Tag: Juden

  • Holocaust-Gedenkfeier: Präsident Iohannis warnt vor der Gefahr durch Rechtsextremismus

    Holocaust-Gedenkfeier: Präsident Iohannis warnt vor der Gefahr durch Rechtsextremismus

    In der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau wurd 80 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers an die Opfer des Naziterrors erinnert. Der polnische Präsident Andrej Duda erklärte: “Wir Polen, auf deren damals von Nazi-Deutschland besetztem Land diese Vernichtungsindustrie und dieses Konzentrationslager errichtet wurden, sind heute die Hüter der Erinnerung”. Bei der diesjährigen Gedenkfeier standen die Überlebenden im Mittelpunkt. Mehr als 50 ehemalige Häftlinge aus Auschwitz-Birkenau und anderen Lagern waren dabei. Einige von ihnen sind mehrmals nach Auschwitz zurückgekehrt, und ihre Botschaft war immer, den Menschen zu sagen, was geschehen ist und dass sich diese Gräuel nicht wiederholen dürfen. Rumänien wurde durch die Kulturministerin Natalia Intotero vertreten. Länder wie Deutschland, das Vereinigte Königreich, Frankreich und Spanien waren auf höchster Ebene vertreten.

     

     

    In Bukarest übermittelte Präsident Klaus Iohannis eine Botschaft, in der er erklärte, dass der 27. Januar 1945 für immer der Tag bleiben wird, an dem das dunkelste Kapitel der Befreiung des KZ Auschwitz-Birkenau in die Geschichte einging. „Diejenigen, die es geschafft hatten, am Leben zu bleiben, konnten vor der ganzen Welt bezeugen, dass die Hölle auf Erden entfesselt worden war, aber auch, dass die Macht des Lebens den Tod endgültig besiegt hatte”, sagte Iohannis. Klaus Iohannis erinnerte daran, dass der 27. Januar auch der Tag ist, an dem Rumänien dem Leid der Opfer des Bukarester Pogroms von 1941 gedenkt, als Tausende Juden von Legionärsbanden (Rechtsextremisten) in den Tod getrieben wurden. In der Botschaft des Präsidenten wurde auch auf die Gegenwart Bezug genommen.

     

     

    Laut Iohannis werden auf internationaler Ebene Populismus, Extremismus, fremdenfeindliche und antisemitische Haltungen und Äußerungen auf perfide Weise verschleiert, um die Grundpfeiler der freien Welt zu untergraben, in der die Grundrechte eine zentrale Rolle spielen. Die Verbreitung von Hass, Angriffen, gewalttätiger Sprache und Desinformation schwächt die Demokratien und birgt die Gefahr, dass hart erkämpfte Rechte und Freiheiten untergraben werden, fügte Rumäniens Präsident hinzu.

     

     

    PremierMarcel Ciolacu bekräftigte seinerseits die feste Entschlossenheit der rumänischen Regierung, die Geißel des Antisemitismus zu bekämpfen und das Gedenken an die Opfer des Holocaust zu fördern. Es sei die Pflicht der Behörden, dafür zu sorgen, dass die rumänische Gesellschaft sich der Fehler der Geschichte bewusst sei und diese nicht wiederhole. Am Montag nahm der Premierminister an der Zeremonie zum Internationalen Holocaust-Gedenktag und zum Gedenken an die Opfer des antijüdischen Legionärspogroms in Bukarest im Choraltempel in Bukarest, der größten mosaischen Kultstätte der Stadt, teil.

     

  • QSL 5/2021: Museum für Geschichte der Großwardeiner Juden

    QSL 5/2021: Museum für Geschichte der Großwardeiner Juden

    Im Museum für die Geschichte der Juden erfahren Sie das tragische Schicksal von Éva Heyman, einem 13-jährigen Mädchen, das ähnlich wie Anne Frank im Gro‎ßwardeiner Ghetto ein kurzes Tagebuch schrieb, bevor es in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert und zum Holocaust-Opfer wurde.



    Die Geschichte von Éva Heyman oder Tereza Mózes — einer Holocaust-Überlebenden — haben die Atmosphäre des Museums stark geprägt. Im Museum sind auch ihre Biografien, Tagebücher und andere persönliche Gegenstände ausgestellt.

  • Auschwitz, 75 Jahre

    Auschwitz, 75 Jahre

    Vor 75 Jahren befreite die Rote Armee das grö‎ßten Konzentrationslagers der Welt, Auschwitz-Birkenau – doch bis heute wird die Identifizierung der Opfer fortgesetzt, wobei die Zahl der Toten über eine Million beträgt. Das Lager, das 1944 eine Fläche von mehr als 40 Quadratkilometern einnahm, galt als die unheimlichste Todesfabrik und sollte zunächst dazu dienen, die Feinde des Adolf-Hitler-Regimes auszuschalten.



    Sechs Millionen Juden wurden während des Zweiten Weltkriegs von Nazi-Deutschland und seinen Verbündeten ermordet. Davon kamen mehrere Hunderttausend aus Rumänien, das damals unter dem diktatorischen Regime von Ion Antonescu an der Seite Hitler-Deutschlands stand. Antonescu war für die Deportation eines Teils der Juden aus Rumänien nach Transnistrien verantwortlich war, während die Juden Siebenbürgens in die Hände der ungarischen Horthy-Faschisten fielen, die damals in diesem Teil des Landes an der Macht waren. Die meisten von ihnen kamen in Vernichtungslager.



    Der rumänische Premierminister Ludovic Orban, der am Montag bei den von Polen organisierten Feierlichkeiten im ehemaligen Nazi-Lager anwesend war, sagte, dass “Rumänien als unabhängiger Staat, aber auch als europäisches Land, Toleranz, Nichtdiskriminierung und Frieden fördert und gleichzeitig aktiv an der Bewahrung der Erinnerung an den Holocaust arbeitet”. Nachdem er letzte Woche in Israel an dem internationalen Forum zum Gedenken an die Opfer des Holocaust teilgenommen hatte, verlieh Präsident Klaus Iohannis Staatsorden an mehrere Juden und Roma, die Krieg und Deportation überlebten. Die Menschheit wei‎ß nicht genug über das schreckliche Leid, das die Roma in den Konzentrationslagern in Transnistrien ertragen mussten, sagte Präsident Iohannis. Es ist an der Zeit, dass die öffentliche Meinung mehr über den Holocaust der Roma erfährt und seine Überlebenden ehrt, deren Stimmen einen Aufruf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit repräsentieren, fügte er hinzu.



    Bei der Zeremonie in Bukarest sagte Aurel Vainer, Vorsitzender des Verbands der jüdischen Gemeinde in Rumänien, dass die Auszeichnung, die er erhielt, ein Beweis für die Haltung des rumänischen Staates zum Antisemitismus sei. Aurel Vainer: “Dieser Orden hat einen historischen Wert, nicht nur einen emotionalen, da er beweist, dass wir, die Juden, heute alle Rechte und Pflichten der rumänischen Staatsbürgerschaft genie‎ßen. Es ist ein Modell für das Verhalten gegenüber den Juden, das in Rumänien praktiziert widrd, während es gleichzeitig eine Offensive gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit führt”.



    Konstantin Brăilă, 1942 nach Transnistrien deportiert, ist einer der Roma, die die Schrecken der Konzentrationslager überlebt haben, wie er sich erinnert: “Wir schliefen auf dem Boden, auf trockenen Maiskolben, ohne Laken, weder darunter noch darüber. Wir bekamen 250 Gramm Nahrung pro Tag. Kein Gemüse, nur Gerstenmehl, und wir mussten von frühmorgens bis spätabends arbeiten, erinnert sich der heute alte Mann.


  • Geschichte des Holocaust: 75 Jahre seit der Deportation der Juden aus Nordsiebenbürgen

    Geschichte des Holocaust: 75 Jahre seit der Deportation der Juden aus Nordsiebenbürgen

    Das Gedenken an 75 Jahre seit der Deportation der Juden aus Nordsiebenbürgen in Vernichtungslager der Nazis ist etwas, das ständig in Erinnerung gerufen werden muss, damit sich solche Gräueltaten nie wieder ereignen. Die europäischen Juden zahlten einen sehr hohen Preis für die kriminellen Fantasien des Faschismus, für die Illusion einer besseren Gesellschaft. 150.000 von ihnen stammten aus Nordsiebenbürgen, eines am 30. August 1940 von Ungarn annektierten Landesteils, der überwiegend von Rumänen bewohnt wurde.



    Im Frühjahr 1944 begannen die ungarischen Behörden, die jüdische Bevölkerung in die Ghettos zu schicken. Hitler verlor das Vertrauen in die totalitären Regime in Ungarn und Rumänien, bezweifelte ihre Fähigkeit, die jüdische Bevölkerung zu vernichten, und beschloss, die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen. Das bedeutete, die Juden noch mehr zu verfolgen. Nachdem sie gezwungen worden waren, ein Abzeichen in Form eines gelben Sterns als Identifikationsmittel zu tragen, nachdem sie allerlei Demütigungen ausgesetzt wurden, nachdem sie alle ihre bürgerlichen, politischen und wirtschaftlichen Rechte aufgrund der Rassengesetzgebung verloren hatten, wurden die Juden nun gezwungen, ihre Häuser zu verlassen.



