Tag: Dobrudscha

  • Sozialunternehmen: lokale Initiativen zur Förderung sozial schwacher Gemeinden

    Sozialunternehmen: lokale Initiativen zur Förderung sozial schwacher Gemeinden

    Die Sozialwirtschaft ist eine gemeinnützige Sparte, die hauptsächlich auf gesellschaftliche Solidarität und Umweltschutz setzt. Sie leistete schon 2010 einen Beitrag von 4% zum BIP Rumäniens. Schon seit 2009 waren die Sozialunternehmen ein bedeutender Arbeitgeber für 3,3% sämtlicher Arbeitnehmer. Der Sektor entwickelte sich mit der Zeit langsam, aber sicher. Letztes Jahr trat sogar ein Gesetz über die Sozialwirtschaft in Kraft. Ziel des Gesetzes ist, die Entwicklung eines alternativen Modells zur gesellschaftlichen Integration sozial schwacher Gruppen anzuspornen.



    In der rumänischen Region Dobrudscha gehen viele gesellschaftliche Schwierigkeiten Hand in Hand mit Umweltschutzproblemen. In der Dobrudscha sowie in der Region Bukarest-Ilfov wurden vor kurzem 10 sozialwirtschaftliche Strukturen gegründet. Die Kleinunternehmen sind ein Ergebnis des Projektes TURECO, umgesetzt vom Nationalen Zentrum für nachhaltige Entwicklung. Das Projekt wurde durch europäische Fördermittel finanziert. 460 Personen wurde durch die Gründung der Kleinunternehmen geholfen. Grundsätzlich konzentrierte sich das Projekt auf Alleinerziehende, die mehr als 2 Kinder versorgen, frühzeitige Schulabbrecher oder Menschen, die in isolierten Gemeinschaften oder vom Mindesteinkommen leben, Behinderte, Angehörige der Roma-Minderheit oder Jugendliche, die durch öffentliche Kinderschutzbehörden versorgt waren und nun das Alter erreicht haben, in dem sie das System verlassen müssen.



    Das Donaudelta ist eine ökologisch hochsensible Region. Allerdings wird die Region auch mit gravierenden sozialen Schwierigkeiten konfrontiert. Daher wurde sie als Zielregion im Projekt eingebunden. In der Ortschaft Maliuc am Donauarm Sulina wurden zwei Sozialunternehmen gegründet: ein Reisebüro mit den Schwerpunkten Naturbeobachtung und Fotografie und ein kleines Geschäft zur Herstellung von traditionellen Souvenirs. Florin Palade vertritt die Stiftung EcoPontica — die Organisation, die die zwei Sozialunternehmen vor Ort gründete. Er erläuterte uns die Gründe für die Auswahl der Gemeinde:



    Die Gemeinde umfasst 5 Dörfer, in denen rund 1600 Einwohner leben. Die Positionierung der Gemeinde an der 24. Meile am Kanal Sulina war für uns ausschlaggebend. Die Nähe zur Stadt Tulcea spielte auch eine wichtige Rolle. Gleichzeitig liegt die Gemeinde nahe dem See Fortuna. Die Umgebung bietet daher gute Gelegenheiten zum Fotografieren der Pflanzen- und Tierwelt.“




    Immer mehr ausländische Touristen, leidenschaftliche Ornithologen, finden das Donaudelta besonders wertvoll und nehmen es sich als Reiseziel vor. Die Gründer der Sozialunternehmen in der Ortschaft Maliuc hoffen, dass ihre Zahl künftig zulegt. Dennoch zielen sie nicht auf die Entwicklung des Massentourismus im Donaudelta ab. Im Gegenteil, das Donaudelta könnte viel mehr vom verantwortungsvollen Kleintourismus profitieren. Dazu Florin Palade:



    Wir versuchen die Touristen — einschlie‎ßlich der inländischen — zu erziehen, ihnen zu vermitteln, dass die Natur mehr Respekt verdient. Nur so können sie in aller Ruhe die Natur beobachten. Im Vergleich zu anderen mittel- und westeuropäischen Ländern haben wir noch viel zu lernen in dieser Hinsicht. Ich stellte aber fest, dass sich immer mehr Jugendliche in Rumänien für Naturfotografie und für den Naturschutz interessieren. Also weitet sich der Markt ständig aus.“




    Ebenfalls in der Dobrudscha, jedoch im Nordwesten der Region, in Richtung der Städte Brăila und Galaţi, liegt das Naturschutzgebiet Munţii Măcinului (Măcin-Gebirge). Die Landschaft ist genauso spektakulär und vielfältig wie im Donaudelta, doch ist die Gegend weniger bekannt. Hier gründete die Gemeindeverwaltung des Dorfes Greci zwei Sozialunternehmen: einen Fahrradverleih für diejenigen, die sich ein Berg-Abenteuer auf zwei Rädern wünschen, und einen Souvenirladen. Dazu organisiert die Gemeindeverwaltung Greci einen Fahrradwettbewerb, einen Marathon und ein Fotografie-Camp. Alles in der Hoffnung, mehr Touristen anzuziehen und die Wirtschaft in der Region anzukurbeln. Mehr Einzelheiten über die Attraktionen der Region erzählte uns der Vizebürgermeister, Bogdan Băjenaru:



    Der Nationalpark Munţii Măcinului ist nicht besonders gro‎ß, er erstreckt sich über eine Oberfläche von rund 11.000 Hektar. Im Gegenzug ist die Biodiversität sehr gro‎ß. Hier sind die Hälfte aller Pflanzen anzutreffen, die es insgesamt in Rumänien gibt — nämlich mehr als 1.900 Pflanzenarten. Die Măcin-Berge sind die ältesten Berge in Rumänien, sie sind vor etwa 350 Millionen Jahren entstanden, viel früher als die Karpaten. Die höchste Spitze ist Ţuţuiatu mit 467 Metern.“




    In Măcin will man auch nicht den Massentourismus fördern, sondern viel mehr den Ökotorismus.



    Zu uns kommen Touristen, die die Natur lieben und in aller Ruhe die Naturschätze genie‎ßen wollen. Meistens sind es Wanderlustige, die die Berge zu Fu‎ß besteigen oder aber Rad fahren. Die Gründung eines Zentrums, wo man Fahrräder mieten kann, zeigt den Einwohnern unserer Gemeinde, dass auch neue Initiativen möglich sind. Das Zentrum stellt überdies auch Reiseleiter zur Verfügung. Denn das war unser Ziel bei der Gründung des Sozialunternehmens: den Menschen vor Ort zu zeigen, dass es hier um ihre Region geht, die noch ein gro‎ßes, nicht ausgeschöpftes Potential hat. Agro- und ökotouristische Aktivitäten können ihnen einen Mehrwert bringen. Wir haben einen Absatzmarkt für Lebensmittel gebaut, wo nur einheimische Erzeugnisse verkauft werden. Als Baustoffe verwendeten wir Granit aus unserer Gemeinde, Holz und Dachziegel. Es ist eine Win-win-Situation. Die einheimischen Landwirte verkaufen ihre Erzeugnisse auf dem Markt. Die Touristen haben die Möglichkeit, natürliche, hausgemachte Produkte zu kaufen. Auf dem Markt gibt es auch eine Informationsstelle, wo die Touristen Auskunft über die Region bekommen und Souvenirs kaufen können.“




    Infolge des Projektes TURECO sind in der Gemeinde Greci 4 Arbeitsplätze geschaffen worden. Dazu wurden etwa 40 Personen beraten, denen somit klar wurde, dass auch alternative Einkommensquellen zusätzlich zu den herkömmlichen möglich sind. Diese Einkommensquellen können ebenfalls Touristen in die Măcin-Berge anlocken. Denjenigen, die ein Sozialunternehmen gründen möchten, steht ein Handbuch bester Praktiken zur Verfügung.

  • Jäger und Ornithologen einigen sich auf Schutz der Rothalsgans

    Jäger und Ornithologen einigen sich auf Schutz der Rothalsgans

    Eine der schönsten Gänsearten der Welt ist die Rothalsgans, eine nördliche Zugvogelart, die im Winter auch in Rumänien anzutreffen ist. Obwohl die Rothalsgänse in praktisch ihrem ganzen Verbreitungsgebiet gesetzlich geschützt sind, werden viele von ihnen insbesondere in den Winterquartieren, wo sie in gro‎ßen Schwärmen auftreten, von Wilderern für den Verzehr abgeschossen.



