Tag: Geschichte

  • „Egregora“: Regisseur dreht Fantasy-Historienserie für Kinder

    „Egregora“: Regisseur dreht Fantasy-Historienserie für Kinder

    Neun Kinder treten eine Reise an. Den Kindern liegen Geschichte und Archäologie besonders nahe am Herzen. Auf ihrer Reise sto‎ßen sie auf einen Teil des Geheimarchivs des sogenannten Drachenordens. Die gefundenen Unterlagen enthalten verschlüsselte Texte, die auf einen verborgenen Schatz der Daker hinweisen. Das ist der Ausgangspunkt für eine Serie, die derzeit in Rumänien gedreht wird. Geheimnis, Geschichte und Glauben an die geistige Fülle dieser Orte — das bringt der Regisseur Andrei Chiriac in der Serie zusammen.



    Vor etwa 13 Jahren kam ich auf die Idee, eine Serie zu diesem Thema produzieren. Zusammen mit einem Freund besuchte ich damals Sarmizegetusa, die Hauptstadt des vorrömischen Dakiens. Die Ortsbewohner erzählten uns allerlei Geschichten über die Schätze der Daker, über die uralte Spiritualität. Und so entstand der Gedanke an einen Dokumentarfilm. Doch wir grübelten noch mehr nach und kamen zum Schluss, eine TV-Serie wäre geeigneter. Wir befinden uns in der Anfangsphase. Vor zwei Jahren unterschrieben wir einen Vertrag mit einer Werbeagentur. Wir erhielten zwar einige Mittel, doch das Budget war unzureichend für eine Filmproduktion. Wir drehten also den historischen Teil der ersten Staffel. Da ging es um die Zeit von Vlad Ţepeş (Vlad der Pfähler). Die Handlung spielte sich am Hof von Vlad Dracul, dem Vater von Vlad Ţepeş, ab. Im Mittelpunkt stand dabei die Beziehung von Vlad zum Fürsten Radu cel Frumos (Radu der Schöne).Und es gab auch noch weitere historische Anhaltspunkte, die eine wichtige Rolle spielen für die neun Kinder, die die Reise angetreten hatten. Denn die Kinder werden 2020 dieses au‎ßerordentliche Tagebuch von Vlad Ţepeş finden. Das Tagebuch ist ein Teil des Geheimarchivs des Drachenordens, einem Orden, der Vlad Ţepeş bewachte und beschützte. Im Tagebuch wird allegorisch über diesen fabelhaften Schatz der Daker erzählt, über die Geheimnisse, die die Daker von den Atlantis-Bewohnern geerbt hatten. Und das ist der Startpunkt für unsere Reise.“




    Ein vielmehr geistiger als materieller Schatz — denn er besteht geheim gehaltenen Historien, aus verborgenen Geheimnissen. Unser Gesprächspartner erzählte uns mehr darüber:



    Wir werden an den schönsten Orten Rumäniens drehen. Eigentlich ist ganz Rumänien wunderschön, also haben wir eine gro‎ße Auswahl. Bislang fanden unsere Dreharbeiten bei Cazanele Dunării (den Donaukesseln im Durchbruchstal der Donau), in den Höhlen Ponicova und Veterani und an einem Gipfel im Lotru-Gebirge statt. Wir filmten viel auch im Bucegi-Gebirge, im Obârşiei-Tal, wo wir mit den Dreharbeiten eigentlich starteten, aber auch entlang der Transfăgărăşan-Hochstra‎ße, in der Umgebung bei Sarmizegetusa, in den Höhlen Bolii und Şura Mare. Manche Orte sind dem breiten Publikum weniger bekannt, deshalb wurde ich oft gefragt, ob wir in Rumänien gedreht hätten. In Bezug auf die Teile, die wir in der Bolii-Höhle gedreht haben, wurde ich z.B. gefragt, ob wir denn nicht in Jordanien gedreht hätten. Es sind wunderschöne Orte, die aber weniger bekannt sind. Und wir zeigen sie in unserer Serie. Wir werden aber überall drehen. In den wichtigsten Burgen und Festungen in Rumänien, in den Kirchenburgen in Siebenbürgen, in der Moldau, im Ceahlău-Gebirge, im Retezat-Gebirge sowie in der Dobrudscha, im Măcin-Gebirge. Wir werden allerdings auch den Süden des Landes besuchen, in der Höhle St. Andreas filmen. Danach reisen wir nach Satu Mare (Sathmar), in den Norden. Dann nach Constanţa, zum Schwarzen Meer. Danach nach Sighişoara (Schä‎ßburg). Wir werden das ganze Land in unserer Serie umfassen.“




    Der Film geht in Richtung von Game of Thrones“ oder dem Da Vinci Code“. Der Regisseur meinte, die Serie könnte sich zur Landesmarke entwickeln. Andrei Chiriac, der Regisseur der Serie, hat folgende Botschaft für unsere ausländischen Zuhörer:



    Der Film wird sich als eine Überraschung für viele erweisen. Er wird das Interesse für Rumänien erwecken. Wir erwarten Sie auf Besuch in Rumänien. Es ist das Land des Vampirs Vlad Dracul. Es ist schon mehrmals passiert, dass Ausländer, die nach Rumänien auf Besuch gekommen waren, sich in das Land verliebten und beschlossen, hier ein Leben anzufangen. Denn sie stellten fest, dass Rumänien ein kleines Paradies auf Erden sei. Ein lebenswerter Ort.“




    Nach 20 Jahren, in denen er in den USA gelebt hat, meint Andrei Chiriac, in Rumänien lie‎ße sich gut leben. Die Ausländer spüren das. Egregora“ — denn so hei‎ßt die Serie, ist eine Hommage an die rumänische Kultur. Die Serie bringt das früher von Dakern bewohnte Gebiet und später die Zeit unter der Herrschaft von Vlad Ţepeş in den Vordergrund. Gegen Ende des Films enthüllt sich unseren Augen die au‎ßerordentliche geistige Fülle dieser Orte:



    Danke, dass Sie sich für »Egregora« interessieren. Ich verspreche, Ihnen ein besonderes Ergebnis vorzustellen, eines, das Sie herausfordern wird, in sich selbst zu schauen und dort das geistige dakische Erbe zu finden!“




    Eine spannende Serie, die wir aber erst in anderthalb Jahren werden sehen können. Und das nur unter den Umständen, dass sie kräftig finanziert wird.

  • Reformer, Playboy und Intrigant: der umstrittene König Karl II.

    Reformer, Playboy und Intrigant: der umstrittene König Karl II.

    König Karl II. wurde am 15. Oktober 1893 in Sinaia, der Sommerresidenz der rumänischen Könige von Rumänien, geboren. Er nahm 1913 am Zweiten Balkankrieg und dann am Ersten Weltkrieg teil. Als abenteuerlustiger Charakter und äu‎ßerst eitle Persönlichkeit verzichtete Karl II. zweimal — 1918 und 1925 — auf den rumänischen Thron. 1920 wurde sein erstes Kind aus seiner Ehe mit Ioana Lambrino geboren, einer Ehe, die ohne die Zustimmung des rumänischen Parlaments stattgefunden hatte. Nach der Scheidung von Lambrino folgte die legitime Ehe mit Prinzessin Elena von Griechenland, aus der 1921 König Michael I. von Rumänien geboren werden sollte.