    Marius Popescu vom Wilhelm-Filderman-Zentrum für das Studium der Geschichte der rumänischen Juden, erzählt uns, wie die Deportation der Juden aus Nordsiebenbürgen, damals unter ungarischer Besatzung, stattfand:



    Der Prozess der Entsendung der Juden in die Ghettos begann am 3. Mai 1944. Etwas, für dessen Realisierung die westlichen Länder etwa 2 oder 3 Jahre brauchten, dauerte in Nordsiebenbürgen nur anderthalb Monate. Das zeigt, wie sehr die deutschen und ungarischen Behörden darauf bedacht waren, die jüdische Bevölkerung zu vernichten.“



    Marius Popescu erläutert weiter, wie die Ghettos in den Städten Nordsiebenbürgens aufgebaut wurden:



    Es gab Ghettos in Oradea, Cluj, Dej, Satu Mare, Sfântu Gheorghe, Târgu Mureş und Şimleu. Die Juden aus den umliegenden Dörfern wurden als erste in Ghettos in den Kreishauptstädten geschickt. Die Ghettos waren jedoch nicht wie die üblichen, in denen die jüdische Bevölkerung gezwungen war, im Elend hinter hohen Mauern zu leben, wie zum Beispiel in Polen. Die Ghettos in Nordsiebenbürgen waren Transit-Ghettos, wo die Juden 2 oder 3 Wochen verbrachten. Das Wort Ghetto wird in diesem Zusammenhang sehr häufig verwendet, aber ich würde es hier nicht verwenden. Ein Ghetto befand sich am Rande einer Stadt, in der die Juden auf engstem Raum zusammengepfercht waren. Die Juden machten etwa 30% der Gesamtbevölkerung von Oradea aus, so dass etwa 30.000 Juden in das Ghetto geschickt wurden. In Cluj lag ihre Zahl bei 18.000. Die Bedingungen im Ghetto waren schrecklich, es gab keine Toiletten, einmal täglich wurde Essen ausgeteilt und die Menschen lebten ausschlie‎ßlich von dem, was sie von zu Hause mitgebracht hatten. Am 3. Mai 1944, als die Ghettos von Gendarmen umzingelt wurden, hatten sie eine halbe Stunde Zeit zur Vorbereitung auf die Deportation. Das Ghetto war mit Draht umgeben.“




    Elie Wiesel, Friedensnobelpreisträger, geboren in Sighetu Marmaţiei, verbrachte einige Zeit in einem Ghetto, bevor er nach Auschwitz geschickt wurde. Eva Heyman, ein 13-jähriges Mädchen, das in die Gaskammer in Auschwitz geschickt wurde und heute als Anne Frank Siebenbürgens bezeichnet wird, hatte das Ghetto in Oradea passiert. Miklós Nyiszli, ein Arzt aus Oradea, wurde zunächst in ein ähnliches Ghetto geschickt, dann nach Auschwitz, hatte aber die gro‎ße Chance, zu überleben. Das sind nur drei der Menschen, die das Leben in den Ghettos Nordsiebenbürgens erlebt und schriftliche Beweise dafür hinterlassen haben. Historiker Marius Popescu über den Alltag im Ghetto:



    Einmal im Ghetto angekommen, wurden die Juden gedemütigt, verspottet und sogar ermordet. Heute wissen wir, was z.B. die Brauerei »Dreher« bedeutete — es war der Ort, an dem die Juden geschlagen, mit Stromschlägen gefoltert wurden, um preiszugeben, wo ihr Vermögen war oder wer es für sie aufbewahrte. Es gab Überlebende, die das Geschehene aufgeschrieben haben, sogar einige wenige Überlebende aus Auschwitz. Ich möchte noch zwei weitere Namen nennen — Otto Adler und Oliver Lustig. Letzterer hat Dokumente veröffentlicht, die in zwei Büchern enthalten sind. So haben wir detaillierte Informationen über die Grausamkeiten, die in diesen Ghettos geschehen sind.“

  • Zur Geschichte der jiddischsprachigen Kultur in Rumänien

    Zur Geschichte der jiddischsprachigen Kultur in Rumänien

    Es ist oder war die Sprache und Kultur der mittel- und osteuropäischen Juden des Habsburgerreichs und des zaristischen Russlands, des Territoriums der baltischen Staaten und sogar der meisten Juden Rumäniens. Die jiddische Sprache ist in Rumänien wegen der massiven Auswanderungen seit 1950 fast verschwunden. In Rumänien lebten nach den Volkszählungsdaten von 1930 etwa 800.000 Juden, und die Hälfte von ihnen sprach die jiddische Sprache flie‎ßend.



    Das Studium der jiddischen Sprache begann im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts vor allem bei den jüdischen Eliten des deutschsprachigen Raumes. Die jiddische Sprache ist von allen europäischen Kulturen beeinflusst worden, in deren Mitte europäische Juden gelebt haben, und so hat die jiddische Kultur eine Mischung aus Judentum und den Kulturformen der jeweiligen Epoche dargestellt. Die jiddische Kultur war sowohl national als auch transnational, typisch für das jüdische Volk, das auch Elemente der anderen ethnischen Gruppen integrierte. Die Liste derer, die die jiddische Sprache und Kultur erschaffen und gestaltet haben, ist beeindruckend. Unter den in Rumänien bekanntesten Schriftstellern gehören Schalom Alechem (auch Scholem Alejchem geschrieben), der dem rumänischen Publikum durch Übersetzungen bekannt ist, und Itzik Manger, der vielleicht wichtigste Jiddisch schreibende Romancier aus dem rumänischen Raum. Darüber hinaus wird seit 2018 am 30. Mai der Internationale Tag der jiddischen Sprache und Kultur gefeiert, da der 30. Mai das Geburtsdatum von Itzik Manger ist.



    Camelia Crăciun unterrichtet jüdische Kultur an der Fakultät für Fremdsprachen und Literatur der Universität Bukarest und berichtet uns über die faszinierende Welt der jiddischen Kultur:



    Die jiddische Sprache gehört zur aschkenasischen Gemeinschaft, d.h. zur jüdischen Gemeinschaft Osteuropas. Diese Sprache wurde mehr als ein Jahrtausend lang in ganz Osteuropa gesprochen, von der Ostsee bis zur Donau, wobei der Fluss als Grenze dieser Kultur betrachtet wurde, da weiter südlich die Ladino-Kultur der sephardischen Juden dominierte. In Rumänien sprach die Mehrheit der jüdischen Bevölkerung bis ins 20. Jahrhundert die jiddische Sprache, die sich auf das Deutsche bezog, sich aber von der deutschen Sprache unterschied, hebräische Schriftzeichen verwendete und gleichzeitig eine wichtige germanische Komponente aus grammatikalischer und lexikalischer Sicht hatte. Einflüsse osteuropäischer Sprachen und Kulturen wie Polnisch, Russisch, Ukrainisch, Aramäisch und biblisches Hebräisch werden ebenfalls festgestellt. Die jiddische Sprache ist sehr flexibel und hat sich sehr gut an die sozialen und historischen Gegebenheiten des Gebiets angepasst, in dem sie gesprochen wurde, was ihre au‎ßergewöhnliche sprachliche Vielfalt erklärt.“




    In Rumänien war die jiddische Kultur sehr aktiv. Es gab Schulen, Theater, Presse, politische Texte auf Jiddisch, all das sind Beweise einer lebendigen Sprache. Hochschullehrerin Camelia Crăciun berichtet weiter:



    Eines meiner Forschungsgebiete ist die Geschichte des jiddischen Theaters, das praktisch im rumänischen Raum geboren wurde. Von allen Gebieten, in denen die jiddische Sprache gesprochen wurde, war es 1876 gerade die rumänische Stadt Iaşi, die den besten Rahmen bot, damit dieses kulturelle Phänomen geboren und dann in die Vereinigten Staaten verbreitet werden konnte. Der Schöpfer dieses Phänomens war Abraham Goldfaden, ein russischer Jude, der am Vorabend des Unabhängigkeitskrieges nach Iaşi kam und als Vater des jiddischen Theaters gilt. Eine weitere Persönlichkeit war Itzik Manger, Autor eines berühmten Romans, der nur scheinbar Kindern gewidmet ist, der in einer spielerischen Tonart geschrieben wurde, für alle Altersgruppen zugänglich ist und den Titel »Das Buch des Paradieses« trägt. Menger war auch ein Dichter und seine Gedichte wurden in viele Sprachen übersetzt. Auch der Fabeldichter Elieser Steinbarg, der Dichter Jacob Groper und der gro‎ße Theaterregisseur Jacob Sternberg lebten und schufen in Rumänien. Von allen bisher recherchierten Dokumenten wurde keine jiddische Autorin gefunden. Nina Cassian zum Beispiel hat aus dem Jiddischen ins Rumänische übersetzt, aber sie hat nicht auf Jiddisch geschrieben und gilt als Dichterin der rumänischen Sprache.“




    In der jüdischen Presse schrieben Intellektuelle in jiddischer Sprache nicht nur über und für ihre eigene Gemeinschaft, sondern auch über eine breitere Gemeinschaft im Ausland. Camelia Crăciun hat wieder die Details.