    Die Rothalsgans gehört zu den Meergänsen und ist eng mit der Ringelgans verwandt. Die Rothalsgans ist die farblich bunteste der Meergänse. Das Gefieder ist schwarz mit deutlich erkennbaren wei‎ßen Konturlinien. Wie der Name bereits andeutet, ist die Brust rostrot gefärbt. Auch hier sind die roten Farbfelder durch wei‎ße Zwischenlinien gut voneinander und vom umgebenden Schwarz abgesetzt. Die Flankenstreifen sind wei‎ß. Die Rothalsgans nistet im Sommer auf der Halbinsel Tamir und in der Tundra im Norden Sibiriens. Jedes Jahr fliegt die Rothalsgans etwa 4000 Km, um in der Ukraine, in Rumänien und in Bulgarien zu überwintern.



    Rothalsgänse gelten heute insbesondere durch illegale Bejagung in ihren Wintergebieten, aber auch durch die Vernichtung ihres Lebensraumes als gefährdete Vogelart und sind durch das Washingtoner Artenschutz-Übereinkommen sowie als Art des Anhang I der EU-Vogelschutzrichtlinie geschützt. In Rumänien kann man sie von Ende Oktober bis März beobachten. Der See Balta Albă im Landkreis Buzău ist ein Naturschutzgebiet, wo neben Tausenden anderen Zugvögeln auch zahlreiche Rothalsgänse überwintern. Um diese Vogelart zu schützen, haben die Jäger und die Fachleute von der Rumänischen Ornithologischen Gesellschaft beschlossen, zusammenzuarbeiten. Mehr dazu von Ovidiu Bufnilă, Sprecher der Rumänischen Ornithologischen Gesellschaft:



    Unsere Zusammenarbeit mit dem Rumänischen Jagd- und Fischereiverband ist eine direkte Folge der Kampagne ‚Opreşte barbaria, salvează ciocârlia!‘ (dt. ‚Stoppt die Barbarei, rettet die Lerche!‘), die wir im Frühling durchgeführt haben. Es handelte sich um eine Kampagne gegen die Bejagung von Singvögeln und vor allem gegen ein schlechtes Gesetz. Viele Jäger haben auch bemerkt, dass dieses Gesetz nicht in Ordnung war, und nachdem die Kampagne abgeschlossen war, haben wir einen Dialog mit dem Jagdverband aufgenommen. Wir diskutierten über den Naturschutz und es wurde uns klar, dass wir mehr zum Schutz vieler Tierarten unternehmen könnten, wenn wir zusammenarbeiten würden. Wir erarbeiteten mehrere gemeinsame Projekte, und bei unserem ersten Projekt ging es um den Schutz der Rothalsgans in dem Naturschutzgebiet Balta Albă. Diese weltweit besonders gefährdete Vogelart verbringt den Winter in Rumänien, in Balta Albă, in der Dobrudscha und in der Bărăgan-Ebene.“




    Ende November kommen etwa 10.000 Rothalsgänse zu ihren Winterquartieren in Balta Albă. Das sind etwa 20% der Gesamtpopulation weltweit. Der Sprecher der Rumänischen Ornithologischen Gesellschaft, Ovidiu Bufnilă, über Ma‎ßnahmen zum Schutz der Rothalsgans:



    Bei unseren Treffen mit Vertretern des rumänischen Jagd- und Fischereiverbandes haben wir eine Reihe von Ma‎ßnahmen zum Schützen der Rothalsgänse vorgeschlagen. Eine Ma‎ßnahme ist das tägliche Jagdverbot zwischen 06.00 und 10.00 Uhr. Zu dieser Zeit fliegen die Rothalsgänse, die in Balta Albă überwintern, auf Futtersuche. Der See ist ihr Schlafplatz, dort werden sie von Schakalen, Füchsen oder anderen Raubtieren nicht gestört. Wenn sie am frühen Morgen in Schwärmen losfliegen, vermischen sich die Rothalsgänse mit anderen Vogelarten, zum Beispiel mit Blässgänsen, die gejagt werden dürfen, und wenn die Jäger mit Schrotflinten schie‎ßen, können sie versehentlich auch unter Schutz stehende Rothalsgänse erschie‎ßen. Deshalb ist das tägliche vierstündige Jagdverbot ein gro‎ßer Schritt mit positiven Folgen für den Schutz der Rothalsgänse.“




    Ende Dezember vereist der See Balta Albă, und die Rothalsgänse ziehen weiter nach Süden, in Richtung Dobrudscha und Donaudelta.

  • Nach Erfolg mit Balkan-Western „Aferim!“: Gespräch mit Produzentin Ada Solomon

    Nach Erfolg mit Balkan-Western „Aferim!“: Gespräch mit Produzentin Ada Solomon

    Eine Bestätigung für ihren Mut“ sei der Preis gewesen. Damit meinte die Produzentin Ada Solomon den Silbernen Bären für die beste Regie, mit dem der Balkan-Western Aferim!“ in Berlin ausgezeichnet wurde. Und natürlich den Filmemacher Radu Jude, mit dem sie das besonders komplexe“ Filmprojekt zu einem guten Ende führen konnte.



    Aferim!“ gilt bereits jetzt als eines der umfassendsten rumänischen Filmprojekte der letzten Jahre. Die Handlung des historischen Streifens spielt sich Anfang des 19. Jahrhunderts ab, als die Roma in Rumänien als Sklaven gehalten wurden. Teodor Corban spielt einen Landjäger, der sich mit seinem Sohn (Mihai Comănoiu) auf die Suche nach einem entlaufenen Roma (gespielt von Cuzin Toma) begibt.



    Die Dreharbeiten zu Aferim!“ fanden in der ostrumänischen Dobrudscha, im Măcin-Gebirge sowie im südrumänischen Giurgiu statt. Die Produktionskosten beliefen sich auf 1,4 Millionen Euro, die meisten Filmkulissen wurden für die Veranschaulichung türkischer Einflüsse nachgebaut. Überhaupt sei der Spielfilm Aferim!“, der im März seine Kinopremiere in Rumänien hatte, das komplexeste Projekt ihrer Produzentenkarriere, sagt Ada Solomon.



    »Aferim!« ist der Film mit dem grö‎ßten logistischen Aufwand von all meinen bisherigen Projekten. Es ist ein historischer Film, mit sehr vielen Statisten, bei dem fast 70% der Kulissen nachgebaut wurden… und die bereits existierenden Kulissen mussten angepasst werden. Darüber hinaus besteht die Komplexität dieses Films auch darin, dass das Drehbuch eine ganze Reihe von sozialen Themen behandelt. Es ist ein Film, der sich auf sehr wertvolle historische Quellen beruft, die jedenfalls bislang noch nie visuell erforscht worden waren. Das Drehbuch basiert auf der Volksliteratur und der Belletristik des 19. Jahrhunderts, es sind Literatur-Fragmente, denen der Film neues Leben einhaucht. All das macht »Aferim!« zu einem bedeutenden Film, nicht nur für mich, sondern für das rumänische Kino im Allgemeinen.“




    Der bekannte Kritiker Andrei Gorzo spricht in seiner Kolumne von dem wichtigsten rumänischen Film seit 2010“ — in Anlehnung an das Jahr der Premieren von Die Autobiographie von Nicolae Ceauşescu“, unter der Regie von Andrei Ujică, und Aurora“, unter der Regie von Cristi Puiu. Aferim!“ sei ein Kunstwerk, das in Zukunft zu den Klassikern des rumänischen Kinos gezählt werden wird… ein relevanter Eingriff in die Agenda der öffentlichen Debatten unserer Zeit“, so Gorzo. Dabei habe man sich nicht genau das vorgenommen, berichtet die Produzentin Ada Solomon:



    Ich glaube nicht, dass der Künstler sich etwas vornimmt, dass er nach einem bestimmten Programm arbeitet. Der Künstler geht nach seinem Gefühl vor, nach seiner Stimmung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Es ist die Aufgabe der Kritiker, Filme einzuordnen, sie zu vergleichen, Werturteile abzugeben. Das, was über den Film gesagt wurde, ehrt uns zutiefst, und ich bin überwältigt von dem Ausma‎ß der Reaktion in Rumänien. Ich habe mir gewünscht, dass der Film auf Interesse stö‎ßt und gute Kritiken erhält, aber ich habe mir nicht vorgestellt, dass das Interesse so gro‎ß sein wird, dass man soviel darüber schreiben und dass er so tiefgründig untersucht werden wird. Für mich bleibt die Weitergabe der Lehren von Vater zu Sohn der Hauptbestandteil dieses Films… und irgendwie ist das auch ein Verbindungselement im Werk von Radu Jude, denn alle seine Filme haben Familienbeziehungen, das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern in ihrem Mittelpunkt. Und dieser Film kommt als natürliche Fortsetzung. Auch wenn die Handlung in eine vergangene Zeit, in eine andere Kulisse platziert wurde, erzählt der Film vor allen Dingen die Geschichte der Beziehung zwischen Ioniţă und Costandin.“




    Ada Solomon machte bei den wichtigsten Filmen von Radu Jude als Produzentin mit: etwa bei Lampe mit Hut“ (2006), dem erfolgreichsten Kurzfilm in der Geschichte des rumänischen Kinos. Der Streifen wurde mit über 50 Auszeichnungen bei internationalen Festivals belohnt, darunter bei Sundance, in San Francisco, Los Angeles und Uppsala. Auch für seinen Kurzspielfilm Alexandra“ erhielt Radu Jude im Jahr darauf wichtige Filmpreise wie den Hauptpreis der Kurzfilmtage Oberhausen. Wie ihre Beziehung zum Regisseur überhaupt zustande kam, wollten wir von der Produzentin Ada Solomon wissen.