    Als sein Vater, König Ferdinand I., 1927 starb, befand sich Karl im Exil, während Rumänien von einem Regentenrat im Namen seines minderjährigen Sohnes regiert wurde. 1930 kehrte Karl nach eindringlicher Aufforderung durch die rumänische politische Klasse auf den Thron zurück. In den mehr als 10 Jahren, in denen er Rumänien regierte, hat Karl II. das Land verändert. Während seiner Regierungszeit lie‎ß er unter anderem den Königlichen Palast errichten und die berühmte Kulturinstitution Königliche Stiftungen“ nahm ihre Arbeit auf. Der Jurist Radu Boroş, der am Institut für Luftfahrtrecht in Königsberg, Deutschland, promoviert hatte, bekleidete in den 1930er Jahren verschiedene Ämter in der rumänischen Luftwaffe. In einem Interview von 1995 mit dem Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte des rumänischen Rundfunks hob Boroş die Rolle hervor, die König Karl II. bei der Stimulierung der Entwicklung der rumänischen Luftwaffe spielte.



    Ich möchte sagen, dass König Karl II. für mich ein gro‎ßer König war. Und wenn die Rumänen das verstanden hätten, hätten wir viel grö‎ßere Fortschritte gemacht, als es der Fall war. Alles, was vom Ende des Ersten Weltkrieges bis zum Zweiten Weltkrieg erreicht wurde, alles, was im Land, in der Industrie, in der Verwaltung usw. erreicht wurde, war von ihm ausgegangen, wurde durch ihn gefördert und durchgeboxt. Als er [aus dem Exil] nach Rumänien kam, hatte Rumänien aus der Sicht der Luftfahrt nichts. Während des Ersten Weltkriegs hatten wir nur wenige Flieger und Ballons. Wir haben uns mehr mit Ballons als mit Jagdflugzeugen oder Bombern beschäftigt. Daher beschloss er, die Entwicklung der Luftfahrt, insbesondere der Militärluftfahrt zu fördern. Im Bereich der Militärluftfahrt hat König Karl II. den Bau der Fabriken von I.A.R. Braşov durchgesetzt, wo wir auch ein Kampfflugzeug, I.A.R. 14, gebaut haben, das damals, in den Jahren 1937–38, eines der besten war. Neben der militärischen Luftfahrt erkannte König Karl II., dass wir auch eine zivile Luftfahrt brauchten. Weitsichtig wie er war, erkannte der König, dass das Flugzeug ein wichtiges Transportmittel werden würde. Und so beschloss er, eine rein rumänische Luftverkehrsgesellschaft zu gründen. Vor der Gründung dieser rumänischen Gesellschaft hatte Rumänien zusammen mit Frankreich an einem französisch-rumänischen Unternehmen teilgenommen.“





    Aber der Souverän hatte auch charakterliche Schwächen, die das Funktionieren des Staates und sein Ansehen in der Nachwelt beeinträchtigten. Er umgab sich mit geldgierigen Menschen, die einen schädlichen Einfluss auf ihn ausübten, und war ein Frauenheld, der in die Fänge machtgieriger Maitressen gelangte. Auf au‎ßenpolitischer Ebene versuchte der rumänische König eine Gratwanderung zwischen den Interessen der Gro‎ßmächte, um ein gewisses Gleichgewicht herzustellen, aber ohne gro‎ßen Erfolg.



    Radu Lobei war Kommandant der Königlichen Garde und erinnerte sich in einem Interview von 1994 an die Besuche des Souveräns 1938 in Frankreich, Gro‎ßbritannien und Deutschland.



    Im November 1938 begleitete ich den König nach London, mit einem von Premierminister Armand Călinescu gut eingeführten Programm, mit täglichen Hinweisen, ein Programm, das schwer zu befolgen war, weil der britische Hof Karl II. nicht willkommen hei‎ßen wollte. Und selbst die französischen Behörden machten es zur Bedingung, dass Frau Lupescu [die damalige Maitresse des Königs] ihn nicht nach Frankreich begleiten sollte. Und natürlich traf am Tag nach der Ankunft von König Karl auch Frau Lupescu ein, aber sie wohnte nicht im selben Hotel. Wir machten den Besuch in Paris und fuhren dann nach London, wo wir fast 10 Tage blieben. Wir kehrten nach Paris zurück, von wo aus wir nach Rumänien zurückkehren sollten — so sah es das Programm vor. Und eines Morgens sagte mir der König, wahrscheinlich am 9. November, als ich ins Hotel Meurice ging, in dem Karl wohnte, er habe beschlossen, nach Berchtesgaden zu fahren, um den Reichskanzler Hitler zu besuchen, ohne irgendein Programm vereinbart zu haben! Mir fiel der Himmel auf den Kopf! Stellen Sie sich vor: Diese Besuche waren unter solchen Schwierigkeiten organisiert worden, um gute Beziehungen zu den Westmächten wiederherzustellen, und der König wollte zu Hitler… Es war sehr schwierig gewesen, diese Besuche überhaupt stattfinden zu lassen, besonders die Visite in Gro‎ßbritannien.“



    1940 kam die Katastrophe. Es war das Jahr, in dem Rumänien die am Ende des Ersten Weltkriegs unter gro‎ßen Opfern gewonnenen Gebiete verlor: Bessarabien, die Nordbukowina, Nordsiebenbürgen und die Süddobrudscha. Im September 1940 verlie‎ß Karl II. den Thron Rumäniens ruhm- und glanzlos und ging mit seiner Geliebten Elena Lupescu und einigen engen Vertrauten erneut ins Exil. Er starb am 4. April 1953 in Estoril, Portugal. Bei seiner Beerdigung waren nur wenige Personen anwesend, darunter sein Bruder Nicolae.

  • 80 Jahre seit Abtretung der Süddobrudscha: ein Kompromiss für den Frieden

    80 Jahre seit Abtretung der Süddobrudscha: ein Kompromiss für den Frieden

    Die Süddobrudscha wurde 1913 nach dem Vertrag von Bukarest Teil Rumäniens. Im Jahr 1912 hatte die aus Bulgarien, Griechenland, Serbien und Montenegro gebildete Balkanliga eine Militäroffensive gegen das Osmanische Reich begonnen. Nach zweimonatigen Kämpfen gewannen sie Albanien, Mazedonien und Thrakien. Missverständnisse zwischen den Verbündeten über die Aufteilung des eroberten Gebiets führten jedoch zum Zweiten Balkankrieg zwischen Bulgarien und Serbien, Griechenland und Montenegro. Rumänien wurde in den Streit mit Bulgarien verwickelt, und am 10. August 1913 wurden mit dem in Bukarest unterzeichneten Friedensvertrag die Grenzen zwischen den Balkanstaaten neu gezogen.