    Die jiddischsprachige Presse wurde weniger studiert, obwohl sie angesichts des gro‎ßen Teils der Bevölkerung, der Jiddisch sprach, besonders im 19. und frühen 20. Jahrhundert, für Wissenschaftler besonders interessant wäre. In Iaşi zum Beispiel, wo die Hälfte der Bevölkerung jüdischer Herkunft war und die Mehrheit Jiddisch sprach, gab es ein wichtiges jüdisches Pressezentrum. Die ersten jiddischen Publikationen erschienen in Iaşi um 1850. Es war eine sehr dynamische Presse, die aus wirtschaftlichen Gründen stark schwankte. Es entstanden zahlreiche, nicht langlebige Publikationen, die die soziale, politische und kulturelle Realität der damaligen Zeit widerspiegelten. In der Zwischenkriegszeit und vor allem nach dem Holocaust nahm die Bedeutung der jiddischsprachigen Presse ab, aber nach 1950 strahlte der nationale Radiosender jiddische Programme aus, und bis vor kurzem gab es Veröffentlichungen auf Jiddisch, auch die Zeitschrift »Realitatea evreiască« (»Jüdische Realität«) des Verbandes der Jüdischen Gemeinden Rumäniens hatte eine Seite auf Jiddisch.“




    Derzeit ist in Rumänien die jiddische Sprache und Kultur vom Aussterben bedroht, aber das reiche Erbe und die Vitalität dieser Sprache werden immer Inspirationsquellen für die heutige Welt sein.

  • 100 Jahre seit der Einbürgerung der Juden in Rumänien

    100 Jahre seit der Einbürgerung der Juden in Rumänien

    Bis 1919 hatten die rumänischen Juden keine Bürgerrechte, da die Verfassung von 1866 im berüchtigten Artikel 7 vorsah, dass nur die christlich-orthodoxen Religionsangehörigen rumänische Staatsbürger sein konnten. Viele Juden leisteten jedoch ihren Beitrag zur rumänischen Wirtschaft, Kultur und Kunst, und viele kämpften in der rumänischen Armee im Unabhängigkeitskrieg von 1877–1878 und in den Jahren des Ersten Weltkrieges.



    1919, am Ende des Ersten Weltkrieges, erhielten die Juden des alten Königreichs Rumänien das Recht, Bürger Gro‎ßrumäniens zu werden. Die internationalen Friedensverträge zwangen Rumänien, die Rechte der nationalen Minderheiten anzuerkennen, die gleichzeitig mit den überwiegend von Rumänen bewohnten Gebieten zum Teil des neuen Staates wurden. Die rumänische Gesetzgebung von 1919 bestätigte blo‎ß eine internationale Realität, nach jahrzehntelangen Anstrengungen jüdischer Organisationen, die Bürgerrechte gefordert hatten.



    100 Jahre nach der Anerkennung der rumänischen Staatsbürgerschaft erzählte die Historikerin Lya Benjamin die Geschichte der rumänischen Bürger, die der mosaischen Religion angehörten. Es ist nicht nur die Geschichte der Juden in Rumänien, sondern von Rumänien selbst vor einem Jahrhundert.



    Die politische Geschichte der Juden im rumänischen Kontext, die Geschichte des Kampfes um den Erwerb politischer Rechte begann 1857, als vor der Vereinigung von 1859 in Rumänien eine Reihe von politischen Ereignissen stattfand. Der Initiator des Kampfes ist Iuliu Barasch, der Verfasser eines Memorandums, das 1857 dem stellvertretenden Regenten Prinz Ghica überreicht wurde. Darin verlangt er eine Reihe von Rechten und sagt: ‚Wir erwarten die Rechtegleichheit, die die meisten unserer Glaubensgenossen in ganz Europa genie‎ßen.‘ Diese neue Forderung wird erst nach dem Ersten Weltkrieg, nach vielem Zögern und mit nicht wenigen Einschränkungen gelöst.“




    Rumänien war vor 1918 eine ländliche Gesellschaft, wie die meisten Mittel- und Osteuropas, weniger urbanisiert und fremdenfeindlich. Der rumänische Antisemitismus schrieb sich jedoch in die allgemeine europäische Haltung ein. Trotz der intensiven Aufklärungskampagnen der Öffentlichkeit und der rumänischen Politiker blieb der rechtliche Status der Juden bis zum Frühjahr 1918 unverändert, als das besiegte Rumänien das Bukarester Abkommen unterzeichnete. Die Historikerin Lya Benjamin erläutert die Umstände:



    Die Unterzeichnung des Friedensabkommens in Bukarest am 24. April 1918 stellt einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg dar, der schlie‎ßlich zur Anerkennung der bürgerlichen und politischen Rechte der Juden in Rumänien führte. Die deutsche Seite forderte, dass dieses Friedensabkommen unter anderem einen Sonderartikel zur Gewährung von Minderheitenrechten und einen Artikel, Artikel 28, enthält, der speziell die Juden betrifft. In dem Artikel hei‎ßt es, dass die Glaubensunterschiede keinen Einfluss auf den Zivilstand und insbesondere auf die politischen Rechte haben kann. In diesem Abkommen ist auch das Dekret vorgesehen, wodurch all diejenigen, die keine ‚Untertanen einer fremden Macht‘ waren, die an den Kriegen Rumäniens teilgenommen hatten, in diesem Land von hier geborenen Eltern geboren wurden, hier eingebürgert werden und gleiche Rechte wie die Rumänen erhalten.“




    Der erste Schritt wurde daher kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges unternommen. Die von dem konservativen Premierminister Alexandru Marghiloman geführte Regierung versuchte, die Bestimmungen des Friedensabkommens umzusetzen, aber die Opposition war stark. Historikerin Lya Benjamin mit Einzelheiten:



    Diese Bestimmung des Friedensabkommens zwischen Rumänien und Deutschland sei nach einigen Annahmen auf Vorschlag der jüdischen Gemeinde in Deutschland zustande gekommen. Im Sinne der Bestimmungen dieses Abkommens wurde im Sommer 1918 das sogenannte Marghiloman-Gesetz verabschiedet, das eine Reihe von Ma‎ßnahmen im Zusammenhang mit der Einbürgerung der Juden vorsah. Die Bestimmungen sind jedoch ziemlich restriktiv und ziemlich kompliziert. Die Union der Einheimischen Juden protestiert am 25. Juli 1918 im Parlament und erklärt, das Gesetz versto‎ße gegen den Geist des Friedensvertrages. Die Fassung des Gesetzes wurde als zu vage betrachtet, denn das Wort ‚Jude‘ war nicht enthalten. Zahlreiche Unterlagen mit den Zeugnissen der Antragsteller und ihrer Eltern mussten vorgelegt werden. Der Präsident der Union der Einheimischen Juden, Wilhelm Filderman, und die Union der Einheimischen Juden hielten das Gesetz für unrealistisch und unwirksam.“




    Der Herbst 1918 brachte gro‎ße Veränderungen im Leben Rumäniens mit sich, das aus dem besiegten Land ein Siegerland wurde. Alexandru Marghiloman, der als Verräter angesehen wurde, trat im November 1918 zurück und wurde durch seinen Rivalen, den Liberalen Ionel Brătianu ersetzt. Das Gesetz von Marghiloman teilte das Schicksal desjenigen, der dieses entworfen hatte. Aber auch das von Brătianu entworfene Gesetz war den Juden gegenüber nicht freundlicher gesinnt, denn diesen wurden viele Formalitäten abverlangt, um die rumänische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Es war eine völlig absurde Situation: Die Juden in Bessarabien, dem Banat, der Bukowina und Siebenbürgen erhielten automatisch die rumänische Staatsbürgerschaft, blo‎ß nicht die 270.000 vollständig rumänisierten Juden aus dem Altreich. Jüdische Organisationen forderten, dass die Juden im alten Königreich Rumänien die Staatsbürgerschaft einfach anhand einer eigenverantwortlichen Erklärung erhalten sollten, dass sie in Rumänien geboren wurden und keine andere Staatsangehörigkeit mehr besa‎ßen. Schlie‎ßlich griff Ionel Brătianu ein. Historikerin Lya Benjamin dazu:



    Unter dem Druck dieser Proteste übermittelt Brătianu, der im Frühjahr 1919 noch im Ausland lebte, den Text eines neuen Einbürgerungsgesetzes, das nach Ansicht von Filderman in allgemeiner Orientierung seiner Option entsprach, wie er in seinem Tagebuch schrieb. Warum? Weil es das erste Gesetz war, das aufgrund einer Erklärung des Antragstellers tatsächlich eine Einbürgerung vorsah. Das Gesetz erscheint im Amtsblatt vom 28. Mai 1919.“




    Dieses Gesetz garantierte jedoch nicht das Schicksal der Juden. 1938 wurde das Gesetz zur Überprüfung der rumänischen Staatsbürgerschaft erlassen, das insbesondere die Juden traf, ein Gesetz, das den Weg in den Holocaust ebnete.

  • Doku-Filmfestival „One World Romania“ zeigt Ruth-Beckermann-Retrospektive

    Doku-Filmfestival „One World Romania“ zeigt Ruth-Beckermann-Retrospektive

    Ausgewählt wurden diesmal Filme, die sich mit Totalitarismus, Postkommunismus und Übergang zur Demokratie befassen. Der gro‎ßen österreichischen Dokumentarfilm-Regisseurin Ruth Beckermann, deren Filme sich mit der Zeit des Nationalsozialismus bzw. der verdrängten Erinnerung an diese auseinandersetzen, widmete die diesjährige Ausgabe des Festivals eine Retrospektive.



