Tag: Geschichte

  • Feldpost aus dem Ersten Weltkrieg

    Feldpost aus dem Ersten Weltkrieg

    Feldpostbriefe sind eine extrem wichtige Quelle für die historische Forschung, da sie Aufschluss über die Erfahrungen und Erlebnisse sowie den Gemütszustand von Soldaten an der Front geben. Das Nationale Militärmuseum in Bukarest verfügt über eine Sammlung von rund 120 Briefen und Postkarten von rumänischen Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg. Die Historikerin und Museographin Carla Duţă begleitet das Publikum auf der Reise durch die schriftlich festgehaltenen Gefühle, Schmerzen und Hoffnungen der Soldaten, die vor 100 Jahren kämpften und für ihre Werte den Tod in Kauf nahmen.



    Die rumänischen Soldaten schreiben vor allem an ihre Familien — Frauen, Mütter, Kinder. Ein gutes Beispiel ist ein Satz Feldpostkarten, die der Oberst Alexandru Stoenescu vom 10. Infanterieregiment an seine Frau schrieb. Sie beginnen mit der Anrede ‚ Liebe Lunca‘ und enden mit ‚es umarmt Euch alle voller Liebe, Alexandru‘. Sämtliche Postkarten stammen aus dem Jahr 1916, als der Oberst in der südlichen Dobrudscha kämpfte und dort auch leicht verletzt wurde. Ich lese kurz aus einem der Briefe vor: ‚Liebe Lunca, ich bin gesund. Mit Gottes Hilfe hat sich das Regiment in der Schlacht vom 6. September 1916 ausgezeichnet gehalten und wurde im Armeebefehl ehrenvoll erwähnt. Ich bin seelisch zufrieden. Wie ich bereits geschrieben habe, ging eine Kugel durch mein linkes Ohr. Die Wunde ist fast verheilt. Es freut mich, dass die Kinder brav sind und meinem Rat folgen. Geben Euch die Zeppeline zu schaffen? Wir stehen hier den ganzen Tag unter Artilleriebeschuss. Es umarmt Euch alle, Alexandru.‘“




    Carla Duţă zeigt uns, was die Menschen bewegte, die an vorderster Front unter den grö‎ßten Entbehrungen litten.



    Die rumänischen Soldaten an der Front waren – so wie es die in der Feldpost an die Familie mitgeteilten Gefühle, Erlebnisse und Hoffnungen offenbaren – vom nationalen rumänischen Ideal beseelt. Zugleich waren sie aber auch voller Sorge für ihre Familien, die ohne Unterstützung und in prekären Situationen zurück geblieben waren. Hier einige Worte aus dem Brief von Pascal Rădulescu aus dem Feldzug von Flămânda von 1916. ‚Dieses Bild werde ich nie vergessen: ich stand zur Hälfte im Wasser, am Ufer, das Maschinengewehr von einer Kugel zerschmettert, in meinen Armen ein lieber, treuer Unteroffizier, den eine Kugel am Kopf getroffen hatte. Dann befahl ich dem Trompeter, zum Angriff zu blasen und stürmte, benommen, mit leerer Hand voran.‘ Aus diesen Zeilen klingen bis heute der Stolz der Soldaten, ihr Optimismus und Glaube an Gott. Ich zitiere aus einem weiteren Brief: ‚Deutsche und Bulgaren versuchten in Todesangst vor den Bajonetten zu flüchten. Aber wehe dem, den der Gewehrkolben des Rumänen erwischte.‘“




    Für die Historikerin sind die in den Briefen enthaltenen Beschreibungen eine sehr gute Hilfe zur Veranschaulichung von Szenen aus dem Krieg:



    Es gibt in manchen der Briefe eindrucksvolle Beschreibungen von Kriegsszenen. Die besten davon sind in Feldpostbriefen zu finden, denn der begrenzte Platz auf den Postkarten lie‎ß wenige Einzelheiten zu. Und trotzdem gibt es einige der besten in dem eingangs erwähnten Satz Feldpostkarten von Oberst Alexandru Stoenescu. Zum Beispiel: ‚Am 6. September 1916 ging das Regiment in die Schlacht. Ein harter Kampf, wie es ihn bis jetzt noch nie gab. Das Regiment ist nur noch bei halber Stärke. Gott hat mich aber beschützt. 20 Offiziere sind verwundet, das Feld ist voller toter Bulgaren, unsere kräftigen Angriffe haben sie entmutigt und sie ziehen sich zurück. Wir haben ihre alten Stellungen eingenommen, alles ist voller bulgarischer Leichen.‘ Die Briefe bieten mehr Einzelheiten, die Bilder sind vollständiger und beeindruckender. Ein Soldat schreibt aus den Schützengräben in der Moldau im Jahr 1917: ‚Den Deutschen geht es schlecht, sie desertieren ständig zu uns. Sie hätten nichts zu essen, sagen sie. Sobald sie ihren Kopf aus dem Schützengraben zeigen, schie‎ßen unsere Leute auf sie. Jetzt gerade sind aber drei Kanonengeschütze über unseren Graben geflogen. So sieht der Krieg aus.‘“




    Wie standen die rumänischen Soldaten aber zum eigenen Fronteinsatz? Carla Duţă liest ein Fragment aus dem Brief vor, den 1917 ein Mann aus Galaţi an seinen Sohn Vasile Florescu schickte, der sich freiwillig gemeldet hatte.



    Mein lieber Junge, heute hat mir Herr Niculescu Deinen Brief gebracht. Geh ruhig im festen Vertrauen, dass Du siegen wirst. Vergiss nicht, wer Deine Vorfahren waren und bringe dem rumänischen Namen Ehre. Vor allem Du hast die Pflicht zu kämpfen, damit wir unser Gebiet einnehmen können, das jetzt unter dem Feinde blutet. Sorge Dich nicht um Dein Leben mehr; es gehört nunmehr Deinem König und Deinem Land. Nur der Gedanke, dass ihr die Schmiede Gro‎ßrumäniens seid, soll Dich beseelen und Dir den letzten Zweifel nehmen. Denn für das Vaterland zu sterben, hei‎ßt den Heldentod zu sterben. Vertreibe alle Gedanken au‎ßer die an den heiligen Sieg. Zeige, dass Du tust, was Du uns schreibst, und mein Elternherz gibt Dir den Segen. Deine Mutter und Deine Brüder wollen Dich siegreich wiedersehen und vergessen keinesfalls, für Dich und für die Erlösung unseres lieben Vaterlandes zu beten. Grü‎ße Deine Waffenbrüder von mir! Vorwärts mit Gott! Vergiss nicht, dass niemand in Deiner Familie feige war und dass die Ehre die Devise Deiner Familie war.“




    Es ist kein Geheimnis, dass gro‎ße Siege mit Anstrengung und Blut errungen werden. Die Feldpost der rumänischen Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg bestätigt diese Tatsache.

  • Rumänischer Rundfunk feiert 86. Jahrestag

    Rumänischer Rundfunk feiert 86. Jahrestag

    Seit 86 Jahren ist es uns ernst, lautet der Slogan des öffentlich-rechtlichen Senders. Hinter diesem Motto steckt eine inhärente Wahrheit. Jedes Jahr am 1. November feiert der rumänische Rundfunk seinen Jahrestag. Gegründet wurde Radio Rumänien in der Zeit der Bahnbrecher im Bereich der Radio-kommunikation. Im Laufe der Zeit hat er mit der vorangeschrittenen Technik und mit dem zunehmenden Bedürfnis nach Information Schritt gehalten. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat eine faszinierende Geschichte.






    In 86 Jahren war Radio Rumänien Zeuge aller Ereignisse der Geschichte des Landes. Selbst unter Kriegsbedingungen strahlte der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Programme ununterbrochen aus. Am 23. August 1944 strahlte der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Ansprache des Königs Mihai an seine Landsleute aus. Er verkündete den Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Deutschland und den Waffenstillstand mit den Alliierten. Dezember 1989 erklangen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk die ersten Stimmen der antikommunistischen Revolution.






    So wurde der rumänische Rundfunk aufgebaut, sagt der Intendant Ovidiu Miculescu: “Seitdem er im Jahr 1928 gegründet wurde, ist Radio Rumänien durch folgendende Merkmale charakterisiert: ernst, aufrichtig, ohne Frivolität, ohne Spekulationen, ohne jeden Leichtsinn. Sowohl durch seine öffentliche Mission, als auch durch seine aktive Rolle in der Gesellschaft kann der rumänische Rundfunk anders nicht sein. Stellen Sie sich vor welche Folgen jede komplizierte Situation für Rumänien in seiner Gesichte hätte, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht objektiv gewesen wäre und die Sachen mit höchster Ernsthaftigkeit nicht behandelt hätte: das ganze Land hätte die besagte Situation falsch verstanden.





    Aus diesen Merkmalen enstand das einzigartige Vertrauen aller Rumänen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.” Im ersten Jahr nach der Gründung arbeiteten bei Radio Rumänien nur dutzende Menschen. Heute zählt die Institution über 2.000 Mitarbeiter. Heute hat der Rumänische Rundfunk die Nationalsender Radio România Actualităţi, Radio România Cultural, România Internaţional, Antena Satelor, România Muzical, Chişinău-Rundfunk für die rumänischsprachige Republik Moldau. Ferner gibt es Regionalsender sowie Kinder- und Jugendsendungen im Internet. Ergänzt wird das Angebot von Radio Rumänien mit der eigenen Nachrichtenagentur, der Buchmesse Gaudeamus und den Rundfunkorchestern und Chören.






    Bei den Mitarbeitern dieses umfassenden Systems herrsht der Professionalismus, sagte ferner Ovidiu Miculescu: “Daraus entsteht die Macht des rumänischen Rundfunks. Wir haben gut ausgebildete und vorbereitete Mitarbeiter, korrekte Professionisten die ihren Beruf lieben und verwantwortungsvolle Menschen sind. Das ist der einzige Weg für den rumänischen Rundfunk. Das ist das Profil des Journalisten des rumänischen Rundfunks. Wir dürfen nicht vergessen dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk ausschlie‎ßlich über Rumänien und Rumänen berichtet. Wir arbeiten zu Diensten Rumäniens und der Rumänen und wir nehmen es ernst.“Radio Rumänien lässt sich nach 86 Lebensjahren in der rumänischen Medienlandschaft durch Objektivität, Konstanz und Wirksamkeit kennzeichnen.


  • Rumänischer Rundfunk feiert 86. Jahrestag

    Rumänischer Rundfunk feiert 86. Jahrestag

    Seit 86 Jahren ist es uns ernst, lautet der Slogan des öffentlich-rechtlichen Senders. Hinter diesem Motto steckt eine inhärente Wahrheit. Jedes Jahr am 1. November feiert der rumänische Rundfunk seinen Jahrestag. Gegründet wurde Radio Rumänien in der Zeit der Bahnbrecher im Bereich der Radio-kommunikation. Im Laufe der Zeit hat er mit der vorangeschrittenen Technik und mit dem zunehmenden Bedürfnis nach Information Schritt gehalten. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat eine faszinierende Geschichte.






    In 86 Jahren war Radio Rumänien Zeuge aller Ereignisse der Geschichte des Landes. Selbst unter Kriegsbedingungen strahlte der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Programme ununterbrochen aus. Am 23. August 1944 strahlte der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Ansprache des Königs Mihai an seine Landsleute aus. Er verkündete den Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Deutschland und den Waffenstillstand mit den Alliierten. Dezember 1989 erklangen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk die ersten Stimmen der antikommunistischen Revolution.






    So wurde der rumänische Rundfunk aufgebaut, sagt der Intendant Ovidiu Miculescu: “Seitdem er im Jahr 1928 gegründet wurde, ist Radio Rumänien durch folgendende Merkmale charakterisiert: ernst, aufrichtig, ohne Frivolität, ohne Spekulationen, ohne jeden Leichtsinn. Sowohl durch seine öffentliche Mission, als auch durch seine aktive Rolle in der Gesellschaft kann der rumänische Rundfunk anders nicht sein. Stellen Sie sich vor welche Folgen jede komplizierte Situation für Rumänien in seiner Gesichte hätte, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht objektiv gewesen wäre und die Sachen mit höchster Ernsthaftigkeit nicht behandelt hätte: das ganze Land hätte die besagte Situation falsch verstanden.





    Aus diesen Merkmalen enstand das einzigartige Vertrauen aller Rumänen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.” Im ersten Jahr nach der Gründung arbeiteten bei Radio Rumänien nur dutzende Menschen. Heute zählt die Institution über 2.000 Mitarbeiter. Heute hat der Rumänische Rundfunk die Nationalsender Radio România Actualităţi, Radio România Cultural, România Internaţional, Antena Satelor, România Muzical, Chişinău-Rundfunk für die rumänischsprachige Republik Moldau. Ferner gibt es Regionalsender sowie Kinder- und Jugendsendungen im Internet. Ergänzt wird das Angebot von Radio Rumänien mit der eigenen Nachrichtenagentur, der Buchmesse Gaudeamus und den Rundfunkorchestern und Chören.






    Bei den Mitarbeitern dieses umfassenden Systems herrsht der Professionalismus, sagte ferner Ovidiu Miculescu: “Daraus entsteht die Macht des rumänischen Rundfunks. Wir haben gut ausgebildete und vorbereitete Mitarbeiter, korrekte Professionisten die ihren Beruf lieben und verwantwortungsvolle Menschen sind. Das ist der einzige Weg für den rumänischen Rundfunk. Das ist das Profil des Journalisten des rumänischen Rundfunks. Wir dürfen nicht vergessen dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk ausschlie‎ßlich über Rumänien und Rumänen berichtet. Wir arbeiten zu Diensten Rumäniens und der Rumänen und wir nehmen es ernst.“Radio Rumänien lässt sich nach 86 Lebensjahren in der rumänischen Medienlandschaft durch Objektivität, Konstanz und Wirksamkeit kennzeichnen.


