamt neun Begleitveranstaltungen geplant, die am 15. Januar mit einem Gedichtvortrag von Dar-avere starten. Zu den Highlights zählen eine Konferenz zum Thema Urheberrecht in der Kunst, ein dadaistischer Poesie-Workshop, ein Collage-Workshop, eine Performance sowie zwei Meisterklassen zu öffentlichem Lesen und öffentlichem Diskurs. Ergänzt wird das Programm durch Gemeinschaftsspaziergänge mit Hörbüchern und eine Präsentation von Objektbüchern aus redaktioneller Perspektive. Wir laden Sie herzlich ein, gemeinsam mit den Künstlerinnen und Künstlern an diesen vielseitigen Aktivitäten teilzunehmen und die Veranstaltung in vollen Zügen zu genießen.

    Das Projekt „Book.art.est“ markiert den Auftakt einer Initiative zur Förderung des Lesens auf unkonventionelle Weise. Ins Leben gerufen wurde diese von der Gesellschaft für intermittierendes Lesen „Macondo“. Mehr über die Gesellschaft erfahren wir von deren Sprecher Mircea Laslo.

    Die intermittierende Lesegesellschaft „Macondo“ entstand aus dem Wunsch, einen anderen Ansatz für einen Buchklub zu schaffen – einen, der ohne feste Leselisten, strikte Fristen und den Druck auskommt, öffentlich Meinungen über gelesene Bücher kritisch zu äußern. All das sind Elemente, die in Buchklubs oft geschätzt werden, aber für viele von uns einschüchternd wirken können. Lesen wird häufig mit Aktivitäten assoziiert, die uns Angst machen, und genau hier wollten wir einen anderen Rahmen schaffen: einen, in dem Lesen mit alltäglichen Dingen verbunden wird – entspannt, ohne Planung und ohne die Ernsthaftigkeit, die dem Lesen oft zugeschrieben wird. Stattdessen soll es eine natürliche und unbeschwerte Tätigkeit sein, so wie viele andere Dinge, die wir täglich tun.

  • „Traum.Leben”: Die Doku über die Generation Z

    „Traum.Leben”: Die Doku über die Generation Z

    „Vis.Viață” ist die erste rumänische Beobachtungsdoku, die darauf abzielt, die Realitäten, Bestrebungen und Herausforderungen der jungen Generation Z darzustellen. Die Regisseurin Ruxandra Gubernat ist bekannt für ihre einflussreichen sozialen und filmischen Projekte. Mit viel Einfühlungsvermögen zeigt sie in diesem Fall, wie junge Menschen die Welt wahrnehmen, Herausforderungen meistern und ihre Identität in einer wandelnden Gesellschaft formen. Die Dreharbeiten dauerten vier Jahre und dokumentierten eine Zeit großer Veränderungen. Dazu gehörten auch die zwei Pandemiejahre, in denen Schulen online unterrichteten und soziale Isolation den Alltag prägte. Bei RRI sprach Ruxandra Gubernat über ihr Interesse an der Generation Z und die Arbeit an diesem Thema.

     Mein Weg führte zwischen Rumänien und Frankreich, wo ich sieben Jahre gelebt habe. Zwischen 2008 und 2015 studierte ich in Frankreich, kehrte aber nach Rumänien zurück. Dabei wurde mir bewusst, dass ich mit vielen Fragen zum Thema Auswanderung konfrontiert war. Natürlich wusste ich, dass viele Menschen Rumänien aus unterschiedlichen Gründen verlassen. Einige taten dies aus wirtschaftlicher Not, besonders Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre. Andere wanderten nach dem EU-Beitritt aus, da es wesentlich einfacher wurde, in einem anderen Land zu studieren oder zu leben – so wie in meinem Fall.

    Für viele war auch das Bedürfnis nach Wissen ein Grund, das trifft auf die Generation Z  zu. Ich begann, mich intensiver mit dieser Generation und ihren Entscheidungen auseinanderzusetzen. Würden sie Rumänien verlassen oder bleiben? Damals las ich zahlreiche Studien, die zeigten, dass etwa 80% der jungen Menschen darüber nachdachten, das Land zu verlassen, und mehr als 25% es tatsächlich taten. Das war der Ausgangspunkt meiner Recherchen. Ich machte mich auf den Weg, sprach mit Jugendlichen in Städten wie Temeswar, Klausenburg, Bacău, Kronstadt, Ploiești, Bukarest und Târgu Jiu. Dabei traf ich auf sehr unterschiedliche junge Menschen, von denen viele erklärten, dass sie Rumänien verlassen wollten. In diesem Kontext begannen wir mit den Dreharbeiten.

    Die Schauspielerin Una, der Trap-Künstler Habet und die Umweltaktivistin Stefania stehen vor der Herausforderung, ihre Zukunft zu gestalten. Zwischen Drama und Dilemma schmieden sie Pläne, Rumänien nach dem Abitur zu verlassen. Der Dokumentarfilm von Ruxandra Gubernat begleitet die drei auf ihrem Weg und zeigt ihre Beziehung zu Familie, Schule und Gesellschaft. Die Regisseurin erklärt, wie sie die Jugendlichen nach intensiver Recherche ausgewählt hat.