    Mit Unterstützung des österreichischen Kulturforums nahm die Regisseurin vom 16. bis zum 19. März an dem diesjährigen Internationalen Dokumentarfilmfestival One World Romania“ in Bukarest teil. Im Rahmen der Retrospektive wurden ihre Filme Waldheims Walzer“ (2018), Jenseits des Krieges“ (1996), Homemad(e)“ (2001) und Die Papierene Brücke“ (1987) vorgeführt.



    Irina Adamescu sprach mit Ruth Beckermann über ihre Filme, ihre persönlichen Erfahrungen und über Antisemitismus.




    Audiobeitrag hören:



  • Massaker in Galatz 1940: Hasserfülltes Klima und Verwirrung

    Massaker in Galatz 1940: Hasserfülltes Klima und Verwirrung

    Im Sommer 1940 begann der Zerfall Gro‎ß-Rumäniens mit zwei Ultimatums-Notizen der sowjetischen an die rumänische Regierung. Die Sowjetunion forderte darin die Abtretung Bessarabiens, das Moskau als sein eigenes, von Rumänien 1918 besetztes Gebiet betrachtete. Als sogenannte Entschädigung“ wurde ferner der nördliche Teil der Bukowina in die Forderung eingeschlossen. Vor dem Hintergrund der territorialen Spannungen kam es in der Donau-Stadt Galatz zu einem Massaker.



    Die sowjetischen Forderungen von 1940 waren absurd, weil Bessarabien im Zuge der bolschewistischen Revolution von seinem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch gemacht hatte — gemä‎ß dem Wunsch der auf dem Gebiet lebenden Rumänen hatte sich die Provinz mit Rumänien vereinigt. Die relativ kurze Ultimatumsfrist von zwei Tagen, die die Sowjets für den Rückzug der rumänischen Militär- und Zivilbehörden aus Bessarabien festgelegt hatten, führte zu allgemeinen Spannungen und Verwirrung in der rumänischen Bevölkerung. Einer der negativen Höhepunkte war das Massaker an einer Gruppe von Bewohnern der Stadt Galatz, von denen viele jüdischer Herkunft waren. Historiker betrachten diese Episode als weiteren Ausdruck des hass- und gewaltgefüllten Klimas im Europa Ende der 1930er Jahre.



    Adrian Cioflâncă ist der Leiter des Zentrums für das Studium der Geschichte der rumänischen Juden. Er erklärt das Massaker an den Juden in Galatz am 30. Juni 1940 mit dem allgemeinen Klima nach den Gebietsverlusten in Bessarabien und der Nordbukowina.



    Die Abtretung der Gebiete 1940 war eine Folge des Hitler-Stalin-Paktes, und es ist interessant, dass auf die beiden Ultimaten der Sowjets eine interessante Episode folgt, die auch während des Dorohoi-Pogroms eine Rolle spielt. Dieses Pogrom fand einen Tag nach dem Massaker in Galatz und auch während des Massakers in Galatz statt. Der rumänische bevollmächtigte Gesandte in Moskau, Gheorghe Davidescu, wollte die Karte mit den Grenzen der von den Sowjets beanspruchten Gebiete nicht annehmen. Diese Verweigerung führte vor allem in Nord-Rumänien zu Verwirrung, weil die Behörden in Dorohoi nicht wussten, ob die Sowjets vor der Stadt anhalten oder in die Stadt vordringen würden. Die Panik trug zu den Spannungen bei, die zum Pogrom vom 1. Juli führten. In Galatz, wie wir den Geheimdienstberichten entnehmen können, bestand in ähnlicher Weise die Überzeugung, dass die Stadt von den Sowjets besetzt werden sollte, das Gerücht war von den bessarabischen Flüchtlingen von Mund zu Mund übertragen worden. Diese Panik ist entstanden, weil man nicht von Beginn an die Grenzen mitgeteilt hat, vor denen die Sowjets Halt machen wollten.“




    Die Berichte des Innenministeriums schildern die chaotischen Zustände während des Rückzugs, der mit Plünderungen, aus fahrenden Zügen geworfenen Juden und Massenhinrichtungen einherging. Aber die Archive erwähnen auch die Demütigungen, denen die rumänische Armee während des Rückzugs ausgesetzt war, mit degradierten Offizieren, angespuckten und geschlagenen Militärs, wobei einige der Soldaten sogar getötet wurden. Vor diesem Hintergrund gab es in den Medien lediglich eine sachlich-trockene Berichterstattung über das Massaker von Galaţi. Darin war die Rede von einem vermeintlichen Übergriff der Kommunisten in der Nähe des Bahnhofs, wodurch die militärische Intervention gerechtfertigt gewesen sei.



    Abgesehen von dem antisemitischen Klima der Zeit zählt der Historiker Adrian Cioflânca auch eine andere Ursache des Massakers von Galatz. Die infolge der schnellen Bewegungen der sowjetischen Armee entstandene Panik und das hasserfüllten Verhalten einiger Einheimischer habe auch eine Rolle gespielt.



    Der zweite Grund, der die Panik vor Ort erklärt, war, dass die Sowjets schneller vorrückten, als sie im militärischen Offensivplan für die nördliche Bukowina und Bessarabien angekündigt hatten. Die rumänischen Truppen, die sehr schlecht mechanisiert waren, benutzten überwiegend Wagen und Pferde oder gingen zu Fu‎ß und wurden deshalb von mechanisierten sowjetischen Einheiten oder von Fallschirmspringern eingeholt. Bereits am 29. Juni hatten die Sowjets die südbessarabischen Städtchen Reni und Bolhrad überfallartig besetzt, während sich die rumänischen Truppen noch in den zentralen Gebieten von Bessarabien befanden. Dies führte zusätzlich zu Panik bei den Flüchtlingen, da am Bahnhof von Bolhrad der gesamte Konvoi mit Flüchtlingen, mindestens 4 Züge, eingeholt wurde. Im Hafen von Reni waren zudem mehrere Schiffe von den Sowjets abgefangen worden. Die Einheimischen haben beim Anblick der neu installierten Machthaber Mut gefasst, einige übten sich in Raubüberfällen oder in der Kritik der rumänischen Behörden. Die Sowjets stoppten die Züge, was eine noch grö‎ßere Panik auslöste. Alle Ängste, Gerüchte, Fehlinformationen, die durch Mundpropaganda übertragen wurden, kommen nach Galatz und führen zu einem Anstieg der Spannungen.“




    Unter diesen Voraussetzungen gab es in der Stadt Galatz eine Bewegung sich kreuzender Menschenströme, die den Pruth in entgegengesetzte Richtungen überqueren wollten, Flüchtlinge aus Bessarabien gingen nach Rumänien, während andere nach Bessarabien gelangen wollten, das von den Sowjets besetzt war. Im Bahnhofsbereich sammelten sich Flüchtlingsströme, und den örtlichen Behörden gelang es, rechtzeitig einen Grenzübergang einzurichten.



    Nachdem dieser Grenzübergang eingerichtet worden war, beschlossen die Behörden, denjenigen, die Rumänien verlassen wollten, Zollgebühren abzuverlangen. Auf einem brach liegenden Grundstück wurde eine Art Sammellager eingerichtet für diejenigen, die unter Bewachung eines Marineregiments in die UdSSR gehen wollten. Nach einem spontanen Konflikt zwischen einer Familie und einem Seemann feuerte der letztere einen Warnschuss ab, und der Lagerwächter befand, dass aus dem Lager auf ihn geschossen wird. Hierauf wird der Befehl erteilt, das Feuer auf die Lagerinsassen zu eröffnen, und die Folge ist, laut den unterschiedlichen Berichten, die Tötung von einigen Dutzend bis 400 Menschen, unter denen viele Juden waren.



    Historiker scheinen sich über die Ursachen einig zu sein: Das Massaker in Galatz war die tragische Folge der Kombination eines hasserfüllten Klimas, Gerüchten und spontanen Ereignissen. Es bedeutete für alle Beteiligten das Ende der Menschlichkeit.

  • Rumänische Juden im Ersten Weltkrieg: Blutzoll beschleunigte Einbürgerung

    Rumänische Juden im Ersten Weltkrieg: Blutzoll beschleunigte Einbürgerung

    Die Minderheiten in Rumänien vor 1918 beteiligten sich auch an der Gründung Gro‎ß-Rumäniens, und eine dieser Minderheiten waren die Juden. Obwohl sie so gut wie keine Rechte genossen, schlossen sich viele der Front an, nahmen als Sanitäter an der Front teil oder halfen in Wohltätigkeitsorganisationen, die Belastung des Kriegs zu mildern. Am Ende des Konflikts erhielten sie die rumänische Staatsbürgerschaft und erlangten damit auch sämtliche Rechte in einem demokratischen Staat.