    Ich wei‎ß nicht, ob ich Radu gewählt habe oder ob wir uns gegenseitig füreinander entschieden haben. Ich glaube, es beruht auf Gegenseitigkeit, ich bin sehr glücklich darüber, dass Radu mir vertraut hat und mich für die richtige Person hielt, die ihm dabei helfen kann, seine Ideen durchzusetzen. Unsere Beziehung hat sich mit der Zeit ergeben, dabei haben wir uns gegenseitig unterstützt, denn das ist keine Einbahnstra‎ße. Was mich an Radu fasziniert, ist seine Weitwinkel-Perspektive. Denn die Elemente in seinen Filmen sind stets begründet, sie haben stets mehr Wurzeln als auf den ersten Blick, das Fundament ist folglich sehr solide. Ich habe sehr viel von Radu gelernt, der Dialog und der Gedankenaustausch mit ihm ist immer ein Vergnügen, auch wenn wir uns nicht immer einig sind. Der Austausch erzeugt eine Art Attitüdenübung — und daran bin ich sehr interessiert. Alle Filme von Radu sind auch Beispiele von Verhaltensweisen. Es sind nicht nur einfache Kunstwerke, sie sagen mehr aus, sie werfen eine ganze Reihe von Fragen auf. Und ihr Verdienst ist es ferner, dass sie keine Werturteile abgeben, keine endgültigen Schlüsse ziehen, sie lassen die Dinge offen.“




    Es sei zwar unmöglich, die Vorurteile gegenüber den Roma abzubauen, dennoch sei sie sehr zufrieden über die unzähligen Reaktionen auf den Film Aferim!“, so Ada Solomon:



    Es war für mich herausragend, zu beobachten, dass Menschen aus allen möglichen Schichten sich mit dem Film aus unterschiedlichen Perspektiven auseinandersetzen. Egal ob ihnen die politische Herangehensweise oder die soziale Betrachtung wichtig war, der Film hat offenbar nicht nur Menschen aus der Filmwelt angezogen. Ich finde es interessant, dass viele Politikexperten auf den Film reagiert haben, auch in sozio-anthropologischer Sicht ist der Film ein sehr gutes Forschungsinstrument, er kann Debatten und Denkanstö‎ße auslösen über die Frage, wer wir sind und woher wir kommen und wie wir sind. Ich habe mich intensiv mit der Haltung der Mehrheit gegenüber der Minderheit beschäftigt, es ist weniger wichtig, ob es die Roma-Minderheit oder die jüdische Minderheit ist. Im Falle der Roma-Minderheit ist es normal, dass ihre 500-jährige Versklavung Spuren hinterlassen hat, es ist normal, dass die Minderheit sich nicht traut, die Erniedrigungen der Vergangenheit hinter sich zu lassen.




    Ada Solomon hat bereits in der Vergangenheit bei mehreren Filmprojekten mitgewirkt, die vielfach ausgezeichnet wurden. Etwa bei Cristian Nemescus Kurzfilm Marilena aus P7“, den Debütwerken von Răzvan Rădulescu (Allen voran Felicia“), Paul Negoescu (Einen Monat in Thailand“), Vali Hotea (Roxanne“) sowie den Dokumentarfilmen von Alexandru Solomon (Kapitalismus, unser Geheimrezept“, Cold Waves — Krieg auf den Wellenlängen“). 2013 wurde Ada Solomon mit dem Eurimages-Preis für Koproduzenten ausgezeichnet — dem Preis, mit dem die Europäische Film-Akademie die Bedeutung der Koproduktionen für die europäische Filmindustrie anerkennt. Au‎ßerdem ist Solomon Mitbegründerin und Direktorin des Internationalen Filmfestivals Next“ in Bukarest, des grö‎ßten Kurzfilm-Festivals in Rumänien, das den verstorbenen Filmemachern Cristian Nemescu und Andrei Toncu gedenkt.

  • Hörerpostsendung 18.01.2015

    Hörerpostsendung 18.01.2015

    Liebe Freunde, herzlich willkommen zur ersten Hörerpostsendung von RRI im Jahr 2015!



    Als aller erstes möchte ich mich für die vielen Postkarten und E-Mails mit Weihnachts- und Neujahrsgrü‎ßen bedanken, die wir in den letzten Wochen erhalten haben. Allein per E-Mail erreichten uns knapp 80 Botschaften in den letzten 3-4 Wochen. Daher hoffe ich, dass Sie Verständnis dafür haben, wenn ich heute ausnahmsweise keine kostbare Sendezeit dafür verbrauche, um sämtliche E-Mail-Schreiber namentlich zu erwähnen. Hingegen möchte ich heute nur die Briefeschreiber und Faxsender erwähnen — und das gleich jetzt –, da sich unter ihnen auch Hörer befinden, die keinen Internetzugang haben und folglich sonst keine andere Möglichkeit haben, zu erfahren, ob ihre Zuschriften angekommen sind.



    Also: Faxe erhielten wir von Günter Spiegelberg und Heinz-Günter Hessenbruch (beide aus Deutschland).



    Postbriefe mit Gru‎ßkarten zu Weihnachten und Neujahr und/oder Empfangsberichten erhielten wir von Christian Mayer und Wolfgang Waldl (beide aus Österreich, letzterer gleich mit zwei Briefen), aus Deutschland von Martina Pohl, Renate und Hermann Heyne-Pietschmann (mit einem selbstgedichteten Vierzeiler zu Neujahr), Christoph Paustian, Lutz Winkler (mit dem traditionellen Weihnachtsbrief der Familie), Martien Post, Reiner Peuthert, Jürgen Hannemann, Joachim Verhees, Peter Möller und Wolfgang Kühn sowie einen Brief auf englisch von Brian Webb, einem 81-jährigen Hörer aus Neuseeland, der seit vielen Jahren unsere Sendungen in diversen Sprachen hört.




    Von Wolfgang Kühn (aus Rudolstadt, Thüringen), einem unserer langjährigsten Hörer in Deutschland, erhielten wir einen Brief, der am 25. November 2014 abgeschickt wurde. Wo zum Kuckuck er bislang gesteckt hat, kann ich leider nicht sagen, vermutlich hatte sich der Brief irgendwo festgehängt oder verpickt, wie man in Österreich sagen würde. Herr Kühn schrieb uns:



    Wir beglückwünschen Sie vielmals zum erfolgreichen Ausgang der Präsidentenwahl am 16. November und der damit verbundenen Personalentscheidung! Die Region Sibiu-Hermannstadt besuchten wir 1970-1989 mehrfach und wohnten im ehemaligen Hotel Römischer Kaiser und im Jungen Wald“. Orgelkonzerte in der Evangelischen Kirche und Abstecher nach Michelsberg bleiben in guter Erinnerung. Unsere Sympathien gehören Herrn Klaus Johannis. Er blieb seiner Heimat in schwerer Übergangszeit treu, obwohl ein Gro‎ßteil seiner Angehörigen nach Südwestdeutschland umsiedelte. Ich denke, seine kommende Präsidentschaft wird sich auf die deutsch-rumänischen Verhältnisse günstig auswirken. Vielleicht erhöht sich auch die kulturelle und wirtschaftliche Zusammenarbeit deutlich und dauerhaft.




    Herr Kühn legte auch einen Ausschnitt aus der Ostthüringer Zeitung bei, in dem ein interessantes Interview mit Professor Wolfgang Dahmen zu lesen ist, dem Leiter des Lehrstuhls für rumänische Sprach- und Literaturwissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena.