    Der Konkurrenzkampf zwischen den Balkanstaaten um Gebiete unter der Kontrolle des Osmanischen Reiches geht auf das 19. Jahrhundert zurück und war in der Tat heftig und führte häufig zu ziviler und militärischer Gewalt. Dies war die Zeit des radikalen Nationalismus, als die politische Agenda von territorialen Ansprüchen beherrscht wurde. Diese Ansprüche basierten auf historischen Rechten und der ethnischen Zusammensetzung der verschiedenen Regionen. So fühlte sich jeder Balkanstaat berechtigt, so viel Territorium wie möglich zum Nachteil seiner Nachbarn zu besetzen.



    Auch Westmächte engagierten sich auf dem Balkan, indem sie die eine oder andere Nation unterstützten und versuchten, die Karten entsprechend ihren eigenen Interessen und der Situation vor Ort neu zu zeichnen. Frankreich und Gro‎ßbritannien unterstützten Griechenland und Serbien, Deutschland unterstützte Rumänien und Bulgarien und Österreich-Ungarn und Italien unterstützten Albanien.



    In diesem Zusammenhang gab der Vertrag von Bukarest Rumänien die Süddobrudscha, ein Gebiet, dessen Bevölkerung sich damals ethnisch ziemlich bunt zusammensetzte: 47% Bulgaren, 37% Türken, 4% Roma, 4% Tataren und 2% Rumänen bestand. Die Süddobrudscha war Rumänien erstmals nach dem russisch-rumänisch-türkischen Krieg von 1877–1878 durch den Vertrag von San Stefano und Berlin versprochen worden. Russland hatte Rumänien dieses Gebiet im Austausch gegen Südbessarabien versprochen, aber Rumänien erhielt nur die Norddobrudscha.



    Rumänien fühlte sich ungerecht behandelt und behielt das Thema auf seiner Tagesordnung. Nach seinem Sieg 1913 konnte Rumänien die Süddobrudscha nur drei Jahre lang behalten. Als es 1916 an der Seite Frankreichs, Gro‎ßbritanniens und Russlands in den Krieg eintrat und von Deutschland besetzt wurde, verlor Rumänien die gesamte Dobrudscha, die von den Mittelmächten besetzt wurde. Am Ende des Kriegs, nach dem Vertrag von Neuilly sur Seine, ging die Grenze zwischen Rumänien und Bulgarien auf die von 1913 zurück.



    Zwischen 1918 und 1940 richtete Rumänien seine Au‎ßenpolitik an der Frankreichs und Gro‎ßbritanniens aus, was 1940 zum Zusammenbruch seiner Grenzen unter der neuen europäischen Ordnung Nazi-Deutschlands führte. Im Juni 1940 besetzte die Sowjetunion im Einvernehmen mit Deutschland nach zwei Ultimaten an die Regierung in Bukarest Bessarabien und die Nordbukowina. Ende August 1940 besetzte Ungarn Nordsiebenbürgen, und am 7. September 1940 wurde in Craiova ein Vertrag unterzeichnet, mit dem Rumänien die Süddobrudscha an Bulgarien abtrat. Beide Verträge wurden Rumänien von Deutschland und Italien auferlegt.



    Wir fragten den Historiker Ioan Scurtu, ob das faschistische Regime, das gerade am 6. September 1940 in Bukarest an die Macht gekommen war, diesen Gebietsverlust hätte verhindern können:



    Die Frage der Süddobrudscha war von Hitler in einem Brief an König Karl II. vom 15. Juli 1940 geregelt worden, in dem er ihn aufforderte, einen Teil Siebenbürgens an Ungarn und die Süddobrudscha an Bulgarien abzutreten. Die Entscheidung wurde also bereits zu Zeiten von Karl II. getroffen. Im August fanden in Turnu Severin Verhandlungen statt, und es wurde auf der Grundlage eines Beschlusses des Kronrates unter der Leitung von Karl II. festgelegt, dass Rumänien die Süddobrudscha an Bulgarien abtreten würde. Zu Antonescus Zeit wurden also nur die Dokumente unterzeichnet, der Beschluss war bereits vorher gefasst worden.“




    Zwischen 1918 und 1940 unternahm Rumänien gro‎ße Anstrengungen zur Entwicklung der Süddobrudscha. Wie es sich in den nach dem Ersten Weltkrieg unterzeichneten Friedensverträgen verpflichtet hatte, musste Rumänien die Rechte der bulgarischen und türkischen Minderheit in Bezug auf Eigentum, Bildung und Presse in ihrer eigenen Sprache, das Wahlrecht, den Rechtsbeistand und alle anderen Rechte der rumänischen Bürger respektieren. In den 1920er Jahren mussten die rumänischen Militärbehörden die südliche Grenze konsolidieren, um mit den Einfällen der bulgarischen paramilitärischen Truppen in der Süddobrudscha fertig zu werden, die zu Plünderungen und Mord führten.



    Durch seine Bevölkerungspolitik versuchte Rumänien, die Bedrohung durch die Guerillakräfte jenseits der Grenze zu beseitigen. Die Kolonisierung der Süddobrudscha mit ethnischen Rumänen und auswanderungswilligen Aromunen aus dem ehemaligen osmanischen Mazedonien war eine weiterer Schritt, der die rumänische Verwaltung des Gebiets stärken sollte. So nahm der Anteil der rumänischen Bevölkerung in der Süddobrudscha ständig zu, auch weil Teile der bulgarischen Bevölkerung nach Bulgarien auswanderten. Laut einer Volkszählung aus dem Jahr 1930 war die ethnische Zusammensetzung des Gebietes die Folgende: 37% Bulgaren, 34% Türken, 20% Rumänen, 2% Roma und 1% Tataren.



    Abgesehen von seiner Bevölkerungspolitik hat Rumänien das Stra‎ßennetz in der Süddobrudscha ausgebaut, bestehende Stra‎ßen modernisiert und neue gebaut. Die Entwicklung von Städten wie Silistra, Bazargic (Basardschik) und Balcic (Baltschik) geht ebenfalls auf die rumänische Verwaltung zurück, wobei Balcic zur letzten Residenz der Königin Maria wurde, die einen gro‎ßen Beitrag zur Entstehung von Gro‎ßrumänien geleistet hatte. Das Schloss der Königin und seine berühmten Gärten sind auch heute noch die Haupttouristenattraktion in Balcic.