  • Die Studentenpresse im kommunistischen Rumänien (II): Die Jahre 1970-1980

    Die Studentenpresse im kommunistischen Rumänien (II): Die Jahre 1970-1980

    In den 1950er Jahren und in der ersten Hälfte der 1960er Jahren haben die Steife und der Dogmatismus des Regimes der Presse einen militanten, aggressiven und hysterischen Ton vorgeschrieben. Die ideologische Entspannung Mitte der 1960er Jahre brachte auch im Bereich der Presse einen Wandel mit sich. Auch wenn die Ideologie und die Zensur nicht nachgegeben haben, wurde der Ton der Presse etwas moderater. Zugleich wuchs die Bedeutung der professionell geschriebenen Artikel.



    Die Studenten-Presse kopierte den Stil der zentralen Presse. Die Presse-Liberalisierung Mitte der 1960er Jahre erfasste insbesondere die Studenten-Presse, mit dem Ziel, die Tendenzen der neuen Generation zu beobachten. Es erschienen Zeitschriften, deren Qualität viel besser war als die ihrer Vorgänger. Die Zeitschrift Echinox erschien in Cluj-Klausenburg, Alma Mater und Opinia studenţească — Die Studenten-Meinung — in Iaşi. Constantin Dumitru war stellvertretender Chef-Redakteur bei der Opinia studenţească, die 1974 ins Leben gerufen wurde, und erinnert sich an die Reform der Studenten-Presse.



    Die Grundlagen der Stunden-Presse wurden 1968 geschaffen. Das war kein Zufall, es handelt sich um dieses wunderbare Jahr, das für Rumänien viel bedeutet hat. Natürlich kam die Studenten-Presse auch früher zum Ausdruck, 1964. Das war aber eine Kolchose-Variante, eine Pinnwand-Variante. Die echte Studenten-Presse entwickelt sich beginnend mit 1968. Ich muss Ihnen ehrlich gestehen, das alles geschah aufgrund einer Freigabe vom Zentralkomitee, von Ceauşescu persönlich. Er wollte damals wissen, wie die Leute frei denken. Es war ein Experiment, Ceauşescu wurde von Fachleuten beraten. Es war ein Moment, den ich auf eigener Haut erlebt habe, ein Moment der Freiheit der Presse, sogar der kommunistischen Presse. Sie konnten es sich nicht leisten, dieses Experiment bei der Parteizeitung »Scînteia« durchzuführen, das wäre unsinnig gewesen.“




    Der neue Stil der Presse im Kommunismus bedeutete auch eine Raffinierung der Zensurmethoden der Presse-Abteilung. Die Journalisten mussten einen subtileren Kampf führen. Constantin Dumitru:



    Die Zensur-Institution hie‎ß Presse-Abteilung. Dieser gehörten Fachleute an, die Texte entziffern konnten, um zu sehen, was sich dahinter versteckt. Sie sollten erfahren, ob die politischen Interessen des Kommunismus direkt oder indirekt gefährdet sind, ob diese Interessen nicht unterschwellig getroffen werden. Leider arbeiteten in der Presse-Abteilung, mit einigen Ausnahmen, Dummköpfe. Als Studenten machten wir uns immer wieder lustig über sie. Wir tricksten sie aus, wann immer wir auch konnten. Sie waren dumm und ungebildet.“




    Eine hinterhältige Ma‎ßnahme des Regimes war die Übergabe der Zensur-Aufgaben an die Chef-Redakteure. Dennoch gab es auch gravierende Abweichungen. Constantin Dumitru:



    Die Kommunistische Partei hat eine geniale Ma‎ßnahme getroffen. Die Zensur gab es, als ich mit 18 Journalist wurde. Dann gab es diese nicht mehr. Warum? Weil die Kommunistische Partei intelligent genug war, diese abzuschaffen. Sie haben uns, Chef-Redakteure und stellvertretende Chef-Redakteure, einbestellt und haben uns gesagt: ‚Genossen, ab heute gibt es keine Zensur mehr.‘ Wir waren so froh! Ihr werdet die Zensur sein, haben sie uns dann gesagt. Da verschwand gleich unsere Freude! In der Regel war das Wort des Chef-Redakteurs entscheidend, keiner kontrollierte den Chef-Redakteur-Genossen. Die Zensur wurde nur dann sehr aufmerksam, wenn es sich um etwas Offensichtliches handelte. Ceauşescu sollte in Pressebildern nicht mit einem Schiff im Hintergrund erscheinen, mit sichtbarer Glatze oder von der Seite, was den Eindruck der Einäugigkeit hätte erwecken können. Es gab aber auch Probleme. So zum Beispiel kam ein französischer Staatspräsident zu Besuch, der gro‎ßwüchsig war und er wurde von Ceauşescu am Flughafen empfangen. Er hielt seinen Hut in der Hand. Das Foto war lächerlich. Der Franzose war richtig hochwüchsig. Dann haben die Genossen Ceauşescu auf dem Foto einen Hut auf den Kopf gesetzt, sie haben aber vergessen, den Hut in der Hand wegzuretuschieren. So erschien er in der Scînteia-Zeitung mit zwei Hüten. Mit dem einen auf dem Kopf und dem anderen in der Hand. Ein paar Genossen wurden entlassen. Die Dummheit nahm die Stelle der Freiheit ein. Es gab keine Absichten, eine Revolution zu entfachen, man hat öfters einfach Fehler begangen.“




    Heute meint Constantin Dumitru, man habe trotz der Strenge der Zensur als ehrenhafter Journalist tätig sein können. Das hing aber auch vom Gewissen der Journalisten ab.



    Zumindest bei der »Opinia studenţească« haben wir keine Propaganda gemacht. Die Leitartikel könnte ich auch heute veröffentlichen, ich befürchte, sie sind sogar besser als die von heute. Auch »Echinoxul« hatte qualitative Leitartikel. Andere verstanden die Leitartikel als eine Fassade, hinter der sie was immer sie auch wollten schrieben. In Leitartikeln schrieb man Lobgesänge auf das Regime. In der Studenten-Presse ist das nicht passiert. Wir beschäftigten uns nicht mit der Politik. In der »Opinia studenţească«, die ich zwischen 1974 und 1975 geleitet habe, gab es nicht einmal einen Artikel, in dem das Regime gelobt wurde. Nicht mal eine Zeile. Es war also möglich.




    Die Presse der 1970er-80er Jahre war repräsentativ für die politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Lage der Epoche. Die Geschichte hat es als ein Kapitel eines abscheulichen Regimes verzeichnet, in der die Gesellschaft andere Erwartungen hatte.



    Deutsch von Alex Grigorescu



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  • Die rumänische Volkswirtschaft in der Zeit des Königs Karl I.

    Die rumänische Volkswirtschaft in der Zeit des Königs Karl I.

    Karl I. von de Hohenzollern-Sigmaringen war ab 1867 Herrscher über die Vereinten Rumänischen Fürstentümer und ab dem 10. Mai 1881 der erste König von Rumänien. Er gilt bei vielen Historikern als wichtigstes Staatsoberhaupt in der Geschichte des Landes. Während der 48-jährigen Amtszeit Carols I. erlangte Rumänien seine Unabhängigkeit und wurde zur konstitutionellen Monarchie, zeitgleich wurden die Grundlagen für den modernen rumänischen Staat geschaffen.



    Carol I. war in der Innenpolitik der Garant des Gleichgewichts, indem er ein Umfeld der Disziplin und Präzision schuf — Werte, die ihm durch die preu‎ßische Erziehung in einer Familie mit Dynastie-Tradition übertragen wurden. Carol förderte zudem die Modernisierung der ökonomischen Strukturen in einem Land, das Mitte des 19. Jahrhunderts der mittelalterlichen Organisationskultur noch nicht entwichen war. Der neue Herrscher war in Bukarest gelandet, einer Hauptstadt, die einem Marktflecken glich. Allerdings sollte es Carol I. dank seines deutschen Organisationstalents gelingen, innerhalb eines halben Jahrhunderts die Modernisierung Rumäniens beschleunigt voranzutreiben. Mit politischem Fingerspitzengefühl stellte der Monarch eine Alternanz liberaler und konservativer Regierungen sicher, so dass keines der Lager die Möglichkeit bekam, seine Autorität zu schwächen.



    Unmittelbar nach seiner Ankunft im Lande leitete Carol I. mit der Einführung des Leu eine besonders wichtige Währungsreform in die Wege. Obwohl Rumänien noch nicht unabhängig war, konnte es 1867 eine eigene Währung durchsetzen. In einer ersten Phase wurden lediglich Münzen geprägt. Später jedoch, mit der Gründung der Nationalbank Rumäniens 1880, wurden die ersten Banknoten gedruckt. Mit Hilfe der Nationalbank, aber auch mit Hilfe von privatem Kapital, wurden bis Anfang des 20. Jahrhunderts etwa 24 Handelsbanken gegründet. Bis 1914 waren weitere 210 Banken hinzugekommen.



    Während der Herrscherzeit Carol des I. war die rumänische Wirtschaft überwiegend von der Landwirtschaft getragen. Mehr als die Hälfte der Bauern besa‎ßen weniger als 5 Hektar Ackerland, wobei für den Unterhalt einer Familie zwischen 5 und 10 Hektar notwendig gewesen wären. In diesen trüben Zeiten wurden die sogenannten Volksbanken“ gegründet, die der Unterstützung der Landwirtschaft dienen sollten. Die Banken wurden von Einheimischen verwaltet, die das lokale Wirtschaftsumfeld und die Kreditnehmer gut kannten. Der Gro‎ßteil der landwirtschaftlichen Produktion stammte von den Gro‎ßgrundbesitzern und wurde exportiert. Die ersten 40 Jahre der Amtszeit von Carol I. brachten eine sechsfache Erhöhung der Agrarproduktion des Landes. Die Landwirtschaft wurde somit zur Basis der Wirtschaft, auf die sich später die Entwicklung der Industrie stützen sollte. Stark entwickelten sich zunächst die Förderung und Raffination des Erdöls. Die Anzahl der Textil- und Lebensmittelfabriken verdoppelte sich. Allerdings führte der Einfluss des Fremdkapitals in der Industrie zu einer hohen Konzentration in bestimmten Regionen, wobei weitere Gegenden dem Industrieaufschwung stark hinterherhinkten.



    Die Deutschen besa‎ßen zu dem Zeitpunkt 35% der Industrie, gefolgt von den Briten mit 25%, den Niederländern mit 13%, den Franzosen mit 10% und den Amerikanern mit 5,5%. Das rumänische Kapital hatte einen Anteil von nur 5,5%. Zwischen 1903 und 1914 wurden viele der Gro‎ßunternehmen gegründet, die bis zu Beginn des Zweiten Weltkriegs die Erdölindustrie kontrollieren sollten. Einen historischen Überblick bietet uns Dr. Alin Ciupală, er ist Dozent am Lehrstuhl für Geschichte der Universität Bukarest.



    Während der Amtszeit von König Carol I. blieb Rumänien überwiegend ein Agrarland, so wie es auch vor 1866 der Fall gewesen war und wie es während der Zwischenkriegszeit bleiben sollte. Dennoch treten gewisse Neuerungen ein. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts beginnt Rumänien einige seiner wichtigen Bodenschätze zu verwerten, allen voran die Erdölvorkommen. Das Erdöl bot dem Land eine au‎ßerordentlich gute Chance, in kürzester Zeit sollten die grö‎ßten Erdölkonzerne der Welt hierherkommen, sowohl aus Deutschland als auch aus den Niederlanden, den USA oder Gro‎ßbritannien. Das Erdöl sollte das Aussehen Rumäniens verändern, denn infolge der Erschlie‎ßung dieser Vorkommen durch die gemischten Gesellschaften, an denen der Staat und die erwähnten internationalen Konzerne beteiligt waren, flossen beachtliche Geldsummen in die Staatskassen, die die Regierung für den Bau der bis dato fehlenden und notwendigen Infrastruktur nutzen konnte. Au‎ßerdem wurde 1887 das erste wichtige Gesetz für die Unterstützung der Industrie verabschiedet, ein Gesetz zur Ermutigung dieser Wirtschaftsbranche in Rumänien. Nichtsdestotrotz bleibt Rumänien bis zu Beginn des Ersten Weltkriegs eine Agrarwirtschaft, wie ich schon anfangs sagte, trotz der vielen neuen Elemente. Die Haupteinkommen stammen nach wie vor aus der Bewirtschaftung der Ackerflächen. Ferner besteht damals auch ein gro‎ßes soziales Problem, denn die rumänischen Dorfgemeinden werden von der Existenz eines Gro‎ßbesitzertums dominiert. In Rumänien hat es keine kleinen und mittleren Besitztümer der Bauern gegeben, sondern im Gegenteil, die meisten Ländereien gehörten den Gro‎ßgrundbesitzern. Und das führte zu einer relativ langsamen Entwicklung der Landwirtschaft, wegen des fehlenden Interesses an grö‎ßeren Investitionen in die Landwirtschaft, angesichts der Tatsache, dass die Gro‎ßgrundbesitzer billige Arbeitskraft benötigten.“




    Im Vergleich zu den europäischen Industriestaaten konnte der ländliche Bevölkerungsüberschuss nicht von den Städten übernommen werden, eben weil es an einer starken Industriebranche fehlte. Der soziale Druck nahm somit immer mehr zu, so dass 1907 einige beispiellose soziale Bewegungen ihren Lauf nahmen. Der Aufstand der Bauern machte auch international auf die Niederlagen dieser Herrscherzeit aufmerksam. Und das weniger als ein Jahr nach der Eröffnung der Jubiläumsausstellung von 1906, die Europa die wirtschaftlichen Fortschritte Rumäniens in den 40 Jahren seit dem Amtsantritt von Carol I. präsentieren sollte.