    Die Geschichte der jüdischen Beteiligung an den gro‎ßen Momenten der modernen rumänischen Geschichte beginnt mit dem Unabhängigkeitskrieg von 1877–1878. In diesem Krieg waren die Juden Soldaten und Offiziere, Ärzte und Sanitäter, an der Front und hinter den Frontlinien, in Krankenhäusern und überall, wo es nötig war, um verletzte Patienten zu behandeln. Bei der Erstürmung der Griviţa-Festung, die von der Einheit des Kapitäns und Helden Valter Mărăcineanu durchgeführt wurde, fiel mit ihm und den anderen Helden der Jude Mauritius Brociner. Der Historiker Marius Popescu vom Zentrum für die Geschichte der rumänischen Juden sagt, Brociners Aufopferung sei kein Einzelfall gewesen. Während des Zweiten Balkankrieges von 1913 kämpften in der rumänischen Armee jüdische Soldaten wie Kapitän Armin Iaslovici, Leutnant im Krieg von 1877–1878 und Major im Jahr 1916 zu Beginn des Ersten Weltkrieges. Marius Popescu sagt, dass die Beteiligung der rumänischen Juden am ersten Weltkonflikt mit jener anderer jüdischer Minderheiten in europäischen Ländern verhältnismä‎ßig vergleichbar sei.



    Im Alten Königreich zählte die jüdische Bevölkerung rund 230.000 Seelen, von denen die zur Armee berufenen Juden 23.000 waren, das sind genau 10% der gesamten jüdischen Bevölkerung. Es ist eine ähnliche Zahl wie die in anderen Ländern, die jüdische Minderheiten hatten, in denen ungefähr der gleiche Anteil von Juden zum Krieg beigetragen hat. Von den gesamten Juden, die am Krieg teilgenommen haben, sind 882 gefallen, 825 wurden verletzt, 449 wurden gefangen genommen und 3043 galten als vermisst. Es war also ein ziemlich gro‎ßer Einsatz.“




    Aber auch jüdische Zivilisten schrieben ehrwürdige Seiten des Heldentums im Krieg. Das war der Fall im von deutschen Truppen besetzten Rumänien Ende 1916, berichtet Marius Popescu.



    Als Fallstudie möchte ich an einen Helden erinnern, er wurde post mortem dekoriert, ein gewisser Herman Kornhauser. Er kam aus Târgovişte und im Dezember 1916 kaufte er Essen und Zivilkleidung und half damit den Rumänen, bei nach Gefangennahme durch Deutsche in deutschen Lagern inhaftiert waren. Er begünstigte sogar die Flucht von Gefangenen aus diesen Lagern, wurde aber von den deutschen Besatzungsbehörden gefasst, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Er wurde post mortem mit dem Verdienstorden der militärischen Tugend des Krieges 2. Klasse dekoriert. Es war keineswegs eine einzigartige Tat — wie Kornhauser erbrachten viele andere Heldentaten und bewiesen Tapferkeit.“




    Die jüdischen Gemeinschaften waren seit 1916 vollständig an den Kriegsanstrengungen Rumäniens beteiligt. Die Bemühungen nahmen 1917 zu, als die Regierung in die Moldau geflohen war und die rumänische und die russische Armee sich den Mittelmächten auf der Karpaten- und der Sereth-Linie widersetzten. Marius Popescu berichtet:



    Ein anderer Aspekt, der nicht nur mit dem Beitrag der Juden zu den effektiven Kriegseinsätzen zusammenhängt, ist die Leistung der jüdischen Gemeinden hinter der Front, die die Kriegsanstrengungen des Landes nachdrücklich unterstützt haben. Es war also nicht nur der Kampf mit der Waffe in der Hand, sondern auch der materielle Beitrag. Während des Krieges wurde ein Hilfskomitee der sog. »Union der Bodenständigen Juden« [darunter verstand man Juden, die seit Generationen im rumänischen Altreich einheimisch waren und die Erlangung der Staatsbürgerschaft anstrebten — Anm. d. Red.] gegründet, das im ganzen Land Vertretungen hatte. Ziel war es, Güter und Geld für Kriegszwecke zu sammeln. Dieser Ausschuss arbeitet mit anderen Institutionen wie dem Roten Kreuz, der Familie der Kämpfer, dem Königin-Maria-Krankenhaus-Netzwerk und so weiter zusammen. Das Engagement seitens der jüdischen Gemeinden war total. Die Synagogen, jüdische Schulen, die ganze Kette typischer Gemeinschaftsinstitutionen wurden der rumänischen Armee zur Verfügung gestellt. Das Wichtigste dabei ist, dass die Juden während des Krieges keine rumänischen Staatsbürger waren. Diese Leute haben die Waffe in die Hand genommen und haben gekämpft, sie waren aber zu dem Zeitpunkt keine Staatsbürger.“




    Doch der abgeschlossene Frieden bedeutete nicht, dass die Probleme überwunden waren. Marius Popescu zeigt, wie einige Juden in den Wiederaufbau involviert waren.



    Grö‎ßere Geldbeträge haben einzelne Wohltäter gespendet. Ein sehr wohlhabender jüdischer Handwerker aus dem Kreis Botoşani, Frederic Costiner, schüttete beispielsweise 20.000 Lei in einen Fonds ein, um Land für die Nachkommen von Dorfbewohnern zu kaufen, die im Kampf gefallen waren. Der Mensch war ein regionaler Philanthrop und dadurch zeigte er den Opfern des Krieges seine Nächstenliebe und Dankbarkeit. Bis zur Verteilung von Grundstücken an die Bauern nach der Verfassung von 1923 wurden solche Wohltätigkeiten von Privatpersonen — darunter auch viele Juden — vollbracht.“




    Die Anerkennung der jüdischen Loyalität durch den rumänischen Staat sei durch die Stimme des Königs Ferdinand I. bestätigt worden:



    Am Ende des Krieges haben wir eine ziemlich wichtige öffentliche Stellungnahme von König Ferdinand. Er sagte: »Ich bin vor langer Zeit zu einer Überzeugung gekommen und freue mich, dass ich mich darin nicht getäuscht habe. Dass alle Einwohner des rumänischen Landes, unabhängig von Rasse und Herkunft, von denselben höheren Gefühlen der Brüderlichkeit beseelt sind.« Diese Aussage kam als Anerkennung der Verdienste all derer angesehen werden, die am Krieg teilgenommen hatten und damit zur Schaffung Gro‎ß-Rumäniens beigetragen haben.“




    Und der letzte Ausdruck der Dankbarkeit kam durch die Aufhebung von Artikel 7 der Verfassung von 1866, der die rumänische Staatsbürgerschaft nur Menschen christlicher Glaubensbekenntnisse zuerkannte. Die Verfassung von Gro‎ß-Rumänien im Jahr 1923 gewährte all ihren Bürgern die gleichen Rechte, unabhängig von ihrer Religion.

  • Ausgebürgert und entrechtet: Rumänische Juden im Visier von Rassengesetzen

    Ausgebürgert und entrechtet: Rumänische Juden im Visier von Rassengesetzen

    Die Krise der Demokratie im Jahr 1938 brachte in Rumänien ein autoritäres Regime auf die Bühne, das nach deutscher Vorlage Rassengesetze gegen die jüdische Bevölkerung erlie‎ß. Juden wurden aus dem öffentlichen Dienst entfernt, sie durften in mehreren Berufen nicht mehr arbeiten, ihr Besitz wurde zum Teil enteignet. Die jüdische Historikerin Lya Beniamin hat die Auswirkungen der damaligen Gesetze in den 1940er Jahren miterlebt.




    Die neue Rechtslage erschien noch vor der Machtübernahme durch das Regime von Antonescu, und zwar im August 1940 unter der Regierung von Ion Gigurtu, unter der Bezeichnung »Rechtlicher Status der Juden in Rumänien«. Und schon 1938 verabschiedete die Regierung Goga das Gesetz zur Umstellung der Staatsbürgerschaft, das ab 1939 umgesetzt wurde. Rund 200 Tausend Juden wurde die rumänische Staatsangehörigkeit aberkannt, sie verloren so Ansprüche wie das Arbeits- oder Besitzrecht. Doch das Gesetz zum rechtlichen Status der Juden enthielt auch Definitionen zur Rasse selbst — es war die Vorschrift, die besagte, wer zu den Juden gehört und auf wen das Gesetz Anwendung findet. Und es ist die Grundlage der Rassengesetze, die später unter Antonescu erlassen wurden“, sagt die Zeitzeugin und Historikerin Lya Beniamin.