    Auf unseren neuen Präsidenten nahm auch Lutz Winkler (aus Schmitten im Taunus) Bezug in einer E-Mail. Er schrieb:



    Interessant finde ich die Berichte über die Tätigkeiten des neuen rumänischen Präsidenten. Die deutsche Presse war jedenfalls voll des Lobes über seine vorherige Tätigkeit als Stadtoberhaupt von Sibiu. Saubere Stra‎ßen, Investoren — all das, was wohl in anderen Städten von Rumänien fehlt. Ich kann leider nicht beurteilen, ob die Berichte in den deutschen Medien stimmen. Aber ich bin gespannt, ob der neue Präsident wirklich die Kraft hat, ein ganzes Land mit seinen gewachsenen Strukturen umzukrempeln. Ich würde es jedenfalls Rumänien und seinen Einwohnern sehr wünschen. Vielleicht erkennen ja die Redakteurinnen und Redakteure im Alltag einen Umschwung und berichten mal auch zwischen den Zeilen vom Alltag. Ich würde mich darüber freuen!




    Liebe Freunde, vielen Dank für Ihre Zeilen. Der Zufall will es, dass ich in der zweiten Dezemberwoche vergangenen Jahres einen Abstecher nach Hermannstadt machte, zum Entspannen, aber tatsächlich auch, um mir einen Eindruck vor Ort zu verschaffen, wie sich die südsiebenbürgische Stadt in den letzten Jahren entwickelt hat. Ich war seit ca. 2000 mehrfach in Hermannstadt, meistens zu unterschiedlichen Seminaren oder Tagungen, bei denen ich gedolmetscht habe. Die Stadt hat zwar schon immer ein gewisses Flair gehabt, doch damals war sie noch ziemlich heruntergekommen und alles andere als gut gerüstet, um für Touristen zu sorgen oder internationale Events zu beherbergen. Hinzu kamen desinteressierte oder schlicht stumpfsinnig-träge oder gleichgültige Menschen im Dienstleistungsbereich, die nicht nur hochmütige Gro‎ßstädter auf die Palme bringen konnten. Kurzum — die Leute bestätigten das gerne von quirligen und pfiffigen Südrumänen bediente Klischee der unbeholfenen und denkfaulen Siebenbürger.







    Klaus Johannis wurde im Jahr 2000 zum ersten Mal Bürgermeister von Hermannstadt, 2007 trat Rumänien der EU bei und Hermannstadt wurde zur europäischen Kulturhauptstadt jenes Jahres. Der Gro‎ße und der Kleine Ring, die beiden zentralen Plätze in der Innenstadt, waren schon damals hergerichtet worden, doch die Seitenstra‎ßen rundherum und selbst der Bahnhof waren eine einzige Baustelle, die nur noch nervte. src=http://devrri.freshlemon.ro/wp-content/uploads/2023/10/foto.jpg
    Hermannstadt (Magheru-Stra‎ße, nebst Ursulinenkloster) im April 2007 (Foto: Sorin Georgescu)



    Aber die EU-Gelder und die Investitionen haben der Stadt gut getan und sie wurden offensichtlich auch richtig verwendet. Ich wei‎ß nicht mehr, wann ich das vorletzte Mal in Hermannstadt war — es muss wohl 2010 oder 2011 gewesen sein — der Fortschritt in der Sanierung war aber bei jedem meiner Besuche augenfällig.



    Heute ist ein deutlicher Unterschied auch in der Gastronomie und im Kultur- oder Freizeitangebot zu spüren. In der Innenstadt gibt es nun eine Vielzahl von Restaurants oder Bars, die Bedienung ist freundlich und flink, man sieht viele Jugendliche auf den Stra‎ßen — offenbar sind auch der Arbeitsmarkt und die kleine Universität dort attraktiver geworden. Die Buchhandlung mit deutschsprachigen Titeln am Gro‎ßen Ring hat deutlich im Sortiment zugelegt, die deutsche Abteilung am örtlichen National-Theater hat nach wie vor regelmä‎ßig Aufführungen, die deutschsprachige Hermannstädter Zeitung erscheint immer noch und Touristen gibt es zuhauf, aus allen Landesteilen und aus aller Herren Länder. Statistiken belegen auf jeden Fall die positive wirtschaftliche Entwicklung. Einer Grafik des regionalen Arbeitsamtes ist etwa zu entnehmen, dass die Arbeitslosigkeit in der Zeit 2009 bis 2014 von 8,2% auf 4,1% halbiert werden konnte. Damit hat der Landkreis Hermannstadt auch die niedrigste Arbeitslosenzahl landesweit und liegt um einen Prozentpunkt unter dem Landesdurchschnitt. Alles in allem: Hermannstadt hat sich auf alle Fälle aus einem langweiligen und heruntergekommenen Provinznest in eine aufblühende 150.000-Einwohner-Stadt verwandelt, die auf jeden Fall einen Besuch wert ist, auch wenn es in der schönen mittelalterlichen Innenstadt hie und da noch sanierungsbedürftige Bauten gibt.









    Die jüngsten Terroranschläge in Frankreich sind auch ein Thema, das unsere Hörer besorgt kommentieren. So etwa schrieb uns Michael Lindner (aus Gera, Thüringen) in einer E-Mail:



    Bestimmt haben Sie alle auch die Gedenkfeier in Berlin aus Anlass der Terrorakte in Frankreich mitverfolgt. Es war ergreifend, dass sich Muslime, Christen und Juden vereint gegen Terrorismus aussprachen. Der Plan der Terroristen ist nicht aufgegangen, im Gegenteil, die Menschen haben sich solidarisiert, weltweit, und haben damit ein klares Zeichen gesetzt: “Nein zum Terrorismus”! Bleibt nur zu hoffen, dass diese internationale Solidarität wie eine zarte Blume gehütet wird, damit der nächste “Sturm” gar nicht erst Unheil anrichten kann.




    Und ähnliche Worte fand auch ein weiterer Stammhörer und regelmä‎ßiger Besucher unserer Internetseite, nämlich Andreas Pawelczyk (aus Mannheim):



    Kaum hatte das neue Jahr begonnen, ist Frankreich, insbesondere die 11-Mio-Stadt Paris, von einer beispiellosen Terrorwelle erfasst worden. Dies kostete über ein Dutzend Menschenleben. So ein schlimmes Ereignis hatte es wohl zuletzt Anfang der sechziger Jahre gegeben.



    Offizielle Kreise des Islam haben jedoch gleich klar gemacht, dass man nichts mit diesen Mördern Gemeinsames hat. Die Antwort Frankreichs waren gro‎ße Gegendemonstrationen und eine Auflagensteigerung der betroffenen Zeitschrift von 60.000 auf ca. 5 Mio.



    Zudem haben sich viele Länder mit Frankreich solidarisiert. Die rumänische Regierung hatte sich auch dazu geäu‎ßert und klar gemacht, dass die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses in Rumänien sehr klein sei.




    Liebe Freunde, vielen Dank für Ihre Zeilen. In der Tat ist in Rumänien die Wahrscheinlichkeit, dass islamistische Terroranschläge verübt werden, eher gering, wenn auch nicht ganz auszuschlie‎ßen. Schlie‎ßlich hat sich auch Rumänien an internationalen militärischen Einsätzen im Irak oder Afghanistan beteiligt. In Rumänien gibt es einerseits unter den einheimischen, etwa 70.000 Seelen zählenden muslimischen Volksgruppen der Türken und Tataren so gut wie kaum die Gefahr einer islamistischen Radikalisierung. Das jahrhundertealte Zusammenleben der unterschiedlichen Nationalitäten und Glaubensgemeinschaften hat in der Dobrudscha mit wenigen Ausnahmen reibungslos funktioniert. Der aus Rumänien stammende Politologe Kemal Karpat, der es bis zum Berater der US-Präsidenten Jimmy Carter, Ronald Reagan und George Bush brachte, meinte vor wenigen Tagen in einem interessanten Interview mit der rumänischen Tageszeitung Adevărul“, dass der rumänische Staat nach 1878, als durch den Berliner Kongress die Dobrudscha Rumänien zugesprochen wurde, die muslimische Bevölkerung meistens gut und integrativ behandelt habe. Demnach haben sich die Nachfahren der von den Osmanen kolonisierten Muslime hier immer respektiert und integriert gefühlt, folglich seien sie kaum empfänglich für extremistische Auslegungen des Islams, so der heute 90-jährige Politologe.