  • Verhängnisvolle 1940er Jahre in Rumänien: Auf Faschisten folgt personalisierte Militärdiktatur

    Verhängnisvolle 1940er Jahre in Rumänien: Auf Faschisten folgt personalisierte Militärdiktatur

    Die Hauptakteure, die diesen Moment ermöglichten, waren — in dieser Reihenfolge — König Karl II., General Ion Antonescu und die von Horia Sima angeführte Legionärsbewegung. König Karl II, ein abenteuerlustiger Geist mit autoritären Tendenzen, gilt als Hauptverantwortlicher für die territorialen Verluste, die das rumänische Volk 1940 erlitt. Im Juni wurden Bessarabien und die Nordbukowina von der Sowjetunion annektiert, und im August übernahm Ungarn durch den Zweiten Wiener Schiedsspruch Gebiete im Norden Siebenbürgens. Am 5. September dankte Karl II. unter dem Druck der Stra‎ße ab und überlie‎ß General Ion Antonescu das Kommando. Dieser zweite Hauptdarsteller hatte an den König ein virulentes Memo gerichtet, in dem er gegen diese kampflose Kapitulation gegenüber der Sowjetunion protestierte, die zu seiner Verbannung ins Exil führte, ihm aber auch gro‎ßes Ansehen in den Augen der Streitkräfte einbrachte.



    Der dritte Hauptdarsteller dieses Politdramas war die sogenannte Legionärsbewegung (offizielle Bezeichnung: Legion des Erzengels Michael). Diese Organisation war 1927 von Corneliu Zelea Codreanu als faschistische Organisation ins Leben gerufen worden. Die Bewegung war in den 1930er Jahren unter verschiedenen Namen wie Eiserne Garde, Gruppe Corneliu Zelea Codreanu und Partei Alles für das Vaterland“ Teil des rumänischen politischen Lebens. Die persönliche autoritäre Herrschaft von König Karl II., die von Februar 1938 bis September 1940 dauerte (auch als Königsdiktatur bekannt), bedeutete andererseits auch für die Legionäre eine Zeit der Verfolgung, wobei ihr Anführer Codreanu selbst ermordet wurde.



    Als die wichtigsten demokratischen Parteiführer, Dinu Brătianu (National-Liberale) und Iuliu Maniu (Nationale Bauernpartei), sich weigerten, eine Regierungskoalition zu bilden, wurde eine weitere Regierungskoalition gebildet, mit Legionären auf der einen Seite und zivilen und militärischen Mitarbeitern von Ion Antonescu auf der anderen. Wir sprachen mit dem Historiker Ioan Scurtu über den daraus entstandenen so genannten Nationalen Legionärsstaat“:



    Dies war das erste Mal in der Geschichte Rumäniens, dass das Land nach einer bestimmten Ideologie geführt wurde. Die Legionäre kamen mit dem Willen an die Macht, Rumänien nach ihren eigenen Vorstellungen umzukrempeln. Deshalb gelang es ihnen auch, das Land zu einem sogenannten »Nationalen Legionärsstaat« zu erklären. Es war kein regulärer Staat mehr, es war eine Diktatur. Sie begannen mit der Umgestaltung des Landes, angefangen bei der Wirtschaft. Sie ernannten sogenannte »Rumänisierungskommissare«, um in erster Linie jüdische Unternehmer zu enteignen und ihre Geschäfte zu übernehmen, aber auch rumänische Wirtschaftsunternehmen, die politischen Gegnern gehörten, wie die Papierfabrik Letea in Braşov (Kronstadt), die dem Führer der Nationalliberalen Partei Dinu Brătianu selbst gehörte. Im Einklang mit der Legionärsideologie musste ein Entwicklungsplan aufgestellt werden, der in erster Linie die Landwirtschaft und dann die anderen Wirtschaftszweige im Auge hatte, da 80% der Rumänen damals Bauern waren.“




    Auf die undemokratischen Wirtschaftsma‎ßnahmen folgten die Bereinigung“ von Kultur und Bildung. Der Historiker Ioan Scurtu dazu:



    Ideologisch und kulturell versuchten die Legionäre durch die Übernahme des nationalen Bildungsministeriums und des nationalen Propagandaministeriums die Idee durchzusetzen, dass das Individuum nur ein Zahnrad in dem riesigen Mechanismus sei, der vom Staat verkörpert werde. Der Einzelne hätte sich an die von den Legionären erlassenen Richtlinien halten müssen. Au‎ßenpolitisch orientierte man sich eindeutig an Deutschland und Italien, denn bereits im Dezember 1937, während des Wahlkampfes für die Parlamentswahl, sagte Corneliu Zelea Codreanu, dass Rumänien innerhalb von 48 Stunden nach dem Wahlsieg seiner Legionäre ein Bündnis mit Rom und Berlin eingehen würde. Auf Drängen der Faschisten und aus eigenem Willen unterzeichnete Ion Antonescu am 23. November 1940 das Bündnis Rumäniens mit Deutschland, Italien und Japan.“




    Der Historiker Ioan Scurtu führt weiter aus, dass sich Rumänien von einem geschwächten Staat in einen Staat in Aufruhr verwandelt habe:



    Es herrschte allgemeine Verwirrung, weil eine solche Umkrempelung keine greifbaren und unmittelbaren Ergebnisse bringen konnte. Der Wechsel im Management der Unternehmen, bei denen erfahrene Menschen durch Mitglieder der Legion ersetzt wurden, von denen die meisten keine Fähigkeiten zur Führung der Wirtschaft hatten, bedeutete, dass die Unternehmen schlecht geführt wurden. Fähige Lehrer und angesehene Professoren wurden aus dem Klassenzimmer oder den Unis entfernt und durch faschistische Sympathisanten ersetzt, um ihre Ideologie zu fördern. Ein ganzer Propagandaapparat wurde eingerichtet, um die Legionärsbewegung, angeführt von Codreanu und Sima, zu lobpreisen und Deutschland und Italien zu verherrlichen. Rumänien war bis dahin eng mit Gro‎ßbritannien und Frankreich verbündet gewesen, um seine territoriale Integrität zu verteidigen, au‎ßerdem konnte niemand darüber hinwegsehen, dass der Zweite Wiener Schiedsspruch [mit dem Nordsiebenbürgen an Ungarn abgetreten werden musste] auf Hitlers und Mussolinis Druck verhängt worden war. Dieses Debakel im rumänischen Staat konnte zu nichts Gutem führen, denn ein Staat ist eine sehr schwerfällige Maschinerie mit einer gro‎ßen Trägheit, die nicht von heute auf morgen verändert werden kann.“



    Der faschistische Staat der National-Legionäre dauerte bis Januar 1941, als er durch die militärische Diktatur des Generals Ion Antonescu ersetzt wurde. Antonescu sah die Legionäre als seine Rivalen an, war aber auch Befürworter einer gewissen staatlichen Raison. Mit Hilfe Nazi-Deutschlands, das ebenfalls Interesse an einem stabilen und regierbaren Rumänien hatte, entledigte sich Antonescu der Legionäre und errichtete seine persönliche Diktatur.