    Das Blut wurde zur Metapher und zum obersten wissenschaftlichen Kriterium. Die sogenannte Biopolitik zog sich als Leitmodell durch die gesamte Rechtsprechung der damaligen Zeit. Laut Lya Beniamin wurde die Volkszugehörigkeit unter der Regierung von Marschall Ion Antonescu aufgrund von ge- und vererbten genetischen Merkmalen bestimmt: Jedes unter Antonescu verabschiedete Gesetz hat einen solchen einführenden Teil, in dem die Eigenschaft als Jude definiert wird. Dabei war das Blutkriterium ausschlaggebend. Bei den Juden wird die Eigenschaft über die Mutter vererbt, doch für die Rassengesetze zählten sowohl der Vater als auch die Mutter. Die Blutstruktur der Männer galt als stärker als die der Frauen — gute oder schlechte Merkmale wurden besser vom Vater als von der Mutter übertragen. Sofort nach dem »Rechtlichen Status der Juden« vom 8. August 1940 erschien auch das Gesetz zum Verbot der Mischehen unter strenger Bestrafung. Das Standesamt durfte keine Ehen zwischen Rumänen und Juden abschlie‎ßen. Das Gesetz galt zwar nicht rückwirkend, aber in einigen Fällen trennten sich die Menschen, um dem jeweils anderen keine Schwierigkeiten zu bereiten.“




    Die neuen Gesetze regelten auch die rechtliche Lage der Kinder aus Mischehen, erklärt Lya Beniamin weiter. Das hat mit der Definition der Juden zu tun — war der Vater Jude, galt das Kind als Jude, auch wenn der Mann sich von seiner christlichen oder rumänischen Ehefrau getrennt hatte. Ich bin auf eine Beschwerde christlicher Mütter in Bukarest gesto‎ßen, in der sie protestierten, dass ihre Kinder aus dem Unterricht entfernt wurden, weil sie als jüdische Kinder galten.“




    Dieses Thema ist der Historikerin besonders nahe — denn als Kind wurde ihr aufgrund der neuen Rassengesetze verboten, zur Schule zu gehen, erinnert sie sich: Der erste Schock kam 1940, als ein einschlägiges Gesetz zum Rauswurf der Kinder von der Schule verabschiedet wurde. Meine Familie lebte damals in der Stadt Târnăveni. Ich war in der dritten Klasse und liebte es, in die Schule zu gehen, ich stand sogar um 6 Uhr früh auf, um ja nicht zu spät zu kommen. Der Direktor der Schule, an der ich zusammen mit anderen jüdischen Kindern lernte, wurde beauftragt, am nächsten Tag das Gesetz zu verkünden, dem zufolge jüdischen Kindern der Schulbesuch untersagt wurde. Der Direktor war ein anständiger Mensch und ging am Abend zum Rabbiner in unserer Kleinstadt. Er überzeugte ihn, zu den jüdischen Familien zu gehen und den Leuten zu sagen, die Kinder nicht mehr in die Schule zu schicken. Er wollte nicht, dass die Kinder der erniedrigenden Situation ausgesetzt sind, vor allen anderen nach Hause geschickt zu werden. Als meine Mutter mir dann um sechs Uhr Bescheid sagte, war ich schockiert“, erzählt Lya Beniamin. Die Rassengesetze wurden im Dezember 1944 au‎ßer Kraft gesetzt, wenige Monate, nachdem Rumänien im Krieg die Seiten gewechselt hatte. Beamte, die aufgrund der Gesetz aus dem Dienst entfernt worden waren, konnten beispielsweise jetzt Anträge auf Wiederaufnahme in den öffentlichen Dienst stellen.

  • Nachrichten 29.10.2017

    Nachrichten 29.10.2017

    In den Gebirgsregionen Rumäniens gilt bis Montag abend eine Wetterwarnung Stufe Orange wegen Schneefälle und Schneeverwehungen. Ferner gilt in ganz Rumänien eine Wetterwarnung Stufe Gelb wegen Regen, Schneeregen und starken Wind. In allen Regionen des Landes weht ein starker Wind, mit Geschwindigkeiten zw 55 und 70 Km/h, vereinzelt sogar mit 75 bis 85 Km/h. Im Gebrige kann der Wind Geschwindigkeiten von 90 bis 100 Km/h erreichen. Die THT liegen zw 5 und 16 Grad C.



    Radio Rumänien International startet am Sonntag, den 29. Oktober 2017, eine Experimentalsendung in hebräischer Sprache, die sich an die aus Rumänien abstämmigen Juden und deren Nachkommen in Israel richtet. Die Sendung wird jeden Sonntag vom 19 Uhr bis 20 Uhr (rumänische Zeit) auf Kurzwelle und im Internet ausgestrahlt. Die Internetnutzer finden Beiträge in hebräischer Sprache auf der RRI-Internetseite, auf den RRI- Android- und RRI-iOS-Apps, auf dem RRI-Facebookprofil auf Hebräisch, sowie auf Twitter und SoundCloud. Radio Rumänien International hat eine lange Erfahrung mit Sendungen für die Hunderttausenden Juden, die aus Rumänien abstammen — seit 1990 strahlt RRI für die jüdischen Hörer eine Sendung in rumänischer Sprache aus. Die Nachkommen der rumänischen Juden, die in Israel leben, befinden sich schon bei dritten Generation und sprechen vorwiegend Hebräisch. Daher versucht Radio Rumänien International, die Verbindung der jüngeren Generationen mit dem Heimatland ihrer Eltern und Gro‎ßeltern durch eine Sendung in hebräischer Sprache aufrechtzuerhalten.



    Die abgesetzte Regionalregierung Kataloniens samt Präsident Carles Puigdemont erkennen ihre Entmachtung nicht an. Puigdemont hatte zuvor die Katalanen zum “demokratischen Widerstand” gegen die Zwangsverwaltung durch die Zentralregierung in Madrid aufgerufen. In Umfragen bröckelt jedoch die Basis für die Separatisten. Demnach verlieren die Unabhängigkeitsbefürworter ihre Mehrheit, die Gegner einer Loslösung von Spanien liegen vorn. Ministerpräsident Mariano Rajoy hat für seine Katalonien-Politik die oppositionelle Sozialistische Partei, die liberale Ciudadanos-Partei, die die Opposition im katalanischen Regionalparlament anführt und auch die Europäische Union und viele EU-Staats- und Regierungschefs hinter sich. “Niemand wird Katalonien jemals als unabhängiges Land anerkennen. Das Referendum war illegal. Die Rechtsordnung muss wieder hergestellt werden”, bekräftigte der Präsident des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani, die Position der EU. Eine EU-Vermittlung zwischen Spanien und Katalonien lehnte er erneut ab. Rumänien unterstützt mit Entschlossenheit die Souveränität und die territoriale Integrität Spaniens und erklärt sich entschlossen und unwiderruflich gegen die einseitige Unabhängigkeitserklärung Kataloniens, steht in einem Communique des rumänischen Au‎ßenministeriums.



    Die rumänische Tennisspielerin Simona Halep hat am Sonntag in Singapore die Trophäe der Weltnummer 1 in der WTA-Rangliste 2017 bekommen. Die 26-jährige Simona Halep bleibt Weltranglistenerste, obwohl sie schon in den Gruppenspielen gescheitert war. Sie klassierte sich mit nur einem Sieg hinter Wozniacki und der überraschenden Garcia. Im Halbfinal setzte sich die Dänin Wozniacki gegen die Tschechin Karolina Pliskova mit 7:6, 6:3 durch und sorgte dafür, dass die Rumänin Simona Halep das Jahr 2017 als Weltnummer 1 abschliesst. Pliskova war die einzige, die Halep in der Weltrangliste mit dem Turniersieg noch hätte von der Spitze verdrängen können.

  • Nationalitätenverhältnis in Rumänien 1918-38: Pendeln zwischen Toleranz und Konflikten

    Nationalitätenverhältnis in Rumänien 1918-38: Pendeln zwischen Toleranz und Konflikten

    Wer über das Verhältnis der rumänischen Mehrheitsbevölkerung mit den vielen Minderheiten recherchiert, muss die Umstände berücksichtigen, unter denen der Erste Weltkrieg zu Ende gegangen war. Zwischen den beiden Weltkriegen kann man über den Daumen gepeilt von guten Beziehungen sprechen, sagt der Historiker Ioan Scurtu: Bei der Pariser Friedenskonferenz von 1919-1920 ist man vom Nationalprinzip ausgegangen: Die neuen Staaten, die nach dem Zusammenbruch des Habsburger Reiches und des Zarenreiches entstanden, sollten Nationalstaaten sein. Die Wirklichkeit zeigte aber, dass keiner der neuen Staaten ethnisch rein sein konnte“, so Prof. Scurtu.




    Auch Rumänien war keine Ausnahme, doch gab es gewisse Unterschiede im Vergleich zu anderen Ländern wie die Tschechoslowakei, Polen oder Jugoslawien. Zwar gab es in Rumänien historisch bedingt viele Minderheiten — in der Dobrudscha wurden vom Osmanischen Reich zwischen 1417 und 1878 Türken und Tataren kolonisiert; das Russische Reich kolonisierte Bessarabien mit Russen, Juden, Ukrainern, Bulgaren und Gagausen. Siebenbürgen hatte Sachsen und Szekler, in der Bukowina waren es Deutsche, Juden und Ukrainer, im Banat Deutsche, Serben und andere Minderheiten. Dazu kommt, dass Rumänen verfolgte Minderheiten hier aufnahmen, zum Beispiel Juden, die vor Pogromen aus Polen oder Russland flüchteten. Doch bei all diesem Flickmuster hatte keine einzige Minderheit mehr als 10 Prozent, führt Prof. Scurtu aus. Problematisch war dabei das Spannungsfeld zwischen der ungarischen Minderheit und dem neuen rumänischen Staat, meint er:




    Aufgrund des Vertrags von Trianon hatten einige der Siebenbürger Ungarn — sogenannte Entscheider — die ungarische Staatsangehörigkeit angenommen und siedelten nach Ungarn um. Bei einer Bodenerform waren Gro‎ßgrungbeseitzer enteignet worden, das Land ging an die Bauern. Natürlich wurden auch ungarische Besitzer enteignet, die Mehrheit waren aber rumänische Landeigentümer. Boden bekamen gleicherma‎ßen ungarische und rumänische Bauern, aber auch Ukrainer, Russen, Bulgaren und andere. Die Entscheider fühlten sich unberechtigt und klagten gegen die rumänische Regierung beim Völkerbund.“ Doch alles sei Propaganda des ungarischen Staates gewesen, der der Welt zeigen wollte, dass es ein Siebenbürgenproblem geben würde, meint der Historiker. Durch die Haager Konvention von 1932 wurde schlie‎ßlich festgelegt, dass die Entscheider von dem ungarischen Staat entschädigt werden sollten, das Geld kam aus den Kriegsentschädigungen, die Ungarn an Rumänien zu zahlen hatte.