    Wie bereits erwähnt, reisten wir durch das ganze Land, um das Leben von Teenagern möglichst umfassend zu verstehen. Einige der ursprünglich ausgewählten Teilnehmer stiegen aus, da sie den Prozess auf Dauer nicht bewältigen konnten. Andere musste ich selbst aussortieren. Doch zu Habet, Una und Stefania entwickelte sich eine besondere Verbindung. Gemeinsam durchliefen wir einen Prozess, der für sie von großer Bedeutung war. Ich lernte sie kennen, als sie 16 Jahre alt waren, und die Dreharbeiten endeten, als sie 20 wurden. Wir haben also ihre Teenagerjahre gemeinsam miterlebt.

     Ich fand, dass die drei sowohl einzeln als auch im Zusammenspiel hervorragend vor der Kamera wirkten. Sie sind eine ideale Kombination, um zu veranschaulichen, wie junge Menschen auf sozialen Druck reagieren, sich für die Umwelt einsetzen und das Geschehen um sie herum reflektieren. Alle drei sind äußerst engagiert, aber in ihrer Art sehr unterschiedlich. Stefania leitete beispielsweise die „Fridays for Future“-Proteste in Rumänien, gerade als die Bewegung weltweit an Bedeutung gewann – ein Thema, das ich als besonders wichtig empfand. Habet engagierte sich im Bukarester Randviertel Ferentari mit Trap-Musik und Sozialtheater, während Una gemeinsam mit anderen Theaterbegeisterten ein Stück über das Verlassen Rumäniens inszenierte.

    Ihre Anliegen umfassten sowohl lokale als auch globale Themen und Herausforderungen. Sie sprachen über Migration, soziale Klassen und die vielfältigen Probleme unserer Gesellschaft, aber auch über ihre ganz persönlichen Sorgen. Besonders bedeutend war die Beziehung, die ich zu jedem von ihnen aufbauen konnte. Die Offenheit und Ehrlichkeit, die wir miteinander teilten, haben uns einander nähergebracht und ermöglicht, einander zu akzeptieren. Dieser Film war schließlich ein vierjähriger Prozess, der nur durch gegenseitige Ehrlichkeit – sowohl in Bezug auf die eigenen Erwartungen als auch auf die der anderen – gelingen konnte. Ohne diese Grundlage wäre keine authentische Geschichte entstanden.

    „Traum.Leben“ wurde in die offizielle Auswahl mehrerer internationaler Dokumentarfilm-Festivals  aufgenommen: beim Festival für Dokus und Menschenrechte One World Romania, beim Astra-Film und beim Doku-Festival für sozialen Wandel Moldox.  Ruxandra Gubernat führte auch bei „Portavoce“ (2018) Regie. Der mittellange Collage-Dokumentarfilm behandelt die Protestwellen in Rumänien der letzten fünfzehn Jahre. „Portavoce“ wurde 2018 für den besten rumänischen Dokumentarfilm beim Astra Film Festival nominiert und auf mehreren nationalen und internationalen Festivals gezeigt.

  • Moromeții: Trilogie nach Marin Predas Werk und Leben geht zu Ende

    Moromeții: Trilogie nach Marin Predas Werk und Leben geht zu Ende

    Der erste Film von 1988 war noch eine recht getreue Adaption des ersten Bandes des berühmten Romans „Moromeții“, in dem sich Preda mit der Welt des rumänischen Dorfs zwischen den beiden Weltkriegen auseinandersetzt. Die Fortsetzung, „Moromeții 2“ erschien drei Jahrzehnte später 2018 und verwertet den Roman „Das Leben wie eine Beute“ sowie Texte aus Marin Predas Publizisti. Der letzte Teil der Trilogie, dessen Drehbuch ebenfalls von Stere Gulea stammt, wurde von Marin Predas Tagebüchern sowie von Archivdokumenten inspiriert, die die Atmosphäre der 50er Jahre rekonstruieren – eine Zeit maximaler sozialer und ideologischer Spannungen, geprägt vom Aufstieg der Kommunistischen Partei, die sich zur einzigen offiziellen politischen Partei Rumäniens putschte.

    Der Film setzt die Geschichte von Niculae fort, dem jüngsten Sohn des Getreidebauern Ilie Moromete, der die Hauptfigur im ersten Teil ist. Niculae Moromete wird zu einem erfolgreichen jungen Schriftsteller – ein Alter Ego von Marin Preda, der von seinen politischen Überzeugungen und der literarischen Branche enttäuscht wird, als die Schriftsteller sich den ideologischen Zwängen beugen mussten. Der Film zeigt auch die bedeutende Rolle, die zwei große Künstlerinnen im Leben von Marin Preda spielten: Nina Cassian und Aurora Cornu.

    „Es ist ein Bild, das die Haltung von Marin Preda in der damaligen Epoche, in politischen Situationen, widerspiegelt. Ich habe versucht, seine Reise zu verstehen und intuitiv zu erfassen, und habe versucht, diesen Kern darzustellen, jedoch unter Verwendung von Fiktion. Mir gefiel die Idee, einen Film über jene Zeiten zu machen, die heute weitgehend ignoriert werden“, sagt Regisseur Stere Gulea über „Moromeții 3“.