    Zum anderen hat Rumänien seit Jahrzehnten ein gutes Verhältnis sowohl zu Israel als auch zu den arabischen Staaten. Rumänien hat den Staat Israel gleich nach seiner Gründung im Jahr 1948 anerkannt. Während des Sechs-Tage-Kriegs von 1967 war Rumänien der einzige kommunistische Staat, der seine diplomatischen Beziehungen zu Israel aufrechterhalten hat. Der Diktator Ceauşescu wollte sich als Vermittler in internationalen Konflikten profilieren und pflegte ebenso gute Beziehungen auch zu Diktatoren wie Saddam Hussein und Muammar al-Gaddafi oder zu afrikanischen Despoten. Auch PLO-Chef Arafat war damals ein häufiger Gast in Bukarest. In jener Zeit (1970er-1980er Jahre) gab es nicht wenige Studenten aus dem arabischen Raum oder aus Afrika in Rumänien, die hier gegen Devisen Medizin, Zahnarzt oder technische Fachausbildungen studierten. Einige sind hier geblieben, haben Familien gegründet und sind inzwischen rumänische Staatsbürger. Nach der Wende ist die Gemeinschaft der zugewanderten Muslime durch Geschäftsleute und Flüchtlinge etwas grö‎ßer geworden, sie bleibt aber überschaubar. Auch heute gibt es noch ausländische Studenten aus den arabischen Ländern in Rumänien, vorrangig aus den Maghreb-Staaten. Genaue Zahlen habe ich nicht ausfindig machen können, da die Zahl der Migranten, Flüchtlinge, Zugewanderten oder der sich nur zeitweilig in Rumänien aufhaltenden Ausländer nicht nach Religionszugehörigkeit erfasst wird, sondern nach Ursprungsland. Insgesamt über 70.000 ausländische Staatsbürger leben in Rumänien, davon knapp 30.000 allein in der Hauptstadt Bukarest. Man kann zwar wohl kaum sichere Angaben über die Gesinnung aller zugewanderten Muslime hierzulande machen, es gibt aber auf jeden Fall auch keinen Grund, nicht anzunehmen, dass die Mehrheit rechtschaffene Menschen sind.



    Unlängst behauptete George Maior, der Chef des rumänischen Nachrichtendienstes in einem Interview, dass auch in Rumänien Attentate geplant worden seien, die aber von den rumänischen Geheimdiensten frühzeitig vereitelt worden seien. Einzelheiten wollte er nicht nennen, sagte aber, die Sicherheitsbehörden haben dabei Ma‎ßnahmen wie Abschiebung oder Einreiseverweigerung verdächtiger Personen umgesetzt. Gleichzeitig plädierte er erwartungsgemä‎ß für eine legislative Verschärfung, die es den Geheimdiensten ermöglichen würde, auf Vorratsdatenspeicherung zurückzugreifen. In Rumänien hat das Verfassungsgericht nämlich die Vorratsdatenspeicherung in seiner geplanten Form im Vorjahr gekippt, auch kann man hierzulande Pre-Pay-Karten fürs Handy ohne die Preisgabe von persönlichen Daten kaufen — noch.



    Ich lasse mal die Äu‎ßerungen des Geheimdienstchefs unkommentiert. Es wäre aber kein gutes Omen für die Demokratie, wenn die tragischen Ereignisse in Paris dazu führen, dass unsere Rechte und Freiheiten eingeschränkt werden.




    Audiobeitrag hören:




  • Hörerpostsendung 13.4.2014

    Hörerpostsendung 13.4.2014

    Heute möchte ich erneut Hörermeinungen zu unserem Programm zitieren bzw. dazugehörende Fragen beantworten. In letzter Zeit haben wir erwartungsgemä‎ß nicht wenige Meinungen zu den Entwicklungen in der Ukraine erhalten.



    Heinz-Günter Hessenbruch (aus Remscheid, NRW) schrieb uns per Fax:



    Die Lage in der Ukraine ist wirklich sehr ernst, Gewalt ist keine Lösung. Es ist auch oft so, dass es “Trittbrettfahrer” gibt, die dann im Schatten der gro‎ßen Krise ihre eigene Krise lösen möchten.



    Hans-Joachim Pellin (aus Lübz, Mecklenburg-Vorpommern) ist der Meinung, dass die Maidan-Bewegung keine absolute Legitimation gehabt habe, und hätte sich gewünscht, dass die EU etwas vorsichtiger in der Ukraine vorgegangen wäre. Er schreibt:



    Zu der Problematik Ukraine und Krim wird es bestimmt schon eine Vielzahl von Meinungen bei Ihnen gegeben haben. Ich hätte mir gewünscht, dass viele Schritte in der Ukraine erst nach der Wahl einer neuen demokratisch gewählten Regierung vollzogen worden wären. Ich glaube nicht, dass der Maidan die gesamte Bevölkerung der Ukraine repräsentierte und die derzeitige Regierung über die Maidan-Bewegung demokratisch legitimiert ist.



    Ulrich Wicke (aus Felsberg, Hessen) ist mit unserer Berichterstattung zufrieden und schätzt dabei, dass wir auch die Moldaurepublik berücksichtigen:



    Angesichts der schweren Krise in Eurem Nachbarland Ukraine ist es besonders interessant, Eure Berichterstattung zu diesem Thema zu hören. Ebenso ist zu begrü‎ßen, dass Ihr dabei Moldawien nicht vergesst. Dieses Land hat ja bereits bittere Erfahrungen mit Separatismus machen müssen.



    Die Situation in der Region und Minderheitenfragen interessieren auch Fritz Andorf (Meckenheim, NRW):



    Zurzeit blickt die ganze Welt auf die Ereignisse in der Ukraine, vor allem auf der Krim. In diesem Zusammenhang muss man auch eine Intervention Russlands in anderen souveränen Staaten befürchten, wenn die russischsprachige Minderheit in Bedrängnis gerät. So habe ich zwei Berichte (im Auslandsdienst der Stimme der Türkei und im Deutschlandfunk) über ein Referendum gehört, dass die russischsprachige Minderheit des kleinen Turkvolkes der Gagausen in der Republik Moldawien angestrengt hat. Beunruhigt das nicht auch das nahe Rumänien?



    Und Lutz Winkler (aus Schmitten im Taunus, Hessen) hat wenig Verständnis für die derzeitige Politik Moskaus und möchte mehr über die russische Volksgruppe in Rumänien erfahren:



    Zurzeit machen mir die Ereignisse in der Ukraine Sorgen. Das russische Säbelrasseln und die Ohnmacht der Weltgemeinschaft erinnern mich an manche Situationen des letzten Jahrhunderts, die Ursachen für einen grö‎ßeren Krieg waren. Erschreckend ist für mich immer wieder, wie westdeutsche Journalisten versuchen, den russischen Präsidenten Putin zu verstehen. Als ehemaliger DDR-Bürger kann ich da nur den Kopf schütteln.



    Wie viel Bürger der russischen Nationalität leben eigentlich in Rumänien und wie sind diese organisiert?




    Vielen Dank für Ihre vielfältigen Meinungen, liebe Freunde. Selbstverständlich macht man sich aufgrund der jüngsten Ereignisse in der Ostukraine und in der benachbarten Moldaurepublik auch in Rumänien Sorgen. Natürlich gehen auch hier die Meinungen weit auseinander, wenn es darum geht, die Beweggründe der russischen Politik zu erklären oder die nächsten Schritte des Präsidenten Putin vorauszusagen. Eines möchte ich aber an dieser Stelle vermeiden: die Hörer in eine Debatte hineinzuziehen, wie sie derzeit in deutschen und internationalen Medien ausgetragen wird, in der die Disputanten sich als Russlandversteher“ bzw. Russenhasser“ gegenseitig diffamieren — beide Wörter haben meines Erachtens eine gute Chance, zum Unwort des Jahres zu werden.



    Eines muss man allerdings doch verstehen: Ob man nun für drastischere Sanktionen gegen Russland oder eher für eine Wiederannäherung an Moskau ist — die Angst der Menschen beispielsweise in den baltischen Staaten oder Polen vor einem unberechenbaren Putin ist real und lässt sich nicht aus dem Redakteurssessel in Westeuropa mit der Ruhe und Gelassenheit beschwichtigen, die die Entfernung von Russlands Grenzen bietet. Sich besorgt wegen der Drohgebärden aus Moskau zu zeigen, hei‎ßt nicht gleich, ein Russenhasser“ zu sein. Ebenso wie die Kritik an manch übereilten Schritt der EU oder der USA nicht automatisch hei‎ßt, als Russlandversteher“ Putin auf den Leim gegangen zu sein.



    Um die Sicherheit der russischsprachigen Minderheiten in den Nachfolgerstaaten der Sowjetunion soll es Moskau gehen, wird immer wieder behauptet. Nun, ich bestreite die Existenz nationalistischer Tendenzen in diesen Staaten nicht und erachte die neuen Machthaber in Kiew auch nicht allesamt für lupenreine Demokraten. Nur gibt es wenig Anlass, anzunehmen, dass die russischsprachigen Menschen bedroht sind. Russisch ist als inoffizielle zweite Sprache — mancherorts auch als regionale Amtssprache — in allen ex-sowjetischen Republiken allgegenwärtig, russischsprachige Medien fast überproportional präsent und öffentliche Beschriftung in Russisch eine alltägliche, normale Erscheinung. In diesen Staaten sprechen die meisten Angehörigen der sogen. Titularnationen immer noch auch Russisch nebst ihrer Muttersprache. Hingegen beherrschen Angehörige der russischen Minderheiten viel seltener die jeweilige Landessprache. Bei allem Respekt für Minderheitenrechte — mit der Instrumentalisierung dieser Problematik wird gerade den Minderheiten nicht gedient.