    Neben der ungarischen Minderheit gab es auch mit den Bulgaren einige Probleme, meint der Historiker Ioan Scurtu. Durch den Vertrag von Bukarest von 1913, durch den der Zweite Balkankrieg zu Ende ging, bekam Rumänien die Region Süddobrudscha (Cadrilater), wo ein beträchtlicher Anteil Bulgaren lebte. Doch es gab keine eigentliche Mehrheit — weder Rumänen noch Bulgaren noch Türken stellten eine absolute Mehrheit. Es war einfach ein Patchwork der Ethnien. Bulgarien forderte nicht nur diese Region zurück, sondern die gesamte Dobrudscha und setzte bulgarische Bauern [als Aufständische] ein, die die Gemüter erhitzen sollten.“




    Wie der Historiker erklärt, gab es einen Schulterschluss zwischen ungarischen und bulgarischen Revisionisten, die auf eine Zerschlagung des rumänischen Staates aus waren — was 1940 auch eintrat. Doch die rumänische Verfassung räumte sowohl Ungarn als auch Bulgaren und anderen Minderheiten Rechte und Freiheiten ein — zum Beispiel eine Vertretung im Parlament.




    Die jüdische Minderheit hatte unter dem politischen Klima der Zwischenkriegszeit am meisten zu leiden — Juden wurden nicht selten auch ermordert. Doch Prof. Scurtu glaubt, dass das Verhältnis bis etwa 1935 normal war: Es wird meiner Meinung nach überspitzt dargestellt, dass es Konflikte oder Progrome gegeben hat. Ich akzeptiere das nicht, und auch dokumentarische Belege gibt es keine. Nach 1934-1935, vor dem Hintergrund des Aufschwungs rechtsextremer Bewegungen, vor allem nach Hitlers Machübernahme in 1933, gab es in der Tat auch ein Erstarken der Nationalisten, die unter dem Motto »Rumänien den Rumänen!« agierten. Was dann nach 1940 geschah, kann nicht mehr als natürliche Entwicklung der rumänischen Gesellschaft betrachtet werden. Unter dem Militärregime von Ion Antonescu wurden 1941 Ma‎ßnahmen zur Massenvernichtung der Juden getroffen. Sie sind zu verurteilen, denn Juden aus der Bukowina und Bessarabien wurden ohne Rechtfertigung nach Transnistrien deportiert“, so der Historiker abschlie‎ßend.

  • 135 Jahre seit dem zionistischen Kongress in Focşani

    135 Jahre seit dem zionistischen Kongress in Focşani

    Die Versammlung von Focşani wurde auch unter den Namen Der zionistische Kongress von Focşani“ oder Der gro‎ße Kongress von Focşani“ bekannt. Das Treffen der Anführer der jüdischen Gemeinden präsentierte eine Alternative der jüdischen Minderheit zur zunehmend antisemitischen Politik. Die Alternative war die Auswanderung nach Palästina und die Gründung von Kolonien.



    Der Historiker und Politologe Liviu Rotman von der Nationalen Hochschule für Politische und Administrative Studien in Bukarest zögert, den Begriff zionistisch“ für den Kongress, der vor 135 Jahren stattfand, zu benutzen.



    Den Begriff, den ich vorschlage und für den ich mich einsetze, ist »vorzionistischer Kongress«. Um besser zu verstehen, worum es sich gehandelt hat und warum ich ihn nicht als zionistischen Kongress bezeichnen würde, muss ich sehr kurz den historischen Kontext der Epoche schildern. Es ist das Ende des Jahres 1881, als eine starke antisemitische Welle in Europa, insbesondere in Osteuropa, spürbar wird. Im zaristischen Russland herrscht eine Pogrom-Atmosphäre und in Rumänien wird eine Reihe von Ma‎ßnahmen mit antisemitischem Charakter getroffen. So nimmt die Rückkehr-Bewegung nach »Eretz Israel«, nach Palästina, in den Reihen der Juden zu. Vergessen wir nicht, dass in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts diese Bewegung sich konsolidiert und die Integrationstendenz der Juden in den europäischen Gesellschaften ersetzt. Die Integrationsbewegung startete im 18. Jahrhundert mit Moses Mendelsohn, aber der Misserfolg dieser Bewegung steigerte den Willen, nach Palästina zurück zu kehren. Insbesondere in Osteuropa wird es immer mehr als eine Notlösung angesehen, eine Lösung zur gravierenden Lage der jüdischen Bevölkerung. In Osteuropa, insbesondere im zaristischen Russland, befanden sich die Juden sogar physisch in Gefahr.“




    Die Geburt der Auswanderungs-Bewegung führte zur Gründung von Organisationen und Gesellschaften, die konkrete Pläne für die Ausführung der Idee erstellt haben. Liviu Rotman dazu.



    Es fand eine Reihe von Veranstaltungen statt, es wurden mehrere Organisationen gegründet, auch in Rumänien, insbesondere in der Moldau. Diese setzen sich für die Rückkehr nach Palästina ein und für die Gründung von landwirtschaftlichen Kolonien. Das ist eine Neuheit, denn die landwirtschaftlichen Tätigkeiten waren nicht charakteristisch für die jüdischen Gemeinden. Jüdische Gesellschaften gab es auch im Süden, insbesondere in Bukarest und in Hafenstädten wie Galaţi, Brăila und Turnu Severin. Die meisten gab es natürlich in der Moldau-Region, die stärksten davon in Bârlad und in Moineşti. In diesen jüdischen Ortschaften, in diesen Schtetl suchte man nach Lösungen. Die Integration war nicht gelungen. Die Verfassung von 1866 lehnte die Erteilung der Staatsbürgerschaft der jüdischen Bevölkerung ab. Von einer zionistischen Bewegung können wir aber erst im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, nach dem Kongress in Basel und der Veröffentlichung der Texte von Theodor Herzl sprechen. Der bekannteste davon handelt vom »neuen-alten Staat«. Welcher war aber der Unterschied zwischen ihnen, denn auch die alten Organisationen und auch Herzl hatten dasselbe Ziel. Herzl bringt als erster die politische Lösung, und zwar den Staat. Er bezeichnet ihn als »nationales Heim«. Der Kongress von Focşani, ein gro‎ßer Erfolg der veranstaltenden Organisationen, forderte nur die Auswanderung der Juden nach Palästina und die landwirtschaftliche Arbeit, ohne von einer politischen Struktur zu reden.“




    Laut Historikern war die Beteiligung am Kongress bedeutsam. Die Delegierten vertraten etwa 70.000 Aktivisten, etwa ein Drittel aller rumänischen Juden. Liviu Rotman über den Kongress:



    56 Delegationen aus 29 Ortschaften, die 50 Gesellschaften vertraten, die sich für die Auswanderung nach Palästina einsetzten, haben am Kongress von Focşani teilgenommen. 1882, ein paar Monate nach dem Kongress, wanderten 228 Juden, die meisten aus Moineşti, mit dem Schiff »Tethis« aus. Sie kamen in Palästina an und gründeten zwei Ortschaften, Rosh Pina und Zihron Jakov. Diese gibt es auch heute noch in Israel. Das zeigt, dass es nicht nur eine theoretische Debatte gab, sondern man unternahm auch etwas Konkretes. Der Weg war schwierig, und sie wanderten in ein Land aus, das nicht dem einladenden Israel von heute, mit einer leistungsfähigen Wirtschaft, ähnelt. Es war damals eine Wüste. Die meisten Auswanderer waren arme Leute.“




    Wir haben Liviu Rotman gefragt, welche die politische Orientierung der Kongress-Teilnehmer war.



    Zum Gro‎ßteil waren sie linksorientiert, sie als Sozialisten zu bezeichnen, wäre allerdings übertrieben, obwohl manche wirklich Sozialisten waren. Andere waren liberal, aber generell waren sie links- und mittelinksorientiert. Damals waren sie aber mit der politischen Orientierung der Ortschaften, in denen sie weiter lebten, wenig beschäftigt. Sie wollten weg und die landwirtschaftliche Tätigkeit in Palästina aufnehmen. Und das haben sie auch gemacht.“




    Der gro‎ße Kongress der Juden in Rumänien, der am 30.-31. Dezember 1881 in Focşani stattfand, war eine der ersten öffentlichen Veranstaltungen, die als Ziel die Rückkehr in die einst verlorene Heimat hatten. In der Zionismus-Geschichte gelten die rumänischen Juden als Vorreiter des heutigen israelischen Staates.