    Die Schauspielerin Olimpia Melinte spielt im Film Vera Solomon spielt, eine Figur, die an die Autorin Nina Cassian angelehnt ist. RRI sprach mit ihr über die Veränderungen, die das von Stere Gulea geschriebene Drehbuch durchlief, und darüber, wie sie die Figur von Nina Cassian, einer äußerst komplexen Künstlerin recherchierte – Cassian war eine für die Stalinisten durchaus unbequeme Komplizin des Regimes.

    „Alles begann mit einem Casting. Doch nachdem ich den Regisseur traf und sein Drehbuch und seine Erwartungen besser verstand, kam ich zum Schluss, dass das Schicksal mir diese Rolle schenkte. Ich sehe Nina Cassian nicht gerade ähnlich, aber uns verbindet die Leidenschaft. Cassian war sehr leidenschaftlich in Bezug auf Poesie, Musik, Zeichnung und Malerei; sie fühlte sich von allen schönen Künsten angezogen. Sie war eine vollendete Künstlerin, und ich denke, dass diese Leidenschaft für die Künste sie in jener sehr komplizierten Zeit unterstützt hat, als sie sich entschieden hatte, Musik zu machen und nicht Literatur in diesem schrecklichen System. Diese Leidenschaft verband mich sehr stark mit der Figur. Ich habe ihre Tagebücher gelesen, ihre Interviews, alles, was ich online über sie gefunden habe. Natürlich hat mir auch der Dokumentarfilm über Nina Cassian von Mona Nicoară und Dana Bunescu, sehr geholfen. Ich konnte so diese Künstlerin besser verstehen, denn auch ich hatte eine Art Vorurteil ihr gegenüber. Doch selbst die kleinsten Vorurteile verschwanden, sobald ich mit der Arbeit begann, weil ich Cassian in ihrer Intimität und Tiefe verstehen wollte, so wie sie andere nicht gesehen haben, so wie sie vielleicht gegen Ende ihres Lebens im erwähnten Dokumentarfilm gesehen werden kann. Es waren die Momente, in denen Nina Cassian ihre soziale Maske ablegte, die Momente, in denen sie sich erlaubte, diese Liebesgeschichte mit Marin Preda wieder auszuleben – eine Liebe, die schwer in Worte zu fassen ist.“

    Olimpia Melinte führte dann weiter aus, wie die Beziehung zwischen Marin Preda und Nina Cassian filmisch nachgebildet wurde.

    „Wir wollten die Geschichte nicht erklären, denn im Leben erklärst du selten etwas. Allenfalls erklären Leute bestimmte Dinge erst nach vielen Jahren, wenn sie einander wiedersehen. Wir haben dafür versucht, ihre Beziehung mithilfe ihrer Tagebücher nachzubilden und wollten so nah wie möglich an der Realität bleiben. Es war ein kolossales Stück Arbeit für uns alle, denn das Drehbuch änderte sich sehr, sehr oft, und ständig schrieb der Regisseur neue Szenen hinein. Manchmal kam sogar am Drehtag eine neue Szene hinzu. Die Geschichte der Protagnoisten war ursprünglichen bei Drehbeginn nicht so zentral. Sie wurde aber immer wichtiger, je mehr wir uns in die Arbeit stürzten, und das freut mich, denn in ihrem Leben spielte sie eine sehr wichtige Rolle.“

    Neben Olimpia Melinte sind viele angesehene rumänischen Darsteller dabei: Alex Călin spielt die Rolle des Niculae Moromete, und Horațiu Mălăele verkörpert zum zweiten Mal in seiner Karriere Ilie Moromete. In „Moromeții 3“ sind auch Mara Bugarin, Răzvan Vasilescu, Iulian Postelnicu, Toma Cuzin und Oana Pellea zu sehen. Das Bühnenbild stammt von Cristian Niculescu, die Kostüme wurden von Dana Păpăruz entworfen, und die Kamera führte Vivi Drăgan Vasile. Die Filmmusik schrieb Cristian Lolea.

    „Moromeții 3“ wurde mit dem Publikumspreis beim TIFF/Transilvania International Film Festival 2024 ausgezeichnet und war auf mehreren nationalen Filmfestivals zu sehen, darunter das TIFF Chișinău, die Serile Filmului Românesc in Iași und das TIFF Timișoara.

  • Vorkriegszeit und Zwischenkriegszeit: Ausstellung im Stadtmuseum Bukarest

    Vorkriegszeit und Zwischenkriegszeit: Ausstellung im Stadtmuseum Bukarest

    Die Ausstellung im Filipescu-Cesianu-Haus zeigt zum Einen unterschiedliche Fragmente des Alltags. Da wäre zum Beispiel das Essensritual der Bukarester Elite, das im Kontext tiefgreifender kultureller Veränderungen zu sehen ist. Die Ausstellung beleuchtet andererseits den Übergang von der strengen Etikette der Vorkriegszeit zu der entspannteren gesellschaftlichen Haltung in der Zwischenkriegszeit. Andreea Mâniceanu, eine der Kuratorinnen, sprach mit uns über die Etikette der Bukarester Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

    In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren die Etikette und der Lebensstil der Bukarester Elite von mehreren charakteristischen Elementen geprägt, wie zum Beispiel dem westlichen Einfluss, da die meisten Vertreter der Elite im Ausland, insbesondere in Frankreich, studiert hatten. Das führte zu einer Anpassung an die westlichen Sitten und den Lebensstil. Mode, Architektur und gesellschaftliche Bräuche spiegelten diese Einflüsse wider.