    Nebenbei ein kurzes persönliches Erlebnis, das sich fast anekdotenhaft anhören dürfte: Ich habe vor einigen Jahren auf eigener Haut erleben müssen, was es hei‎ßt, kein Russisch zu sprechen, wenn man als rumänischer Staatsbürger in der Moldaurepublik unterwegs ist. Ich war bei einem internationalen Seminar in der Hauptstadt Chişinău und musste mal schnell ins Hotel zurück, um vergessene Unterlagen zu holen. Auf dem Rückweg zum Seminarort stieg ich in ein Taxi, dessen Fahrer nur Russisch sprechen konnte oder wollte. Ich hab’s vergeblich auch auf Englisch, Französisch, Deutsch und mit Händen und Fü‎ßen versucht, der gute Mann tat so, als ob er mein Ziel — eine wichtige Behörde der Stadt mit einer international ähnlich klingenden Bezeichnung — nicht kennen würde, blo‎ß weil ich nicht imstande war, sie auf Russisch zu benennen. Er kutschierte mich seelenruhig fast eine Stunde lang durch die Stadt herum und erklärte mir mit einem hämischen Lächeln im Gesicht die Sehenswürdigkeiten, an denen wir vorbeizogen: Präsidentenpalast, Parlament, Rundfunkgebäude etc. — so viel Russisch verstand ich noch. Ich war dem jungen Spund mit seinem dämlichen Grinsen hilflos ausgeliefert, auf meine verzweifelten Zeichen, er möge das Auto stoppen, reagierte er nicht und fuhr unbeirrt weiter. Andere Seminarteilnehmer, die ich anzurufen versuchte, gingen nicht an ihr Handy. Schlie‎ßlich riefen mich die Organisatoren des Seminars an, als ihnen mein Wegbleiben auffiel, und lasen meinem Chauffeur die Leviten auf Russisch. Und siehe da, er wusste plötzlich, wo er hinfahren soll. Ich habe mich nicht sonderlich über den Zwischenfall aufgeregt und kann heute eigentlich nur darüber lachen, aber die Botschaft war klipp und klar: Wenn du kein Russisch sprichst, kommst du hier nicht durch. Das klingt in meinen Ohren nicht nach Unterdrückung der russischen Minderheit, vielmehr nach Selbstherrlichkeit derselben.



    Zur Minderheit der Gagausen in der Moldaurepublik ist folgendes zu sagen: Bei der Volkszählung von 2004 haben 147.500 Menschen angegeben, dieser Nationalität anzugehören, davon bezeichneten etwas mehr als 136.000 die Turksprache Gagauzça (oder Gagauz dili) als Muttersprache und etwa 102.000 würden sie auch als Alltagssprache verwenden. Das hei‎ßt in Prozent ausgedrückt, dass trotz der knapp 93% angegebenen Muttersprachler in Wirklichkeit mehr als 30% der Gagausen im Alltag eine andere Sprache — meistens Russisch — sprechen. Diese Zahlen attestiert nicht nur die erwähnte Volkszählung, sondern auch eine Studie von 2012 des Büros für Interethnische Beziehungen zur Sprachensituation im Land. Die Studie empfahl der Regierung die Ratifizierung der bereits 2002 unterzeichneten Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen. Der Schul-Unterricht in dieser Sprache und ihr Studium an Hochschulen wurde seit Ende der 1980er Jahre und nach dem Zerfall der Sowjetunion verstärkt gefördert und ausgebaut — bis dahin waren die Gagausen einer gezielten und zunehmenden Russifizierung ausgesetzt worden. Die lokale Rundfunkanstalt sendet heute auf Gagausisch, Russisch und Rumänisch.



    Ein bewaffneter Konflikt wie in Transnistrien und die Abspaltung der 1990 ausgerufenen Gagausischen Sozialistischen Republik konnte in den Frühneunzigern noch verhindert werden. Die Gagausen genie‎ßen seit 1994 in ihren angestammten Gebieten im Süden der Moldaurepublik einen weitgehenden Autonomiestatus, ihre Sprache ist dort neben Rumänisch und Russisch gleichberechtigte Amtssprache. Trotzdem kam es in den letzten Monaten erneut zu Spannungen im Verhältnis zur Regierung in Chişinău. Hintergrund war die von der moldauischen Regierung beschlossene EU-Assoziierung. Dies stö‎ßt bei den Anführern der Gagausen und gro‎ßen Teilen der Bevölkerung auf Ablehnung. Aus Angst vor einer vermeintlichen Rumänisierung wünscht man sich hier eine engere Bindung an Russland. Ein von der Regierung in Chişinău als illegal eingestuftes Referendum wurde eiligst einberufen und am 2. Februar 2014 abgehalten, bei einer Wahlbeteiligung von über 70% stimmten 98,4% der Bevölkerung für engere Beziehungen mit Russland und anderen GUS-Staaten, 97,2% votierten gegen eine Annäherung an die EU. In einem interessanten englischsprachigen Artikel auf der Webseite des Senders Radio Free Europe/Radio Liberty wird über die Hintergründe des Referendums berichtet. Die Rede ist von gegenseitigem Misstrauen und mangelndem Dialog zwischen Chişinău und Komrat, der Hauptstadt der Gagausischen Selbstverwaltung, von der Gelegenheit, die Chişinău verpasst habe, die Gagausen durch eine bessere Vertretung in den Zentralbehörden an den moldauischen Staat zu binden. Und von der Angst der Gagausen, im Falle einer Vereinigung der Moldaurepublik mit Rumänien zu Bürgern dritter Klasse degradiert zu werden.



    Ob diese Ängste begründet sind, lasse ich mal dahingestellt. Rein wirtschaftlich wäre ein unabhängiges Gagausien mit seinen drei Städtchen und zwei Dutzend unterentwickelten Dörfern ohne Hilfe von au‎ßen nicht zu halten. Zudem sei seit Jahren ein Entvölkerungstrend festzustellen, viele Männer arbeiten in Russland, Frauen in der Türkei, ist in einer Reportage der moldauischen Zeitung Timpul“ zu lesen. Wer aber ein Interesse an dieser Kleinstaaterei und der Instrumentalisierung der Minderheitenrechte hat, liegt auf der Hand. Im bereits erwähnten Artikel von Radio Free Europe wird der russische Vize-Ministerpräsident Dmitrij Rogosin mit folgendem markigem Spruch zitiert: Dieser Zug, der in Richtung Europa tuckert und sich Moldaurepublik nennt, könnte ein paar Waggons auf der Strecke verlieren.“ Eine deutlichere und zynischere Anspielung auf Transnistrien und Gagausien gibt es wohl nicht.



    Die Beantwortung der Frage über die russische Minderheit in Rumänien muss ich aus Zeitgründen auf ein anderes Mal verschieben. Soviel nur: Die rund 24.000 sogen. Lipowaner-Russen in Rumänien spielen im angespannten Verhältnis zu Russland nach meinem Wissen so gut wie keine Rolle bzw. gibt es keinen Grund, Konflikte zu befürchten. Die meisten sind Nachkommen der Menschen altorthodoxen Glaubens, die ab Mitte des 17. Jahrhunderts aufgrund ihrer Verfolgung aus Russland flohen und in der Dobrudscha eine neue Heimat fanden. Zwar sind die historischen Wurzeln und die Sprache ohne weiteres Russland entsprungen, doch fühlen sich die Lipowaner diesem Staat nicht verbunden.



    Höchste Zeit für die Posteingangsliste, da ich schon überzogen habe. Postbriefe erhielten wir von Horst Quitzau (Wien, A), Hannu Kiiski (Finnland), Georg Schafheitle und Albert Pfeffer (beide aus Singen am Hohentwiel, Baden-Württemberg), Michael Lindner (Gera, Thüringen), Erhard Lauber (Bad Berleburg-Girkhausen, NRW), Christoph Paustian (Häusern, Baden-Württemberg), Peter Möller (Duisburg), Simone Ruf (Bad Freienwalde, Brandenburg), Johann Ruff (Mühlheim, Hessen), Wolfgang Kühn (Rudolstadt, Thüringen), Martin Gruber (Altdorf bei Nürnberg).



    Ein Fax erhielten wir von Heinz-Günter Hessenbruch (Remscheid, NRW).



    E-Mails erhielten wir bis Freitagnachmittag von Josef Robl (A) sowie von Horst Schirrmann, Andrea und Bernd Seiser, Herbert Jörger, Andreas Pawelczyk, Dieter Feltes und Jörg-Clemens Hoffmann (alle aus Deutschland).