  • 70 Jahre seit der Deportation der Juden aus Nordsiebenbürgen

    70 Jahre seit der Deportation der Juden aus Nordsiebenbürgen

    Am 19. März 1944 befahl Hitler der Wehrmacht, Ungarn zu besetzen und eine Regierung der rechtsextremen, faschistischen und antisemitischen Pfeilkreuzler-Partei durchzusetzen. Die Operation trug den Namen Unternehmen Margarethe I“ und wurde geplant, um einen möglichen Ausstieg Ungarns aus dem Krieg, so wie es mit Italien 1943 passiert war, zu verhindern. Ein ähnlicher Besatzungsplan Rumäniens war im Besitz des deutschen Botschafters in Bukarest, Manfred von Killinger, und hie‎ß Unternehmen Margarethe II“.



    Die Einführung der Pfeilkreuzler-Regierung unter der Leitung von Ferenc Szálasi brachte mit sich eine Welle antisemitischer Verfolgungen in Nordsiebenbürgen. Diese Region wurde infolge des sogen. Zweiten Wiener Schiedsspruchs vom 30. August 1940 von Ungarn besetzt. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge wurden 150.000 – 200.000 Juden aus Ungarn und Nordsiebenbürgen innerhalb von vier Monaten, zwischen Mai und Oktober 1944, in den Nazi-Konzentrationslagern getötet. Etwa 15.000 waren zwischen 1941 und 1944 deportiert worden. In Ungarn selbst überlebten zudem Hunderte Juden nicht einmal den Weg in die Vernichtungslager: Sie wurden auf der Stelle erschossen und in die Donau geworfen.



    Seit den schlimmen antisemitischen Verfolgungen in Nordsiebenbürgen sind 70 Jahre vergangen. Die rumänische und ungarische Zivilbevölkerung hat so weit wie möglich versucht, die Verfolgten zu schützen. Gheorghe Moldovan war 1941 Schüler in Braşov (Kronstadt). 1997 berichtete er dem Zentrum für Mündliche Geschichte des Rumänischen Rundfunks, wie im unbesetzten, rumänischen Teil Siebenbürgens eine Organisation für die Verteidigung der Juden gegründet wurde.



    Nach der Abtretung Nord-Siebenbürgens an Ungarn flüchteten aus Gherla (dt. Neuschloss od. Armenierstadt) ins Haus des Priesters Macavei in Blaj (Blasendorf) der Geschichtsprofessor Semproniu Mihali, seine Frau Natalia und der Französischlehrer Gheorghe Pop. Wir wohnten alle in diesem zentralgelegenen Gebäude. Sie waren au‎ßerordentliche Menschen, patriotisch eingestellte Rumänen, und kurz nachdem ich in ihrem Haus gewohnte hatte, erfuhr ich, dass sie einer Organisation angehörten. Es handelte sich um einen gegenseitigen Hilfeverein für die jüdische Bevölkerung aus dem abgetretenen Teil Siebenbürgens und Rumänien. Diese Organisation war vom Professor Semproniu Mihali geleitet und ich diente ihr als Verbindungsmann. Ich sollte vier Familien zu den Treffen der Organisation aufrufen, es handelte sich um die Familien Veiss, Grun, Holtzinger und Menden. Insgesamt gab es selbstverständlich mehrere Familien, die sich meistens bei Professor Mihali zu Hause trafen.“




    Die Organisatoren des Hilfsvereins gingen auch über die Grenze, um mit den Hilfsbedürftigen ständig in Verbindung zu bleiben. Zu den kleinen Erfolgen der Organisation zählte auch der Schutz der Juden in Rumänien, die unter Rassenverfolgung viel zu leiden hatten. Gheorghe Moldovan mit Einzelheiten:



    Der Priester Macavei war damals Rumäniens Vertreter in Budapest, weil wir keine Botschaft hatten. Dort gab es eine von ihm geleitete Priestergruppe, die uns ständig über die Situation der Rumänen und Juden aus dem abgetretenen Siebenbürgen informierte. Ein Jude, an dessen Namen ich mich jetzt nicht mehr erinnere, kam regelmä‎ßig heimlich über die Grenze aus Nordsiebenbürgen nach Blaj, um zusammen mit Professor Mihali und den anderen die Flucht der Juden aus Ungarn über Rumänien und weiter nach Palästina (nach 1947: Israel) zu planen. Diese Organisation existierte von 1940 bis 1948. Es gab ziemlich viele Juden in Blaj, weil es dort auch eine Synagoge gab. Alle wurden von dieser Organisation geschützt. Keinem ist etwas Böses geschehen, sie konnten ihre Tätigkeiten fortsetzen, sie wurden nicht deportiert. Professor Mihali war sehr aktiv. Wenn jemand ein Problem hatte, ging er mit Hilfe des Priesters Macavei zu allen Behörden, um Unterstützung zu finden. Frau Mihali fuhr nach Nordsiebenbürgen. Sie hatte ein Haus in Gherla, das sie gegen eines in Bukarest eingetauscht hatte. Sie verbrachte viel Zeit auch in Sângeorgiu de Pădure, wo sie verschiedene Kuren machte. So hatte sie Kontakt zu den Juden in Nordsiebenbürgen und konnte ihnen helfen.




    Gheorghe Moldovan hatte die Chance eines Treffens mit einer legendären Gestalt. Es geht um den schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg. Er war der Retter von Tausenden Juden aus Ungarn, die über die Grenze nach Rumänien kamen.



    In erster Linie ging es um die Rettung vor der Deportation. In anderen Landesgegenden wurden die Juden gesammelt und in Arbeitslager gebracht. Die Juden aus Nordsiebenbürgen wurden also nicht nach Auschwitz geschickt. Man konnte illegale Grenzüberquerungen organisieren. Ich traf diesen Menschen, der zahlreiche Male bei uns war und sich bei mir persönlich bedankte. Ich habe nachträglich die Beschreibungen gelesen. Es scheint Wallenberg gewesen zu sein. Er war ein hochgewachsener Mann, ein au‎ßerordentlicher und mutiger Mensch.“




    Der Albtraum der Juden in Nordsiebenbürgen ging am 25. Oktober 1944 zu Ende, als die sowjetische und die rumänische Armee Nordsiebenbürgen befreiten.



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  • Die Herrscherzeit Constantin Brâncoveanus (1688 – 1714)

    Die Herrscherzeit Constantin Brâncoveanus (1688 – 1714)

    Die Regierungszeit von Constantin Brâncoveanu (1688 — 1714) war lang und relativ stabil. Er hat viele Reformen eingeleitet und die Kultur blühte während seiner Zeit. Brâncoveanu ist aber auch wegen seines tragischen Todes bekannt geworden. Am 15. und 16. August 1714 wurden er, seine vier Söhne und sein persönlicher Berater Ianache Văcărescu nach einer 5-monatigen Gefangenschaften in der türkischen Hauptstadt enthauptet.



    Bogdan Murgescu, Professor an der Geschichte-Fakultät der Bukarester Universität, berichtet über die Herrschaft von Brâncoveanu:



    Constantin Brâncoveanu gilt als ein guter Verwalter. Während seiner Regierungszeit gab es Versuche, das Finanzsystem zu reformieren und eine etwas bessere Übersicht über die öffentlichen Gelder zu halten. Uns wurde das Register der Staatskasse auf einer Zeitspanne von 10 Jahren überliefert — das ist eine unglaubliche Quelle. Es zeigt uns die Sorgfalt, mit der der Fürst die Ausgaben hinterfragte. Wir wissen, dass er ein sparsamer Fürst war. Er hat es geschafft, Geld in der Staatskasse und insbesondere in seiner persönlichen Kasse anzuhäufen. Die Türken nannten ihn den ‚Gold-Prinzen‘, weil sein gro‎ßes Vermögen bekannt war. Zum Teil bewahrte er dieses Vermögen im Land, teilweise im Ausland, auch in Venedig. Er war sparsam, aber auch ein Fürst, der viel gestiftet hat. Er hat viele Kirchen und Fürstensitze errichten lassen und die Kultur gefördert.“




    Jeder Mensch, der Macht besitzt, stö‎ßt irgendwann auch auf Opposition, insbesondere wenn Geld im Spiel ist. Brâncoveanu wurde die Strenge, mit der er Steuern einzog, zum Verhängnis. Historiker Bogdan Murgescu:



    Steuern sind in keiner Gesellschaft populär. Natürlich gab es Druck auf die Steuerzahler. Aus dem Register der Staatskasse wissen wir auch, dass die Bojaren auch zu Krediten zugunsten der Staatskasse gezwungen wurden. Darüber hinaus zählte auch die Stabilität der Herrschaft viel. Der Fürst hat versucht, das Land von den Folgen der Kriege in der Region zu hüten. In einer ersten Etappe hat er das nicht geschafft, da fand eine österreichische Invasion statt. Nachher wurde die Walachei von externen militärischen Eingriffen und Zerstörungen geschont. Das Land konnte sich einer relativen Blütezeit erfreuen.“




    Brâncoveanus Kritiker haben ihm auch sein Wohlwollen gegenüber den Türken vorgeworfen. Die Rumänen hätten von der österreichischen antiosmanischen Offensive profitieren können. Dazu Bogdan Murgescu:



    Seine Opponenten haben ihm vieles vorgeworfen, es hing von der Zeitspanne ab, denn es war eine lange Herrschaft von 25 Jahren und 4 Monaten. Am Anfang hat man ihm vorgeworfen, er habe sich den Christen im Kampf gegen die Türken nicht angeschlossen. Er kam an die Macht in einem Moment, als es schien, dass [sein Vorgänger] Şerban Cantacuzino näher an die Österreicher rückte. Später ist die österreichische Armee in die Walachei vorgedrungen. Brâncoveanu leistete aber klaren Widerstand gegen die Österreicher und zog die Annäherung an das Osmanische Reich vor. Er nahm auch, zusammen mit den Türken, am Kampf gegen die Österreicher teil. Auch 1711 hat man ihm einiges vorgeworfen. Es war eine sehr gefährliche Angelegenheit. Der Metropolit und ein Teil der Bojaren haben gegen den Fürsten konspiriert. Sie rückten näher an Russland, ein Teil der Armee desertierte und schloss sich den Russen an. Der Fürst war zurückhaltend und hielt die Walachei an der Seite des Osmanischen Reiches.“




    Unter diesen Umständen scheint der tragische Tod von Brâncoveanu umso überraschender zu sein. Bogdan Murgescu meint, sein Tod sei bis jetzt nicht ausreichend aufgeklärt:



    Die Hinrichtung von Brâncoveanu ist für Historiker problematisch. Er wurde entmachtet und nach Konstantinopel gebracht. Hier wurde er verhört und gefoltert, um seine Vermögensverhältnisse zu enthüllen. Seine Hinrichtung ist schwer zu verstehen, auch aus türkischer Sicht. Seine Schuld gegenüber den Türken war nicht offensichtlich. Er hatte Vermögen angehäuft, hatte Beziehungen zu den Nachbarstaaten, aber keine so enge, um die osmanische Ordnung zu gefährden. Noch haben wir keine völlig überzeugende Erklärung für die Entscheidung der Türken, ihn und seine ganze Familie hinzurichten. Die Dokumente belegen diese vermeintliche Schuld nicht ausreichend. Es gibt Anschuldigungen auch von Seiten der rumänischen Bojaren. Es ist aber schwer, diese genau zu erklären. Es war selbst für osmanische Normen eine überzogene Hinrichtung.“




    Der rumänische Klerus spricht über einen Märtyrertod. Die Historiker sind aber umsichtiger. Bogdan Murgescu:



    Es gab die Sitte, dass ein Verurteilter begnadigt wurde, wenn er zum Islam übertrat. Das er ein Christ war, war nicht Grund genug für seine Hinrichtung. Die Türken hatten anstelle von Brâncoveanu den Christen Ştefan Cantacuzino zum Fürsten ernannt. Nachdem sie Ştefan und seinen Vater hingerichtet hatten, haben sie Nicolae Mavrocordat, ebenfalls einen Christen, ernannt. Es war nie in der Absicht der Osmanen gewesen, die Regierungsart in der Walachei zu ändern.“




    Constantin Brâncoveanu wurde zusammen mit seinen vier Söhnen von der Rumänisch-Orthodoxen Kirche Anfang der 1990er Jahre heiliggesprochen.



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  • Hörerpostsendung 10.8.2014

    Hörerpostsendung 10.8.2014

    Auch heute möchte ich zu Beginn aus Postbriefen zitieren, die schon vor längerer Zeit abgeschickt wurden, mich aber aufgrund des Urlaubs unserer Postbearbeitungsmitarbeiterin erst jetzt erreicht haben.