    In dieser Zeit begannen die Leute aus den höheren sozialen Schichten sich auch anders zu kleiden, erklärt die Kuratorin Andreea Mâniceanu.

     „Die Bukarester Elite legte auch besonderen Wert auf die Kleidung. Die Herren trugen elegante, modische Anzüge, die von westeuropäischen Trends inspiriert waren, während die Damen hochelegante Kleider trugen, die oft von Modehäusern entworfen wurden. Darüber hinaus waren Bälle und Empfänge wichtige Anlässe, um diese Eleganz zu zeigen.

    Die Ausstellung gewährt dem Publikum auch einen Einblick in das Leben der Bukarester Elite in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, mit einem besonderen Fokus auf Wohnkultur und gesellschaftliches Leben. Die Kuratorin Mâniceanu geht unter anderem auf die Baustile in den verschiedenen Stadtgebieten und Epochen ein.

    In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lebte die Bukarester Elite oft in zentralen Stadtteilen wie der Calea Victoriei oder Cotroceni. Ihre Residenzen weisen einen besonderen Baustil auf, der neoklassizistische Elemente aus verschiedenen Epochen vereinte, wie der Jugendstil oder der neorumänische Stil. Die Elite traf sich regelmäßig bei Bällen, Empfängen und Festessen im Königspalast oder anderen prächtigen Häusern. Beliebte Orte wie das Capșa-Café waren Treffpunkte für Politiker, Künstler und Aristokraten.

    Die Austellung erforscht den Übergang aus der Vorkriegszeit zur Zwischenkriegszeit, sowie die Einflüsse auf die letztere. Der Fokus liegt dabei auf der Dynamik zwischen der Außen- und der Innendekoration.  Vor dem Krieg war der Lebensstil der Aristokraten von Luxus geprägt. Die Häuser waren opulent und raffiniert, sowohl außen als auch innen. Die Gestaltung der Räume orientierte sich an westlichen Trends und dem Barockstil. Außen waren die Häuser auf Prunk und sozialen Status ausgerichtet. Die Innenräume sollten die Gäste beeindrucken. Möbel, Dekorationen und Materialien waren der Ausdruck von Kontinuität zwischen äußerer und innerer Pracht.

    Die Ausstellung zeigt, wie sich Veränderungen in der Gesellschaft und Wirtschaft auf das Wohnen in der Vorkriegszeit auswirkten. Der Innenraum spiegelte die Außenwelt, die soziale Struktur und Etikette wider. In der Zwischenkriegszeit begannen Veränderungen im Alltag und in den ästhetischen Vorlieben die Wahrnehmung und Gestaltung der Außendekoration zu beeinflussen. Die Dynamik zwischen Innen- und Außengestaltung verdeutlicht, wie sich der Wohnraum im Laufe der Zeit veränderte.

    Die Bukarester Elite widmete sich in dieser Zeit auch kulturellen Phänomenen, weiß die Kuratorin Andreea Mâniceanu.

    Die Elite in Bukarest war auch eng mit der Kulturszene verbunden. Oper, Theater und Kunstausstellungen kamen in den höheren Schichten der Gesellschaft gut an. Darüber hinaus sahen die Vertreter der Elite in der Kunst und Literatur die Möglichkeit, als Mäzen, als Gönner, ihr Prestige zu zeigen.

    Die Ausstellung des Museums der Stadt Bukarest präsentiert also die Dynamik des Wandels in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Kuratorin Mâniceanu erklärt zusammenfassend, was genau sich am Lebensstil nach dem Krieg veränderte.

     Die Ausstellung <Geschmack, Raffinesse und Geselligkeit> zeigt, wie sich die Gesellschaft im Laufe der Zeit veränderte. Vom Fokus auf Status und Spektakel hin zu einer Gesellschaft, in der persönliche Intimität und Komfort wichtiger wurden als Prunk und gesellschaftliche Pracht. Es wird deutlich, wie sich der Lebensstil wandelte, die Zwischenkriegszeit war funktional und auf die private Sphäre ausgerichtet.

  • Emotionale Performance beteiligt Publikum am Handlungsverlauf

    Emotionale Performance beteiligt Publikum am Handlungsverlauf

    Die Produktion stammt von einer Gruppe europäischer Künstler unter der Leitung der Regisseurin Ioana Păun. Sie konzentriert sich in ihrer Arbeit auf menschliches Verhalten in herausfordernden Situationen und erzählt über das Team hinter der Performance und ihren Ansatz:

    „Das ursprüngliche Team bestand aus Künstlern aus der Slowakei und mir selbst. Mit einer sehr kleinen Gruppe haben wir einen Prototyp entwickelt, der völlig anders war als das, was man jetzt in Rumänien sieht. Im Februar ging es extrem interaktiv zu: Zwei Zuschauer trennten sich, ohne sich vorher zu kennen, in einer Art von Anweisung durch uns. Mir gefiel das Ergebnis nicht, und so kehrte ich zu einer zuverlässigeren Art performativer Ausdrucksformen zurück, die mir vertrauter waren. Ich wollte emotional mit den Leuten reden, um ihm die Bedeutung einer ‚Besonderheit‘ in ihrem Leben näherzubringen – nicht aus meiner Sicht, sondern aus ihrer eigenen.
    Die Zusammenarbeit mit dem Bühnenbildner Matěj Sýkora war wie ein Ping-Pong-Spiel der Ideen. Es ging darum, herauszufinden, wie wir das Publikum dazu bringen können, etwas Ähnliches zu empfinden wie in Momenten, in denen man liebt und sich dann trennt. Eine zentrale Idee war, das Publikum mit einer Szene zu konfrontieren, in der sich zwei Personen das erste Mal küssen und entdecken – eine Art ‚First Kiss‘, den wir alle erlebt haben. Danach entwickelten wir weitere Aktionen, die diese emotionale Reise fortsetzen.“

    „The Breakup“ ist eine diskrete und intensive Erfahrung, die die Zuschauet zur Reflexion über ihre bisherigen Beziehungen anregen soll. Regisseurin Ioana Păun erklärt, wie sie zu Titel und Thema kam:
    „Es war ein Thema, das mich persönlich sehr interessierte, weil ich selbst Schwierigkeiten hatte, damit umzugehen. Der Moment, wenn jemand aus deinem Leben verschwindet – oder du aus dem Leben eines anderen, besonders in romantischen Beziehungen, aber nicht nur dort – das Ende einer Verbindung.“

     

    Die Regisseurin und ihr Team bewegen sich in einem Spannungsfeld, in dem die Grenzen zwischen Gefühl und technologischem Fortschritt immer verschwommener werden. Besonders spannend ist, wie unterschiedlich das Publikum auf die Inszenierung reagiert – je nach Alter, Hintergrund und Stimmung. Ioana Păun schildert ihre Eindrücke aus den bisherigen Aufführungen: „Man kann nie genau wissen, was jeder Zuschauer empfindet, auch wenn man mit ihnen spricht. Aber ich kann erzählen, wie die Reaktionen waren: In der Slowakei haben wir in Bratislava und kleineren Städten gespielt. Es waren junge Menschen, ältere Menschen, Millennials. Vor allem die Jüngeren waren begeistert, in die Idee einzutauchen, ihre eigenen Erfahrungen auszudrücken und zu reflektieren. Das sahen wir an ihren Antworten. Die Bereitschaft, ehrlich zu antworten und sich zu öffnen – auch anonym – war besonders bei den Jüngeren zwischen 18 und 26 Jahren, spürbar. Es schien, als ob sie auf der Suche nach einem kulturellen Ausdruck ihrer emotionalen Herausforderungen waren.“

    Interaktivität ist ein zentrales Element der Performance. Die Zuschauer können über QR-Codes aktiv werden und in das Stück eingreifen. Ioana Păun erklärt, wie das funktioniert: „Ja, das ist ein Link, den man aufs Smartphone bekommt und auf den man antwortet. Die Antworten werden dann anonym in die Performance integriert. Das Publikum ist klein, etwa zehn Personen. Wir hatten Aufführungen mit vier Menschen und solche mit siebzehn. Am besten funktioniert es mit ungefähr zehn Personen, da sich so eine Art Gemeinschaft bildet. Das Publikum übernimmt kleine Aufgaben, ergänzt oder antwortet. Die Performance ist sehr minimalistisch, nicht überladen. Jede Aufführung ist anders, abhängig von der Stimmung und Energie des Publikums. Die Schauspielerinnen spüren diese Energie, passen jedoch ihr Tempo oder ihre Handlungen nicht an. Die Frage ‚Wie wird die Performance wahrgenommen?‘ ist daher schwer zu beantworten.“

     

  • Spielfilm „Clara“: Soziales Drama zum Thema Migration kürzlich in die Kinos gekommen

    Spielfilm „Clara“: Soziales Drama zum Thema Migration kürzlich in die Kinos gekommen

    Der Spielfilm „Clara“ ist  kürzlich landesweit in die Kinos gekommen. Die Produktion des Regisseurs Sabin Dorohoi erzählt die Geschichte von Millionen Rumänen, die gezwungen sind, ins Ausland zu gehen, um ihren Familien ein besseres Leben zu ermöglichen. „Clara“ ist der erste Spielfilm, der das Thema Migration aus der sozialen Perspektive von Kindern behandelt, die in Rumänien bei ihren Großeltern oder anderen Verwandten zurückgelassen wurden. Der Film erzählt die Geschichte der Lehrerin Clara, die sich um das Haus und die kleine Tochter einer Familie in Deutschland kümmert. Als ihr Sohn, den sie in der Obhut ihres Großvaters gelassen hat, in einem kindischen Versuch, sie zu erreichen, von zu Hause verschwindet, kehrt Clara in ihr Heimatdorf in Rumänien zurück, wo sie sich mit ihrem Versagen als Mutter konfrontiert und ihr Bestes tut, das Vertrauen ihres Sohnes zurückzugewinnen. Regisseur Sabin Dorohoi: „Das Thema des Films wurde schon vor langer Zeit geboren. Die Idee, mich mit diesem Thema zu befassen, hatte ich zum ersten Mal 2012, als die Migration sehr stark wurde.

     

    Damals stellte ich fest, dass sich das Phänomen zu dieser Zeit im Norden Rumäniens auszubreiten begann. Zu dieser Zeit las ich auch in der Presse von dem Fall eines kleinen Jungen, der aus Sehnsucht nach seinen Eltern Selbstmord beging. Ich fand die Nachricht schrecklich, sie hat mich tief berührt und ich dachte, dass man darüber einen Film machen sollte. So entstand der Kurzfilm „Calea Dunării“ („Der Lauf der Donau“), der 2013 uraufgeführt wurde. Dann spürte ich das Bedürfnis, die Geschichte von „Calea Dunării“ weiterzuentwickeln, und es entstand das Drehbuch für diesen Spielfilm, das von Ruxandra Ghițescu geschrieben wurde.“ „Clara“ feierte seine Weltpremiere auf dem Internationalen Filmfestival Cottbus 2023, wo er auch den Publikumspreis gewann. Der Film wurde mehrfach preisgekrönt und erfreute sich äußerst positiver Kritiken in der Fachrpresse.

     

    „Es handelt sich um einen Film, der eine wichtige Frage stellt. Aber wir wollten auf keinen Fall die Handlung vorantreiben, mit der Geschichte von Clara traurig machen oder einen Film machen, der umsonst Tränen rührt. Wir wollten ein wichtiges Thema aufgreifen, ein Thema, das in der ganzen Welt, nicht nur in Rumänien, nicht nur in Europa, immer wichtiger wird. Ein Beweis dafür ist die Reaktion, die der Film Clara bei seiner Premiere in Indien ausgelöst hat. Fast 1000 Menschen, die bei der Premiere anwesend waren, reagierten mit großer Empathie und sahen diesen Film als eine persönliche Erfahrung. Deshalb sage ich, dass Claras Geschichte nicht an einen Ort gebunden ist, sie ist nicht von einem Ort abhängig, es ist die Geschichte all derer, die in dieser Situation sind und ihre Heimat verlassen müssen, ob sie nun aus Lateinamerika, Europa oder Indien kommen. Ich denke, der große Wert dieses Films liegt vor allem darin, dass er es geschafft hat, immer ehrlich zu bleiben und ein wichtiges Thema sehr sorgfältig zu behandeln.

     

    Da es sich um ein  höchst aktuelles Thema handelt, wollten wir auch so viele Reaktionen wie möglich hervorrufen, um Lösungen für ein Problem zu finden, das uns alle betrifft. Denn das Problem der Migration hat auch Auswirkungen auf die Gesellschaft, die wir aufbauen, einschließlich der nächsten Generation. Es ist ein Problem, das uns alle betrifft, Eltern, Großeltern, Kinder, es ist ein wichtiges Thema für die gesamte Gemeinschaft. Es ist kein Thema, das nicht nur eine Ebene betrifft, es betrifft, wie ich schon sagte, alle Schichten der Gesellschaft. Es ist unser Problem“, sagt der Filmemacher. Nach der Premiere in Bukarest begab sich das Filmteam auf eine landesweite Karawane, die auch Sondervorführungen umfasste, bei denen der Regisseur und die Schauspieler mit dem Publikum in Fragerunden ins Gespräch kamen. An einigen der Vorführungen nahmen auch Experten aus den Bereichen Pädagogik und Psychologie teil. Dies geschah im Rahmen einer wichtigen Partnerschaft zwischen dem Filmteam und der Organisation Rettet die Kinder, die die gesellschaftliche Debatte zu diesem Thema unterstützt.

     

     

    Sabin Dorohoi: „Die Vorführung in Timisoara war sehr emotional, weil wir praktisch nach Hause gekommen sind. Wie Sie wissen, kommen die meisten Schauspieler aus Timișoara und generell aus dem Banat, mit Ausnahme von Ovidiu Crișan, Claras Vater und Ionuțs Großvater im Film, der aus Cluj stammt. In Timisoara war das Kino sowohl bei der Vorführung als auch bei der anschließenden Fragerunde voll besetzt, worüber wir uns sehr gefreut haben, ebenso wie über die Reaktionen des Publikums und seine äußerst sachdienlichen Fragen. Sehr interessante Fragen, sogar Streitigkeiten, aber konstruktive, interessante Streitigkeiten und Debatten gab es in Iasi. Und das ist kein Zufall, denn Moldawien ist das am stärksten von der Migration aus Rumänien betroffene Gebiet. Wie ich schon sagte, spiegelte sich dies sowohl in der großen Zahl der Zuschauer als auch in den sehr interessanten Diskussionen wider.“ Das Drehbuch des Films Clara stammt von Ruxandra Ghițescu, die Kameraführung hat Lulu de Hillerin, die Szenografie stammt von Anca Miron und Sonia Constantinescu, der Schnitt von Mircea Lăcătuș und die Musik von Eduard Dabrowski. Olga Török (Clara), Ovidiu Crișan (Nicolae), Luca Puia (Ionuț) und Elina Leitl (Johanna) spielen die Hauptrollen.

  • Spielfilm „Das neue Jahr, das es nie gab“ steht an der Spitze der Kinokassen

    Spielfilm „Das neue Jahr, das es nie gab“ steht an der Spitze der Kinokassen

    Die Produktion von Bogdan Mureșanu wurde als erster rumänischer Debütfilm bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig mit vier Preisen ausgezeichnet (u. a. als bester Film in der Sektion Orizzonti, mit dem FIPRESCI-Preis für den besten Film, der von der Jury des Internationalen Verbandes der Filmkritiker verliehen wird, und mit dem Bisato d’Oro Preis für das beste Drehbuch) und setzte sich wenige Wochen nach seinem Kinostart in Rumänien an die Spitze der Kinokassen.

     

    Nach seiner Weltpremiere bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig wurde der Film auch in Italien und bei anderen Veranstaltungen gezeigt. Vor kurzem hatte die rumänische Produktion ihre Premiere in Nordamerika gefeiert, auf dem Internationalen Filmfestival Zürich ausgewählt und in Deutschland gezeigt. Der Spielfilm vervollständigt die Geschichte des Kurzfilms „Das Weihnachtsgeschenk“, der mit 200 internationalen Vorführungen und 72 Auszeichnungen zu den berühmtesten rumänischen Filmen gehört.

     

    Der Film spielt am Abend des 20. Dezember 1989, kurz vor dem Sturz der Ceausescu-Diktatur, als Marius, ein 9-jähriger Junge, seinen Eltern den Inhalt eines Briefes offenbart, der an „Mos Gerilă“ (Väterchen Frost) geschickt wurde, und die Eltern erkennen gleich, dass er eine für ihre Sicherheit sehr gefährliche Botschaft enthält. Bogdan Mureșanu erklärt, warum er sich entschieden hat, „Das Weihnachtsgeschenk“ fortzusetzen und es in die Erzählung „Das neue Jahr, das es nie gab“ zu integrieren: „Ich hatte immer den Eindruck, dass dieser Kurzfilm nur ein Fragment einer komplexeren Geschichte war. Seitdem ich mit Adrian Văncică gedreht habe, das ist sechs Jahre her, schien es uns beiden, dass die Geschichte Teil einer längeren Erzählung sein könnte, und ich hatte ohnehin viele Geschichten im Kopf. Und dieses Projekt, „Das neue Jahr, das es nie gab“, begann nicht mit „Dem Weihnachtsgeschenk“, sondern mit dem Abriss des Uranus-Viertels und seiner Geschichte. Ich plante einen Spielfilm über diesen von Nicolae Ceausescu in den 1980er Jahren initiierten Abriss, aber ich habe dieses Projekt immer wieder verschoben, weil ich nicht wusste, wie ich es filmen sollte, denn natürlich hat sich Bukarest seitdem sehr verändert und es war sehr schwierig, geeignete Drehorte zu finden.“

     

    Eine der Hauptrollen in „Das neue Jahr, das es nie gab“, die der Margareta Dincă, wird von der Schauspielerin Emilia Dobrin gespielt, die mehr als 30 Rollen in rumänischen Filmen und Fernsehserien gespielt hat und mit dem UNITER-Preis für die beste Schauspielerin ausgezeichnet wurde. Das Haus von Margareta Dincă im Bukarester Stadtteil Uranus soll abgerissen werden, um Platz für einen neuen Wohnblock zu schaffen. Es ist eines der letzten Häuser, die noch stehen, und Margareta hatte das Pech, dass sie ihr Haus kurz vor der Revolution verlassen musste. Emilia Dobrin sprach mit RRI über ihre Zusammenarbeit mit dem Regisseur Bogdan Mureșanu und ihre Rolle im Film: „Das Treffen mit dem Regisseur Bogdan Mureșanu war außergewöhnlich, in einem Augenblick verband uns etwas Unaussprechbares, etwas sehr Schönes, und so kam es, dass ich diese berührende Figur in dem Film spielte. Für mich war und ist diese Zeit, von der der Film handelt, schmerzhaft, sehr schmerzhaft.

     

    Ich kann sagen, dass sowohl mein Bruder als auch ich von den Ungerechtigkeiten, die wir während des Kommunismus erlebt haben, stark betroffen waren. Wir kamen aus Vălenii de Munte, wir waren nicht aus Bukarest, und wegen unserer ungesunden Herkunft – wie man damals zu sagen pflegte – wurden unsere Stipendien gestrichen und unsere Plätze im Wohnheim weggenommen. Unsere Eltern konnten uns finanziell nicht unterstützen, die Zeiten waren sehr hart. Sowohl mein Bruder als auch ich waren durch die Ungerechtigkeit, die uns angetan wurde, sehr traumatisiert, und so sind wir geblieben. Ich wollte mich dem Kommunistischen Jugendverband nicht anschließen und auch nicht Teil dieses Systems von Ja-Sagern sein, wie wir sie damals in der Partei nannten.“ Adrian Văncică, Iulian Postelnicu, Mihai Călin, Nicoleta Hâncu, Andrei Miercure, Manuela Hărăbor, Ioana Flora und Ada Galeș vervollständigen die Besetzung des Films „Das neue Jahr, das es nie gab“.

  • Dramaturgien des Möglichen: 34. Ausgabe des Nationalen Theaterfestivals

    Dramaturgien des Möglichen: 34. Ausgabe des Nationalen Theaterfestivals

    Drei Kuratoren wählten 31 Aufführungen aus allen Theatern des Landes. Hinzu kamen Nebenveranstaltungen wie Performance-Installationen, Konferenzen, Hörspiele sowie ein umfassendes Partner-Event – die Bühnenbild-Biennale.

    Das Österreichische Kulturforum in Bukarest gehörte auf Einladung des Theaterverbandes UNITER zu den Partnern des Theaterfestivals. Dessen Beitrag bestand aus neuartigen Ansätzen zum diesjährigen Thema, den „Dramaturgien des Möglichen“. Dazu gehörte etwa die Ausstellung – „Nur die Violinen sind geblieben“ oder ein Projekt virtueller Realität, das „Humans Violin Prelude“.  Das Ganze wurde abgerundet von einer Theateraufführung und einer Performance, sowie zwei Debatten zu den darstellenden Künsten, berichtet Andrei Popov, stellvertrender Direktor des Österreichischen Kulturforums.

    Der Beitrag des Österreichischen Kulturforums ist mit jeder Ausgabe des Festivals gewachsen und dieses Jahr haben wir ein äußerst komplexes Programm. Alle Produktionen sind innovative darstellende Kunst, Performance oder Theater, und nicht zuletzt virtuelle Realität, denn virtuelle Realität ist eine der Möglichkeiten, wie wir uns der darstellenden Kunst nähern.

    Bei unserer Zusammenarbeit mit dem Theaterfestival berücksichtigen wir stets das von den Kuratoren gewählte Thema. In diesem Jahr wollten wir also auf die „Dramaturgien des Möglichen“ reagieren. Was uns am meisten interessierte, war die Offenheit für Interdisziplinarität, aber auch die Art und Weise, in der die Dramaturgie zu einem entscheidenden Element der Aufführung wird.

    Darüber hinaus wollten wir den bestehenden Dialog zwischen rumänischen und österreichischen Künstlern im Bereich der darstellenden Künste hervorheben. Die Zusammenarbeit in diesem Bereich ist sehr eng. Wir wollten dem Publikum zeigen, wie viel Kreativität es gibt und wie sehr sich die Dinge in diesem Bereich des Theaters und der darstellenden Kunst im Dialog zwischen Österreich und Rumänien entwickelt haben.

    Das Projekt „Human Violins: Prelude“ von Ioana Mischie würde zu Deutsch übersetzt etwa „Menschliche Violinen: Vorspiel“ heißen. Dieses hatte beim letzten Filmfestival in Cannes seine Premiere. Dort war es in der Sektion „Immersive“ angetreten, die zum ersten Mal als Wettbewerb eingeführt wurde.  Dabei geht es um Projekte virtueller Realität oder abgekürzt VR. Bei den „Human Violins“ verfolgen die Zuschauer eine aus einer wahren Geschichte inspirierten Erfahrung, dargeboten als virtuelle Realität. Die Geschichte Almas, einer Violinenliebhaberin, lädt das Publikum zum Singen ein – dadurch wird das Erbe ihrer Musik weitergegeben. Das Projekt sei dank einer Koproduktion entstanden, erklärte die Autorin Ioana Mischie.

     Unser Projekt war die erste rumänisch-französische VR-Koproduktion. Wir hoffen, dass diese Teilnahme in Cannes auch eine offene Einladung für kulturelle Entscheidungsträger darstellt, in diesen Bereich zu investieren. Es ist ein absolut wunderbarer Bereich, der zu einem Markenzeichen des Landes werden kann, weil wir in Rumänien sehr talentierte Künstler und eine sehr fortschrittliche technologische Gemeinschaft und Infrastruktur haben.

    Die Virtuelle Realität kann also zum Exzellenzbereich werden, wenn wir entsprechend investieren. Wir waren sehr erfreut zu sehen, dass diese Kunstform anerkannt und gefeiert wird, und auch, dass wir neue potenzielle Mitarbeiter kennengelernt haben. Wir hoffen, dass dies erst der Anfang ist. Aber das ist ein Anfang nach 12 Jahren Arbeit in diesem Bereich, und wir hoffen, dass wir diese Erfahrung nutzen und sie von nun an weiterentwickeln können.

    Das Nationale Theaterfestival bot dem Publikum nicht zuletzt Vorleseaufführungen an.  Verschiedene dramaturgische Formeln im Einklang mit den Veränderungen der heutigen Welt kamen hier zur Geltung. Grundlage waren die Debatten zu Texten aus Deutschland, Spanien, Portugal und Rumänien.