    Das Internetformular nutzten Paul Gager und Frank Miehlich (A), Karl-Hans Spiegel (D).



    Dieses Jahr feiern Ost- und Westkirche Ostern am selben Sonntag, den 20. April. Das ist eher die Ausnahme als die Regel, denn in der Berechnung der sogenannten beweglichen Kirchenfeste bedient man sich in der orthodoxen Welt eines anderen Mondkalenders als in der katholischen und protestantischen Welt. Warum das so ist, erklärt Ihnen nächsten Sonntag mein Kollege Alex Sterescu und wird damit auch eine entsprechende Frage unseres Hörers Herbert Jörger (aus Bühl, Baden-Württemberg) beantworten. Au‎ßerdem gibt es im Funkbriefkasten am Ostersonntag wieder ein leckeres Rezept von Irina Adamescu. Ich gönne mir in der Karwoche und zu Ostern einen kurzen Urlaub auf der Mittelmeerinsel Kreta. Ich wünsche Ihnen daher jetzt schon frohe Ostern und bin in zwei Wochen wieder für Sie da.



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  • Veranstaltungen zum Nationalfeiertag Rumäniens

    Veranstaltungen zum Nationalfeiertag Rumäniens

    Am 1. Dezember feiern alle Rumänen ihren Nationalfeiertag. Er ist auf den wichtigsten Moment in der rumänischen Geschichte zurückzuführen, als am 1. Dezember 1918 die Vereinigung Siebenbürgens, der Bukowina und Bessarabiens mit dem rumänischen Altreich erklärt wurde. Unter dem rumänischen Altreich sind die Regionen zu zählen, die auch vor dem ersten Weltkrieg zu Rumänien gehörten: Moldau, Walachei und Dobrudscha.



    Die Gro‎ße Vereinigung Rumäniens war keine isolierte, vom europäischen Kontext getrennte politische Aktion, sondern eine logische Folge der Bemühungen aller Rumänen um nationale Einheit. Der Kampf der Rumänen um nationale Einheit begann am Ende des 16. Jhs., als Fürst Mihai Viteazul (Michael der Tapfere) für kürzere Zeit die Unabhängigkeit des Landes zurückerobert hatte. Ihm gelang es auch zum ersten Mal in der Geschichte, die drei von Rumänen bewohnten Fürstentümer zu vereinigen (1599-1600).



    1859, nachdem die Rumänen im Fürstentum Moldau am 5. Januar und in der Walachei am 24. Januar diesselbe Person, den Oberst Alexandru Ioan Cuza, zum Fürsten gewählt hatten, wurden die zwei rumänischen Fürstentümer de facto“ vereinigt unter der Führung des Fürsten Alexandru Ioan Cuza. Am 24. Januar 1862 nannte sich der neue rumänische Staat Rumänien und wählte Bukarest zu seiner Hauptstadt. Am 14. August 1916 trat Rumänien auf der Seite der Alliierten in den Krieg ein. Unter dem König Ferdinand I. (aus dem Hause Hohenzollern-Sigmaringen) kam es nach dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918 zu der Vereinigung mit Siebenbürgen, dem Banat, der Bukowina und Bessarabien.



    Am 9. April 1918 entschieden sich die Rumänen aus Bessarabien im Parlament von Chișinău für die Vereinigung mit Rumänien. Am 28. November trafen die Rumänen der Bukowina in Cernăuți (Czernowitz) die gleiche Entscheidung. Und auch die Gro‎ße Volksversammlung in Alba Iulia, an der über 100.000 Delegierte teilgenommen hatten, entschied sich am 1. Dezember für die Vereinigung Siebenbürgens und des Banats mit Rumänien. Somit ist 1918 das Geburtsjahr von Gro‎ßrumänien. Ein Jahr später wurden beim Friedenskongre‎ß in Paris die nationalen Grenzen Rumäniens international anerkannt. Als Gro‎ßrumänien ist das Königreich Rumänien zwischen den Jahren 1919 und 1940 zu verstehen.



    Nach dem Fall des Kommunismus in Dezember 1989 wurde der 1. Dezember zum Nationallfeiertag Rumäniens erklärt. Der Höhepunkt der Feierveranstaltungen ist die traditionnelle Parade der rumänischen Streitkräfte mit ihrer modernen Kampfausstattung in Bukarest. 30 Militärflugzeuge werden über Bukarest fliegen. 2000 Militärs vom Verteidigungsministerium, Innenministerium, vom Rumänischen Nachrichtendienst und vom Rumänischen Schutzdienst werden zusammen mit den Bodentruppen und Lufttruppen durch die Stra‎ßen von Bukarest marschieren.



    Dieses Jahr werden zum erstenmal auch Einheiten aus den NATO- und EU-Staaten eingeladen, sich an der Militärparade in Bukarest zu beteiligen. Der rumänische Nationalfeiertag wird auch von den im Ausland stationierten rumänischen Soldaten und auch von den im Ausland lebenden Rumänen gefeiert. Auf dem Veranstaltungsprogramm stehen Konzerte mit klassischer Musik, Volksmusik und Jazz, Ausstellungen, Theateraufführungen, Filmvorführungen und feierliche Empfänge in den 147 diplomatischen Vertretungen Rumäniens.

  • Hörerpostsendung 22.09.2013

    Hörerpostsendung 22.09.2013

    Mir ist aufgefallen, dass ich Ihnen Anfang September gar nichts über meinen Urlaub erzählt habe, umso mehr ich dieses Jahr in einer Gegend war, die ich seit meiner Kindheit nicht mehr gesehen hatte. Der Zufall wollte es, dass sich unser Hörerfreund Ralf Urbanczyk (aus Eisleben, Sachsen-Anhalt) gerade für diese Region interessiert. Ende August schrieb er uns:



    Mit Interesse hörte ich in der Radiotour den Bericht über die Touristengebiete an der rumänischen Schwarzmeerküste. Mir ist aufgefallen, dass die Region zwischen dem Donaudelta und Mamaia mit der langgestreckten Landzunge am Schwarzen Meer und den gro‎ßen Seen Sinoe, Goloviţa und Razim so gut wie gar nicht touristisch beworben wird. Einmal so ganz direkt gefragt: Gibt es dort nichts Interessantes zu entdecken? Lohnt sich ein Ferienaufenthalt in dieser Gegend oder sollte man dann doch lieber direkt ins Donaudelta oder an die recht überlaufene Schwarzmeerküste südlich von Mamaia fahren?



    Vielen Dank für Ihre Frage, lieber Herr Urbanczyk. Und ob es in der Region zwischen Mamaia und dem Donaudelta Interessantes zu entdecken gibt. Wie gesagt habe ich gerade dort Urlaub gemacht. Dass die Region nördlich von Mamaia kaum beworben wird, hängt damit zusammen, dass es dort nur wenige Unterkunftsmöglichkeiten gibt und die touristische Infrastruktur noch sehr schwach ist im Vergleich zu den rappelvollen Stränden beginnend mit Mamaia bis an der südlichen Grenze zu Bulgarien.



    Nun, ich war diesen Sommer nördlich von Mamaia, man fährt an der Raffinerie in Năvodari vorbei und gelangt in zwei Dörfer namens Corbu und Vadu, die bis vor wenigen Jahren noch als Geheimtipp für alternative Urlauber galten. Viele sprachen sogar davon, dass die Dörfer eine Art neue Doi Mai und Vama Veche seien, die zwei Ortschaften südlich von Mangalia und kurz vor der bulgarischen Grenze, die ich im Funkbriefkasten vom 9. September 2012 beschrieben hatte. Den Orten bleibt (au‎ßer an Wochenenden) der Massentourismus tatsächlich erspart, es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis auch diese Region touristisch erschlossen wird. Schon jetzt kommen an Wochenenden viele Neureiche mit dicken Geländewagen direkt an den Strand, stellen Boxen auf die Haube, drehen die Musik laut auf, feinden Nacktbadende an und lassen ihren Dreck einfach liegen. Unter der Woche ist es aber meistens ruhig, der Sand ist fein und die Landschaft schön.



    Fotostrecke Corbu:






    Ohne Auto oder Fahrrad sind die Strände vom Dorf aus allerdings nur schwer zu erreichen, in Corbu ist der Strand 4 Km entfernt, in Vadu sogar 7 Km. Die schmalen und überwiegend einspurigen Stra‎ßen sind nur teilweise asphaltiert, folglich muss man entweder ein starkes Auto haben oder ein erfahrener Fahrer sein, um nicht im Sand oder — nach Regen — in aufgeweichter Lehmerde stecken zu bleiben. In beiden Dörfern gibt es in Strandnähe je ein Restaurant mit Fischspezialitäten, allerdings scheinen sich die Betreiber nicht sonderlich um genügend Fischfang zu sorgen, schon donnerstags gehen ihnen die Fischgerichte aus und dann muss man bis zum Wochenende eben etwas anderes essen.