  • Rumänien begeht Nationalen Holocaust-Gedenktag

    Rumänien begeht Nationalen Holocaust-Gedenktag

    Elie Wiesel, ein Überlebender des Nazi-Konzentrationslagers und Friedens-Nobelpreisträger wäre er am 30. September 88 Jahre alt geworden. Leider starb er dieses Jahr am 2. Juli in den Vereinigten Staten. Schriftsteller und Journalist rumänischer Abstammung, Essayist und humanistischer Philosoph, Aktivist im Bereich des Menschenrechte kämpfte sein ganzes Leben lang für ein Ideal: niemand soll je vergessen, was im Zweiten Weltkrieg geschah, damit Grausamkeiten wie der Holocaust sich nicht wiederholen sollen. Eine von ihm geleitete internationale Kommission, hat 2004 einen Bericht herausgegeben, in dem Rumänien offiziell seine Teilnahme an dem Holocaust erkannt hat. David Liberman, Vorsitzender der judischen Gemeinschaft in Sighetul Marmaţiei, im Norden Rumäniens, wo Elie Wiesel geboren wurde, sprach über den berühmten Aktivisten:




    Elie Wiesel war ein Vertreter jener, die im Holocaust ihr Leben verloren haben, indem er die Lage in den 40iger Jahren beschrieb. Meiner Meinung nach beginnen sich die Erinnerungen zu löschen und das ist schade, weil die heutige Jugend den Judaismus, das Judentum nicht kennt. In ein paar Jahren wird sie dieses tragische Ereignis des judischen Volkes, das Holocaust heißt, auch nicht mehr kennen.




    2016 ist für Rumänien ein bedeutendes Jahr: 75 Jahre seit der Judenverfolgung im Januar 1941 durch die extrem Rechtsgerichteten in Bukarest, 75 Jahre seit dem Judenpogrom in Jassy im Juni 1941 und seit den Deportierungen im Oktober 1941 in Transnistrien, im Westen der Ukraine, das damals unter rumänischer militärischer Verwaltung war.




    Anlässlich des Nationalen Holocaust-Gedenktages in Rumänien hat das Rumänische Außenministerium den Opfern des Holocaust gedacht und drückte seine Solidarität mit den Überlebenden der tragischen Ereignisse aus. Das Verständnis und der Respekt sind heutzutage sehr bedeutend, weil in zahlreichen Staaten antisemitische Vorfälle stattfinden, so das Rumänische Außenministerium, das seine Entschlossenheit hervorhebt, weiterhin durch die Mittel der Diplomatie, die Gesetze und die Institutionen zu verstärken, um den Antisemitismus, Rassismus, die Xenofobie und die Intoleranz vorzubeugen und zu sanktionieren. Rumänien hat sich in den letzten Jahren angestrengt, für seine Vergangenheit geradezustehen. Die Bildung, die akademische Forschung über den Holocaust sind seine Hauptrichtungen. Rumänien hat im März den Vorsitz der Internationalen Allianz für das Gedächtnis des Holocaust von Ungarn übernommen.

  • Minderheiten: Ausstellung über Wahrnehmung ethnischer Gruppen in der visuellen Kultur

    Minderheiten: Ausstellung über Wahrnehmung ethnischer Gruppen in der visuellen Kultur

    Zwischen dem 20. August und dem 4. Oktober hat die Kulturstiftung PostModernism Museum in Brüssel das Forschungsprojekt Ethnische Minderheiten in der visuellen Kultur — Fokus Rumänien“ ausgestellt. Die Initiative ist im Kontext der aktuellen Frage der Integration der Flüchtlinge entstanden, die Europa beschäftigt. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Tatsache, dass in Rumänien 18 Minderheiten leben, die durch je einen Abgeordneten im Parlament vertreten werden. Das Projekt erinnert an den 100. Jahrestag der Gründung Gro‎ßrumäniens, der am 1. Dezember 2018 gefeiert wird, und bringt Konzepte wie Identität, kulturelle Vielfalt und Staatsangehörigkeit in den Vordergrund. Wir haben den Kurator Cosmin Năsui um Einzelheiten gebeten:



    Unser Interesse als Forscher in diesem Feld lag nicht darin, neue Etiketten zu identifizieren, laut denen ethnische Gruppen eingestuft werden könnten, sondern den multikulturellen Faktor zu identifizieren und den durchaus wichtigen Beitrag der Minderheiten zu unserer jungen Nation zu betonen. Wir wollten dem Publikum bewusst machen, dass die ethnischen Volksgruppen einen entscheidenden Beitrag zur Schaffung der rumänischen Identität geleistet haben. Ganz interessant war für uns, zu erfahren, welche Minderheiten in den letzten 100 Jahren über unser Territorium nach anderen Teilen Europas gezogen sind und welche als sogenannte ‚übernationale‘ ethnische Gruppen eingestuft werden, das hei‎ßt Gruppen, die in ganz Europa leben, so zum Beispiel die Roma und die Juden. Sehr interessant war auch die Frage der Minderheiten, die in unserer Nachbarschaft leben, also der Volksgruppen, die im Kontext der politisch bedingten Schrumpfung und Ausdehnung des Territoriums entstanden, also als Rumänien zu einem gewissen Zeitpunkt in der Geschichte Bevölkerung der Nachbarstaaten eingliederte oder als sich solche Gruppen gro‎ßen Gemeinschaften auf unserem Territorium anschlossen. Ein gutes Beispiel wären die Ungarn und die Deutschen in der südostrumänischen Dobrudscha sowie die Schwaben im westrumänischen Banat. Es handelt sich also um vielfältige Gemeinschaften, die einen äu‎ßerst interessanten Beitrag zur sogenannten visuellen Kultur gebracht haben.“




    Die Ausstellung ist in zwei Abschnitte unterteilt: Die erste wird den alten Minderheiten und ihren Abbildungen in der visuellen Kultur Rumäniens gewidmet, also den Juden, Griechen, Lipowanern, Ungarn, Deutschen, Türken, Tataren, Roma, die zweite den neuen Minderheiten, die nach der Wende nach Rumänien gezogen sind — Chinesen, Engländer, Franzosen, Inder, Libanesen. Cosmin Năsui kommt erneut zu Wort mit Einzelheiten:



    Wir stellen sowohl Originalstücke der Malerei, Graphik, Skulptur und Fotografie als auch Werke der graphischen Datenverarbeitung aus, die letzteren werden verschiedenen Unterthemen gewidmet: Exotik, Diskriminierung, Autonomie, Exil und Kolonisation. Es handelt sich um Bild und Text, die überlappt werden, damit sie leicht verstanden werden, denn wir setzen uns mit einem Thema auseinander, dem wir über 100 Jahre folgen.“




    Die alten“ Minderheiten sind in interessanten Gemälden rumänischer Maler wie Iosif Iser, Nicolae Tonitza, Octav Băncilă, Nicolae Grigorescu und in Bildern und Postkarten abgebildet. Im Fall der Volksgruppen, die nach Rumänien nach der Wende gezogen sind, lässt sich eine andere Situation auszeichnen. Cosmin Năsui erläutert:



    Diese Volksgruppen sind meistens in der visuellen Kultur zu finden, zum grö‎ßten Teil im Bereich der Filmkunst. Die neue rumänische Kinowelle thematisiert oftmals das Leben der ethnischen Volksgruppen. In der Dokumentation »Anul dragonului« (»Das Jahr des Drachen«) setzen sich die Regisseure Adina Popescu und Iulian Manuel Ghervas mit dem Alltag der Chinesen in Rumänien auseinander, Radu Gabrea thematisiert in »Mănuşi roşii« (»Rote Handschuhe«) und »Cocoşul decapitat« (»Der geköpfte Hahn«), einer Verfilmung der gleichnamigen Romane von Eginald Schlattner, das Leben der Siebenbürger Sachsen. Es gibt zudem Spielfilme, Dokumentationen und Doku-Spielfilme wie die Produktion von Alexander Nanau »Toto şi surorile lui« (»Toto und seine Schwestern«), die sich mit der Situation der Roma-Minderheit auseinandersetzt. In Bukarest fanden au‎ßerdem zahlreiche Ausstellungen zum Thema Diskriminierung statt, in Kronstadt und Klausenburg gibt es eine Reihe von Denkmälern, die nach der Anerkennung des Holocausts errichtet wurden. Die ersten visuellen Zeichen, die an die Holocaust-Anerkennung auf rumänischem Territorium erinnern, waren die Schilder, die an die Wände der Bahnhöfe befestigt worden sind, von wo die sogenannten Züge des Todes ihre unheilvolle Reise in die Vernichtungslager antraten.“




    Das Projekt Ethnische Minderheiten in der visuellen Kultur — Fokus Rumänien“ regt zum Nachdenken an, die Kommentare, die das Publikum hinterlässt, werden zum Teil des Ausstellungskatalogs. Die Ausstellung wurde anschlie‎ßend nach Bukarest verlegt, wo sie zwischen dem 9. Oktober und dem 3. November im zum Museum der Stadt Bukarest gehörenden Villa Minovici zu besichtigen ist. Von Bukarest wandert die Ausstellung weiter nach Kronstadt, Klausenburg und Craiova. 2017 soll das Projekt die Benelux-Länder erreichen.




    Deutsch von Ana Nedelea