    Von Iris Cox und Michael Dulisch (aus Dinslaken, NRW) erreichten uns ein Foto, ein Empfangsbericht und folgende Zeilen:



    Hallo lieber Sorin Georgescu,


    Hallo liebes deutschsprachiges Team von RRI,



    Diesmal schicken wir Euch unseren Empfangsbericht für den Monat Juni per normaler Post. Wir beide fanden es doch irgendwie persönlicher und in der Regel findet es schlie‎ßlich auch seinen Empfänger.



    Als wir von Euch gehört haben, dass Schloss Bran im Rahmen Eurer Schlösserreihe auf der QSL-Karte abgebildet ist, haben wir unseren Bericht hier beigefügt. Als wir im Frühling letzten Jahres wieder auf RRI stie‎ßen, war dieses Gebäude eines der ersten Themen, die wir mitverfolgt haben, nachdem wir wieder auf die Kurzwelle zurückkehrten. Wie es der Zufall so will, haben wir einen Bericht von Siebenbürgen in unserer Tageszeitung gefunden, den wir Euch einfach mal beigefügt haben. Wanderungen durchs legendäre Transsylvanien sind immer mehr als touristische Sommerziele von Bedeutung. Mittlerweile werden auch aus dem Ruhrgebiet oft mehrtägige Bustouren dorthin angeboten.



    Wir schicken Euch liebe Grü‎ße hier aus dem Niederrhein und würden uns sehr über Eure neue QSL-Karte freuen.




    Vielen Dank für die freundlichen Zeilen, liebe Iris und Michael, selbstverständlich holen wir die Rückstände nach und schicken Euch die QSL-Karte für Juni, und vielleicht ergibt sich ja die Möglichkeit, die Törzburg mittels einer Bustour direkt vor Ort kennenzulernen.




    Wolfgang Kühn (der in Rudolstadt, Thüringen, zuhause ist) schickte uns Anfang Juli eine Postkarte aus den Berner Voralpen in der Schweiz:



    Liebe Rundfunkfreunde in Bukarest,



    Hier im Berner Oberland erleben wir einige ruhige Sommertage, auch mit Fu‎ßball-Einlagen“.



    Auf den Empfang Ihrer Programme müssen wir im Alpenraum weitgehend verzichten.



    Ich freue mich auf Ihr Literaturwerk zur Geschichte, das Sie vor kurzem absandten.




    Vielen Dank für die schöne Postkarte, lieber Herr Kühn und wir hoffen, dass sie den Aufenthalt in der Schweiz genossen haben.




    Das Buch Die Rumänen und Rumänien“ von Prof. Ioan Aurel Pop, das als Preis für das unlängst gelaufene Geschichte-Quiz zugeschickt wurde, hat inzwischen auch unsere beiden Teilnehmer aus Wien erreicht. Es handelt sich dabei um Wolfgang Waldl und Horst Quitzau. Beide bestätigten den Erhalt per Brief, und Herr Quitzau begründete sein Interesse für Rumänien wie folgt:



    Sehr geehrter Herr Georgescu,


    Sehr geehrte Damen und Herren,



    Ich möchte mich hiermit sehr bedanken für das schöne Buch Die Rumänen und Rumänien“, welches ich am 9.7.2014 erhalten habe und habe mich sehr darüber gefreut. Habe schon viel darin gelesen und es liest sich sehr angenehm und habe viel Wissenswertes darin erfahren, was ich gar nicht gewusst habe. Meine bisherigen Kenntnisse über Rumänien und rumänische Geschichte habe ich meistens aus Reiseführern, in denen etwas kurz abgehandelt wird. Ich habe mich schon immer für Rumänien und die romanischen Länder interessiert, da ich selbst deutsch-spanischer Herkunft und Abstammung bin und mich der romanischen Welt und Sprache zugehörig fühle.



    Ihre Programme sind sehr interessant, höre auch gern die Sendungen in Rumänisch, sofern es meine Zeit erlaubt und der Empfang gut ist.




    Vielen Dank für Ihre Zeilen, lieber Herr Quitzau. Da Sie in Wien leben und ich selbst in den Frühneunzigern ein paar Semester in Wien studiert habe, erlaube ich mir, Ihnen einen Tipp zu geben. An der Wiener Universität gab es seinerzeit sehr interessante Vorlesungen an der Romanistik oder am Institut für Südosteuropaforschung, die z.T. auch mit Rumänien zu tun hatten, und in der Regel war der Zutritt auch Nicht-Studenten erlaubt. Ich denke da an die Vorlesungen des prominenten Schweizer Philologen Prof. Michael Metzeltin oder des Balkanologen und Aromunen-Forschers Prof. Max Demeter Peyfuss. Ich wei‎ß natürlich nicht, was es heute für interessante Vorlesungen im Angebot gibt, es lohnt sich aber bestimmt, einen Blick in den Veranstaltungskalender des Instituts für Romanistik und des Instituts für Osteuropäische Geschichte zu werfen.




    Passend zum Thema Romanistik und Rumänistik habe ich heute wieder eine Audiodatei aus unserem Archiv parat. 1995 oder 1996, ich war erst seit wenigen Monaten in dieser Redaktion, gestaltete ich einen mehrteiligen Sendebeitrag unter den Stichworten Zur Entstehung des rumänischen Volkes und der rumänischen Sprache“. Ich war damals frischgebackener Absolvent der Uni Bukarest oder belegte noch das Masterstudium Rumänische Sprachgeschichte und Dialektologie“ und setzte mich mit dieser Thematik auseinander. Die Beiträge wurden im Funkbriefkasten gesendet, den damals Mariana Stoican moderierte, die bald darauf Chefredakteurin unseres Senders wurde. Die kurzen, 4-5-minütigen Beiträge waren auch von ihr angeregt worden, um entsprechende Hörerfragen zu beantworten. Diese Minibeiträge sollen sehr gut bei den Hörern angekommen sein, erzählte mir Mariana Stoican, die mir anschlie‎ßend ein Buch über die Geschichte der Siebenbürger Sachsen als kleine Belohnung schenkte. Während unserer unvollständigen Entrümpelungsaktion habe ich nur den ersten Teil dieser Sendereihe entdeckt, vielleicht finde ich künftig auch die anderen Tonbänder, falls sie überhaupt aufbewahrt wurden. Hören wir die Aufnahme aus dem Jahr 1995-96.








    “Zur Entstehung des rumänischen Volkes und der rumänischen Sprache — Teil 1”. Tonbänder mussten damals erfahrene Redakteure unterzeichnen, blutige Anfänger hatten zunächst kein Unterschriftsrecht. Leider hat unsere unterzeichnende Kollegin Cornelia Stanciu damals vergessen, das Datum der Aufzeichnung auf dem Aufkleber einzutragen. (Bild zum Vergrö‎ßern anklicken.) src=http://devrri.freshlemon.ro/wp-content/uploads/2023/10/foto.jpg
    Audiodatei hören:




    Das war eine Aufnahme aus dem Jahr 1995-96, ein kurzer Beitrag über die Entstehung des rumänischen Volkes und der rumänischen Sprache. Über meine junge Stimme musste ich schmunzeln, au‎ßerdem ist Ihnen bestimmt aufgefallen, dass ich damals sehr süddeutsch gefärbt sprach, mit einem leichten Wiener Einschlag.




    Und zum Schluss noch ein paar kurze Hörermeinungen zu unserem Programm.



    Klaus Neupert (aus Mülheim an der Ruhr, NRW) schrieb unlängst im Internetformular:



    Liebe Redaktion von RRI,



    vielen Dank, dass Sie täglich so umfangreich in Deutsch senden und ganz viele Themen dabei abdecken. Besonders interessant sind die kulturellen Beiträge, aber auch die Nachrichten aus erster Hand zu den aktuellen Entwicklungen in Rumänien und den Nachbarregionen und den Beziehungen zur EU. Ich hoffe sehr, dass Sie Ihre Kurzwellensendungen beibehalten.



    Ich höre Ihre Sendungen regelmä‎ßig seit 2011, vorher habe ich bereits 1975 Ihren Vorgängersender, Radio Bukarest, gekannt. Welch ein Wandel! Leider fehlt mir oft die Zeit, nach dem Hören auch Empfangsberichte zu schreiben, aber Ihre Webseite macht das einfacher, ich hoffe, der Empfangsbericht ist für Sie von Nutzen. Ihre Sendungen sind eigentlich immer mit sehr guter Signalstärke und so gut wie ohne Störungen aufzunehmen. Der von mir oben gewählte “Gesamteindruck 4” ist also die zweitbeste mögliche Bewertung der Gesamtqualität des Empfangs.




    Und auch Rainer Schmeling (Erwitte, NRW) fand wieder zu uns. Seine Botschaft hinterlie‎ß er ebenfalls im Internetformular:



    Radio Rumänien, welches ich auch schon in den 70ger Jahren empfangen habe, gehört seit einigen Wochen zu meinem festen DX-Empfangsrepertoire. Mit meinem Audion-Nachbau habe ich einen hervorragenden Empfang und ich hoffe, dass uns RRI auf Kurzwelle noch sehr lange erhalten bleibt, denn sonst wird mein Hobby wohl leider etwas ärmer. Da ich Rumänien bisher 3 x bereist habe, ist mein Interesse an Land und Leuten natürlich gro‎ß.




    Zeit für die Posteingangsliste. Postbriefe erhielten wir von Hans Peter Themann, Martin Brosche, Hans Gosdschan, Wolfgang Kühn, Joachim Verhees, Iris Cox und Michael Dulisch (alle aus Deutschland) sowie von Wolfgang Waldl und Horst Quitzau (beide aus Wien, Österreich).



    Während Sie diese Aufzeichnung hören, gönne ich mir ein verlängertes Wochenende in den rumänischen Karpaten, daher habe ich unsere E-Mail-Box diese Woche bis einschlie‎ßlich Donnerstag durchforstet. E-Mails erhielten wir also bis Donnerstagnachmittag von Georg Pleschberger und Josef Robl (A), Arman Sabciyan (Türkei) sowie von Herbert Jörger, Klaus Nindel, Thorsten Brandenburg, Jörg Hoffmann, Andreas Pawelczyk und Volker Willschrey (alle aus Deutschland).



    Das Internetformular nutzen Paul Gager (Österreich) und Ullmar Qvick (Schweden).



    Audiobeitrag hören:




  • Die kommunistische Kaderschmiede „Ştefan Gheorghiu“

    Die kommunistische Kaderschmiede „Ştefan Gheorghiu“

    Der Kommunismus war als Doktrin, Gesellschaftsform und politisches Regime die erste Ideologie, die behauptet hat, nur auf rationaler Erkenntnis zu beruhen. Alles, was seinen Prinzipien nicht entsprach, musste verschwinden. Die Suche nach der Wahrheit, auf der die neue Gesellschaft aufgebaut werden sollte, die Erkenntnis und die Forschung mussten neu durchdacht werden. Aus diesen Gründen wurde die Akademie für sozial-politische Wissenschaften Ştefan Gheorghiu“ gegründet. Diese sollte als Kaderschmiede dienen.



    Die Akademie wurde am 21. März 1945 von der kommunistischen Partei unter dem Namen Arbeiter-Universität der Rumänischen Kommunistischen Partei“ gegründet. Der Institution war die Rolle zugedacht, das traditionelle Konzept der Universität zu bekämpfen. Der Name Ştefan Gheorghiu“ stammt von einem sozialistischen Vorkämpfer des 19. Jahrhunderts. Der Historiker Cosmin Popa vom Geschichts-Institut Nicolae Iorga“ in Bukarest erläutert die Umstände:



    Die Gründung der Akademie für soziale Wissenschaften am Anfang der 1970er Jahre kann als eine Hinwendung des kommunistischen Regimes in Rumänien zum Konservatismus angesehen werden. Es war auch ein klares Signal, dass die Partei und ihr Anführer eine bestimmte Ideologie durchsetzen wollten. Der massive Wandel in den Machtstrukturen, die Wiedereinführung der kollektiven Leitung und der internen Partei-Demokratie, die Fortsetzung der Reform-Prozesse, um Antworten auf die Herausforderungen des dynamischen Kapitalismus zu finden, sind typische Entwicklungen in allen kommunistischen Staaten in den 1960er und 1970er Jahren.“




    Dem kommunistischen Regime in Rumänien hat die Legitimität gefehlt. Die herausragendsten Intellektuellen wollten mit diesem nicht zusammenarbeiten. Mitte der 1960er Jahre öffnete sich das Regime gegenüber den Intellektuellen. Viele haben dann das Angebot nicht mehr abgelehnt. Historiker Cosmin Popa:



    Das Ende der 1960er Jahre stellte für Nicolae Ceauşescu den Moment dar, in dem er aus den Bemühungen in der Beziehung zur intellektuellen Elite Nutzen ziehen wollte. In einer Rede vom September 1969, die die Botschaften Ceauşescus beim 10. Parteitag detaillieren und verfeinern sollte, erklärte Paul Niculescu-Mizil, Mitglied des Zentralkomitees der Rumänischen Kommunistischen Partei, dass die Gegensätzlichkeit zwischen der neuen und der alten Intelligenz überwunden wurde. Rumänien verfügte seiner Ansicht nach über eine Intellektuellenschicht, die zum Gro‎ßteil aus den Reihen der Arbeiter stammte. Die Rede bot eine Reihe von Interpretationsarten der Partei-Politik in puncto rumänischer Kommunismus an: die Beziehung der Partei zu den Intellektuellen und die Gliederungs-Prinzipien des Bildungs- und Forschungs-Systems. Diese ging von einer korrekten Voraussetzung aus. Die Gesellschaft befand sich mitten in einer wissenschaftlichen Revolution, die die politische Bedeutung der Intellektuellen aufwertete. Das brachte auch einen Wandel in den ideologischen Verwaltungs-Institutionen dieser Intellektuellen mit sich. Vom Erfolg ihrer Unternehmungen hing der Aufbau des Kommunismus ab.“