    Die nahe gelegene Raffinerie in Năvodari scheint beinahe stillgelegt zu sein, ich habe Flammen nur auf einem der vielen Schlottürme gesehen, wenn der Wind gen Norden weht, spürt man ein wenig vom Geruch, allerdings nur in Corbu. Vadu liegt wie gesagt etwas weiter, dort fährt man bis zum Strand an einer stillgelegten Fabrik für seltene Metalle vorbei, den hässlichen Betonklotz sieht man schon aus weiter Entfernung. In den 1960er Jahren soll man in der naheliegenden Sanddüne Chituc uranhaltigen Sand vermutet haben, so dass man mit Beginn der 1980er die Fabrik errichtete, um Titan und Zirkon zu fördern. Ob seltene Metalle tatsächlich vorhanden waren und wieviel davon gefördert wurde, ist recht umstritten, auch sind die Geschichten über ehemals dort Beschäftigte, die an Strahlenkrankheiten gestorben wären, im Bereich der Gerüchteküche geblieben, ohne jemals mit glaubwürdigen Dokumenten belegt worden zu sein.



    Fotostrecke Vadu:






    Sehenswertes gibt es auch, wenn man weiter nördlich fährt, man muss es eben nicht allein auf Strände abgesehen haben. Die in der Nähe des heutigen Dorfs Istria (Landkreis Constanţa) befindlichen Ruinen der alten Siedlung Histria (vom antiken Namen der Donau “Istros” abgeleitet) sind eine Besichtigung wert.



    Mitte des 7. Jh. v. Chr. von griechischen Kolonisten aus Milet gegründet, erlebte die Stadt in ihrer 1300-jährigen Existenz mehrere Blütezeiten als Hafen am Schwarzen Meer, da der Binnensee Sinoe, an dessen Ufer die Ruinen heute liegen, damals eine Lagune des Meers war.



    Mehrere Einflüsse und Epochen lösten einander ab, als Teil der Römischen Provinz Moesia Inferior und später Scythia bestand die Stadt bis Anfang der frühbyzantinischen Zeit fort. Mit den Goteneinfällen ab Mitte des 3. Jh. n. Chr begann der Niedergang, Plünderungen der Awaren und Slawen bewirkten schlie‎ßlich Anfang des 7. Jh. die Aufgabe der Stadt.



    Der Standort Histria wurde 1868 vom französischen Archäologen Ernest Desjardins ausfindig gemacht, Ausgrabungen begannen aber erst 1914 unter der Leitung des rumänischen Forschers Vasile Pârvan. Die Ausgrabungen gelten auch heute als nicht abgeschlossen, entlang der Jahrzehnte wurden immer wieder neue interessante Entdeckungen gemacht. Ein guter Teil der thrakischen, griechischen, römischen und byzantinischen Artefakte sind im Museum im Eingangsbereich zu sehen.



    Wer sich für alte Steine nicht sonderlich interessiert oder Hunger kriegt, ist im gegenüber dem Museum liegenden Restaurant (Fischspezialitäten) gut aufgehoben. Die Preise sind für rumänische Verhältnisse etwas gepfeffert, probieren sollte man aber auf jeden Fall die aufs Haus gehende angebotene Beilage namens “picanterie” — ein nicht allzu scharfer Aufstrich aus allerhand Gemüse, Grünzeug, Walnuss und Pinienknospen (insofern man mir tatsächlich das vollständige Rezept verraten hat).



    Fotostrecke Histria:







    Ein weiterer eintägiger Ausflug in Richtung Norden brachte mich in den benachbarten Landkreis Tulcea zu den Ruinen der Festung Enisala. Mitte des 14. Jh. errichteten reiche Kaufleute aus Genua eine Festung auf einem Hügel am Ufer des heutigen Razim-Sees, damals noch eine Bucht des Schwarzen Meers. Die Genuaner besa‎ßen ein Monopol auf die Handelsrouten über das Schwarze Meer und waren somit interessiert, die Schiffahrt in der Region zu überwachen. In den Portulanen (Segelhandbüchern) der Zeit tauchen die Namen Bambola oder Pampolo auf, die wahrscheinlich die Festung bezeichneten. Sie war Teil eines Systems von Befestigungsanlagen im Norden der Dobrudscha. Doch bereits vor den Genuanern dürften schon die Byzantiner an der Region interessiert gewesen sein, das Haupttor mit doppelter Arkade und die dazugehörige Bastei zeugen von orientalisch-byzantinischen Einflüssen.



    1397-1418 war die Dobrudscha im Besitz des walachischen Woiwoden Mircea der Ältere, die Festung diente somit als Verteidigungsanlage des mittelalterlichen Fürstentums Walachei. In den Jahren 1419-1420 wurde die Dobrudscha von den Osmanen erobert, die Festung zu einer türkischen Garnison unter dem Namen Yeni-Sale umfunktioniert. Der Name Enisala (auch Yeni-Sale, Enişala) bedeute nach einigen Meinungen “Neue Verkündung” im Türkischen, nach anderen Meinungen soll es eine Mischung aus dem türkischen Wort “yeni” (neu) und dem slawischen Wort “selo” (Dorf, Siedlung) sein.



    Bis zum 16. Jh. bildeten sich die Sandbänke, die Razim (Razelm) zu einem Binnensee werden lie‎ßen, die osmanische Herrschaft war bereits weiter nach Norden ausgedehnt, so dass die Festung nach und nach an militärischer Bedeutung verlor. Gegen Ende des 17. Jh. wurde sie verlassen.



    Die Aussicht vom Hügel ist wunderschön, man fühlt sich wie am Anfang oder Ende der Welt. Auch die Fahrt ist ein Augenschmaus: Sie führt teils über karge Landschaften, wie sie in der Dobrudscha typisch sind, teils über grüne Hügel oder an weiten Raps- und Sonnenblumenfeldern und am Babadag-Wald vorbei. Seit einigen Jahren sieht man in der Ferne auch viele Windkraftanlagen des Windparks in Fântânele-Cogealac.



    Fotostrecke Enisala:







    Alle oben stehenden Fotostrecken lassen sich mit wenigen Mausklicken auch in Gro‎ßansicht bzw. direkt bei Flickr betrachten.



    Zum Schluss möchte ich noch die Zeilen verlesen, die wir von unserem Hörer Eckhard Röscher (aus Dessau-Ro‎ßlau, Sachsen-Anhalt) erhielten:



    Liebe Mitarbeiter der deutschen Redaktion von RRI,



    Heute möchte ich wieder die Gelegenheit nutzen, um Ihnen einen neuen Empfangsbericht zu senden.



    Die Empfangsbedingungen auf 7300 kHz sind nach wie vor ausgezeichnet hier in meiner Heimatstadt Dessau. Somit konnte ich Ihre inhaltsreiche Sendung wieder problemfrei genie‎ßen. Darin gab es jede Menge Kultur, aber auch Natur, wie z.B. der Beitrag über den Nationalpark Cozia. Und solche Reportagen interessieren mich ganz besonders.



    Der Kinderchor des rumänischen Rundfunks hat mir ausgezeichnet gefallen. Ich bewundere immer wieder derartige Fähigkeiten, da ich vollkommen unmusikalisch bin. Die weiteren Beiträge über das Musikfestival und über den Nationalpark trafen ebenfalls meinen Geschmack. Somit haben Sie wieder dafür gesorgt, dass diese Stunde sehr schnell vergangen ist.



    An dieser Stelle möchte ich wieder das gesamte Team grü‎ßen und ihnen weiterhin viel Erfolg bei Ihrer interessanten Arbeit wünschen.



    Lieber Herr Röscher, vielen Dank für Ihre Hörertreue und auch von uns einen schönen Gru‎ß nach Dessau.



    Zeit für die Posteingangsliste. Postbriefe lese ich mir erst für kommenden Sonntag durch. E-Mails erhielten wir bis einschlie‎ßlich Sonntagmittag von: Anna, Bernd und Willi Seiser, Petra Kugler, Fritz Andorf, Hendrik Leuker, Norbert Hansen, Rolf Endris, Heinrich Eusterbrock, Werner Hoffmann, Dieter Feltes, Günter Jacob (alle aus Deutschland) und Gérard Koopal (Niederlande).



    Das Internetformular nutzten Claudio Alfredo Martijena (Argentinien), Hans Verner Lollike (Dänemark), Ronny Weiner (Deutschland).



    Audiobeitrag hören: