Category: Sozialreport – der rumänische Alltag

  • Psychische Gesundheit rumänischer Arbeitnehmer

    Psychische Gesundheit rumänischer Arbeitnehmer

    Eine aktuelle Studie mit 3.500 rumänischen Beschäftigten zeigt, dass 48 % häufig bis sehr häufig unter Angstzuständen am Arbeitsplatz leiden, während 43 % wöchentlich maximal drei Stunden zur Entspannung nutzen.

     

    Corina Neagu, eine Expertin mit über 20 Jahren Erfahrung im Personalwesen und Gründerin eines Beratungsunternehmens, sieht die Ursachen unter anderem in Defiziten der rumänischen Bildungslandschaft der letzten 35 Jahre. Ihrer Meinung nach fehlt es an emotionaler Bildung, was sich negativ auf die psychische Gesundheit der Arbeitnehmer auswirkt. Sie kritisiert, dass Schulen kaum Kompetenzen vermitteln, die für das spätere Leben relevant sind:

     

    „Das rumänische Bildungssystem bereitet Schüler kaum auf das Leben vor – es kümmert sich nicht um ihre emotionale Entwicklung. Viele Kinder wachsen mit abwesenden Eltern auf – sei es durch Arbeitsmigration oder emotionale Distanz. Andere erleben Armut, dysfunktionale Familienverhältnisse oder Missbrauch. Eltern wissen oft selbst nicht, wie sie mit ihren eigenen Gefühlen umgehen sollen, geschweige denn mit denen ihrer Kinder. Das alles hat dazu geführt, dass unser emotionaler und mentaler Zustand als Gesellschaft weit von einem gesunden Maß entfernt ist. In entwickelten Ländern gibt es Präventionsstrategien und Programme auf nationaler und organisatorischer Ebene, um das Wohlbefinden und die psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz zu fördern.“

     

    Neagu betont, dass sich kulturell verankerte Verhaltensmuster aus der Vergangenheit dringend ändern müssen. Sie verweist auf die Nachwirkungen der kommunistischen Ära, in der Angst als Kontrollinstrument diente und sich bis heute in autoritären Hierarchien widerspiegelt. Zudem fehle es an Teamgeist, während Individualismus oft missverstanden werde. Ein weiteres kulturelles Problem sei die Scham als prägendes Element sozialer Interaktionen.

     

    „Wir wurden nicht zur Meinungsäußerung erzogen. Feedback? Unbekannt! Wer als Kind den Mund aufmachte, bekam zu hören: ‚Sei still, die Erwachsenen reden!‘ Hinzu kamen Zwangsmaßnahmen, sowohl in der Schule als auch zu Hause. Dieses Muster hat sich fortgesetzt.“

     

    Viele Experten im Personalwesen fordern, dass Unternehmen eine entscheidende Rolle für das Wohlbefinden der Arbeitnehmer – und damit der Gesellschaft insgesamt – übernehmen müssen. Neagu sieht das genauso:

     

    „Unternehmen sind keine Dritten, sie werden von Menschen geführt, die Entscheidungen treffen müssen. Die Entscheidung, sich um seine Mitarbeiter zu kümmern, sollte für jede Art von Organisation und für jede Art von Führungspersönlichkeit oberste Priorität haben. Warum solltest du dich um deine Leute kümmern? Kümmern sich deine Leute um deine Kunden? Es ist ganz einfach. Ja, sowohl um interne als auch um externe Kunden. Das hat Richard Branson gesagt, nicht ich – aber er hat es sehr treffend formuliert. Das ist nämlich extrem wichtig – und sich kümmern bedeutet nicht nur, am Monatsende ein Gehalt zu zahlen. Es bedeutet auch, den Raum, das Klima, die Kultur und das Umfeld zu schaffen, in dem sich die Mitarbeiter authentisch fühlen und sich frei ausdrücken können. Bewusste Authentizität. Das heißt, wir kommen nicht, um unsere schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit zu waschen, sondern wir kommen ohne das Gefühl, ein Damoklesschwert über uns zu haben, und ohne Angst vor Konsequenzen – wenn wir Feedback geben, ohne Traumata, wenn wir während einer Diskussion anderer Meinung sind. Wir können unterschiedliche Ansichten haben und uns dabei wohlfühlen, unseren Standpunkt offen zu äußern, so wie wir ihn denken. Wir sagen also, was wir wirklich denken, ohne dafür bestraft, belästigt, missbraucht, ausgegrenzt oder entlassen zu werden.

     

    Eine Umfrage der Plattform BestJobs zeigte, dass die Arbeitszufriedenheit rumänischer Arbeitnehmer 2023 auf den niedrigsten Stand der letzten drei Jahre gesunken ist – nur drei von zehn Befragten waren mit ihrem Job zufrieden. Sechs von zehn gaben an, dass ihre Arbeit ihr Privatleben negativ beeinflusst. Gleichzeitig wächst jedoch die Zahl der NGOs und Experten, die Unternehmen und Mitarbeiter dabei unterstützen, gesündere Arbeitsumgebungen mit besserer Kommunikation und mehr Empathie zu schaffen.

  • Rumänisches Patriarchat feiert 100 Jahre

    Rumänisches Patriarchat feiert 100 Jahre

    Vor 100 Jahren, am 4. Februar 1925, wurde die Rumänisch-Orthodoxe Kirche in den Rang eines Patriarchats erhoben – nachdem ihr bereits 140 Jahre zuvor, am 25. April 1885, die Autokephalie anerkannt worden war. Dies ist daher ein Anlass zu großer Freude und Feierlichkeiten, aber auch zu einer Rückschau auf ein Jahrhundert kirchlicher Entwicklung.

     

    Neben der täglichen liturgischen Tätigkeit und der seelsorgerischen Betreuung in Krankenhäusern, Waisenhäusern, Gefängnissen oder Altenheimen engagiert sich die Orthodoxe Kirche in großem Umfang sozial-karitativ für benachteiligte Menschen. Und das nicht erst seit gestern! Die Geschichte dieses Engagements fasst Priester Ciprian Ioniță, Berater für Sozialfragen von Patriarch Daniel von Rumänien, zusammen:

    „Es ist das Gebot unseres Erlösers Jesus Christus, den Nächsten zu lieben und denen zu helfen, die in Not sind. Als Kirche hatten wir schon immer sozial-medizinische Zentren an unseren Klöstern, und in jüngster Zeit wurden einige davon akkreditiert und bieten hochwertige Dienstleistungen für bedürftige Menschen an. Direkt nach 1990 entstanden kirchliche Stiftungen: die ‚Asociația Diaconia‘ des Patriarchats, die ‚Sfânta Macrina‘-Stiftung oder die Stiftung ‚Solidaritate și Speranță‘ in Iași, die auch das größte Krankenhaus der Orthodoxen Kirche betreibt. Es gibt sehr viele solcher Einrichtungen! Wir haben eine aktualisierte Karte aller sozialen Dienste auf social-filantropic.patriarhia.ro. Dort sind sämtliche aktuell von der Kirche angebotenen Hilfsleistungen verzeichnet. Jedes Bistum hat mindestens eine sozial-karitative Abteilung mit einem Berater und kirchlichen Inspektoren sowie NGOs. Jeder Priester, der in seiner Pfarrei eine solche Tätigkeit aufbauen möchte, kann sich entweder an das Bistum oder direkt an uns beim Patriarchat wenden. Zudem haben wir eine Föderation, die 27 der wichtigsten kirchlichen NGOs umfasst.“

    Die Projekte der Föderation „Filantropia“ richten sich gleichermaßen an Stadt- und Landbevölkerung. Da jedoch auf dem Land mehr Menschen in Not sind, wird rund 60 % der Unterstützung dorthin gelenkt. Priester Ciprian Ioniță berichtet weiter:

    „Darf ich Ihnen ein aktuelles Beispiel nennen? Die Föderation ‚Filantropia‘ hat eine Kampagne namens ‚Hilf einem alten Menschen zu lächeln‘ – wir unterstützen bedürftige Senioren. Heute erreichte uns eine Anfrage aus einer Pfarrei an der Grenze zwischen den Kreisen Bacău und Harghita. Wir organisieren dort kostenlose Augenuntersuchungen und verteilen Brillen. Unsere Freiwilligen führen die Untersuchungen vor Ort durch, dann lassen wir in Bukarest individuell angepasste Brillen anfertigen und bringen sie zurück. Heute haben wir beispielsweise eine Anfrage für 70 Personen erhalten. Ein Priester kontaktierte uns über unsere Facebook-Seite, sah unsere Aktivitäten online und rief mich an. Ich riet ihm, sich zuerst mit dem Sozialberater der Erzdiözese Roman und Bacău in Verbindung zu setzen, um gemeinsam einen Antrag zu stellen. Wir legen diesen dann Patriarch Daniel vor, und es gibt keinen Zweifel, dass er unsere Initiative unterstützt.“

    Die Kirche hilft vor allem älteren Menschen, die die größte Gruppe der Bedürftigen bilden. Doch auch rund 130.000 Kinder in schwierigen Lebenssituationen, alleinerziehende Mütter, Opfer häuslicher Gewalt, Kranke, die sich keine medizinische Versorgung leisten können, Arbeitslose oder Menschen mit Suchtproblemen erhalten Unterstützung. Dazu Ciprian Ioniță:

    „Die Föderation ‚Filantropia‘ bietet Schulungen an, darunter eine Spezialisierung in Suchtberatung. Ursprünglich war sie für unsere Priester gedacht, doch mittlerweile gibt es großes Interesse auch von Lehrern und Betreuern in Suchthilfezentren. Der Kurs behandelt alle Formen der Abhängigkeit – Alkohol, digitale Sucht, Drogen. Besonders bemerkenswert ist, dass auch ehemalige Suchtkranke daran teilnehmen, um anderen Betroffenen zu helfen.“

    Der Suchtberatungs-Kurs existiert seit 2022, und seither wurden rund 500 Personen geschult. Auch Fort- und Weiterbildungsangebote sind von großem Interesse. So plant die Orthodoxe Kirche, ein Netzwerk für häusliche Pflege aufzubauen. Ciprian Ioniță erklärt:

    „Wir sehen, dass ältere Menschen besonders hilfsbedürftig sind. Daher wollen wir in der gesamten Patriarchie ein Netz für häusliche Pflege schaffen. Denn die Statistik zeigt, dass Rumänien zunehmend altert – wir müssen handeln! Das ist ein Projekt für die nahe Zukunft. Zudem entwickeln wir verschiedene Initiativen für Kinder und auch im Umweltbereich. Gemeinsam mit der Republik Moldau haben wir ökologische Projekte durchgeführt. Erst gestern kehrte ich von einer Schulung über häusliche Gewalt zurück, bei der ich Priester aus Moldau unterrichtete. Wir haben viele Projekte!“

    Vergessen wir nicht die unzähligen Initiativen für rumänische Diaspora-Gemeinden!

    Das einhundertjährige Bestehen des Patriarchats – so Patriarch Daniel – war von vielen Segnungen, aber auch Herausforderungen geprägt. Was ist die größte Schwierigkeit in der sozialen Arbeit der Kirche?  Ciprian Ioniță erklärt:

    „Am schwersten ist es manchmal, wenn uns die Mittel fehlen und wir ein Zentrum schließen müssen. Dann überlegen wir, wie wir die Menschen, die auf diese Dienste angewiesen sind, in anderen Einrichtungen unterbringen können. Aber Gott sei Dank – wenn ein Zentrum schließt, öffnen sich oft zwei neue! Beispielsweise hatten wir 2022 insgesamt 767 Sozialeinrichtungen, heute sind es bereits 867.“

    Pater Ciprian Ioniță ist Mitautor eines Buches über ein Jahrhundert sozial-karitativer Arbeit der Orthodoxen Kirche. Es erscheint im Oktober – rechtzeitig zum Höhepunkt des Jubiläumsjahres, der feierlichen Weihe der Nationalkathedrale in Bukarest.

  • Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit

    Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit

    Während optimistische Prognosen behaupten, dass KI nur repetitive Aufgaben übernehmen wird, die keine Kreativität oder Innovation erfordern, ist in der Medien- und Kreativbranche bereits klar: Die Realität sieht bedrohlicher aus. Mehr als ein Drittel der Übersetzer hat aufgrund von KI Arbeitsvolumen verloren, und ganze Unternehmen entlassen Content-Autoren, wobei nur eine minimale Anzahl verbleibt, um die KI-generierten Texte “menschlicher” klingen zu lassen. Zudem gaben 46 % der Befragten einer US-Studie an, dass sie befürchten, dass KI Journalisten und Buchautoren ersetzen wird.

     

    Luiza Banyai, eine HR-Expertin mit mehr als 20 Jahren Erfahrung in organisatorischer Transformation, ist überzeugt, dass in diesem Kontext kontinuierliche Weiterbildung wichtiger denn je ist. Diese Verantwortung liegt sowohl bei Arbeitgebern als auch bei Arbeitnehmern:

     

    “Das Aufkommen von KI sollte in erster Linie den Lernbedarf steigern. Die Verantwortung für das Lernen trägt jeder Einzelne. Mein Chef kann nicht dafür verantwortlich sein, wie ich mich entwickle, aber er muss sicherstellen, dass ich die notwendigen Werkzeuge und Kenntnisse habe, um meinen Job auszuführen oder innerhalb des Unternehmens zu wachsen. Denn sowohl für mich als auch für das Unternehmen ist es ein Vorteil, wenn ich intern aufsteige. Am schwierigsten ist es, jemanden kulturell anzupassen, nicht ihn fachlich weiterzubilden. Sobald ich mich in ein Unternehmen eingefunden habe und dessen Abläufe verstehe, ist es einfacher, in mein Wachstum zu investieren. Das ist die Aufgabe des Managers. Meine Aufgabe ist es jedoch, die Verantwortung für mein eigenes Wachstum zu übernehmen.”

     

    Laut Banyai hat die Angst der Menschen, deren Beruf direkt von KI bedroht ist, oft negative Auswirkungen. Sie empfiehlt eine andere Herangehensweise:

     

    “Es ist ein Prozess: Ich muss reflektieren, was ich will, was mir Spaß macht und womit ich Geld verdienen kann. Was davon wird nicht mehr bezahlt? Okay, was kann ich anders machen, um relevant zu bleiben? Dann beginnt man, neue Fähigkeiten zu lernen. Alles verändert sich. Gab es vor ein paar Jahren den Beruf des Streamers? Gab es Uber? Gab es die Möglichkeit, globale Übersetzungen anzubieten? Neue Berufe werden entstehen, wie KI-Ethikberater oder Fake-News-Detektoren, die für Unternehmen sehr wichtig sein werden.”

     

    Die Expertin bemerkt, dass in Rumänien in den letzten Jahren nicht mehr ausreichend und effektiv in die Weiterentwicklung von HR-Abteilungen investiert wurde, sodass diese ihr volles Potenzial in der Organisations- und Mitarbeiterentwicklung nicht entfalten können. Auch das mittlere Management wurde nicht organisch und in Abstimmung mit der Unternehmensinfrastruktur weiterentwickelt, sodass viele Manager nicht wissen, wie sie das menschliche Potenzial in ihren Teams nachhaltig fördern können. Sie verfügen nicht über die richtigen Werkzeuge, um andere zu motivieren und zu engagieren.

     

     “Dasselbe geschah in der letzten großen Krise 2008-2009. Unternehmen mussten damals schnell handeln, um zu überleben. Sie setzten auf Mitarbeiter, die sich allein auf Ergebnisse konzentrierten. Diese Mitarbeiter lieferten – allerdings nur in Bezug auf Business-Prozesse. Um jedoch Managementkompetenzen auszubauen, braucht es organische und strategische Entwicklung. Ein Manager muss lernen, wie er seine Werkzeuge richtig einsetzt, und er muss die Möglichkeit bekommen, das Gelernte in die Praxis umzusetzen. Dafür blieb jedoch keine Zeit. Infolgedessen wurden viele in Positionen befördert, ohne die notwendige Kompetenz dafür zu haben. Dies wurde als Mittel zur Mitarbeiterbindung genutzt – ein Fehler. Denn langfristig führt dies nur zur Sicherung eines Arbeitsverhältnisses, nicht zu echter Entwicklung oder Engagement. Das sieht man an Verhaltensweisen im Unternehmen, an Druck und daran, dass es keine klaren Führungspersönlichkeiten mehr gibt. Ein Manager ist wie ein Dirigent – sein Einfluss kann fein nuanciert und zugleich immens sein.”

     

    Eine aktuelle Studie zeigt, dass 50 % der rumänischen Arbeitnehmer die aktuellen Weiterbildungsprogramme in Unternehmen als ineffektiv betrachten, insbesondere wenn es um die Entwicklung von Soft Skills für reale Szenarien geht. In großen Unternehmen liegt dieser Anteil sogar bei 56 %.

     

    Für Luiza Banyai ist die Rolle, die ein Unternehmen im Leben seiner Mitarbeiter spielen kann, eine ehrenvolle. Sie haben die Möglichkeit, Menschen nicht nur beruflich, sondern auch in anderen Bereichen des Lebens wertvolle Fähigkeiten zu vermitteln. Effektive Kommunikation, Beteiligung an Entscheidungsprozessen sowie das Geben und Annehmen von Feedback tragen zu einem besseren Leben und einer besseren Gesellschaft insgesamt bei. Unternehmen, die kontinuierliches Lernen fördern, werden Mitarbeiter haben, die besser auf den Wandel der Zeit vorbereitet sind. Für sie wird Technologie ein Verbündeter sein – und keine Bedrohung.

  • „Girls in STEM“: Gymnasiastinnen für mehr Frauen in MINT-Fächern

    „Girls in STEM“: Gymnasiastinnen für mehr Frauen in MINT-Fächern

     

     

    Aus den Statistiken der UNESCO geht hervor, dass weltweit nur ein Drittel der wissenschaftlichen Forscher Frauen sind und dass dieser Anteil in den letzten zehn Jahren stabil geblieben ist. Auf den höchsten Ebenen, d. h. in Führungspositionen und als Mitglieder nationaler Wissenschaftsakademien, beträgt der Frauenanteil jedoch nur 12 %.

     

    Nach Daten aus dem Jahr 2023 liegt der Anteil von Frauen an den Absolventen in MINT-Fächern (Naturwissenschaften, Technik, Ingenieurwesen und Mathematik) in Rumänien mit 41 % über dem europäischen Durchschnitt von 32,8 %. Die nächsten beiden Länder mit den höchsten Anteilen sind Polen und Griechenland. Der Anteil der weiblichen Doktoranden in Wissenschaft und Technik in Rumänien beträgt hingegen nur 0,24 % der rumänischen Gesamtbevölkerung, womit das Land an letzter Stelle in der EU steht.

     

    Wissenschaftsexperten sind der Meinung, dass man sich weniger mit den Zahlen befassen sollte, die Rumänien an die Spitze der Länder stellen, in denen Frauen ein Studium absolvieren oder in der Wissenschaft arbeiten. Vielmehr sollte man sich mit der geringen Vertretung von Frauen in Spitzenpositionen in der Forschung auseinandersetzen. Eine mögliche Erklärung für den hohen Prozentsatz an weiblichen Hochschulabsolventen in Rumänien kann auf die kommunistische Vergangenheit zurückgeführt werden. Die massenhafte Alphabetisierung und Professionalisierung von Frauen mit dem Ziel der Modernisierung der Gesellschaft basierte allerdings nicht auf Gleichstellungsmaßnahmen oder feministischen Bewegungen – das kommunistische Regime setzte nämlich auf Frauen als Arbeitskräfte.

     

    Doch Mädchen und junge Frauen, die sich von dieser Ungleichheit betroffen fühlen, wollen sich diese Situation nicht mehr gefallen lassen und ergreifen Initiativen für einen höheren Anteil ihrer Geschlechtsgenossinnen in MINT-Fächern. Ein solches Projekt nennt sich „Girls in STEM“ („Mädchen in MINT-Fächern“) und wurde im Mai-Juni 2024 von der Organisation „Girl Up Neuroscience“ unter der Leitung von zehn jungen Gymnasiastinnen ins Leben gerufen. Finanziert wurde das Projekt von den Vereinten Nationen.

     

    Marina Suvac ist Zwölftklässlerin am „Vasile Alecsandri“-Gymnasium im ostrumänischen Galatz und Vorsitzende der Organisation „Girl Up Neuroscience“. Im Folgenden erzählt sie, wie alles begann.

     

    Mir ist aufgefallen, dass der Feminismus und die Frauen in diesem Bereich nicht ausreichend vertreten sind, und ich interessiere mich sehr für die Neurowissenschaften. Es ist eine persönliche Leidenschaft von mir. Es gibt viele Projekte des Typs »Girl in STEM«, also Frauen in der Wissenschaft im Allgemeinen, und sie konzentrieren sich in der Regel auf Highschool-Schülerinnen, aber ich dachte, ich würde etwas Spezielleres in den Neurowissenschaften machen, weil MINT ein Bereich ist, der mehr als nur die klassischen wissenschaftlichen Fächer umfasst. Und so ist im Grunde »Girl Up Neuroscience« entstanden. Ich bin auch auf diese internationale Initiative »Girl Up« gestoßen – sie haben eine sehr, sehr detaillierte Website, die vieles ermöglicht, und so habe ich ein bisschen mehr über sie erfahren und wollte mich auch selbst einbringen, um etwas zu verändern.“

     

    Es gibt zwar Projekte, die darauf abzielen, Mädchen für diese Bereiche zu begeistern, doch laut Marina richten sich diese hauptsächlich an Gymnasiastinnen. Ihrer Meinung sei es zu diesem Zeitpunkt bereits zu spät: Das Profil der Gymnasiasten habe sich bereits herauskristallisiert, und die Vorstellung, dass die exakten Wissenschaften eher eine männliche Domäne seien, sei bereits tief verwurzelt. In ihrer Freizeit setzt Marina Suvac auf Veranstaltungen für Mädchen und junge Frauen im Internet.

     

    Wenn ich mich richtig erinnere, haben wir neun Webinare online durchgeführt, bei denen wir Rednerinnen aus verschiedenen Bereichen eingeladen haben. Es gab viele weibliche Vortragende aus vielen verschiedenen Bereichen: Frauen in den MINT-Fächern selbst, aber auch aus dem Bereich Feminismus oder aus den Neurowissenschaften. Dieses Jahr haben wir auch einen Beitrag zur psychischen Gesundheit. Unser Sommerprojekt »Girls in STEM« fand von Juni bis August 2024 statt und bestand aus einer Konferenz und drei Workshops, bei denen Mädchen im Alter von 10 bis 14 Jahren eingeladen waren, selbst Hand anzulegen und echte wissenschaftliche Experimente durchzuführen.“

     

    Marina Suvac sagt ferner, dass sie die Auswirkungen der mangelnden Vertretung von Frauen in der Wissenschaft als Schülerin am eigenen Leib zu spüren bekam:

     

    In der 9. Klasse besuchte ich ein Gymnasium, das auf Hochleistung getrimmt war. Der Unterricht basierte hauptsächlich auf Naturwissenschaften, und viele meiner Kommilitonen nahmen an Schülerwettbewerben teil. Es war eine Computer- und Chemieklasse. In meiner Klasse waren von 21 Schülern nur fünf Mädchen.“

     

    An den von „Girl Up Neuroscience“ organisierten Veranstaltungen nahmen rumänische Frauen teil, die an wissenschaftlichen Fakultäten studiert haben oder in MINT-Bereichen in Rumänien und im Ausland arbeiten. Neben Konferenzen, Webinaren und Workshops mit Dutzenden von Experimenten hat das Team von „Girl Up Neuroscience“, das aus mehr als zweihundert ehrenamtlich arbeitenden Schülerinnen besteht, zahlreiche erklärende Artikel auf der Website veröffentlicht. Zu den behandelten Themen gehören emotionale Intelligenz, die Auswirkungen von Traumata, der Dopamin-Kreislauf, Neurodiversität und Geschlechtergleichstellung.

     

    Eine Studie aus dem Jahr 2021, die in sieben Ländern durchgeführt wurde, zeigte, dass die Rollenklischees bei Eltern eine entscheidende Rolle spielen könnte bei der Aufrechterhaltung der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern in den MINT-Fächern. 85 % der befragten Eltern sagten, sie würden sich einen Mann vorstellten, wenn sie an einen Wissenschaftler denken müssten, und 89 % verbanden mit dem Beruf des Ingenieurs ebenfalls eine männliche Person.

     

  • Krebs und Lebensstil: Wie unsere Gewohnheiten das Krankheitsrisiko beeinflussen

    Krebs und Lebensstil: Wie unsere Gewohnheiten das Krankheitsrisiko beeinflussen

    Der Anstieg ist auch in Rumänien zu beobachten. Die nationale Realität ist erschreckend – Krebs ist die zweithäufigste Todesursache nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Einer von sechs Todesfällen wird durch Krebs verursacht. In der Europäischen Union belegt Rumänien den ersten Platz in der onkologischen Sterblichkeitsrate und verzeichnet 48 % mehr Krebstote als der europäische Durchschnitt sowie über 20.000 vermeidbare Todesfälle pro Jahr.

     

    Warum nehmen Krebserkrankungen allgemein und insbesondere bei jungen Menschen zu? Die Ursachen sind vielfältig. Eine davon ist der Lebensstil, einschließlich der Ernährung, wie Professor Dr. Mircea Beuran, Doktor der medizinischen Wissenschaften und Spezialist für onkologische Chirurgie am Notfallkrankenhaus Floreasca in Bukarest, erklärt:

     

    “Die Veränderung des Lebensstils! Das, was wir jetzt sehen, ist nur die Spitze des Eisbergs, aber aus onkologischen Studien wissen wir, dass diese Veränderungen langsam ab den 1950er Jahren einsetzten – mit der Industrialisierung, mit der Veränderung des Lebens in kapitalistischen Ländern, mit der Zunahme von Schadstoffen, mit einer veränderten Ernährung und anderen Gewohnheiten. All dies, in Kombination mit genetischen Veränderungen, die wir alle in uns tragen, hat ein günstiges Umfeld für die Entstehung von Krebs geschaffen. Diese Entwicklung ist international zu beobachten – in Amerika, Japan, Europa. Die Zahl der Krebserkrankungen bei jungen Menschen nimmt zu. Ich kann Ihnen eine Einschätzung geben, basierend auf den Fällen, die wir im Floreasca-Krankenhaus behandeln: Die Zahl der Krebsfälle im Verdauungstrakt – Speiseröhre, Magen, Dickdarm, Enddarm, Dünndarm, Leber, Bauchspeicheldrüse – nimmt stetig zu. Täglich sehen wir zwei bis vier komplizierte Fälle von Darmkrebs. Die Ursachen sind vielfältig: Konsum von kohlensäurehaltigen Getränken, Energydrinks, Alkohol, Rauchen, Bewegungsmangel, Stress. Viele Menschen sind auch ständig blauem Licht ausgesetzt – von Computerbildschirmen, Tablets, Smartphones. Wir sehen sogar Schlafmangel nicht nur bei jungen Erwachsenen, sondern auch bei deren Kindern.”

     

    Laut Professor Beuran ist die häufigste Krebsart Darmkrebs, die er auf eine unangemessene Ernährung zurückführt:

     

    “Viele unserer Lebensmittel sind hochgradig verarbeitet. Diese Ultra-Verarbeitung bedeutet, dass die Lebensmittel mit Schadstoffen belastet sind – durch Farbstoffe, Konservierungsmittel, künstliche Aromen usw. Diese chemischen Zusatzstoffe überfordern unser Verdauungssystem und unsere Entgiftungsmechanismen. Der tägliche Kontakt mit diesen Stoffen kann auf zellulärer Ebene Veränderungen verursachen, die sich im Laufe der Zeit zu Tumoren entwickeln. Deshalb sind frisches Gemüse und Obst so wichtig! Eine gesündere Ernährung bedeutet, weniger industriell verarbeitete Lebensmittel zu konsumieren und mehr selbst zu kochen.”

     

    Die letzte Mahlzeit des Tages, so der Arzt, sollte idealerweise gegen 19:00 Uhr eingenommen werden. Zudem sollte man sich beim Essen nicht völlig satt essen, um dem Körper die nötige Ruhe für die Verdauung zu geben. Späte Mahlzeiten, insbesondere nachts, seien besonders schädlich.

     

    In der internationalen medizinischen Gemeinschaft gibt es Stimmen, die fordern, dass alkoholische Getränke – ähnlich wie Tabakprodukte – eine Warnung vor Krebsrisiken auf dem Etikett tragen sollten. Professor Beuran unterstützt diese Idee:

     

    “Schon geringer Alkoholkonsum wird mit sieben Krebsarten in Verbindung gebracht. Chronischer Alkoholkonsum, selbst in kleinen Mengen, beeinflusst den Stoffwechsel und fördert Übergewicht. In Kombination mit Rauchen und Bewegungsmangel kann dies zu schweren gesundheitlichen Schäden führen – angefangen in der Mundhöhle. Chronische Alkoholtrinker entwickeln häufig Krebs im Mund-, Rachen- und Speiseröhrenbereich, aber auch Leberkrebs und Darmkrebs. Frauen haben zudem ein erhöhtes Brustkrebsrisiko, da Alkohol den Östrogen- und Insulinspiegel ansteigen lässt. Diese Hormone fördern die Zellteilung, was letztlich das unkontrollierte Zellwachstum begünstigt und zur Krebsbildung führen kann.”

     

    Mit anderen Worten: Achten Sie auf Menge und Qualität! Ein ungesunder Lebensstil über einen längeren Zeitraum kann unsere Gesundheit – und unser Leben – zerstören.

  • Die Wohnung als grundlegendes Menschenrecht

    Die Wohnung als grundlegendes Menschenrecht

    „Wohnen muss als fundamentales Recht behandelt werden, durch das alle Europäer, einschließlich junger Menschen und vulnerabler Gruppen, in den Genuss angemessener und nachhaltiger Wohnbedingungen kommen.“ Dieses Gefühl wurde einstimmig während des ersten Wohnungsforums Ende letzten Jahres in Brüssel geäußert.

    Ein Bericht aus dem Jahr 2023 zeigte, dass fast die Hälfte der Mieter in Europa das Gefühl hatte, mit dem Risiko zu leben, innerhalb der nächsten drei Monate ihr Zuhause verlassen zu müssen, weil sie es sich nicht mehr leisten konnten. Inzwischen wird Obdachlosigkeit zu einem der größten Probleme auf dem Kontinent, mit fast einer Million Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben.
    Laut Sorcha Edwards, Generalsekretärin des Netzwerks Housing Europe, nimmt die aktuelle Wohnungskrise viele verschiedene Formen an. Neben überfüllten Wohnräumen, die im Kontrast zu unterbelegten Regionen stehen, gibt es auch das Problem der Energiearmut: Wohnungen, die nicht modernisiert oder isoliert wurden, zwingen Menschen in prekäre Bedingungen – im Sommer zu heiß, im Winter zu kalt. Ein weiteres Problem betrifft Wohnungen für ältere Menschen oder Menschen mit Behinderungen, die nicht an ihre Bedürfnisse angepasst sind:

    „Es gibt auch Opfer häuslicher Gewalt, die keinen sicheren Zufluchtsort haben. Dann haben wir natürlich das sichtbarste Gesicht der Wohnungskrise: Obdachlose. Doch das Problem und die Ursachen dieser Schwierigkeiten sind in bestimmten Gebieten äußerst komplex. In manchen Fällen fehlt es lokalen Behörden und Regierungen nicht nur an den notwendigen Ressourcen, sondern oft auch am Fachwissen, um diesen schwierigen Sektor zu verwalten. Es wurde gehofft, dass der Markt dieses Problem lösen würde – doch wenn wir einen Sektor wie den Wohnungsmarkt ausschließlich dem Markt überlassen, steht Opportunismus und Profitmaximierung an erster Stelle.“

    Obwohl Rumänien laut Eurostat-Statistiken aus dem Jahr 2023 das Land mit dem höchsten Anteil an Wohneigentümern ist (93 % der Rumänen besitzen das Haus, in dem sie leben), gehören die rumänischen Wohnungen zu den am stärksten überfüllten in Europa (40 %), nur übertroffen von Lettland mit 40,9 %. Zudem haben Rumänien und die Slowakei die geringste Anzahl an Zimmern pro Person: 1,1 Zimmer im Vergleich zum europäischen Durchschnitt von 1,6. Am anderen Ende der Skala stehen Malta und Luxemburg mit 2,3 bzw. 2,2 Zimmern pro Person. Im Jahr 2023 lebte nur 1,5 % der gesamten EU-Bevölkerung in Haushalten ohne Innen-Toilette, Dusche oder Badewanne – doch der mit Abstand höchste Anteil davon war in Rumänien, mit über 20 % (gefolgt von Bulgarien und Lettland mit jeweils 7 %).
    Gefragt nach möglichen Lösungen für Rumänien, inspiriert von erfolgreichen Projekten anderer EU-Mitgliedstaaten, antwortet Sorcha Edwards:

    „Natürlich ist im Wohnungsbereich ein einfaches Copy-Paste von Lösungen nicht möglich. Man muss sich unter anderem die lokalen Bedürfnisse, spezifischen Szenarien, Trends und das durchschnittliche Einkommen der Bevölkerung anschauen. Welche demografischen Entwicklungen sind zu erwarten? Welche Beschäftigungsmöglichkeiten gibt es? Werden in bestimmten Regionen mehr Arbeitsplätze prognostiziert? Es gibt also eine Vielzahl von Faktoren, die berücksichtigt werden müssen. Eine sehr effektive Lösung ist jedoch die Erhöhung der Anzahl öffentlicher, sozialer oder gemeinnütziger Wohnungen – je nach Modell, das besser zur lokalen Kultur und zu den Bedürfnissen passt. Der Vorteil dieses Ansatzes besteht darin, das Risiko der Wohnungsnot zu verringern, die Überbelastungsrate zu senken und den Menschen mehr Optionen zu bieten.“

    Obwohl die Situation von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat und sogar von Region zu Region unterschiedlich ist, unterscheiden sich die größten Herausforderungen bei der Bewältigung der Wohnungskrise in Europa nicht wesentlich von denen Rumäniens. Sorcha Edwards erklärt weiter:

    „Wir beobachten derzeit einen signifikanten Anstieg der Baukosten, was den Bau neuer Wohnungen verlangsamt. Zudem fehlt es an ausreichend verfügbarem Bauland. Wenn wir über das Potenzial der nachhaltigen Anpassung bestehender Gebäude sprechen – eine großartige Lösung zur Reduzierung des CO₂-Fußabdrucks (der bereits in Neubauten steckt) –, ist eine der größten Hürden, die Genehmigung der Eigentümer zu erhalten. All diese Probleme lassen sich überwinden, wenn wir eine klare Vision, einen starken politischen Willen und gut definierte Ziele haben.“

    Auch wenn Rumänien in vielen Bereichen noch Aufholbedarf gegenüber anderen EU-Staaten hat und die Miet- und Immobilienpreise gestiegen sind, waren die Preissteigerungen hier weniger dramatisch als in den meisten anderen Ländern. Während die Preise zwischen 2010 und dem letzten Quartal 2024 in Ungarn und Estland um 230 %, in Litauen um 181 %, in Portugal um 113 % und in Bulgarien um 110 % gestiegen sind, lag der Anstieg in Rumänien unter 30 %.

    Doch, wie Sorcha Edwards betont: „Der Wohnungssektor spielt nach den Regeln der Investoren – und solange ihr einziges Interesse die kurzfristige Profitmaximierung bleibt, wird der Zugang zu Wohnraum für alle Europäer weiterhin eine Herausforderung bleiben.“

  • Paradox Rumänien: Aufstrebende Wirtschaft, armutsgefährdete Bevölkerung

    Paradox Rumänien: Aufstrebende Wirtschaft, armutsgefährdete Bevölkerung

     

     

    Experten beschreiben das Armutsrisiko und die Gefahr der sozialen Ausgrenzung als die Situation eines Haushalts, in der mindestens einer der drei folgenden Zustände gegeben ist: Einkommen unterhalb der Armutsgrenze (im Jahr 2023 waren dies 1 619 Lei im Monat – umgerechnet etwa 325 Euro pro Person), materielle und soziale Entbehrungen und geringe Erwerbsbeteiligung (etwa wenn Erwachsene in einem Umfang unter 20 % ihres jährlichen Potenzials arbeiten). Den Eurostat-Statistiken für das Jahr 2023 zufolge stehen die Einwohner Rumäniens bei diesem Risiko an erster Stelle (32 %), gefolgt von Bulgarien (30 %), Spanien (26,5 %) und Griechenland (26,1 %).

    Darüber hinaus ist laut einer Studie der Organisation „Save the Children“ fast jedes zweite rumänische Kind (41,5 %) von Armut betroffen und von sozialer Ausgrenzung bedroht – fast doppelt so viel wie der europäische Durchschnitt. Andere Eurostat-Daten zeigen auch, dass in Rumänien – mehr als in jedem anderen EU-Land – Armut vererbt wird. Nur 4 % der Jugendlichen, die in Familien mit niedrigem Bildungsniveau aufwachsen, besuchen anschließend eine Universität. Nur in Bulgarien ist dieser Prozentsatz unbedeutend niedriger (3,9 %), während Spanier, Portugiesen und Griechen am ehesten in der Lage sind, einen Hochschulabschluss zu erwerben, wenn sie aus Familien ohne Hochschulbildung stammen: 49,8 %, 37,6 % bzw. 34,5 % – in der Reihenfolge der erwähnten Länder.

    Doch warum lebt ein Drittel der Rumänen am Rande der Armut, wenn das Bruttoinlandsprodukt des Landes im Jahr 2023 im Vergleich zu 2022 um 2,4 % gestiegen ist und die aktive Bevölkerung zu den Europäern gehört, die mit 39,7 Stunden pro Woche die meisten Stunden am Arbeitsplatz verbringen, während der europäische Durchschnitt bei 36,4 Stunden liegt?

    Das haben wir Andrei Țăranu, Politikwissenschaftler und Professor an der Bukarester Hochschule für politische und administrative Studien (SNSPA), gefragt, und er hat eine Erklärung für diesen Widerspruch. Dabei hat er auch Vorwürfe gegen die Generation der Interviewerin parat:

    Hierzulande hat sich das Wirtschaftswachstum trotz der und gegen alle sozialpolitischen Maßnahmen durchgesetzt. Übrigens war es Ihre Generation, die [bei den sozialen Unruhen – Anm. d. Red.] [von] 2017 gegen die Sozialhilfe war, gegen die sogenannten „Zahnlosen“, die von einer Art Gesellschaft schwadronierte, die vollständig von den Menschen vom Land, jenen aus den Kleinstädten und insbesondere von Rentnern gesäubert werden müsste. Dabei galten die Rentner als verachtete Verkörperung all dessen, was die kommunistische Vergangenheit Rumäniens bedeutet hatte. In der Stadt Iași (Jassy), wo ich auch herkomme, gab es diesen erschreckenden Bericht über junge Leute, die einen alten Mann nur so zum Spaß mit Ein-Leu-Scheinen bewerfen, um zuzusehen, wie dieser das Geld vom Boden aufsammelt. Ich denke, das war ein schrecklicher Moment der Kaltschnäuzigkeit.“

     

    Der Politikwissenschaftler Andrei Țăranu ist der Auffassung, dass die Generation mit dieser problematischen sozialen Einstellung insbesondere Jugendliche sind, die nach 1990 oder sogar nach 1985 geboren wurden, die sogenannten frühen Millennials. Eine Generation, die, wie der Experte beschreibt, in einer wirtschaftlichen und sozialen Blase in den Großstädten lebt. Eine Generation, die ausblendet, dass es auch noch ein anderes Rumänien gibt, und die jeden Bezug zur Vergangenheit kappen will, ohne diese Vergangenheit überhaupt verstanden zu haben. Der Politikwissenschaftler definiert diese Generation als die Kohorte des neuen Kapitalismus, die sich durch die schlichte Existenz der anderen Generationen gestört fühlt, weil die letzteren einen Bezug zur Übergangszeit seit dem Ende des Kommunismus haben, eine unterschiedliche Lebensweise pflegen und ein anderes Konsumverhalten an den Tag legen:

    Alle öffentlichen Maßnahmen, die in Rumänien nach 2004 ergriffen wurden, waren ausschließlich auf die reine wirtschaftliche Entwicklung ausgerichtet. Es wurden Gelder für Kleinst- und mittlere Unternehmen und Neugründungen bereitgestellt. Jetzt werden riesige Summen in Autobahnen investiert, aber die Sozialhilfe und eine ganze Reihe von sozial schwachen Gruppen werden einfach vergessen. Und wenn überhaupt von Sozialmaßnahmen des Staates die Rede ist, werden zum Beispiel ältere Menschen aus dem ländlichen Milieu ins Rampenlicht gebracht, damit sich Politiker aus wahltaktischen Gründen profilieren und als Beschützer der Senioren und Hüter der Tradition inszenieren können.“

     

    Eine Lösung, um diese sozialen und wirtschaftlichen Ungleichgewichte auszugleichen, sieht der Experte allerdings nicht. Seine Prognose ist eher pessimistisch:

    Natürlich kann eine Lösung dieses Problems nur politisch sein – ohne politischen Willen kann es keine Lösung geben! Und das würde eine kritische Masse voraussetzen, die die sozialen und Generationsunterschiede nachvollzieht. Ich glaube nicht, dass das möglich sein wird. Ein großer Teil dieser Abgehängten (auf Englisch heißen sie »Left-Behinders«), die in prekären Arbeitsverhältnissen arbeiten, keine oder nur eine unterdurchschnittliche Ausbildung haben, die auf dem Bau oder in anderen prekären Bereichen arbeiten, sind heute Befürworter rechtsradikaler bis faschistischer Bewegungen. Zu den Verachteten gehören beispielsweise auch die Straßenkehrer, die als Angestellte der Kommunalverwaltung ebenfalls als »Staatsbedienstete« verspottet werden. Und es ist offensichtlich, dass diese neue, urbane Elite diesen Abgehängten nicht die Hand reichen will, weil die Elite sie als Feinde betrachtet, als diejenigen, die uns aus der EU und der NATO angeblich herausbugsieren und Rumänien generell in die Luft jagen wollen. Diese Leute wollen Rumänien nicht ins Chaos stürzen, sondern ihr Leben in Rumänien ist in ihren Augen einfach unerträglich geworden.“

     

    Der Politologe Andrei Țăranu ist ferner der Ansicht, dass das Jahr 2004 ein Wendepunkt war, der die Spaltung zwischen den verschiedenen sozialen Gruppen und Generationen weiter vorangetrieben hat. Außerdem hätten die Medien einen großen Teil der Verantwortung für dieses Missverhältnis getragen. Er argumentiert, dass die Medien in ihrer Sensationslust den größeren Kontext nicht beleuchtet hätten, in dem sich Tragödien abspielen, abweichendes Verhalten und kriminelle Situationen entstehen. Solche Sachverhalte entstünden meist in sozialen Milieus mit hohem Risiko für Armut und soziale Ausgrenzung. Die so genannten „Armutsblasen“, die von der Presse immer wieder ausgeschlachtet werden, seien die vernachlässigten Regionen und Bevölkerungsgruppen des Landes. Und für sie ergreife der Staat keine Maßnahmen, um den Abstand zur privilegierten Bevölkerung in den Großstädten zu verringern.

  • Horror-Statistik: Der Drogenkonsum in Rumänien

    Horror-Statistik: Der Drogenkonsum in Rumänien

    Der 31. Mai ist zum Nationalen Tag zur Sensibilisierung für Drogenkonsum erklärt worden. Der entsprechende Gesetzentwurf wurde kürzlich von der Abgeordnetenkammer in Bukarest, dem legislativen Entscheidungsgremium des Landes, verabschiedet. Laut Brian Cristian, Abgeordneter der pro-europäischen Oppositionspartei Union Rettet Rumänien (USR), reicht ein symbolischer Aktionstag zur Aufklärung nicht aus, um das Drogenproblem der Gesellschaft zu lösen.

    Einer von zehn jungen Menschen in Rumänien und ein Viertel der Gymnasiasten aus der Oberstufe haben mindestens einmal Drogen konsumiert. Das seien die offiziellen Zahlen, die von Behörden und Medienvertretern öffentlich genannt werden, erklärt der Abgeordnete. Dies offenbare die jahrzehntelange verfehlte Drogenpolitik und die Unfähigkeit des rumänischen Staates im Kampf gegen die großen Drogenhändler, so Cristian. Seiner Ansicht nach würden „junge Menschen wie Kriminelle behandelt, während die großen Drogenhändler ungeschoren davonkommen“.

    „Ohne Prävention, ohne Beratungsprogramme und ohne ausreichende finanzielle Unterstützung für den Sport – der jungen Menschen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung bietet – wird Rumänien den Kampf gegen Drogen weiterhin verlieren“, fügt der Abgeordnete hinzu.

    Die Realität vor Ort ist in der Tat erschreckend. Kinder im Alter von nur zwölf Jahren haben bereits Drogen konsumiert, die sie von vierzehnjährigen Dealern erhalten haben – oft ohne sich der verheerenden Folgen bewusst zu sein, die diese Substanzen in ihren Gehirnen hinterlassen. Der Arzt für Notfallmedizin und Toxikologie, Radu Țincu, erklärte auf einer Fachkonferenz, dass sich die meisten jungen Menschen der gravierenden Auswirkungen des Drogenkonsums nicht bewusst sind.

     „Der Konsum psychoaktiver Substanzen in einem so jungen Alter, in dem die Entwicklung des Zentralnervensystems noch nicht abgeschlossen ist, kann zu schwerwiegenden neurokognitiven Störungen führen. Dazu zählen Verhaltens-, Denk- und Aufmerksamkeitsstörungen, von denen einige möglicherweise irreparabel sind. Zudem erhöht Drogenkonsum in der Jugend das Risiko, im Erwachsenenalter psychische Erkrankungen zu entwickeln – ein Umstand, der aus sozialer Perspektive drängende Fragen aufwirft: Wie sieht eine Gesellschaft aus, in der viele junge Menschen mit psychischen Störungen oder Verhaltensauffälligkeiten leben?

    Im Falle von Überdosierungen und notwendiger intensiver Betreuung können die Kosten pro Patient bis zu 20.000 bis 30.000 Euro betragen. Während der anschließenden Entgiftungsphase in einem psychiatrischen Zentrum können zusätzlich bis zu 10.000 Euro anfallen.

    Eines der im Jahr 2024 in Rumänien durchgeführten Anti-Drogen-Programme war „Entscheide dich zu entscheiden – Eine Kunstkaravanne für die Prävention des Konsums“. Das Projekt wurde von der Nichtregierungsorganisation „E Ceva Bine“ umgesetzt und durch das Innenministerium über die Nationale Anti-Drogen-Agentur finanziert. In neun Städten im Nordosten Rumäniens, in den Landkreisen Botoșani, Neamț und Vaslui, zielte das Programm darauf ab, junge Menschen im Alter von 12 bis 25 Jahren sowie ihre Eltern für die Risiken des Drogenkonsums zu sensibilisieren und aufzuklären.

    Das Projekt soll das Selbstvertrauen und die Widerstandsfähigkeit drogengefährdeter Kinder, Jugendlicher und ihrer Eltern stärken. Freizeitaktivitäten dienten dabei als Alternative zum Drogenkonsum. Das Motto lautete: „Wahl und Ausdruck durch Kunst und weitere nichtformale Bildung“. Insgesamt profitierten 8.000 junge Menschen von diesem Programm.

    Wie sollte man vorgehen, wenn ein Jugendlicher oder ein Kind erste Anzeichen von Drogenproblemen zeigt? Iulian Văcărean, Präsident des Vereins „E Ceva Bine“, gibt eine Antwort.

    Ich glaube, das Wichtigste ist, mit den Menschen zu sprechen, die einem nahestehen. Eltern, Lehrer und diejenigen, für die du wirklich wichtig bist, werden dir immer helfen, den besten Weg für dich zu finden.

    Die Experten reisten auch in den Landkreis Suceava im Norden Rumäniens, wo sie mit Schülern, Eltern und Lehrern in der Gemeinde Fălticeni sprachen. Darüber berichtete der Anti-Drogen-Experte Cătălin Țone, ein ständiger Mitarbeiter des öffentlichen Rundfunks auf diesem Gebiet.

    Radio Romania Actualități setzt gemeinsam mit Partnern eine vor etwa zwei Jahren gestartete Antidrogenkampagne fort. Wir reisen durch das Land und organisieren präventive Aktivitäten für Schulkinder, Eltern und Lehrer. Diese Aktivitäten sind interaktiv, belohnen die Teilnehmer mit kleinen Preisen und fördern den offenen Dialog. Wir sind überzeugt, dass präventive Inhalte auf diese Weise besser vermittelt werden können. Unser Ziel ist es, Barrieren klassischer Präventionsmethoden abzubauen, die oft nicht den gewünschten Effekt erzielen. Wir beobachten bereits konzeptionelle Veränderungen: Die Verantwortlichen für Prävention, Kontrolle und Behandlung haben begonnen, miteinander zu kommunizieren und aktiv zu diskutieren.

    Wir bringen gute Nachrichten bezüglich des Gesetzespakets, insbesondere in den Bereichen Drogenbekämpfung, Erhöhung der Strafen, Registrierung von Drogenhändlern und Abschaffung von Bewährungsstrafen. Eine weitere positive Nachricht ist, dass vor vier Monaten ein Gesetz zur Einrichtung von acht Zentren für die Behandlung von Drogenabhängigkeit verabschiedet wurde. Zudem wird viel über die Reorganisation der Nationalen Drogenbekämpfungsbehörde diskutiert, was ich sehr begrüße, da sie die nationale Strategie in diesem Bereich verantwortet und sich den neuen Anforderungen anpassen muss.

  • Reproduktive Gesundheit: 35 Jahre seit Freigabe der Verhütungsmittel

    Reproduktive Gesundheit: 35 Jahre seit Freigabe der Verhütungsmittel

    Für frühere Generationen war der Zugang zu Verhütungsmitteln während der kommunistischen Zeit an der Grenze der Legalität. Ein Schwangerschaftsabbruch galt als Verbrechen. Wir wollten erfahren welches Verhältnis zur Empfängnisverhütung die rumänische Gesellschaft heute hat. Im Interview mit Andrada Cilibiu, Expertin für sexuelle und reproduktive Rechte, gingen wir der Sache auf den Grund.

     Da keine kostenlosen Verhütungsmittel angeboten werden, vor allem nicht für die anfälligen Teil der Bevölkerung, keine Informationen und keine umfassende Sexualerziehung in den Schulen, liegt es auf der Hand, dass die Nutzungsrate von Verhütungsmitteln niedrig ist. Das ist besorgniserregend, vor allem unter zwei Gesichtspunkten: erstens eine steigende Rate von sexuell übertragbaren Krankheiten, über die wir kaum sprechen, weil in Rumänien das gesamte Thema der reproduktiven Gesundheit und der sexuellen Rechte leider ein Tabu bleibt.

    Ein weiteres Problem sind die Schwangerschaften von Teenagern, die unerwünschten Schwangerschaften und eine Gesellschaft, die Verhütung leider mit Abtreibung gleichsetzt. Und das wollen wir nicht. Wir wollen in erster Linie, dass alle Frauen Zugang zu Verhütungsmitteln, Informationen, Sexualerziehung und sicheren Abtreibungen haben. Aber wir müssen leider feststellen, dass wir in den letzten 10 Jahren einen Rückschritt gemacht haben.

    Andrada Cilibiu beschreibt, wie in den 2000er Jahren in Rumänien ein Netzwerk für Familienplanung eingerichtet wurde. Darin klärten Fachärzte in Einzelgesprächen über den gesamten Themenbereich der reproduktiven Gesundheit auf: Verhütungsmethoden, Ängste in Sachen Geschlechtsverkehr, Schwangerschaft usw. Außerdem, fügt  Cilibiu hinzu, bot das Netzwerk kostenlose Verhütungsmittel an.

    Der Expertin zufolge gingen die Ärzte in den Ruhestand, ohne andere Fachärzte ausgebildet zu haben und ohne dass das Netz weitere Ressourcen erhalten hätte. Darüber hinaus waren die 2000er Jahre von massiven Fortschritten bei der Vorbereitung auf den EU-Beitritt geprägt, dabei kam die reproduktive Gesundheit zu kurz. Die Republik Moldau hingegen wird als positives Beispiel angeführt. Dort gibt es spezialisierte Kliniken, wo junge Menschen im Alter von 10 bis 24 Jahren kostenlose Dienstleistungen erhalten. Aus welchen bewährten Verfahren können wir lernen – fragten wir Andrada Cilibiu.

    Zweifelsohne von den Modellen für eine umfassende Sexualerziehung, wie wir sie in den nordischen Ländern, im Vereinigten Königreich oder in den Niederlanden finden. Dort beginnt die Sexualerziehung in einigen Ländern bereits in den ersten Lebensjahren, mit Informationen, die  Kinder verstehen – insbesondere über die Einwilligung und die körperliche Autonomie. Und dann, wenn sie älter werden, langsam mit weiteren Informationen über gesunde emotionale und sexuelle Beziehungen. 

    Wir haben Beispiele für gute Praktiken im Bereich der Abtreibung, ebenfalls in den Niederlanden, in Frankreich, das gerade das Recht auf Abtreibung in der Verfassung verankert hat. Wir haben als Beispiel auch Spanien, das ein sehr gutes Programm zur Verteilung von Verhütungsmitteln hat. Die meisten EU-Länder haben ähnliche Programme, vor allem für Jugendliche und junge Erwachsene, aber auch für sozial schwache Gruppen. Rumänien gehört zu der Minderheit der Länder, die keine kostenlosen Verhütungsmittel anbieten.

    Das Filia-Zentrum, in dem auch Andrada Cilibin tätig ist, hat im Frühjahr eine Studie über die politischen Interessen von Frauen veröffentlicht. Diese enthielt unter anderem eine Statistik über die Nutzung von Verhütungsmitteln. Demnach haben ein gutes Drittel der Rumäninnen in den letzten 10 Jahren Verhütungsmethoden verwendet. Davon benutzten knapp zwei Drittel Kondome. Genannt wurden ferner die Tabletten vor und nach dem Sex, die allerdings als Notlösung betrachtet werden. Ungefähr 40% der befragten Frauen griffen auch auf natürliche Methoden wie die Kalender- oder Rückziehermethode zurück. Ein viel geringerer Prozentsatz verwendete invasive Methoden wie die Spirale oder Sterilisation.

    In Europa schlägt die Weltgesundheitsorganisation wegen des besorgniserregenden Rückgangs der Kondomnutzung unter Teenagern Alarm. Eine WHO-Studie dazu wurde zwischen 2014 und 2022 in 42 europäischen Ländern durchgeführt. Bei 15-jährigen Jungen und Mädchen sei die Kondomnutzung um 9% bzw. 6% zurückgegangen. Insgesamt würden heute um die 60% der Teenager diese Methode nutzen.  Dieselbe Studie ergab, dass in Rumänien 30% der Mädchen und 22% der Jungen bei ihrem letzten Geschlechtsverkehr keine  Verhütung benutzt haben. Nach den Gründen fragten wir die Expertin Andrada Cilibiu.

    Leider sehe ich viele junge Menschen, die eher die Pornografie  als Referenzsystem für sicheren Sex nutzen. Sie sind sehr verwirrt und glauben am Ende viele Mythen und Stereotypen und sind sehr besorgt über ihr eigenes Körperbild, über romantische oder emotionale Beziehungen, die sie eingehen, über sexuelle Beziehungen und so weiter.

    Da es in der Familie und vor allem in der Schule keine Autorität für eine wissenschaftliche Aufklärung gibt, werden die Jugendlichen leider im Stich gelassen. Sie gehen am Ende sexuelle Beziehungen ein oder Beziehungen, in denen sie die Gewalt nicht erkennen, in denen sie nicht erkennen, was nicht in Ordnung ist. Insofern brauchen wir vor allem eine verpflichtende Sexualerziehung für alle, ohne elterliche Zustimmung, jugendgerechte sexuelle Gesundheitsdienste.

    Auf regionaler Ebene hat eine britische Studie bestätigt, dass in Osteuropa die Kondomnutzung im Schnitt bei knapp 40% der Verhütungsmethoden liegt. Der rumänischen Statistik wird dabei widersprochen. Die Kondome würden hier von weniger als 31% derjenigen genutzt, die überhaupt eine Methode wählen. Für die Kalendermethode entscheiden sich fast 20% der Rumänen, während der osteuropäische Durchschnitt bei 6% liegt. Die Rückzieher-Methode wird von 13% der Rumänen und 10% der Befragten in der Region bevorzugt.

  • Sustenlandia: Die Konferenz zur Nachhaltigkeit der Wirtschaft

    Sustenlandia: Die Konferenz zur Nachhaltigkeit der Wirtschaft

    Wer sich weigert, neue Standards zu erfüllen, wird außen vor bleiben. Das behaupteten die Redner bei der Konferenz Sustenlandia: Unternehmen müssen aufgrund der Klimakrise Verantwortung übernehmen, die über die Finanzabteilung hinausgeht.

    Neben Vertretern rumänischer Konzerne waren drei weltbekannte Persönlichkeiten auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit auf der Bühne. John Elkington gilt als „Pate der Nachhaltigkeit“, da er sich seit dreißig Jahren mit dem Thema beschäftigt. Er sprach über die aktuelle Unternehmensführung in Rumänien.

    Sie haben in Rumänien zum Beispiel eine Geschichte der Erdölförderung, die problematisch war und noch problematischer werden wird. Die Landwirtschaft ist ein weiterer Bereich, in dem intensive Landwirtschaft mit Pestiziden und Düngemittel, neben den ökologischen Produkten existiert. Es fällt mir sehr schwer, zu verallgemeinern, aber ich bin wirklich überrascht, weil das Niveau der Debatte, zumindest in bestimmten Netzwerken hier, viel fortgeschrittener ist, als ich dachte.

    Für Außenstehende scheint der rumänische Wirtschaftsmarkt immer noch auf einer Nullsummen-Mentalität zu beruhen. John Elkington glaubt, dass der Generationswechsel das Problem beheben könnte.

     In einem Land wie Rumänien, in einer Wirtschaft wie Ihre, ist es vollkommen verständlich. Sie ist aus einer Zeit enstanden, in der es ein ganz anderes Verständnis der Werte gab. Die Menschen haben sich bemüht, zu zeigen, dass sie auf eine Art und Weise Gewinn machen können, die Investoren anzieht. Aber ich denke, wenn man sich andere Teile der Welt anschaut, dann waren es Katastrophen, die die Menschen in den frühen Phasen der Veränderungsagenda wachgerüttelt haben. Jedoch haben sich die Dinge in der Zwischenzeit geändert, und vielleicht ist das auch in Rumänien geschehen.

    Unternehmen, die den Wandel nicht nur als Risikomanagement betrachten, beginnen zu verstehen, dass es in Wirklichkeit um die Chancen der Zukunft geht, darum, was die Märkte wollen. Wie können wir neue Arten von Verbrauchern, neue Arten von Kunden und neue Arten von Investoren bedienen? Viele derjenigen, die traditionelle, rein gewinnorientierte Unternehmen führen, werden sich nicht ändern, sie werden nur gehen, wenn sie in Rente gehen oder nicht mehr da sind. Die Frage ist also: Wie können wir den Prozess beschleunigen, der junge Menschen in einflussreiche Positionen bringt? Denn im Allgemeinen nehmen junge Menschen die Welt um sie herum besser wahr.

    Die Diskussionen auf der Bühne der Veranstaltung wurden von Charlie Cox moderiert. Sie ist die Gründerin eines britischen Unternehmens, das den Managern hilft, eine klimafreundliche Einstellung zu entwickeln. Charlie Cox versuchte zu erklären, welche Kräfte Unternehmen bewegt und wie man die Umwelt ganz oben auf die Prioritätenliste setzen könnte.

    Wenn wir über Veränderungen nachdenken, denken wir oft an die Aktionen. Wir müssen auch die Motivation berücksichtigen. Es geht darum, an die inneren Werte der Menschen anzuknüpfen, an ihren Zweck, man könnte sagen, an ihre moralische Faser. Es geht darum, den Teil in den Menschen ansprechen, die schon als Vierjährige Astronaut werden wollten, den Traum, die Liebe, das Gefühl, einen Marienkäfer auf einem Blatt befreien zu wollen. Dieser Teil von uns ist immer noch lebendig, aber als Erwachsene haben wir ihn unterdrückt, und es ist sehr wichtig, ihn wieder zu erreichen. Ich würde idealistisch klingen, wenn ich nicht zwei andere Dinge erwähnen würde: Knappheit und Relevanz, die fast zwei Elemente derselben Seite der Medaille sind. Die eine ist die Aktivierung des Gefühls der Angst. Wie groß ist das Risiko für Ihr Unternehmen, wenn Sie sich zurücklehnen und nichts tun? 

    Wir können zum Beispiel über die alten Unternehmen von vor 30 Jahren sprechen, von denen wir dachten, dass es sie für immer geben würde, und die nun aufgrund des technologischen Wandels völlig veraltet sind. Das andere Element ist es, den Menschen das Gefühl zu geben, dass sie relevant bleiben und Teil einer Veränderungsbewegung sein werden, wenn sie sich dafür entscheiden. Das müssen wir den Menschen vermitteln: Tun Sie nichts Ungewöhnliches, wenn sie keine Pionierarbeit leisten wollen. Sie sind eigentlich Teil einer Welle von Unternehmen, die sich in die gleiche Richtung bewegen. Das schafft ein Gefühl der Sicherheit, dass man dazugehört, dass man als CEO oder vom Managementteam nicht entlassen wird, weil man sich in die Richtung bewegt, in die sich alle anderen bewegen, und dass man in Sicherheit ist.

    Wayne Visser ist einer der 100 führenden Denker der Rangliste für vertrauenswürdiges Geschäftsverhalten der Harvard School. Er war der dritte ausländische Redner der Sustenlandia-Konferenz. Visser ist der festen Überzeugung, dass kein Mensch allein die Welt verändern kann, sondern dass jeder Mensch seinen Einflussbereich verändern sollte.

    Meiner Meinung nach kann lokales Handeln in diesem Bereich sehr wirkungsvoll sein. Wenn man sich anschaut, was einige Bürgermeister auf städtischer Ebene zum Thema Klimawandel unternommen haben, war das viel effektiver als das, was einige nationale Regierungen oder internationale Kooperationen getan haben. Und das zu Recht, denn die Bürgermeister können die Auswirkungen auf lokaler Ebene sehen, sie haben oft mehr Entscheidungsbefugnis und es ist für sie  einfacher, das Problem und die Lösung zu verwalten. Wir brauchen zwar Maßnahmen auf allen Ebenen, und alle sollten zusammenarbeiten, aber ich glaube nicht, dass wir warten sollten, bis wir die ideale Gesetzgebung haben und sich alle einig sind. Sie wissen ja, was man sagt: Perfektion darf kein Hindernis für Veränderungen sein.

  • Arbeitsmigration aus Drittländern: immer mehr asiatische Arbeitnehmer in Rumänien beschäftigt

    Arbeitsmigration aus Drittländern: immer mehr asiatische Arbeitnehmer in Rumänien beschäftigt

     

     

    Rumänien konfrontiert sich seit geraumer Zeit mit einer negativen Demographie, einer immer älter werdenden Bevölkerung und einer massiven Auswanderung. Das hat auch zu einem Mangel an Arbeitskräften auf dem rumänischen Markt geführt. Aus diesem Grund hat die rumänische Regierung in den letzten Jahren versucht, den Mangel an Humanressourcen in bestimmten Wirtschaftszweigen durch das Heranziehen von Arbeitskräften aus sogenannten Drittländern von außerhalb der EU auszugleichen.

     

    So wurde in den letzten drei Jahren (beginnend mit 2022) – mit grünem Licht aus Brüssel – jährlich jeweils ein Kontingent von 100 000 Arbeitsvisa für Arbeitnehmer aus nicht-europäischen Ländern genehmigt. Nach Angaben der Generalinspektion für Einwanderung wurden z.B. im Jahr 2023 mehr als 101 000 Arbeitsgenehmigungen an Nicht-EU-Bürger erteilt, wobei die meisten aus Nepal (über 23 000), Sri Lanka (22 000), Bangladesch (18 000) und Pakistan (über 8 000) kamen. Die Daten von der Einwanderungsbehörde zeigen auch ein erhebliches geschlechtsspezifisches Gefälle – fast 90 Prozent der Neuankömmlinge im Jahr 2023 waren Männer. Die wichtigsten Wirtschaftszweige, die diese Arbeitnehmer beschäftigten, sind das Hotel- und Gastronomiegewerbe, Fabriken und Industrieanlagen, Bauwesen und Reinigung. Denselben Angaben zufolge fallen insbesondere Arbeitnehmer aus Sri Lanka schwer ins Gewicht: 2022 entfielen mehr als 50 % der EU-weit erteilten Arbeitsgenehmigungen an Bürger Sri Lankas auf Rumänien.

     

    Beim Thema ausländische Arbeitnehmer muss man jedoch auch über ihre Rechte auf faire und sichere Arbeitsbedingungen sprechen, die sie vor möglichem Missbrauch durch Arbeitgeber schützen. Nicht wenige der in letzter Zeit veröffentlichten Presseartikel und Recherchen berichten über eine prekäre Situation, in der sich diese Menschen befinden. Sie leben und arbeiten in einem Land, dessen Sprache sie nicht beherrschen und dessen Gesetze sie nicht kennen, und sind somit dem Risiko ausgesetzt, ausgebeutet, getäuscht oder auf dem illegalen Arbeitsmarkt beschäftigt zu werden – oftmals sind es Umstände, für die sie nicht verantwortlich sind. Arbeitswillige ausländische Staatsangehörige zahlen häufig exorbitante Summen an Arbeitsvermittler, so dass sie Kredite von 4 000 bis 10 000 Euro aufnehmen, die sie in Raten von ihrem in Rumänien verdienten Gehalt zurückzahlen müssen. Außerdem geben viele an, sie hätten Familienschmuck verpfändet, Grundstücke verkauft, sich an Banken gewandt oder die Eigentumsurkunden ihrer Familienhäuser und Grundstücke in der Heimat als Bürgschaft hinterlegt, um einen Arbeitsplatz in Rumänien vermittelt zu bekommen.

     

    Diese Umstände bringen sie in ein Abhängigkeitsverhältnis zu rumänischen Arbeitgebern, die somit ein leichtes Spiel haben, die Grundrechte dieser Arbeitnehmer zu verletzen. Anatolie Coșciug, Wissenschaftler und stellvertretender Leiter des Zentrums für vergleichende Migrationsstudien, spricht im folgenden über Fälle von Missbrauch, die durch Recherchen aufgedeckt wurden:

     

    Wir haben versucht herauszufinden, ob die Fälle von Missbrauch, von denen wir gehört oder gelesen hatten, eine Ausnahme sind, ob es sich um Einzelfälle handelt oder ob es sich um eine systematische Sache handelt; und falls es sich um eine systematische Ausbeutung handelt, wollten wir wissen, warum das passiert. Und hier gibt es migrationspolitische Faktoren, sozialpolitische Faktoren im Allgemeinen, es geht also nicht nur um die Migration an sich, sondern auch um allgemeine gesellschaftliche Zustände. Dadurch sind Einwanderer und Arbeitsmigranten besonders exponiert. Und wir schlagen einen menschenrechtszentrierten Ansatz vor. Denn es ist unglaublich, dass fast niemand über sie als Menschen spricht, die Rechte haben, die verletzlich sind, die in gewissem Maße geschützt werden müssen. Das kam mir absolut ungewöhnlich vor – in Gesprächen mit ihnen, mit NGO und mit anderen Akteuren hatte niemand diese Menschenrechtsperspektive.“

     

    Doch wie sehen typische Fälle von Missbrauch aus, mit denen sich außereuropäische Arbeitsmigranten in Rumänien konfrontieren? Anatolie Coșciug vom Zentrum für vergleichende Migrationsstudien führt weiter aus:

     

    „Wir haben versucht, die wichtigsten Menschenrechte ein wenig zu betrachten, um zu sehen, wie ihre Auslegung hierzulande in unterschiedlichen konkreten Situationen realisiert wird. Wir haben zum Beispiel das Recht auf einen Arbeitsplatz unter menschenwürdigen Bedingungen, das Recht auf eine angemessene Wohnung, die Familienrechte und das Recht auf Ausbildung unter die Lupe genommen. Überraschenderweise haben wir in jeder Kategorie mehrere Fälle gefunden, in denen diese Rechte verletzt wurden. Einige davon sind schwerwiegender, wie z.B. die angemessene Unterbringung – das scheint mir eine ziemlich ernste Situation zu sein. Die meisten befragten Arbeitsmigranten erzählten, dass sie in überfüllten Unterkünften wohnen; in Härtefällen haben die Menschen keinen Zugang zu Wasser, das vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Essen ist unzureichend im Verhältnis zur schweren Arbeit, die sie leisten müssen. Es gibt auch weniger gravierende Fälle, in denen aber dennoch elementare Menschenrechte in weniger sichtbarer Form verletzt wurden. Beispielsweise sind das Recht auf Familienzusammenführung oder auf Familiennachzug zwar theoretisch verankert, doch in der Praxis ist es ein langwieriger und komplizierter Prozess. Der Familiennachzug wird oft vom Arbeitgeber, von der Regierung des Herkunftslandes wie von der Regierung in Rumänien behindert oder abgelehnt.“

     

    Eine Änderung dieser Zustände sei überfällig, meinte noch der Migrationsforscher Anatolie Coșciug – alle Beteiligten – von den staatlichen Institutionen über den privaten Sektor bis hin zur rumänischen Bevölkerung im Allgemeinenmüssten noch lernen, wie man Neuankömmlinge und Migranten fair behandelt und angemessen integriert.

  • Publikationsprojekt mit Jugendlichen: Teenies sind sehr mitteilungsbedürftig

    Publikationsprojekt mit Jugendlichen: Teenies sind sehr mitteilungsbedürftig

     

     

    Doch ist dem auch so? Die Schriftstellerin Iulia Iordan nahm sich vor, im Rahmen eines von einer NGO und dem Seneca-Verlag initiierten Bildungsprojekts herauszufinden, wie die Jugendlichen von heute ticken. Ausgangspunkt war die berühmte Schrift „Briefe an Lucilius“ des römischen Dichters und Philosophen Seneca. Im Buch erteilt Seneca einem gewissen Lucilius Ratschläge, sein Leben im Sinne der stoischen Philosophie sinnvoll zu gestalten. Im Projekt des Seneca-Verlags wurden Jugendliche ermutigt, ihre Gedanken niederzuschreiben. Projektkoordinatorin Cristina Pârvu mit Einzelheiten:

    Am Anfang stand der Wunsch, Senecas Lehren in praktische Ratschläge für die Jugend von heute umzuwandeln, sozusagen einen Ratgeber für den Alltag zu erarbeiten. Wir arbeiteten dabei mit der Schriftstellerin Iulia Iordan und der Illustratorin Oana Ispir zusammen. Es handelt sich um einen Briefaustausch zwischen der Schriftstellerin Iulia Iordan und 18 Jugendlichen im Alter von 15 bis 17 Jahren. Die Jugendlichen schickten Iulia Iordan Briefe über ihre Sorgen, Ängste, Glücksmomente und existenziellen Fragen. Auf der Grundlage ihrer Briefe schrieb Iulia Iordan ihrerseits Antworten, die von den Lehren Senecas und den Briefen an seinen jüngeren Freund Lucilius inspiriert sind.“

     

    Philosophie als Taschenbuch“ bezeichnete der Seneca-Verlag das Projekt mit redaktioneller Beteiligung von Jugendlichen, doch die Texte, die anschließend in einem Sammelband mit dem Titel „Bleib bei dir“ veröffentlicht werden sollen, will die Autorin Iulia Iordan in Form von Gedichten verarbeiten. Bei den 18 teilnehmenden Jugendlichen handelt es sich um junge Menschen, mit denen die Autorin in anderen Bildungsprojekten zusammengearbeitet hat und die das Bedürfnis haben, ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Denn die Jugendlichen brauchen jemanden, der ihnen zuhört und dem sie Geständnisse machen können, sagt die Autorin Iulia Iordan.

    Es ist sicherlich eine Form der Ermutigung, wie einer von ihnen in seinem Brief ausdrücklich sagt: ‚Wir haben dieses ständige Bedürfnis, uns Gehör zu verschaffen und Zuspruch von anderen zu erfahren.‘ In meinen Gesprächen mit jungen Menschen oder sogar mit immer jüngeren Kindern, die ich unabhängig von diesem Projekt führe, erkenne ich dieses Bedürfnis, sich mitzuteilen, und sie sagen mir oft, dass sie niemanden hätten, mit dem ich reden könnten, nicht einmal unter ihren Freunden. Andere schrieben: ‚Ich traue mich nicht, bestimmte Dinge zu sagen. Und es ist sehr traurig und unfair, dass wir trotz der vielen Kommunikationsmittel, die uns heute zur Verfügung stehen, immer noch das Gefühl haben, nicht gehört und nicht verstanden zu werden. Deshalb war ich sehr froh, dass der Seneca-Verlag für dieses Projekt offen war, bei dem der ursprüngliche Vorschlag darin bestand, einige von Senecas Briefen an Lucilius in eine jugendfreundlichere Form der Poesie zu bringen. Letztendlich stimmte der Verlag jedoch zu, noch direkter vorzugehen und die Stimmen der Jugendlichen selbst in die Gedichte einzubeziehen, die schließlich aus dem Projekt hervorgehen werden.“

     

    Doch was beschäftigt diese jungen Menschen und was haben die Teenager dieser Generation gemeinsam? „Die Ernsthaftigkeit, mit der sie sich Fragen stellen“, hat die Autorin Iulia Iordan beobachtet.

    Für mich war die Tatsache erhellend, dass sie einen klaren Verstand haben und sich der Antworten auf ihre Fragen sehr bewusst sind. Sie haben einen wirklich geübten Verstand und eine gewisse Leseerfahrung. Ich möchte daher einer möglichen Kritik an diesem Buch entgegenwirken, die in anderen Zusammenhängen an mich herangetragen wurde. Mir wurde etwa gesagt, dass wir uns bestimmte Jugendliche aus bildungsaffinen Milieus ausgesucht hätten und dass unser Projekt daher nicht repräsentativ sei, denn schließlich seien nicht alle Jugendliche so. Dem möchte ich widersprechen – doch, die Jugendlichen ähneln einander sehr, und es sind dieselben Fragen, die sie bewegen. Allerdings muss man ihnen die Gelegenheit bieten, diesen kritischen und klaren Verstand zu üben, und wir Erwachsenen sollten ihnen Bücher zur Verfügung stellen, und nicht nur darauf abzielen, sie in eine extrem formalisierte Bildung einzubinden, wie es leider in den rumänischen Schulen am häufigsten geschieht. Ich glaube, dass alle Jugendliche bewegende Geständnisse schreiben könnten, wenn sie ein paar kleine Werkzeuge parat hätten, die die Erwachsenen in ihrem Umfeld zur Verfügung stellen sollten. Jugendliche haben vieles gemeinsam. Die Freiheit, mit der sie sich ausdrücken, die Kühnheit, mit der sie sich äußern, den Mut, mit dem sie Fragen stellen, die sie anschließend selbst beantworten. Nach dem Lesen all dieser Briefe kann man nicht anders, als ihren jungen und offenen Geist zu bewundern.“

     

    Doch welche sind konkret die Themen, die Jugendliche bewegen? Die Frage beantwortet zum Schluss unseres Sozialreports erneut die Autorin Iulia Iordan:

    Einige von ihnen schrieben über den Tod und wie sie damit umgehen. Einige andere schrieben über den Krieg, und ich fand diesen Ansatz in seiner Unschuld sehr reif, vor allem, weil die meisten Erwachsenen in meinem Umfeld bereits aufgehört haben, über das Thema Krieg zu sprechen, obwohl er immer noch unweit der Grenzen unseres Landes weiter tobt. Doch siehe da, diese Jugendlichen denken immer noch über diese Dinge nach. Andere haben über Liebe, Philosophie, Literatur, Mut oder Angst geschrieben. Die Themen sind sehr vielfältig.“

  • Zivilgesellschaft unterstützt Bildung am Land

    Zivilgesellschaft unterstützt Bildung am Land

    In nur vier Jahren hat Bookland 80 Schulen und Kindergärten saniert und ausgestattet. Den Anstoß dazu gaben Statistiken über massive Schulabbrüche in ländlichen Gebieten. Und die Gründe für die vernachlässigte Schulbildung gehen Hand in Hand mit der Vernachlässigung von Schulgebäuden, sagt Mihaela Petrovan vom Bookland-Verein.

    „Die Bildungslage in ländlichen Gebieten ist ernst. So besucht beispielsweise jeder zweite Schüler nach der 8. Klasse keine weiterführende Schule. Und sogar jeder vierte Schüler vom Dorf macht kein Abitur. Es ist also schwierig, aber wir geben nicht auf. Wir Bürgerrechtler kämpfen weiter und es geht vorwärts. Wir haben einen Traum, sind vielleicht ein bisschen naiv, ein bisschen verrückt, mutig und glauben daran, dass wir es schaffen, auch wenn es nicht einfach ist. Und deshalb beginnen wir nach vier Jahren mit der Sanierung von Schulen in allen Landeskreisen, mit Ausnahme von Ilfov. Dort haben wir lange nach einer Schule gesucht, die unsere Hilfe braucht, aber es scheint, dass absolut alle mit Ermutigung des Schulamts in Eigenregie EU-Mittel beantragt haben. Und das ist gut so. Aber wir von Bookland haben eben eine besondere Formel. Wir arbeiten nicht mit EU-Geld. Aber wir kommen zurecht mit heimischen Mitteln, es klappt.“

    Aber der größte Erfolg von Bookland war, die Gemeinden, die oft resigniert haben, zu mobilisieren, sagt Mihaela Petrovan und erklärt, wie der Verein vor Ort arbeitet.

    „Wir haben in jedem Landeskreis mindestens eine und bis sechs Schulen renoviert. Der Durchschnitt liegt bei zwei pro Landeskreis, aber es gibt Kreise wie Vrancea mit sechs renovierten Schulen und Kindergärten. Wir sind froh, dass wir dort einen Wandel herbeigeführt haben, der sich fortsetzt. Wir haben Gemeinden vorgefunden, die sich bei unserer Ankunft in einem Zustand der Lethargie befanden und satt von Lügen und Versprechungen resigniert hatten. Und wir haben es geschafft, absolut jeden dort mitzunehmen. Die Eltern kochen eine warme Mahlzeit für die Arbeiter, die Schüler engagieren sich und malten mit Händen und Pinseln verschiedene Motive auf den Zaun oder auf die Wände. So wurden alle von klein bis groß einbezogen; die Priester, der Dorfarzt, der Bäcker, alle haben mitgemacht.“

    Und diese Leistungen fallen den Einwohnern schnell auf, wie zum Beispiel einer Mutter aus dem Kreis Neamț, an die sich auch Mihaela Petrovan erinnert.

    „Sie sagte: Wie schön, wir wollen ein geeintes Rumänien für unsere Kinder sehen, als sie die Spenderliste mit etwa 40-50 Namen bemerkte, die alle beigetragen hatten. Diese Mutter aus Păstrăveni im Kreis Neamț beeindruckte mich, und mir wurde klar, dass sie Recht hat, denn wir brachten 150-200 Pakete für die Schule, nicht nur aus dem eigenen Landeskreis, sondern auch aus Arad und Bihor. Die Waren kamen an, und wir konnten Unternehmen mobilisieren, Produkte oder Geld zu schicken, damit wir die Arbeiter bezahlen können. Wir haben immer auch die Ortsverwaltung mobilisiert, sich zu beteiligen. Und die meisten von ihnen haben mit ihrem Steuergeld beigetragen. Es floss also Geld nicht einmal vom zentralen Haushalt, sondern die Leute aus der Kommune haben für die Schule bezahlt. Wir sind stolz darauf, dass dieses erfolgreiche Trio – Unternehmen, Kommunalverwaltungen und Menschen am Ort – ohne europäische Gelder arbeitet.“

    Der nächste Schritt, den Bookland vorbereitet, ist die Unterstützung der dualen Berufsausbildung, d. h. der Kurse, die Handwerker in verschiedenen, von der Wirtschaft nachgefragten Bereichen ausbilden. Unternehmen sind bereit, in die Ausbildung dieser Schüler zu investieren. Laut Mihaela Petrovan wäre dies der erste Campus im dualen System und könnte im Kreis Argeș, in der Gemeinde Vulturești, errichtet werden. Solche Räume werden hierzulande dringend gebraucht. Laut dem jüngsten OECD-Bericht ist die berufliche und technische Bildung in Rumänien beliebter als in anderen Ländern: 32 % der rumänischen Schüler im Alter von 15 bis 19 Jahren besuchen diese Art der Sekundarbildung.

  • Generation Z: Wandel in der Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Dynamik

    Generation Z: Wandel in der Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Dynamik

     

     

    Interessant sind auch die veränderte Einstellung der Arbeitgeber gegenüber Autorität und die Art und Weise, wie Organisationen Leadership neu interpretieren. Man könne nicht mehr von autoritären, befehlshabenden Führungskräften sprechen, weil die jüngere Generation von einer solchen Selbstinszenierung weder überzeugt noch beeindruckt ist, sagt Tudor Țiclău, Dozent am Fachbereich für öffentliche Verwaltung und Management der auftraggebenden Hochschule:

    Unter dem Gesichtspunkt der Auswahlkriterien für die Stellensuche haben wir 9 Faktoren in der Reihenfolge ihrer Bedeutung für die Arbeitnehmer getestet. An erster Stelle steht die Sicherheit des Arbeitsplatzes, 87 % halten sie für ein wichtiges oder sehr wichtiges Kriterium, an zweiter Stelle die Art der Arbeit, an dritter Stelle die Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten und an vierter Stelle die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Sehr interessant ist, dass die gleichen Kriterien auch für Studenten gelten (wir haben diese Hochrechnungen auch unter Studenten durchgeführt, mit der Einschränkung, dass für Studenten die Arbeitsplatzsicherheit an vierter Stelle steht und die Work-Life-Balance das wichtigste Kriterium ist). Die Entwicklungsmöglichkeiten und die Art der ausgeübten Tätigkeit stehen an zweiter bzw. dritter Stelle. Ein weiteres wichtiges und interessantes Element ist das Gehalt und die Sozialleistungen, die auf Platz 5 und 6 liegen, d. h. es handelt sich nicht um ausschlaggebende Auswahlkriterien. Sie werden nur dann wichtig, wenn sie untergewichtet sind. An letzter Stelle kommen die Arbeit von zu Hause aus (Homeoffice) oder die Fernarbeit, die Werte des Unternehmens und – am wenigsten wichtig (nur die Hälfte der Befragten hält dies für ein wichtiges Kriterium) – die Arbeit mit Spitzentechnologie. Das Gleiche gilt für Studenten.“

     

    Die Studie habe auch hervorgehoben, dass Organisationen und Unternehmen heute zunehmend auf eine viel offenere Kommunikation mit den Mitarbeitern und Arbeitnehmern setzen, sagt weiter Professor Tudor Țiclău:

    In der Tat sind die Work-Life-Balance und das Wohlbefinden, die ein Unternehmen bietet, zunehmend wichtige Elemente. Ich würde nicht sagen, dass Top-Manager und Führungskräfte sich darüber aufregen, im Gegenteil, wir haben beobachtet, dass die Unternehmen diesen Wandel, der sich bei den Mitarbeitern vollzieht, sehr gut verstehen. Wohlbefinden und Work-Life-Balance sind mittlerweile wichtigere Kriterien für die neue Generation von Arbeitnehmern, die Generation Z, und wir glauben, dass sie in ein breiteres Paradigma der Beziehung zwischen Organisationen und Mitarbeitern integriert werden sollten. Wir haben es nämlich mit einer Transformation der beruflichen Identität zu tun, die im Moment irgendwie einen kleineren Raum in der persönlichen Identität im Vergleich zu anderen Generationen einnimmt. Mit anderen Worten: Der Einzelne identifiziert sich nicht mehr mit seinem Arbeitsplatz. Außerdem muss der Arbeitsplatz auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmer zugeschnitten sein. Wir sehen diese Abgrenzung zwischen Privat- und Berufsleben, wobei die jüngere Generation großen Wert darauf legt, dass diese Grenze nicht überschritten wird. Ein einfaches Beispiel: Wenn der Arbeitstag vorbei ist, erwarten junge Arbeitnehmer, dass sie nicht vervollständigte Aufgaben erst am nächsten Arbeitstag erledigen dürfen und das Arbeitsleben nicht in das Privatleben einfließt.“

     

    Wir erleben also einen noch nie dagewesenen Wandel in der Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Dynamik, und das haben wir der jungen Arbeitnehmergeneration zu verdanken, führt zum Schluss Professor Tudor Țiclău von der Babeș-Bolyai-Universität in Cluj (Klausenburg) aus:

    Es gibt auch eine Verschiebung in der Akzeptanz des Führungsstils. Klar ist, dass der traditionelle Führungsansatz, der sich auf die formale Autorität der Führungskraft stützt, die Anweisungen gibt und erklärt, wie die Dinge zu tun sind, heute in kaum einer Situation noch funktioniert. Heute ist Leadership mit viel komplexeren Fähigkeiten verbunden. Zunächst einmal muss eine Führungskraft, unabhängig vom Unternehmen und von der Position, über herausragende menschliche Qualitäten verfügen, vor allem über Einfühlungsvermögen, Kommunikationsfähigkeit und die Fähigkeit, die individuellen Bedürfnisse des Mitarbeiters zu verstehen, und auf dieser Grundlage bauen die anderen Führungsfähigkeiten auf: technische Fähigkeiten, die Fähigkeit, eine Vision zu entwickeln und diese Vision zu vermitteln, also Fähigkeiten, die sich auf die Besonderheiten der Aufgabe beziehen. In erster Linie suchen neue Mitarbeiter bei den Führungskräften, mit denen sie zu tun haben, die Fähigkeit, sie als Individuen wahrzunehmen, ihre Bedürfnisse zu erkennen und sie auf Augenhöhe zu behandeln. Im Grunde genommen reagieren sie auf jede Form der Anwendung formaler Autorität mit Widerstand, und das ist spezifisch für die Generation Z, nicht nur am Arbeitsplatz. Es ist im Grunde eine Ablehnung der traditionellen Werte.“

     

  • Rumäniens Pfandsystem hebt ab

    Rumäniens Pfandsystem hebt ab

    Rumänien ist in Europa Schlusslicht beim Recycling. Da die EU alle Mitgliedstaaten aufgefordert hat, bis 2025 eine Quote von 55 % zu erreichen und Rumänien hofft, die Situation zumindest teilweise zu verbessern, ist Ende letzten Jahres das Pfand-Rücknahmesystem RetuRo eingeführt worden – das derzeit größte nationale Projekt der Kreislaufwirtschaft.

    Jeder Kunde zahlt beim Kauf eines Getränks in einer Glas-, Plastik- oder Metallverpackung mit einem Volumen von bis zu 3 Litern ein Pfand von 0,5 Lei (etwa 10 Eurocent) – mit einigen Ausnahmen. Der Behälter kann an jeder vom Einzelhandel eingerichteten Rückgabestelle abgegeben werden und der Verbraucher bekommt das Pfand entweder in bar oder in Form eines Gutscheins zurück. Die Behörden wollen jährlich etwa 7 Milliarden Verpackungen vom Markt nehmen und nach dem Zählen, Sortieren und Verdichten an Recyclingunternehmen verkaufen.

    Das System gilt daher als einer der wichtigsten Hebel zur Erreichung der von der Europäischen Union gesetzten Sammel- und Recyclingziele. Seine Umsetzung dürfte sich auch deutlich positiv auf das Recyclingverhalten der Rumänen auswirken, die in dieser Hinsicht nicht gerade diszipliniert sind. Mihaela Frăsineanu von der Kanzlei des Premierministers spricht von einem wahren Reigensystem: „Die Hora ist ein traditioneller moldauischer Reigentanz, aber auch ein Symbol für den Kreis, das auch auf dem RetuRo-Logo zu finden ist. Es ist einfach das Symbol des größten Kreislaufwirtschaftsprojekts in Rumänien, an dem mehr als 19 Millionen Menschen beteiligt sind. Und es ist das Symbol für die Verantwortung gegenüber der Umwelt. Wir machen Rumänien sauberer und das ist ein äußerst wichtiger Schritt nach vorn. Es gibt auch Dinge, die wir nicht auf Anhieb sehen, und zwar die Auswirkung auf personelle- und finanzielle Ressourceneffizienz, auf die Verringerung unseres CO2-Fußabdrucks. Es geht um einen verantwortungsvollen Umgang mit Finanzen, mit der Gesellschaft und der Wirtschaft.“

    Am 13. Mai eröffnete RetuRO in Otopeni in der Nähe von Bukarest sein viertes regionales Zähl- und Sortierzentrum für Pfandverpackungen. Weitere drei stehen in den Landeskreisen Cluj, Brașov und Timiș. Auf einer Fläche von 10.000 Quadratmetern und mit modernsten Geräten ausgestattet, verfügt das neue Zentrum über eine jährliche Zählkapazität von rund 900 Millionen Verpackungen und eine doppelt so große Sortier- und Verarbeitungskapazität nach Materialart (PET, Metall, Glas) – 1,8 Milliarden Verpackungen.
    Das Rücknahmesystem sei immer dynamischer, die Rumänen geben immer mehr Verpackungen zurück und eine immer stärkere Beteiligung der Verbraucher sei zu spüren – in den nächsten drei Monaten planen wir die Eröffnung weiterer Zähl- und Sortierzentren in den Kreisen Dolj, Bacău und Prahova“, sagt Gemma Webb, CEO und Vorsitzende des Verwaltungsrats von RetuRO.

    Vom Nachhaltigkeitsverband der Hersteller von Erfrischungsgetränken fügt Alice Nichita hinzu: „Nur sehr wenige bestehende Pfandsysteme haben bereits ihr viertes Zentrum in Betrieb genommen, und wir haben es in weniger als sechs Monaten seit dem Start des Systems geschafft. Ich glaube nicht, dass es ein anderes System gibt, das über 10 Sammel- und Sortierzentren verfügt, wie es RetuRo in seinem ersten Betriebsjahr anstrebt. Es ist ein ehrgeiziges Projekt, das alle Erfolgschancen hat. Solche Projekte sind keine Sprints oder Testläufe, sie sind Dinge, die man vom ersten Tag an effizient aufbauen muss und bei denen man nicht auf Prinzipien verzichten darf. Und wir sind stolz darauf, dass wir Anfragen von Kollegen aus anderen Ländern erhalten, insbesondere aus Westeuropa, die von uns lernen und vor Ort sehen wollen, welche Schritte und Lektionen wir während dieses Projekts verinnerlicht haben.”

    Die Republik Moldau ist eines der Länder, die daran interessiert sind, diese bewährte rumänische Praxis zu übernehmen, verdeutlicht Sergiu Lazarenco, Umweltminister des Nachbarlandes: „Unser Ziel ist es, das Pfandsystem bis 2027 einzuführen. Wir wissen, dass die Umsetzung mit beträchtlichen Herausforderungen verbunden ist, aber es ist sicher, dass die Bürger so verantwortungsbewusster werden, die Umwelt sauberer wird, die Kreislaufwirtschaft wächst, dass wir neue Möglichkeiten für die wirtschaftliche Entwicklung und vor allem neue Arbeitsplätze schaffen werden. Ich freue mich sehr darüber, dass Bürger in beiden Ländern immer bewusster und besorgter mit Umweltfragen umgehen. Deshalb sind wir weiterhin entschlossen, komplizierte, aber notwendige umweltpolitische Maßnahmen und Aktionen in Angriff zu nehmen. Wir können Umweltreformen nicht länger hinauszögern, denn in Umweltprojekte investieren heißt, in die Zukunft zu investieren!“

    Im Moment haben sich noch nicht alle Händler in Rumänien im System angemeldet. Andere wollen bereits aussteigen und machen einen langsamen Übergang geltend. Manchmal funktionieren die Recycling-Automaten in den Geschäften nicht, sind voll oder lesen die Strichcodes der Verpackungen nicht. Kleine Geschäfte in der Nachbarschaft haben keinen ausreichenden Lagerraum für leere PET-Behälter, Dosen oder Flaschen, während sie auf die Abholung warten. Einige Kunden sind unglücklich darüber, dass sie die Gutscheine, die sie erhalten, nicht in jedem beliebigen Geschäft einlösen können, sondern nur in der Kette, in der sie recycelt haben. Doch trotz der Probleme ist das System seit seinem Start im November 2023 stetig gewachsen. Allein im April wurden 160 Millionen Verpackungen gesammelt, und die Behörden haben sich zum Ziel gesetzt, die 200-Millionen-Marke in einem einzigen Monat zu knacken. Das bedeutet, dass mit Hilfe von 19 Millionen Bürgern ebenso viele Getränkekartons weniger auf Mülldeponien, in Flussbetten und Wäldern landen.