    Am 3. Oktober 1971 kam die Entscheidung des Exekutiv-Komitees des Zentral-Komitees der kommunistischen Partei betreffend die Organisierung der Akademie für sozial-politische Bildung und die Weiterbildung der Leitungs-Kader von Ştefan Gheorghiu“. Die Akademie hatte als Aufgabe, neue Kader in allen Bereichen auszubilden. Diese sollten dann Ämter im Partei- und Staats-Apparat bekleiden. Das Misstrauen des Regimes gegenüber der ideologischen Tätigkeit der traditionellen Forschungs-Institutionen lie‎ß die Akademie Stefan Gheorghiu“ eine immer wichtigere Rolle spielen. Historiker Cosmin Popa dazu:



    Die ideologische Kontrolle der sozialen Wissenschaften war nicht das Hauptziel dieser Unternehmungen. Keiner bezweifelte die Wirksamkeit der angeordneten Kontrollma‎ßnahmen, denen sich Intellektuelle in öffentlichen Institutionen fügen mussten. Die Partei-Anführer zielten auf einen erhöhten Professionalismus der politischen Verantwortlichen und auf eine effizientere Ausgabe der Ressourcen ab. Insbesondere die Wirtschaftler standen in der Kritik von Ceauşescu und der Propaganda-Verantwortlichen. Das Regime fühlte sich ausreichend konsolidiert, um nicht mehr auf die Strafdimension der ideologischen Kontrolle zu beharren. Die Partei fühlte aber in ihrem Dynamismus ein gewisses Unbehagen gegenüber den bürgerlichen Gliederungsformen der wissenschaftlichen Forschung und der beruflichen Anerkennung. In der Auffassung Ceauşescus hatten sich die traditionellen Forschungsstätten einem veralteten Weltbild des realitätsfernen Intellektuellen verschrieben und entsprachen somit nicht den Anforderungen, die die rapide wirtschaftliche Entwicklung mit sich brachte. Darüber hinaus bereiteten die traditionellen intellektuellen Milieus auch den Kadern der Agitprop Kopfzerbrechen.“




    Trotz des Ehrgeizes des Regimes, eine Elite-Universität zu gründen, wurde die Akademie Ştefan Gheoghiu“ als ein Instrument des Regimes empfunden. Bis zum Fall des Kommunismus wurde sie als Institution des repressiven Apparats wahrgenommen. Sie verschwand gleich nach der Revolution vom Dezember 1989.



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  • Bukarest Souterrain – Unter den Straßen der rumänischen Hauptstadt

    Bukarest Souterrain – Unter den Straßen der rumänischen Hauptstadt

    Bukarest hat eine spannende Geschichte, und besonders faszinierend ist die Geschichte der Stadt unter der Stadt, die Geschichte der Souterrains. Stra‎ßen, Tunnel, unterirdische Flüsse, Bunker, Katakomben, riesige Hallen voller Geheimnisse, Labyrinthe — eine wenig bekannte Schattenwelt unter der Hauptstadt Rumäniens. Mit ihrer blühenden Phantasie haben viele Parapsychologie-Fans das Mythos einer parallellen Stadt geschaffen — abgesehen davon gibt es aber in der Tat ein unterirdisches Bukarest mit spektakulären Souterrains.



    Unter den Stra‎ßen und den Gebäuden von Bukarest sind im Laufe der Zeit Souterrains zu ganz bestimmten Zwecken entstanden. Im Mittelalter bauten die Weinproduzenten und die Weinhändler gewaltige Keller, um den Wein in riesigen Fässern zu lagern. Diese Weinkeller waren so gro‎ß, da‎ß Weinkarren dadurch fahren konnten. Im 19. Jh. entstanden gro‎ße Gebäude mit Fluchttunneln. Ein Beispiel dafür ist der 1 Kilometer lange Tunnel vom Palast Ghica-Tei, im Nordosten Bukarests, der bis zum Kloster Plumbuita führt. Im Zentrum der Stadt, im Nordwesten des Parks Cişmigiu, befindet sich die Kirche Schitu Măgureanu — sie ist durch mehrere Souterrains mit dem Kretzulescu-Palast verbunden, der etwa 100 Meter ostwärts entfernt liegt. Die wichtigsten Bukarester Souterrains sind aber diejenige, die unter dem Revolutionsplatz in der Stadtmitte laufen.



    Augustin Ioan ist Professor für Architekturgeschichte an der Bukarester Hochschule für Architektur und Städtebau. Er erläutert die Gründe, warum die Bukarester Souterrains nicht als praktische, zweckmä‎ßige Bauten, sondern eher als geheimnisumwobene Stadtgeschichte attraktiver wurden:



    Das Thema ‚Souterrains‘ ist ein interessantes Thema, das in der Geschichte Bukarests immer wieder auftaucht. Es gab eine richtige Souterrain-Besessenheit, man wollte geheime Fluchtwege zur Verfügung haben, falls das osmanische Heer die Stadt besetzen sollte. Wie alle Städte au‎ßerhalb der Karpaten durfte auch Bukarest keine Festungsanlagen haben — die osmanische Verwaltung hatte es verboten. Die von der Hohen Pforte ernannten Herrscher lebten in der ständigen Furcht, eines Tages abgesetzt zu werden, was in der Regel einer Hinrichtung gleich war. Deshalb wollten sie Fluchttunnel haben, um sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Im 18. Jh. lie‎ß Fürst Alexandru Ipsilanti einen mehrere Kilometer langen Tunnel bauen, der vom offiziellen Fürstenpalais auf der Calea Victoriei bis zu seiner eigenen Residenz, in der Gegend des heutigen Parlamentsgebäudes, führte. Es gibt viele Geschichten über die Bukarester Souterrains. Unter dem Ghica-Palast existiert mit Sicherheit ein Tunnel, er ist gro‎ß genug, damit eine gro‎ße Kutsche dadurch fahren kann.“



    1989 waren die Bukarester Souterrains plötzlich zum Hauptthema der Öffentlichkeit geworden; die radikalen Änderungen, mit denen die rumänische Gesellschaft konfrontiert wurde, führten zu einer wahren Psychose — man fühlte sich ständig von Terroristen“ bedroht, die sich unerkannt und ungestört durch geheime Souterrains bewegten und jeden einfachen Bürger ermorden konnten. Augustin Ioan kennt viele Geschichten, die ihm von sog. Zeitzeugen“ als durchaus wahre Begebenheiten erzählt wurden:



    Die Bukarester Souterrains, die geheimen Tunnel unter der Stadt, wurden in den bewegten Tagen der rumänischen Revolution zum wichtigen Gesprächsthema. Man sprach ständig von Terroristen, wie sie aus dem Nichts auftauchten und wieder verschwanden, es wurden auch einige Falltüren am heutigen Revolutionsplatz entdeckt, die zu den Tunneln unter dem Gebäude des damaligen Zentralkomitees der Kommunistischen Partei führten. Diese Geschichten sind bis heute nicht geklärt worden, sie gehören inzwischen zu einer sog. ‚Mythologie‘ der rumänischen Revolution. Es handelte sich um eine Massenobsession, die psychologisch erklärbar ist. In diesem Zusammenhang agiert die Massenpsychologie — die Geschichten um das ehemalige ‚Haus der Republik‘ oder ‚Haus des Volkes‘, das heutige Parlamentsgebäude, sind das beste Beispiel dafür. Die geheimen Tunnel unter dem Gebäude, die nur die Eingeweihten kennen, funktionieren im Unterbewu‎ßtsein der Bürger wie das Thema des Menschenopfers in der Ballade ‚Meister Manole‘“.



    Die Ballade vom Maurermeister Manole erzählt, da‎ß der Schwarze Prinz in einem schönen Tal ein Kloster errichten wollte. Als er einen Schäfer sieht, der auf seiner Flöte spielt, fragt der Prinz ihn, ob er nicht auf seinem Weg irgendwo verlassene Mauern gesehen habe, die nicht fertig gebaut wurden. Dieser entgegnet, da‎ß er welche gesehen hat. Und da‎ß bei deren Anblick seine Hunde heulen, als ob der Tod sie verfolgen würde. Der Schwarze Prinz zeigt Meister Manole und den anderen neun Maurern die Mauern und trägt auf, hier das schönste Kloster auf Erden zu errichten.



    Das, was sie tagsüber bauen, stürzt jedoch nachts immer wieder ein, so da‎ß der Prinz ungeduldig wird und ihnen droht, sie lebendig einzumauern. Manole erfährt in einem Traum, da‎ß die Mauern stehen bleiben, wenn sie die Frau, Schwester oder Braut einmauern, die am nächsten Morgen als erste auf der Baustelle ist. Am nächsten Morgen sieht er jedoch schon von weitem, da‎ß es seine Frau ist, die als erste kommt. So bittet er Gott, er möge es so heftig regnen lassen, da‎ß die Flüsse über die Ufer steigen und sie nicht mehr weiterkommt. Gott hat Erbarmen und lässt es regnen. Sie kämpft sich aber durch. Da bittet er Gott um einen Sturm. Sie kommt aber auch dort hindurch und kommt erschöpft an. Alle anderen Maurer sind erleichtert, als sie die Frau sehen. Er sagt zu ihr, da‎ß sie Spa‎ß machen wollen und sie einmauern. Die Mauer wächst und die Frau lächelt nicht mehr und meint, da‎ß die Mauer sie erdrückt. Manole arbeitet aber stumm weiter. Sie fleht ihn an, da‎ß die Mauer ihre Brust und ihr ungeborenes Kind erdrückt. Er baut sie aber komplett ein und hört sie nur noch seufzen, da‎ß ihr Leben erlischt.



    Das Kloster, schön wie kein Zweites auf dieser Erde, wird fertig gestellt. Der Prinz kommt und bewundert es und fragt die Maurer, ob sie ein noch schöneres bauen könnten, was diese bejahen. Daraufhin wird er wütend und lä‎ßt das Gerüst wegnehmen, damit die Maurer auf dem Dach elendig sterben. Sie aber machen sich Flügel aus Schindeln, um herunterzuspringen, sterben jedoch alle. Als Manole springen will, hört er eine erstickte Stimme aus der Mauer: Die Mauer erdrückt mich.“ Da erfa‎ßt ihn gro‎ßer Gram, und er stürzt in den Tod. An der Stelle, wo er aufschlägt, entspringt sofort eine Quelle, aber ihr Wasser ist bitter wie die Tränen.



    Die Legende des Meisters Manole lebt noch in der modernen Zeit. Ein Offizier, der bei den Bauarbeiten zum Haus des Volkes“ anwesend war, erzählte, er habe selbst gesehen, wie ein Arbeiter in ein Betonfundament geworfen und dort eingemauert wurde. Nach 1989 sprach man über diesen Fall, eine Familie hätte damals bitter geweint. Es gibt oft Zeitzeugenerzählungen, die repräsentative Prachtbauten mit solchen Gründungsmythen in Verbindung bringen.



    Zum Bukarester Parlamentsgebäude, dem ehemaligen Haus des Volkes“, und seinen geheimen Souterrains gibt es noch eine spannende Geschichte. Anfang der 1990er Jahre ging Augustin Ioan mit einer Gruppe von Journalisten zum untersten Gescho‎ß des Palastes. Dort machte die Architektin Anda Ştefan verblüffende Bildaufnahmen, die in einer Ausstellung öffentlich gemacht wurden. Augustin Ioan:



    Im Souterrain trafen wir auf einige Arbeiter, die ein Spa einrichteten, sie brachten Keramikfliesen an den Wänden. Auf die Frage, wer die Arbeiten angeordnet habe, wollten sie nicht antworten. Keiner wollte zugeben, da‎ß er einen Auftrag und Geld dafür bekommen hätte. Um zu beweisen, da‎ß er nichts zu verbergen hat, führte der Verwalter die Journalisten und ein Fernsehteam bis zum untersten Gescho‎ß des Gebäudes. Dort war es vollkommen dunkel, das einzige Licht kam von den Aufnahmekameras. Eine Architektin machte auch Fotos mit Blitzlicht, aber sie sah gar nichts, sie nahm blo‎ß Bilder in voller Finsternis auf. Erst später, auf den fertigen Bildern, sah man, da‎ß an den Wänden Anarchisten-Sprüche und Freimaurer-Symbole gemalt waren, an einem Ort, wo niemand gelangen konnte — und wäre jemand dorthin gelangt, so hätte man da nichts tun können. Das Untergeschoss war voller Abfälle — am liebsten hätte man dort saubermachen sollen.“



    Geheimnisse und Mysterien sind immer interessanter als die banale Wirklichkeit, und die Mischung von Realität und Phantasie macht gerade den Charme der Geschichte Bukarests aus.



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  • Das Geschäft der kommunistischen Securitate mit der Familienzusammenführung

    Das Geschäft der kommunistischen Securitate mit der Familienzusammenführung

    In den 1950er Jahren lag die rumänische Wirtschaft fast am Boden; durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges, die Zahlung von Entschädigungen an die Sowjetuunion und die systematische Plünderung war der rumänische Staat fast nicht mehr fähig, den Mindestlebensstandard für die Bürger zu garantieren. Unter diesen Umständen überlegte sich die Securitate, der bewaffnete Arm der politischen Polizei, die auch wirtschaftliche Funktionen übernommen hatte, eine produktive Lösung — den Verkauf von Ausreisewilligen gegen harten Devisen. Über Jahrzehnte lie‎ß das kommunistische Regime Familien der Siebenbürger Sachsen und der Banater Schwaben gegen gro‎ßzügige Bezahlung durch die Bundesrepublik Deutschland ausreisen. Auch mit Israel machte der Warschauer-Pakt-Staat dieses Geschäft, wenn es um die Ausreise rumänischer Juden ging. In den 1970er und 1980er Jahren wurde der Freikauf“ zur wichtigen Bedingung der endgültigen Ausreise aus Rumänien — auch die rumänischstämmigen Emigranten konnten von ihren im Ausland lebenden Verwandten freigekauft werden.



    Anfang Mai veranstaltete das Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Bukarest eine Fachkonferenz mit dem Titel Die geheimen Abkommen — Geschichte der unterstützten Emigration der Rumäniendeutschen“. Bei der sehr gut besuchten Konferenz konnten sich die Teilnehmer ein lebhaftes Bild über einen sehr interessanten und kritisch diskutierten Teil der deutsch-rumänischen Geschichte machen. Die Geschichte des Freikaufs Deutscher aus Rumänien während des kommunistischen Regimes durch die Bundesregierung wurde unter anderen von dem leitenden Unterhändler, Dr. Heinz Günther Hüsch, und von der Leiterin der Abteilung Investigationen im Nationalrat für die Aufarbeitung des Securitate-Archivs, Dr. Germina Nagâţ, dargestellt und diskutiert.



    Wenn es damals für die Bundesrepublik die einzige Möglichkeit war, die Rumäniendeutschen aus den Fängen des kommunistischen Regimes zu befreien (so Dr. Hüsch), war es für die rumänische Diktatur nur eine Beschaffungsma‎ßnahme für ausländische Devisen und Güter, ohne jegliche ethnische Konnotation (so Dr. Nagâţ). Die Securitate hatte von Anfang an das Geschäft mit der Familienzusammenführung“ an sich gezogen. Vorbild der deutschen Familienzusammenführung“ mit ihren Kategorien war der vor ganz anderem historischen Hintergrund, aber unter ähnlichen Umständen sich vollziehende Ausreisehandel mit jüdischen Bürgern Rumäniens. Dr. Germina Nagâţ ist Leiterin der Abteilung Investigationen im Nationalrat für die Aufarbeitung des Securitate-Archivs (CNSAS) in Bukarest. Sie erzählte, wie die kommunistischen Behörden angefangen hatten, rumänische Staatsbürger jüdischer Abstammung an ihre im Ausland lebenden Familienangehörigen regelrecht zu verkaufen:



    Eine Securitate-Akte, nämlich die Akte Nr. 2871 vom Auslandsnachrichtendienst vermerkt eine Episode, die wir als Startpunkt nehmen können, um zu verstehen, wie der Handel der Securitate mit rumänischen Staatsangehörigen angefangen hatte. Im Mai 1958 kam eine Nachricht vom rumänischen Securitate-Büro in London, man habe einen Vertrag über das Mieten eines Flugzeugs abgeschlossen. Mit besagtem Flugzeug sollten 11 gro‎ße Zuchtschweine der Rasse Landrace nach Rumänien geflogen werden, die durch einen britischen Vermittler namens Henry Jakober, Deckname Kraus“ gekauft worden waren. Dieser Henry Jakober Kraus“ war der Leiter der sog. operativen Kombination“, wodurch die Securitate hunderttausenden rumänischen Staatsangehörigen, meistens jüdischer Abstammung, die endgültige Ausreise aus Rumänien gegen Bezahlung erlaubte. Jakober, der das Rumänien der Zwischenkriegszeit sehr gut kannte und seit den 1930er Jahren nach Gro‎ßbritannien emigriert war, war damals Direktor der Firma Oil Cakes & Doyle Seeds“ mit Sitz in London. Er sprach Rumänisch und hatte ausgezeichnete Beziehungen zum Landwirtschaftsministerium, dem Handelsministerium und zahlreichen Unternehmen der damaligen Rumänischen Volksrepublik. Bei Gesprächen mit seinen Partnern aus Bukarest, die meisten von ihnen verdeckte Securitate-Offiziere, behauptete er wiederholt, er sei ein gro‎ßer Bewunderer der politischen Entwicklungen im kommunistischen Rumänien. Für den Anfang sagte Herr Jakober, er könne nicht nur lebendige Tiere verschaffen, sondern auch genetisches Material aus Dänemark. Im Mai 1958 wurden also die ersten 11 Landrace-Schweine verdeckt nach Rumänien geflogen.“




    Von den geheimen Viehtransporten zu den geheimen Menschentransporten war nur ein kleiner Schritt — der westliche Geschäftsmann und die kommunistische Securitate verstanden sich ausgezeichnet und waren äu‎ßerst einfallsreich. Dr. Germina Nagâţ dazu:



    Ein Jahr nach dieser ersten gelungenen Transaktion, im Mai 1959, wird in einem Bericht des Securitate-Dienstes Nr. 1 vermerkt, der britische Parlamentsabgeordnete John Platz habe bei den rumänischen Behörden interveniert, um die Ausreise einer jüdischen Familie aus Rumänien zu ermöglichen. Dabei hätte der Handelspartner Jakober behauptet, er spräche im Namen des britischen Parlamentariers; von der rumänischen Seite hätte man geantwortet, für eine solche Angelegenheit sei das Handelsministerium nicht zuständig, aber man werde den Gesuch an die Zuständigen weiter leiten. Im September 1959 reichte der rumänische Staatsbürger jüdischer Abstammung Beri Bernard Marcu ein Gesuch beim Innenministerium ein; dabei bat er um die Freilassung seines Vaters aus dem Gefängnis — 1954 war der Vater wegen Handelns mit Devisen zu einer Freiheitsstrafe mit Zwangsarbeit verurteilt worden. In seinem Gesuch bot Herr Bernard Beri Marcu dem rumänischen Staat eine Entschädigung von 10.000 US-Dollar, und präzisierte, das Geld käme von den im Ausland lebenden Verwandten des Gefangenen, die nicht nur seine Freilassung, sondern auch das Ausstellen eines Visums für das Aussiedeln nach Israel wünschen. Der Vorschlag Bernard Beri Marcus wurde angenommen, eine Bank wurde genannt, der Empfänger sollte den Betrag in rumänischen Lei erhalten. Dies scheint das erste Ausreisevisum zu sein, das von den rumänischen Behörden mit Genehmigung von höchster Stelle gegen Bezahlung ausgestellt wurde. Besonders wichtig ist dabei, dass es nicht nur um einen Reisepass, sondern auch um eine Freilassung aus dem Gefängnis handelte.“




    Der Freikauf von Menschen war ein Geschäft mit gro‎ßem Potential, und die Regierung in Bukarest konnte sich eine solche Gelegenheit nicht entgehen lassen. Dr. Germina Nagâţ erläutert weiter:



    Nach weiteren gelungenen Transaktionen und Importen von Tieren (Schweine, Rinder, Geflügel) oder anderen Waren notierte die Securitate 1960, man habe bei Gesprächen mit Herrn Jakober in London Folgendes festgelegt: Nach der Ankunft des ersten Rinder- oder Schaftransports in Rumänien werde das Ausreisevisum für Mentzer Marcu, Vater von Beri Bernard Marcu, ausgestellt, weil Jakober das Geld erst nach der Ausreise von Mentzer Marcu erhalten werde. Nach Lieferung der Corrierdale-Schafe werde auch der Familie von Bernard Beri Marcu die Ausreise genehmigt, und Bernard Beri Marcu selbst werde erst nach Lieferung der Zebu-Rinder ausreisen dürfen. Die Dokumente zeigen harte Geschäftsleute am Werk, es wird Tierkopf gegen Menschenkopf verhandelt. Die Verhandlungen um Rinder, Schafe und Schweine liefen gleichzeitig mit den Verhandlungen um den Freikauf von Menschen und wurden in denselben Dokumenten eingetragen. Ab 1958 wurde die Ausreise von jüdischen Familien nach Eintreffen im Land von Kühen, Schafen und Schweinen, später auch von Hunden der Rasse Collie, Futter, Melkmaschinen oder Apparatur zum Herstellen von Medikamenten genehmigt. Ab 1961 jedoch wurden die Kombinationen gegen Barzahlungen“ vorgezogen. Die rumänischen Behörden waren an speziellen Waren und an Bargeld interessiert und stellten ohne zu zögern die gewünschten Ausreisevisa aus, (ich zitiere) zum Aufrechterhalten der normalen Beziehungen zu Jakober und zum Aufnehmen von eventuellen neuen Kombinationen.“




    Für Geldsummen wurden Leute aus dem Gefängnis entlassen, 1961 auch Rumäniendeutsche, zu denen Personen gehörten, die wegen sog. Vaterlandsverrats“ verurteilt worden waren. Dr. Germina Nagâţ zitierte aus einem im November 1962 an die Securitate gesandten langen Bericht über die Bemühungen der damaligen Landsmannschaftschefs, den Freikauf von Sachsen und Schwaben via Jakober bei den deutschen Behörden zu bewirken. Diese winkten jedoch ab — und fanden eine andere Lösung.



    In den fünfziger Jahren begann auch im Falle der deutschen Minderheiten die Ausstellung von Ausreisevisa gegen entsprechende Bezahlung. Eine Stuttgarter Rechtsschutzstelle der evangelischen Kirche holte inhaftierte Priester und politische Gefangene in Osteuropa aus dem Gefängnis und organisierte ihre Ausreise in den Westen. Die Kosten trugen meist die Angehörigen — teilweise Summen im fünfstelligen Bereich.



    Nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Rumänien und der Bundesrepublik Deutschland 1967 erhielt dann ein Rechtsanwalt, Dr. Heinz Günther Hüsch, durch das damalige Ministerium für Vertriebene und Flüchtlinge den Auftrag, zu längerfristigen Vereinbarungen mit höheren Ausreisezahlen zu gelangen. Nach Eingliederung dieses Ministeriums in das Innenressort bildeten dessen Minister und dessen Bürokratie das verschwiegene Gerüst, dessen Rückhalt Dr. Hüschs ungewöhnliche Arbeit ermöglichte. Im Zeitraum von 1968 bis 1989 war Hüsch Deutschlands Verhandlungsführer in der Geheimsache Kanal über den Freikauf von 226.654 Rumäniendeutschen. Im Zuge dessen hatte er unter dem ihm von der Securitate gegebenen Decknamen Eduard mehr als 200 offizielle und zwischen 600 und 1000 inoffizielle Treffen mit Vertretern der rumänischen Regierung. Seine Mission endete erst mit dem Sturz des Ceaușescu-Regimes während der Rumänischen Revolution 1989.







    In der folgenden, knapp 15-minütigen Originalton-Aufnahme zum Nachhören erinnert sich Dr. Heinz Günther Hüsch an die Verhandlungen: src=/files/Panoramice/Pro

    Foto: www.kas.de/rumaenien


    (Zum Vergrö‎ßern anklicken.)




    Dr. Hüschs Auftrag blieb als Konsens der politischen Parteien und der Regierungen bis im Herbst 1989 bestehen. Bundeskanzler Helmut Schmidt konnte bei seinem Besuch in Bukarest im Januar 1978 für den Zeitraum von fünf Jahren die Ausreise von jährlich 11.000 Deutschen aus Rumänien erreichen. Mitte der 1980er Jahre stieg die Aussiedlerzahl auf 16.500, die höchste Aussiedlerzahl vor der Wende wurde 1989 mit 23.387 Aussiedlern erreicht. Mit dem Anstieg der Aussiedlerzahl wuchsen auch die Prokopfpreise, die sich im Durchschnitt zwischen 6.000 und 8.000 DM bewegten. Ein Abbruch der Verhandlungen sei von deutscher Seite mehrfach erwogen worden, weil man wiederholt über das Verhalten der rumänischen Seite, die bis zu Erpressungsversuchen ging, empört war, sagte Dr. Hüsch.



    Durchgesetzt hat sich jedoch letztlich bei allen Parteien die Auffassung, man solle das Mögliche tun, um den Rumäniendeutschen die Ausreise aus dem diktatorischen Staat, aus Unfreiheit und wirtschaftlicher Not zu ermöglichen. Es sei eine humanitäre Aktion gewesen, gekauft wurde Freiheit, das entspreche der Fürsorgepflicht, die Deutsche für Deutsche haben, so der langjährige Verhandlungsführer. Er habe die grö‎ßte Aktion dieser Art in der europäischen Nachkriegsgeschichte aus Überzeugung vermittelt, versicherte Dr. Hüsch. Die Gesamtzahl der deutschstämmigen Aussiedler, die während des Kommunismus Rumänien gegen Bezahlung verlassen haben, konnte nicht genau ermittelt werden — es dürften zwischen 250.000 und 400.000 Personen gewesen sein.



    Deutsch von Daniela Cîrjan




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  • Kämpfer für die Freiheit: Corneliu Coposu (1914-1995)

    Kämpfer für die Freiheit: Corneliu Coposu (1914-1995)

    Corneliu Coposu war der Exponent der rumänischen Politik, der Mann, der die Verbindung zum demokratischen Rumänien aus der Zeit vor der Machtübernahme durch die Kommunisten aufrechterhielt. An der Seite von Ex-König Mihai I. leistete Coposu nach der Wende einen beträchtlichen Beitrag zur Wiedergeburt des demokratischen Geistes in Rumänien. Die rumänische Gesellschaft fühlt sich ihm zutiefst verpflichtet, weil er als Vorbild diente, für seine Überzeugung, dass man sich die Freiheit, Gerechtigkeit und Ehre erkämpfen muss, für die Rechtschaffenheit und Hingabe, mit der er seinen Kameraden im rumänischen Gulag folgte. Für all das bekam er den Beinamen Der Senior“.



    Corneliu Coposu wurde am 20.Mai 1914 als Sohn eines griechisch-katholischen Priesters im Nordwesten Rumäniens geboren. Er studierte Jura und promovierte in Rechtswissenschaften an der Universität Klausenburg. Coposu sollte später zum engen Vertrauten des Anführers der Christlich-Demokratischen und Nationalen Bauernpartei (PNŢCD), Iuliu Maniu, werden. Ihm diente er als persönlicher Sekretär. Am 14. Juli 1947 wurden Coposu und die gesamte Führung der Bauernpartei infolge einer Inszenierung der kommunistischen Regierung verhaftet. Er wurde zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verhaftet und nach einer 17-jährigen Haft 1964 freigelassen. Davon hatte Coposu 9 Jahre in vollständiger Isolationshaft im berühmt-berüchtigten Gefängnis von Râmnicu Sărat verbracht.



    Und dennoch überlebte der Politiker das Vernichtungsregime, dem die rumänische Demokratie nach 1945 ausgesetzt worden war. Die Journalistin Lucia Hossu-Longin fragte Coposu in einem Interview 1993, ob er einen anderen Weg wählen würde, wenn er die Zeit zurückdrehen könnte.



    Nein. Ich habe mich einer Gewissensprüfung unterzogen, habe alle Leiden, das ganze Elend Revue passieren lassen, das ich während meiner Haftzeit und während meiner Verfolgung nach der Freilassung erlebt habe, und ich glaube, ich hätte keine andere Wahl gehabt. Ich würde mich mit geschlossenen Augen für dasselbe Schicksal entscheiden. Wahrscheinlich ist unser Schicksal bereits vorher besiegelt. Ich bin kein Fatalist, aber ich glaube, dass, wenn mir Alternativen vor die Augen geführt werden sollten, ich genau dieselbe Vergangenheit wählen würde, die ich erlebt habe und die ich gelassen wiederholen würde.“




    Eine Begegnung mit derartigen Menschen ist ein Privileg. Die höchste existentielle Erfahrung war das Gefängnis, für Corneliu Coposu war es die Justizvollzugsanstalt in Râmnicu Sărat.



    Das Gefängnis in Râmnicu Sărat hatte 34 Zellen, davon jeweils 16 im Erdgeschoss und im ersten Stock, die durch ein Drahtnetz voneinander getrennt waren. Dann gab es noch zwei seitliche Zellen und weitere Strafzellen im Untergeschoss. Jede Zelle war 3 Meter lang und 2 Meter breit. Sie waren wie Zellen eines Wabengebildes, nebeneinander aufgestellt. In 3 Metern Höhe war ein kleines, unzugängliches Fenster, 45×30 Zentimeter gro‎ß, mit einem Rolladen davor, das kein Tageslicht zulie‎ß. Es gab eine 15 Watt-Birne, die ununterbrochen an war und die im Inneren ein gruftartiges Licht spendete. Eine Heizung gab es nicht, der Knast stammte vom Anfang des 20. Jahrhunderts, es hatte sehr dicke Mauern. Der Komplex war von zwei Reihen von Mauern umgeben, die 5-6 Meter hoch waren, dazwischen war ein Kontrollstreifen. Entlang der zweiten Mauer waren die Wachtürme, in denen bewaffnete Soldaten standen.“




    Das totalitäre Regime betrachtete die Menschen nicht als Wesen mit Vornamen und Familiennamen, sondern als Zahlen. Corneliu Coposu erinnerte sich 1993 an sein Leben und das Leben anderer im Gefängnis.



    Jedem Gefangenen wurde eine Nummer zugewiesen, das war auch die Zellen-Nummer. Keiner hatte einen Namen, unsere Namen waren unbekannt. Wir wurden nach unserer Zellen-Nummer identifiziert. Jeder Gefangene war allein in der Zelle und jedwedes Gespräch und jedwede Beziehung zu anderen Gefangenen aus anderen Zellen war ausgeschlossen. Lange Zeit wurde durch das Morsealphabet, durch Schläge gegen die Wand kommuniziert. Dieses System flog dann auf und die Haftinsassen wurden hart bestraft. Nachher wurde durch ein Morse-Husten kommuniziert. Das war erschöpfend, insbesondere weil wir, alle Gefangene, uns in einem schwachen Zustand befanden. Ich war in der Zelle Nr. 1, über mir, in der Zelle Nr. 32, war [der Vizepräsident der Bauernpartei] Ion Mihalache. Mit diesem konnte man am Anfang noch durch das Morsealphabet kommunizieren. Nach 4-5 Jahren lie‎ß sein Hörsinn nach, er reagierte nicht mehr auf die Wand-Schläge.“




    Nach der Wende von 1989 sagte Corneliu Coposu, Rumänien müsse eine Wiedergeburt erfahren. Seiner Meinung nach brauchte dafür das Land eine Persönlichkeit, um das Selbstvertrauen wiederherzustellen. Diese Persönlichkeit war für Coposu König Michael I.



    Meine prodynastische Einstellung beruht auf meiner festen Überzeugung, dass heute in Rumänien keine andere Person die Sympathie und das Vertrauen der Mehrheit der Bevölkerung besser als König Michael polarisieren kann. Es gibt keine andere Person. Und wenn es unter unseren Politikern keine solche Person gibt, der die Mehrheit der Bevölkerung vertraut und die intern die Stabilität und extern die Glaubwürdigkeit garantieren kann, dann kehren wir zum König zurück. Für ihn war 1944 das Land das Wichtigste, er hatte eine klare antikommunistische Einstellung. Er kann ein neutraler Schlichter in der rumänischen Politik sein. Die Motivation dieser promonarchischen Einstellung ist pragmatisch. Legen wir die Sentimentalität und jedwede Romantik zur Seite. Würde es eine Person geben, die das Vertrauen der Bevölkerung und die Sympathie der Mehrheit der Rumänen polarisieren könnte, bräuchten wir keine Rückkehr zum König. Wir können aber nicht über Nacht erstrangige Persönlichkeiten bilden. Wir bräuchten dazu weitere 30-40 Jahre.“




    In 2014 jährt sich zum 100. Mal der Ausbruch des 1. Weltkriegs. Corneliu Coposu wäre dieses Jahr auch 100 Jahre alt geworden.



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  • Literatur im Kommunismus: Vom sozialistischen Realismus zum sozialistischen Humanismus (1965-1974)

    Literatur im Kommunismus: Vom sozialistischen Realismus zum sozialistischen Humanismus (1965-1974)

    Die Literatur war eine der von den Kommunisten bevorzugten Kunstformen. Die Überzeugungskraft des literarischen Textes, die Profile der rudimentär skizzierten Charaktere, die auf die Instinkte der Menschen einwirkten, verhalfen dem Regime zu viel grö‎ßeren Erfolgen, als es Literaturhistoriker einräumen wollen.



    Die Methode des literarischen Schaffens in den 1950er Jahren wurde als sozialistischer Realismus bezeichnet und von den sowjetischen Kulturagenten eingeführt. Ab 1965 hatte das Regime des jungen Führers Nicolae Ceauşescu die Erneuerung des Landes durch eine vermeintliche Aufhebung der Ideologie geplant. Im Zuge dessen wurde die Literatur von den Zwängen des sozialistischen Realismus befreit. So konnte das Regime einige Intellektuelle zur Zusammenarbeit überreden, die in der Tat dachten, ein neues Zeitalter würde gerade eingeläutet. Allerdings sollten die Hoffnungen derjenigen, die ihre Dienste zur Verfügung gestellt hatten, in den 1980er Jahren zertrümmert werden: Es stellte sich heraus, dass das Regime von Nicolae Ceauşescu nichts Anderes als ein Stalinismus mit verändertem Antlitz war.



    Der Historiker Cristian Vasile vom Nicolae Iorga“ – Institut in Bukarest nennt zwei Fälle von Intellektuellen, die sich dem neuen literarischen Kanon des kommunistischen Regimes von Ceaușescu zwischen 1965 und 1974 angepasst hatten. Das war zum einen der Übersetzer und Literaturhistoriker Alexandru Balaci und zum anderen der Schriftsteller Alexandru Ivasiuc. Über Alexandru Balaci sagte Vasile, er habe als stellvertretender Kulturminister versucht, bei einem Besuch in Bulgarien 1967 die neue literarische Methode des sozialistischen Humanismus in Schutz zu nehmen.



    Balaci hatte auch Treffen mit den Parteiaktivisten in mehreren Städten, mit Kulturpersönlichkeiten, er besuchte unterschiedliche Kultureinrichtungen und, was mir am wichtigsten scheint, er hielt mehrere Konferenzen an der Oberen Parteischule in Sofia. Die rumänischen Quellen erwähnen vier Konferenzen mit Alexandru Balaci in der Hauptrolle, bei denen er nicht weniger als 80 Fragen gestellt bekam. Darunter waren einige Fragen, die ihn vielleicht nicht vor ein Problem stellten, aber immerhin eine aufmerksame, nuancierte Haltung verlangten, begleitet von diplomatischem Geschick und eventuell ausweichenden Antworten. Einige der Fragen bezogen sich zum Beispiel auf die Literatur der mitwohnenden Nationalitäten und den Stand der kulturellen Beziehungen zur UdSSR. Die interessanteste Frage aber lautete wie folgt: ‚Welchen Standpunkt haben die rumänischen Intellektuellen zum sozialistischen Realismus?‘ Die Frage schien einen anachronisch-dogmatischen und irgendwie provozierenden Charakter zu haben, und das aus zwei Gründen: Der sozialistische Realismus war die einzige zulässige Schaffensmethode, die mit dem Stalinismus in Verbindung gebracht und von den Sowjets auferzwungen wurde, dazu standen die bulgarischen Kommunisten dem Kreml noch näher als die Rumänen. Zweitens hatten Nicolae Ceauşescu und die Parteibürokratie zumindest offiziell darauf verzichtet, von den Intellektuellen die Einhaltung des sozialistischen Realismus zu verlangen. Die einzige Schaffensmethode der 1950er Jahre war im Prinzip von dem sozialistischen Humanismus ersetzt worden, ein Begriff, der in den Parteidokumenten und den Vorträgen von Ceauşescu vorkam. Alexandru Balaci hat seine Verwirrung zum Ausdruck gebracht und seine Gesprächspartner gebeten, den sozialistischen Realismus im neuen Kontext zu definieren.“




    Der zweite Fall, der des Schriftstellers Alexandru Ivasiuc, birgt eine viel traurigere Geschichte, wie der Historiker Cristian Vasile erzählt.



    Der spätere Schriftsteller hatte 1956, als Philosophie-Student und vor dem Hintergrund der Revolte in Budapest, den Sinn der Vorlesung »Grundlagen des Marxismus-Leninismus« hinterfragt, eine Vorlesung, die an allen Universitäten zur Grundausbildung gehörte. Ivasiuc lehnte die marxistisch-leninistische Disziplin ab und wurde wegen seiner trotzenden Haltung zu sieben Jahren Haft und Hausarrest verurteilt. Neben der Anfechtung des Studienplans hatte er eine Solidarisierungsaktion der Studenten mit der Revolte in Ungarn geplant. Als Erwachsener erlebt Alexandru Ivasiuc allerdings einen tiefen Wandel. Er wählt eine seltsame Form von Marxismus, die ihm eine Annäherung an das politische Regime ermöglicht, das ihn zehn Jahre zuvor als Feind, Anstifter und Konterrevolutionär bezeichnet und ins Gefängnis geschickt hatte. Obwohl er zwischen 1956 und 1963 allen Erniedrigungen der einsamen Haft und des Hausarrests ausgesetzt worden war, schien er jetzt von den Beziehungen zwischen dem Individuum und der Machthaber besessen zu sein. In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre strebte er eine soziale Wiedereingliederung an, die ihn den ideologischen Herrschern näherbringen sollte. Unmittelbar nach Verbü‎ßung der Strafen 1963 wird er zum Beamten in der US-Botschaft in Bukarest. Gleichzeitig widmet er sich der literarischen Arbeit, später wird er in Führungsämter gelangen. Und in derselben Zeitspanne wird die Verwandlung von Ivasiuc bemerkbar, die in seinen Romanen »Intervall«, »Nachtforschung«, »Die Vögel«, »Erleuchtungen« zu spüren ist. Einige Kritiker und Literaturhistoriker haben auf eine bemerkenswerte Tatsache hingewiesen: In der politischen Prosa jener Zeit, den sogenannten Romanen des sogen. ‚eindringlichen Jahrzehnts‘, wurden die von dem Regime bedrängten Personen fiktiv rehabilitiert, während in den Schriften des ehemaligen politischen Häftlings Ivasiuc die Folterer rehabilitiert und die Opfer noch einmal verurteilt werden. Unabhängig der Frage, ob Ivasiuc ein ehrlicher konvertierter Marxist oder lediglich ein Zyniker war, spiegelt sein Fall offenbar den Erfolg der perversen Mechanismen der kommunistischen Pädagogie wider. Viele seiner Ausdrucksformen in der Öffentlichkeit haben den Eindruck hinterlassen, dass sie von einem Menschen stammten, der einen starken inneren Wandel erlitten hat.“



    Der sozialistische Humanismus ist 1989 mit der gesamten Kulturpolitik des Ceaușescu-Regimes verschwunden. Er war lediglich ein weiteres Kapitel der betrügerischen Kunst, die auch mit politischer Unterstützung sich nicht als authentischer Wert etablieren kann.



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  • Königin Maria von Jugoslawien

    Königin Maria von Jugoslawien

    Prinzessin Maria von Hohenzollern-Sigmaringen wurde am 6. Januar 1900 als drittes Kind und zweite Tochter von Ferdinand, dem zukünftigen König Rumäniens, und seiner Ehefrau Maria geboren. Ihre Mutter gab ihr den Spitznamen Mignon, nach der gleichnamigen Oper von Ambroise Thomas, einem französischen Musiker, der zwischen 1811 und 1896 gelebt hat. Genannt wurde sie weiter Marioara oder Mărioara, liebkosende Verkleinerungsformen ihres Namens. Sie wurde die erste und einzige Königin Jugoslawiens, nach ihrer Hochzeit mit König Alexander I.



    Maria von Hohenzollern-Sigmaringen wurde ein paar Monate nach ihrer Geburt orthodox getauft. In ihren Memoiren Meine Lebensgeschichte“ beschrieb ihre Mutter sie als ein fröhliches, lachendes Kind, das erstaunlich liebevoll“ war. Sie wurde zusammen mit ihren Brüdern privat geschult. Einer ihrer Lehrer war der berühmte rumänische Historiker Nicolae Iorga. Während des 1. Weltkriegs musste die zusammen mit der Familie nach Iași (Jassy), im Osten Rumäniens fliehen. Nach Ende des Krieges ging ihr Bruder nach Gro‎ßbritannien studieren. Sie werden sich erst 25 Jahre später, im Exil, treffen.



    Das Kriegsende brachte auch den ersten gro‎ßen Wandel in ihrem Leben. Am 9. Juni 1922, im Alter von 22 Jahren, heiratete Mignon König Alexander I. Karadschordschewitsch (serbisch: Karađorđević), den Vereiniger der Serben, Kroaten und Slowenen. Die scheue und bescheidene Prinzessin wurde Königin von Jugoslawien. Die beiden hatten sich 1921 bei einem Rumänienbesuch des jugoslawischen Königs getroffen. Die Verlobung fand in Bukarest statt, die Hochzeit in Belgrad. An dieser nahmen viele Angehörige der europäischen Königshäuser teil.



    Mignon handelte wie eine echte Königin und lernte die Sprache ihrer Untertanen. Das Königspaar hatte drei Kinder: Peter, der später König wurde, Tomislav und Andreas. Man sagt, die Königin habe schon am ersten Tag ihr neues Volk verführt. 1934 folgte jedoch der zweite Wandel im Leben der Königin. Ihr Ehemann, König Alexander I., kam durch ein Attentat in Marseille ums Leben. Danach trug Königin Maria bis zum Ende ihres Lebens Trauerkleidung.



    An ihrer Seite stand auch ihr Sohn, der minderjährige König Peter II. Als der Prinzregent Paul Karađorđević 1941 dem Antrag Hitlers zustimmte, durch Jugoslawien Waffen nach Griechenland zu transportieren, protestierte Mignon heftig. Der zweite Schock kam im April 1941, als Jugoslawien von Deutschland und Italien besetzt und aufgelöst wurde. Mignon und ihr Sohn gingen ins Exil in die Schweiz. Das Ende des 2. Weltkriegs brachte mit sich den dritten Wandel im Leben der Königin. Die Kommunisten von Tito übernahmen die Macht, riefen die Republik aus. Dem legitimen König Peter II. wurde die Einreise verboten.



    Im Frühling 1947 folgte ein Dekret der kommunistischen Leitung Jugoslawiens. Der Königin Maria Karađorđević wurde die Staatsbürgerschaft entzogen und ihr Eigentum wurde beschlagnahmt. Ich habe alles für immer verloren“, schrieb sie der Königsmutter Elena, der Mutter des rumänischen Königs Michael I. von Rumänien. Ich habe das Land meiner Eltern, das Land meiner Untertanen, meinen Ehemann, die Krone, den Thron meines Sohns und den Gro‎ßteil meines geerbten Eigentums verloren. Ich habe nur meine drei Söhne, Gott sei Dank sind sie gesund, eine nutzlose Freiheit und ein zu fortgeschrittenes Alter für Lebensfreude“, schrieb sie noch im Brief an ihre Mutter.



    Am 14. April 2014 hat das Oberste Gericht Serbiens ein Urteil betreffend Königin Maria ausgesprochen. Das Dekret der kommunistischen Behörden habe aus politischen und ideologischen Gründen die Menschenrechte der Königin Maria verletzt, so das Gericht. Der Rehabilitations-Antrag kam von ihren Nachfolgern, ihren Söhnen Tomislav und Andreas Karađorđević und ihren Enkelkindern Lavinia, Katarina, Dimitrie und Mihailo. Lucian Marina ist Journalist bei Radio Novi Sad. Wir haben ihn gebeten, die Entscheidung des serbischen Gerichts betreffend die Königin Maria zu kommentieren.



    Sie wurde vor kurzem bürgerrechtlich rehabilitiert. Die Entscheidung der Obersten Gerichts Serbiens war eine erwartete, normale und logische Entscheidung. Serbien blickt in Richtung Europa und hält die zivilen Rechte ein. Nach dieser Amnestie der Familie Karađorđević, der Königin Maria, müssen ihre Nachfolger das Recht auf ihr Erbe als Bürger bekommen. Im Panzerschrank des Staatschefs gibt es viele Gegenstände, die aus dem Tresor der Königin, aus der Zeit des gro‎ßen Königs Karađorđević stammten.“



    Mignon starb am 22. Juni 1961 in London. Im Sinne der Rehabilitation hat die serbische Regierung einen Ausschuss gebildet, der die Exhumierung und die Überstellung der sterblichen Überreste der Mitglieder des Königshauses Karađorđević nach Serbien organisieren soll. Diese sollen dann im Königsmausoleum Oplenac, in der Nähe von Belgrad, ihre letzte Ruhe finden.



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  • 50 Jahre seit dem Unabhängigkeitskurs der Rumänischen Kommunistischen Partei (PCR)

    50 Jahre seit dem Unabhängigkeitskurs der Rumänischen Kommunistischen Partei (PCR)

    Das Ende des Stalinismus führte nicht automatisch zum Wegfall der sowjetischen Untugenden. Die brutale Intervention gegen die ungarische Revolution von 1956, der Bau der Berliner Mauer 1961, die Kuba-Krise 1962 sowie die Unterdrückung des Prager Frühlings 1968 haben den kommunistischen Satelliten-Staaten der UdSSR eines gezeigt: Die Sowjetunion hatte nicht im Geringsten die Absicht, auf die Position des Anführers und Wegbereiters der weltweiten kommunistischen Bewegung zu verzichten. Vor diesem Hintergrund riskierte Rumänien, den eigenen Weg einzuschlagen.



    Schon die Rumänische Arbeiterpartei (PMR), die später in Rumänische Kommunistische Partei (PCR) umgetauft wurde, unternahm noch während der Amtszeit des ersten kommunistischen Präsidenten, Gheorghe Gheorghiu-Dej, erste Schritte zur Loslösung von der sowjetischen Obrigkeit. Zwischen dem 15. und dem 22. April 1964 erarbeitete die PMR-Vollversammlung die Erklärung über die Einstellung der Rumänischen Arbeiterpartei zu den Angelegenheiten der internationalen Kommunismus- und Arbeiterbewegung“. Mit diesem von der kommunistischen Landesführung in Rumänien verabschiedeten Akt wurde eine Reihe von Grundsätzen angenommen: die Einhaltung nationaler Souveränität und Unabhängigkeit, die Nichteinmischung in interne Angelegenheiten, gegenseitiger Respekt und die Anerkennung der nationalen, historischen Besonderheiten sowie das Recht einer jeden Partei, den eigenen Weg zum Kommunismus zu gehen. Damit wurde eine Neuorientierung der rumänischen Au‎ßenpolitik beschlossen, die von einigen Historikern als unabhängig von der Sowjetunion betrachtet wurde. Infolge der mutigen Resolution wurde der rumänische Präsident Dej als rebellisches Kind Osteuropas“ bezeichnet, ein Titel, den sein Nachfolger, Nicolae Ceauşescu, 1965 übernehmen sollte.



    US-Historiker Larry Watts glaubt, dass die angekündigte unabhängige Orientierung Rumäniens vor 50 Jahren noch früher begonnen hatte, gleich nach dem Tod Stalins.



    Ich bin der Meinung, dass damals nicht der Beginn einer neuen Politik angekündigt, sondern die internationale Gemeinschaft über eine bereits bewährte Politik informiert wurde. Sehr viele Leute im Westen, die an dieser Region interessiert waren, haben sich voll und ganz auf die wirtschaftlichen Aspekte der Erklärung konzentriert. Und es ist bekannt, dass es eben wegen der wirtschaftlichen Aspekte zu einer Reihe von Reibereien gekommen ist, auch innerhalb des Comecon (des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe — RGW), und dies nur wenige Stunden nach dem Tod Stalins. Die Haltung Rumäniens wurde insbesondere ab 1961 mit höchster Aufmerksamkeit verfolgt. Und diese stand auch im Mittelpunkt fast aller Evaluationsberichte der Nachrichtenagenturen, etwa der amerikanischen Agenturen.“




    Larry Watts ist ferner der Auffassung, dass die Sicherheits- und Au‎ßenpolitik die rumänischen Kommunisten beschäftigt hat. Der Historiker zeigt im Interview mit Radio Rumänien auf, welche Abfolge von Ereignissen letztlich zum Versuch führte, die sowjetische Vormundschaft abzuschütteln.



    Ein Ereignis, das gro‎ßen Aufruhr verursachte, war die Erklärung von Ministerpräsident Ion Gheorghe Maurer aus dem Jahr 1964, in der es um die Krisen rund um den Bau der Berliner Mauer 1961 sowie um die Stationierung von Raketen auf Kuba ging. In beiden Fällen hatte Moskau alle nationalen Armeen des Warschauer Paktes in Alarmbereitschaft versetzt. Das geschah ohne Rücksprache mit den Parteiführungen aus den Satelliten-Staaten, mit Ausnahme von Rumänien. Und das war der Auslöser einer Erklärung über eine deutliche und nationale Unabhängigkeitspolitik Rumäniens. Noch gravierender war die Raketenkrise auf Kuba. Bis 1956 und sogar 1962 sa‎ß Rumänien im gleichen Boot wie die anderen Mitglieder des Warschauer Paktes — wobei alle Parteien die Institutionen und die Staatspolitik selbst gestalten wollten. Zum ersten Mal nach dem Tod Stalins war es möglich, all diese Beziehungen neu zu verhandeln. Bis dato war es nur eine Politik der Untergebenheit gewesen, jetzt sollte man näher an eine Gleichstellung rücken. Rumänien wollte, neben der gewonnenen Verantwortung, auch mehr Autorität bekommen.“




    Historiker Larry Wats wei‎ß auch, mit welchen Argumenten Präsident Dej die weltweite Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte.



    Die Raketenkrise auf Kuba war eine gro‎ße Offenbarung: Man wurde sich der Tatsache bewusst, dass die Sowjetunion imstande war, einen gro‎ßen Krieg zu verursachen, ja gar einen Atomkrieg, ohne Rücksprache mit ihren Alliierten. Im Jahr 1964 hob Gheorghiu-Dej bei den Gesprächen mit dem chinesischen Premierminister Zhou Enlai genau diese Tatsache hervor: Zum ersten Mal war man sich einig darüber, dass die Sowjets dies ohne jegliche Beratungen tun konnten. Und die Beratungen waren eben die Grundlage des Warschauer Paktes gewesen, der Grundsatz für die Paragraphen, mit denen auch Rumänien sich einverstanden erklärt hatte. Rumänien hatte darauf vertraut, dass der Pakt nicht irgendwie umgangen werden kann. Das Hauptproblem bestand jetzt darin, einen Weg zu finden, um der Sowjetunion die Möglichkeiten eines Atomkriegs einzuschränken. Zweitens hat man sich die Frage gestellt, wie die einseitige sowjetische Vorgehensweise einzuschränken war, ohne Rumänien in einen Krieg zu verwickeln, auch wenn nicht unbedingt in einen Atomkrieg. In einer ersten Stellungnahme nach der Erklärung von 1964 sagte Gheorghiu-Dej Folgendes: Die Antwort des Warschauer Paktes auf jegliche Nuklearbedrohung seitens der NATO und USA sollte nicht die Eskalation der Atombewaffnung, der Spannungen sein, es sollte keine Androhung eines Atomkriegs sein. Man müsse all diese Aktionen einschränken. Die von Rumänien gestellte Grundfrage bezog sich auf die Tatsache, dass der Warschauer Pakt und die NATO dieselben Realitäten teilten. Jegliche einseitige Aktion des einen oder anderen Lagers könnte die Realität aller Beteiligten verändern.“



    Die Politik der Distanzierung von der UdSSR sollte von Dejs Nachfolger, Nicolae Ceauşescu, fortgesetzt werden. Allerdings war Ende der 1970er Jahre allen klar geworden, dass die Befreiung von der Vormundschaft der Sowjetunion unter der Beibehaltung sowjetischer Prinzipien nicht von langer Dauer sein konnte.



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