  • 80 Jahre seit dem Zweiten Wiener Schiedsspruch

    80 Jahre seit dem Zweiten Wiener Schiedsspruch

    Auf Druck Nazi-Deutschlands und des faschistischen Italiens musste Rumänien Nordsiebenbürgen an Ungarn abtreten. Das dritte Schicksalsschlag folgte im September 1940, als die Süddobrudscha an Bulgarien abgetreten wurde. Professor Marius Turda lehrt Geschichte der Eugenik, des Rassismus und der Biopolitik an der Oxford Brookes University. Wir fragten ihn, ob der Verlust Nordsiebenbürgens Ende der 1930er Jahre vorhersehbar war:



    Es war einigerma‎ßen vorhersehbar, wenn wir an die Propaganda denken, die das Nazi-Regime seit den 1930er Jahren verbreitet hat. Sie basierte ganz klar auf der Revision der Pariser Friedensverträge, die nach dem Ersten Weltkrieg unterzeichnet wurden. Wenn wir uns die Schriften der Nazi-Ideologen ansehen, insbesondere die Schriften Adolf Hitlers, wird es klar, er sagte in seinem Buch »Mein Kampf« sehr deutlich, dass eines der Hauptziele der neuen Nazi-Revolution die Rückkehr Deutschlands zur internationalen Lage vor 1914 sein würde. Jeder, der die politischen Entwicklungen und ideologischen Debatten in Deutschland in den 1930er Jahren aufmerksam verfolgte, wusste, dass Hitler irgendwann auf eine Lösung der Probleme im mitteleuropäischen Raum nach seiner Vorstellung drängen würde.“




    Rumänien unterzeichnete am 30. August 1940 den sogenannten Zweiten Wiener Schiedsspruch (in der rumänischen Geschichtsschreibung als Wiener Diktat bezeichnet), mit dem Nordsiebenbürgen widerstandslos abgetreten wurde, und viele Historiker fragen sich, ob das Land etwas anderes hätte tun können, als die Gebietsabtretung hinzunehmen. Der Historiker Marius Turda zu dieser Frage:



    Rumänien hätte Widerstand leisten können, es war ja ein unabhängiger und souveräner Staat und hatte die Macht, zu entscheiden. Welche Folgen ein bewaffneter Widerstand gehabt hätte, ist eine andere Debatte. Aber unter dem Gesichtspunkt der nationalen Würde hätte sich Rumänien mit Waffen gegen die 1940 in Wien getroffene Entscheidung wehren und verteidigen können. Wir müssen auch über die Auswirkungen auf die Bevölkerung nachdenken. Es ist sehr wichtig zu sagen, dass zum Beispiel die historische Provinz Marmarosch (Maramureş) nach sieben Jahrhunderten Geschichte im Jahr 1945 verschwand. Sie wurde 1940 in Ungarn eingegliedert, und 1945, als sie wieder Rumänien zugesprochen wurde, war es nur noch die Hälfte der historischen Provinz. [Der nördliche Teil der historischen Marmarosch wurde der Karpatenukraine angeschlossen — Anm. d. Red.] Es war eine direkte Folge davon, dass Rumänien 1940 nicht eingriff, um für Nordsiebenbürgen zu kämpfen. Ganz zu schweigen von den Folgen für die jüdische Bevölkerung der Marmarosch, der Region Gro‎ßrumäniens mit der höchsten Anzahl von Juden, etwa 30% der Bevölkerung der Region.“




    Vor dem 30. August 1940 versuchte Rumänien, Ungarn Alternativen vorzuschlagen, aber Ungarn akzeptierte sie nicht. Marius Turda:



    Es muss gesagt werden, dass die Regierungen in Bukarest und Budapest in gewisser Weise versucht haben, eine biopolitische Lösung für Nordsiebenbürgen durch einen Bevölkerungsaustausch zu finden. In Bukarest war [der Statistiker, Demograph und Arzt] Sabin Manuilă an diesem Programm zur Lösung des so genannten Problems der ethnischen Enklaven im Westen Rumäniens sehr stark beteiligt. Die Regierung in Bukarest wusste jedoch, dass Ungarn niemals seine Gebietsansprüche aufgeben würde, und so bestand die einzige Möglichkeit darin, die in Nordsiebenbürgen lebenden Rumänen nach Rumänien zu transferieren und damit Nordsiebenbürgen ethnisch homogener zu machen. Das Problem war aber die Marmarosch, wo es eine rumänische Bevölkerung gab, die als emblematisch für das Rumänentum galt, und eine jüdische Bevölkerung. Aber die Marmarosch wäre somit geopfert worden. Der rumänische Historiker Nicolae Iorga sagte in den 1930er Jahren, dass die Marmarosch in wenigen Jahrzehnten jüdisch werden würde.“




    Nachdem Ungarn das Gebiet in Besitz genommen hatte, wechselte es zu einer Politik der ethnischen Uniformität. Marius Turda berichtet weiter:



    Darauf folgte 1940 die Einführung von Rassengesetzen in Nordsiebenbürgen durch das Budapester Regime, das dritte antisemitische Gesetz, ein Gesetz, das Ehen zwischen Juden und Ungarn verbot. Seit Ende der 1930er Jahre gab es in Ungarn ein gro‎ßes Programm zur Förderung ungarischer Familien, um den Ungarn zu helfen, zahlreicher zu werden. Es gab ein Programm, in dessen Rahmen ihnen Landstücke zum Bau von Häusern zur Verfügung gestellt wurden. Nach dem Zerfall Jugoslawiens wurden Szekler und Ungarn aus der Bukowina nach Ungarn umgesiedelt. Die ungarische Regierung unternahm viel, um die Gebiete wieder zu besiedeln, die als ethnisch gefährlich galten, weil die Ungarn nicht in der Mehrheit waren. Auch in Transsylvanien wurden wirtschaftliche und soziale Programme eingeführt. Ebenfalls in Siebenbürgen wurde 1940 im ungarisch besetzten Cluj (Klausenburg) das erste Institut für Rassenhygiene gegründet. Es wurde eine Abteilung für Anthropologie und eine weitere für Humangenetik geschaffen. Die Idee war, zu sehen, welche Auswirkungen die sogenannte 20-jährige rumänische Besetzung Nordsiebenbürgens auf die ungarische Bevölkerung gehabt habe. Es wurden Untersuchungen der Rassenstruktur, der Sitten und der ungarischen Sprache durchgeführt, um festzustellen, ob die ungarische Nation aus ethnischer Sicht in irgendeiner Weise durch die Zeit, in der sie sich in Gro‎ßrumänien befand, beeinträchtigt worden war.“




    Die ungarische Besetzung Nordsiebenbürgens dauerte bis März 1945, als die kommunistische Regierung das Amt übernahm und die Sowjetunion die rumänische Verwaltung wieder in die lokalen Institutionen einziehen lie‎ß. Die viereinhalb Jahre der ungarischen Regierung bedeuteten eine humanitäre Tragödie: 1000 Rumänen wurden getötet, zehntausende weitere gefoltert, verhaftet und in Konzentrationslager eingesperrt. Etwa 500.000 flüchteten nach Rumänien. Im Norden Siebenbürgens wurde auch eine der schrecklichsten Seiten der menschlichen Tragödie geschrieben: der Holocaust. Aus dem besetzten Nordsiebenbürgen und der Marmarosch schickten die ungarischen Behörden etwa 166.000 Juden in Nazi-Lager, von denen 130.000 dort ums Leben kamen.

  • Arlette Coposu, die leidgeprüfte Frau des „Senioren“

    Arlette Coposu, die leidgeprüfte Frau des „Senioren“

    Über Corneliu Coposu und seine Leidensgeschichte in kommunistischen Gefängnissen ist nach 1989 viel geschrieben worden. Er war ein Vorbild für die Wiederbelebung der rumänischen Demokratie nach 1990 und ein Wahrzeichen dafür, dass man die kommunistische Gefangenschaft mit Würde ertragen kann. In der Zwischenkriegszeit war er persönlicher Sekretär des gro‎ßen christlich-konservativen Politikers Iuliu Maniu (Nationale Bauernpartei – PNŢ). Zwischen 1947 und 1964 wurde er 17 Jahre lang von den kommunistischen Behörden inhaftiert und verbrachte 8 Jahre in Einzelhaft. Im Dezember 1989 baute er mit einigen anderen Überlebenden des kommunistischen Kerkers die Christlich-Demokratische Nationale Bauernpartei (PNŢCD) wieder auf.



    Seine Frau Arlette wurde jedoch weniger Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl diese bemerkenswerte Frau es überaus verdient hätte. Sie erlebte ein noch schlimmeres Schicksal als ihr berühmter Ehemann. Nachdem ihr Mann am 14. Juli 1947 verhaftet worden war, wurde sie aus ihrem Haus vertrieben und musste zur Familie ihres Mannes ziehen. Im Jahr 1950 wurde sie zusammen mit ihrer Schwester France verhaftet und unter dem Vorwurf der Spionage für Frankreich inhaftiert. Ihre Schwester starb im Gefängnis, und Arlette, obwohl sie das Gefängnis überlebte, starb 1966, zwei Jahre nach ihrer Entlassung und der Wiedervereinigung mit ihrem Mann, an Krebs. Corneliu Coposu heiratete nie wieder, und das Paar hatte nie Kinder.



    Sie wurde 1915 als Arlette Marcovici in Constanţa geboren. Ihr Vater war der General Ion Marcovici, und ihre Mutter, Jeanne Huser, war französisch-schweizerischer Abstammung. Aus der früheren Ehe ihres Vaters stammten die drei Schwestern France, Odette und Antoinette. Die Familie Marcovici hatte ein Hotel am Meer, das Französische Hotel“, in dem sie 1941 ihren zukünftigen Ehemann, Corneliu Coposu, kennenlernte. Sie heirateten am 24. Oktober 1942 und waren nur 5 Jahre lang zusammen.



    Corneliu Coposu hat eine wichtige Rolle in der jüngsten Geschichte Rumäniens gespielt. Manche Historiker sagen, dass die Demokratie in Rumänien ohne ihn und sein Überleben unter der kommunistischen Verfolgung und Inhaftierung viel schwieriger wiederaufzubauen gewesen wäre. Um ihn über seine Politik hinaus besser kennen zu lernen, muss man seine Familie und seine Empfindlichkeiten betrachten. Ionuţ Gherasim ist Vorsitzender der Stiftung Corneliu Coposu“. Er zitiert für uns ein Porträt von Arlette, das von Flavia Bălescu-Coposu, ihrer Schwägerin, skizziert wurde:



    Dass Arlette in unser Leben trat, war ebenso überraschend wie unerwartet. Es war im Frühjahr 1941, als wir Flüchtlinge waren, weit weg von zu Hause. Unser Vater kam von einem Treffen mit dem päpstlichen Nuntius, Erzbischof Andrea Casulo, zurück und traf Corneliu, der in Begleitung einer blonden, blauäugigen jungen Frau ankam. Sie sprach die schönste rumänische Sprache, die kultivierteste, ohne jede Spur eines regionalen Akzents. Sie war strahlend und blickte einem direkt in die Augen. Vater sagte uns, er habe das Gefühl, dass sie die Braut von Corneliu sein würde. Zeitlich betrachtet dauerte die Ehe 24 Jahre, aber sie verbrachten nur 6 Jahre miteinander. In unserer kurzen Begegnung, liebten und bewunderten wir sie, weil sie die Verkörperung ihres Namens war, denn Arlette bedeutet »Ehre«. Sie war kompetent, aktiv, freundlich, gro‎ßzügig, aufmerksam, ernsthaft, kreativ und temperamentvoll.“




    Die Historikerin Andreea Mâniceanu ist die Autorin einer Biografie über Arlette Coposu. Sie verbrachte viele Stunden mit Flavia und Rodica Coposu, ihren Schwägerinnen, die ihr anhand von Fotos und Dokumenten aus dem Familienarchiv von der Beziehung ihres Bruders zu ihr berichteten. Das Ergebnis war ein kleiner Abschnitt der Geschichte, auf den die Autorin sehr stolz ist. Besonders stolz ist sie darauf, dass sie eine Heldin der jüngeren rumänischen Geschichte in den Vordergrund gestellt hat, die beispiellosem Übel gegenüberstand und es überlebte, um in die Zukunft zu blicken:



    Dies ist eine Lebensgeschichte, die ich auf ewig zu erzählen habe. Es ist die Lebensgeschichte eines Vorbildes von Würde und Bescheidenheit. Sie war eine au‎ßergewöhnliche Frau mit ungebremstem Mut und starkem Glauben. Auf dem Foto, das am Tag ihrer Entlassung nach 14 Jahren in kommunistischen Gefängnissen aufgenommen wurde, fand sie die Kraft, zu lächeln. Es ist das Foto einer Frau, die nach über einem Jahrzehnt der Qualen die Kraft findet, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Ihre Geschichte sollte der Historie nicht verloren gehen, sei es auch nur deswegen.“




    Die Geschichte von Arlette Coposu ist den Rumänen heute nicht sehr bekannt, aber sie wäre es würdig, Denkmäler wie die ihres viel bekannteren Mannes in Bukarest und im ganzen Land zu haben.

  • Osmanische Eroberung des Balkans: Lokale Handlanger erleichterten den Siegeszug

    Osmanische Eroberung des Balkans: Lokale Handlanger erleichterten den Siegeszug

    Vor der Eroberung Konstantinopels durch Sultan Mehmed II., von etwa 1360 bis 1453, gewöhnten sich die Rumänen an das Vorbild der Konfrontation und des Zusammenlebens mit den Osmanen, genau wie der Rest des Balkans. Dieses Vorbild des Zusammenlebens der beiden Welten, der christlichen Bewohner des Balkans und der orientalischen Osmanen, ist aus den Dokumenten der Epoche bekannt und führte schlie‎ßlich zu einer Verschmelzung der beiden Kultur- und Zivilisationstypen. Aus dem anfänglichen Zusammenprall zwischen der christlichen und der muslimischen Welt wurde allmählich eine gegenseitige Abhängigkeit, die zu einer Synthese führte, in der religiöse Praktiken und die Bräuche des Alltagslebens sehr ähnliche Verhaltensmuster bildeten.



    Alle politischen Akteure auf dem Balkan vor der osmanischen Eroberung kümmerten sich offensichtlich um ihre eigenen Interessen. Um sie durchzusetzen, gingen sie manchmal auf Konfrontationskurs mit den Osmanen, in anderen Fällen kam es zu einer Verständigung mit den Osmanen, die den lokalen Herrschern manchmal genau die Hilfe boten, die sie brauchten. Bevor sie sich jedoch in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts mit den Osmanen arrangierten, widersetzten sich die Christen auf dem Balkan ihrem Vormarsch. Doch der Widerstand der Griechen, Bulgaren, Serben und Albaner, denen die Rumänen manchmal zu Hilfe kamen, wurde letzten Endes gebrochen.



    Der Schweizer Historiker Oliver Jens Schmitt ist Professor an der Universität Wien und spezialisiert auf die mittelalterliche Geschichte Südosteuropas. Er zeigte auf, dass, abgesehen von den wenigen christlichen Herrschern, die im Kampf mit den Türken ihr Leben lie‎ßen, die meisten lokalen Machthaber sich mit den Osmanen arrangierten:



    Die meisten christlichen Fürsten des Balkans arbeiteten mit den Osmanen zusammen. Die Liste dieser Partner der Osmanen ist wesentlich länger als die der Fürsten, die sie kompromisslos bekämpften. Einige der christlichen Fürsten, die in der Schlacht gefallen sind, waren die serbischen Führer in der Schlacht an der Mariza 1371, der Despot Uglješa und sein Bruder, König Vukašin, der albanische Kriegsherr Balša II. im Jahre 1385, der serbische Fürst Lazar Hrebeljanović, die walachischen Fürsten und Woiwoden Mihail im Jahre 1420, Dan II., Vlad der Pfähler und der byzantinische Kaiser Konstantin XI.. Zu den Hingerichteten gehören der Vater des albanischen Prinzen Skanderbeg, Johann Kastriota, der letzte italienische Herzog von Athen und der letzte bosnische König sowie eine Reihe von bosnischen Adeligen, wie z.B. einige aus den Familien Kovačević und Pavlović.“




    Einem anonymen Chronisten zufolge hatten es die Türken gern, wenn sich Christen untereinander streiten“. Das ist wahr, wenn man bedenkt, dass die christlichen Eliten türkische Söldner anheuerten, um ihre Rivalen zu bekämpfen, und dass die Türken manchmal als Söldner kamen und schlie‎ßlich als Herren blieben. Die Osmanen schufen einen Gürtel von Vasallenstaaten, abhängige Staaten, die sich ihrerseits massiv in die osmanische Innenpolitik einmischten, wie der lange osmanische Bürgerkrieg zwischen 1402 und 1413 zeigte. Historiker sind der Auffassung, dass nach der Schlacht von Mariza 1371, die die Serben verloren, der Balkan anfängt, sich der osmanischen Herrschaft zu fügen. Die Rumänen geraten somit an vorderster Front in der Konfrontation mit den Türken, wobei die erste gro‎ße Schlacht 1395 vom walachischen Fürsten Mircea der Ältere bei Rovine angeführt wurde. Oliver Jens Schmitt sagt, dass die Serben bereits treue Verbündete der Türken geworden waren:



    Die serbischen Bojaren Marko Kraljević und Konstantin Dragaš fielen 1395 in der Schlacht von Rovine, als sie auf osmanischer Seite gegen die Walachei von Mircea dem Alten kämpften. Dieser Tod der beiden serbischen Führer in der Schlacht gegen die Walachen zeigt die wesentliche Leitlinie der osmanischen Eroberung. Ohne die Hilfe ihrer Vasallen, insbesondere der serbischen Bojaren, wäre die osmanische Offensive nicht möglich gewesen. Bei allen wesentlichen Ereignissen der osmanischen Eroberung auf dem Balkan standen die serbischen Bojaren auf der Seite der Osmanen: bei Rovine, bei Nikopolis, wo die Kavallerie von Stefan Lazarević den Osmanen den entscheidenden Impuls gab, bei Ankara, wo dieselben Reiter an der Seite von Bayezid I. bis zum bitteren Ende kämpften, nachdem die meisten Muslime geflohen waren, oder 1430, als Gregor Branković bei der Eroberung von Saloniki, damals unter venezianischer Herrschaft, half. Noch 1453 tauchten die Serben in der Schlacht um Konstantinopel auf, nicht als Verteidiger, sondern als Truppen auf der Seite der Osmanen.“




    Die Walachei, das Fürstentum nördlich der Donau, befand sich in einer ähnlichen Situation. Es gab Anzeichen für eine Zusammenarbeit mit den Osmanen, sogar für eine osmanische Oberhoheit. Der Historiker Oliver Jens Schmitt erläutert:



    Es gab eine regionale Zersplitterung, die Bojaren suchten langfristig die Zusammenarbeit mit den Osmanen oder mit Ungarn, auch wenn sich die meisten Fürsten, zumindest in einem frühen Stadium, dem einen oder anderen Lager anschlossen, je nach politischer und militärischer Situation zu einem bestimmten Zeitpunkt. Deshalb ist es nicht leicht zu ergründen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt wen ausgenutzt hat: ob die osmanischen Beys und die Ungarn die ehrgeizigen einheimischen Bojaren austricksten oder umgekehrt. Diese lokalen Herrscher glaubten, ihre regionale Macht durch listige Manöver oder durch häufigen Seitenwechsel zu stärken. Die rasche Abfolge der Fürsten in Bosnien und der Walachei erklärt sich meist aus diesen Machtspielen. Unter den rumänischen Woiwoden, die die osmanische Seite bevorzugten, können wir Radu II. Prasnaglava, Alexandru Aldea und Radu III. den Schönen zitieren.“




    Mit der Eroberung Konstantinopels markierte das Jahr 1453 das Ende einer langen Übergangszeit. Es war das Jahr, in dem die Rumänen südlich und östlich der Karpaten begannen, ein anderes kulturelles Modell anzunehmen, das mehr als vier Jahrhunderte dauern sollte.

  • Rumänien und die Pariser Friedenskonferenz 1919: schwierige Verhandlungen

    Rumänien und die Pariser Friedenskonferenz 1919: schwierige Verhandlungen

    Am Ende des Ersten Weltkriegs befand sich Rumänien im Siegerlager. Ende des Jahres 1918 waren die von Rumänen bewohnten Gebiete aus dem russischen und österreichisch-ungarischen Reich mit dem Königreich Rumänien vereinigt worden, und die Friedensverträge sollten die neuen Grenzen bestätigen. Doch die internationale Bestätigung des neuen rumänischen Staates verlief nicht so einfach, die Divergenzen und die Bestrebungen zur Harmonisierung verschiedener Interessen erschwerten den Friedensschluss.



    Rumänien musste sich dem Widerstand seiner Verbündeten stellen, die dem Land Vorwürfe machten; gleichzeitig antwortete Rumänien seinerseits den Verbündeten mit Rechtfertigungen und anderen Vorwürfen. So erreichte die Spannung den Punkt, an dem der liberale Premierminister Ion I. C. Brătianu, der den Eintritt Rumäniens in den Krieg angebahnt hatte, die Friedensverhandlungen verlie‎ß. Brătianu war darüber irritiert, dass die Bestimmungen des Übereinkommens von 1916, welches die Grundlage für den Kriegseintritt Rumäniens gewesen war, nicht vollständig erfüllt wurden.



    Der Historiker Ioan Scurtu fasst die Geschichte der Streitigkeiten zwischen Rumänien und seinen Verbündeten Frankreich, Gro‎ßbritannien, Italien und den USA im Jahr 1919 zusammen und hebt die Vorwürfe hervor, die von der Entente an Rumänien herangetragen wurden.



    Rumänien musste einen separaten Frieden mit den Mittelmächten abschlie‎ßen, da Russland aus dem Krieg ausgetreten war und Rumänien an der Ostfront allein gelassen wurde. Den Frieden schloss Rumänien, wie zumindest die Dokumente zeigen, mit Zustimmung der Triple Entente. Das Übereinkommen von 1916 enthielt wichtige Vorteile für Rumänien, Ion I. C. Brătianu hatte sehr gut verhandelt. Es war die Zeit, als Frankreich an der Westfront in gro‎ßen Schwierigkeiten steckte und die russische Armee den Sieg in Galizien nicht erzielen konnte. Und dann wurde erwogen, dass Rumänien eingreifen müsse, um so viele deutsche und österreichisch-ungarische Soldaten wie möglich auf sich heranzuziehen und so die beiden Fronten zu räumen. Unter diesen Bedingungen wurden gewisse Zugeständnisse gemacht, die aber vor allem Frankreich am Ende des Krieges zu bedauern begann.“




    Angesichts der schwierigen Situation in Frankreich 1916 wurde offensichtlich, dass Rumänien in den Krieg eintreten sollte. Der Historiker Ioan Scurtu glaubt, dass Rumänien zu jener Zeit wusste, wie es seine Karten spielen sollte, um wichtige Vorteile zu erlangen. Um welche Vorteile handelte es sich? Ioan Scurtu mit Details:



    Zunächst einmal ging es um die Frage der Nord- und Westgrenzen Rumäniens, eine Frage, die Premierminister Brătianu mit au‎ßerordentlicher Akribie angegangen war. Er legte die Grenzlinie ganz genau fest, er markierte einen bestimmten Hügel, einen bestimmten Fluss, ein bestimmtes Dorf usw., so dass die Grenzlinie bereits beschlossen war, als die Friedenskonferenz darüber beraten sollte. Die von Brătianu bestimmte Grenze Rumäniens verlief de facto der Thei‎ß entlang bis zur Donau. Serbien war aber damit unzufrieden, und behauptete, dass die rumänische Grenze zu nahe an Belgrad sei, kaum einen Kanonenschlag entfernt, und forderte einen Sicherheitsraum, obwohl Rumänien sich verpflichtet hatte, die Grenze nicht zu militarisieren.“




    Im Januar 1919 begann die Friedenskonferenz in Paris, und die Vertreter Rumäniens bestanden darauf, das Versprochene zu bekommen. Aber es gab andere Interessen, und diese mussten durch Kompromisse befriedigt werden. Ioan Scurtu dazu:



    Es war ein Konzeptunterschied zwischen den Vertretern der vier Gro‎ßmächten einerseits (das waren der Präsident der Vereinigten Staaten, der Premierminister des Vereinigten Königreichs, der Premierminister Frankreichs, und der Premierminister Italiens) und dem Premierminister Rumäniens, Ion I. C. Brătianu, andererseits. Ausgehend von den Bestimmungen des Übereinkommens vom 4. August 1916 war Brătianu der Ansicht, dass die Unterzeichnerstaaten auf der Friedenskonferenz in Paris 1919 gleichberechtigt behandelt werden sollten. Auf der Friedenskonferenz wurde jedoch ein Oberster Rat eingesetzt, der beschloss, dass die Entente-Staaten den Status von Staaten mit unbegrenzten Interessen haben sollten, während die anderen Staaten, darunter Rumänien, unter den Staaten mit begrenzten Interessen eingetragen werden müssen. Ausgehend von der Tatsache, dass der US-Präsident Wilson sich für Gleichheit zwischen Staaten, für Demokratie und für die demokratische Beilegung von Streitigkeiten einsetzte, bestand Brătianu darauf, dass Rumänien den anderen Staaten gleichgestellt wird. Doch die Antwort kam von Wilson selbst: Vor der Pariser Konferenz sagte US-Präsident Wilson dem rumänischen Premierminister Brătianu, dass jeder Staat so viel wie seine militärische Macht bedeute.“




    Der anfangs unnachgiebige Brătianu musste schlie‎ßlich aufgeben und verlie‎ß die Friedensverhandlungen. Sein Nachfolger, Alexandru Vaida-Voevod, unterzeichnete die Verträge, die den neuen Staat Gro‎ßrumänien anerkannten. Ioan Scurtu:



    Es war nicht möglich, dass ein kleines Land mit Gebietsansprüchen, ein Land, das die Gro‎ße Vereinigung durch Vertragsbestätigung erreichen musste, den Anspruch erhob, den USA, Frankreich, Gro‎ßbritannien und Italien gleichgestellt zu werden. Brătianu selbst hatte es erkannt und überlie‎ß Alexandru Vaida-Voevod die Leitung der rumänischen Delegation, nachdem er ihm geraten hatte, sich der Freimaurerei anzuschlie‎ßen. Brătianu hatte erfahren, dass viele Entscheidungen nachts getroffen wurden, als sich die Freimaurer trafen. Brătianu nahm daran nicht teil, da er keiner Freimaurereloge angehörte. Dem neuen Premierminister Alexandru Vaida-Voevod wurde klar, dass er einen Kompromiss eingehen musste. Alexandru Vaida-Voevod erklärte im Parlament, er sei sich der Tatsache bewusst, dass er in eine Grube geworfen worden sei und dass er auch Rumänien mit sich gezogen habe, aber er hätte das Gefühl, dass sich in dieser Grube auch die Delegationen der Vereinigten Staaten, Gro‎ßbritanniens, Frankreichs und Italiens befänden.“




    Rumänien erhielt schlie‎ßlich durch die Verträge mit Österreich und Ungarn die Anerkennung der Vereinigung der Bukowina, Siebenbürgens und zwei Dritteln des Banats mit Rumänien. Somit ging der Wunsch nach der Gründung Gro‎ßrumäniens in Erfüllung.

  • Persönlichkeiten des rumänischen Unternehmertums: Dumitru Mociorniţă (1885–1953)

    Persönlichkeiten des rumänischen Unternehmertums: Dumitru Mociorniţă (1885–1953)

    Rumäniens Wirtschaft wuchs insbesondere in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, nach der Souveränitäts- und Unabhängigkeitserklärung des Staates. Ausländische Kredite trugen zur Bildung des rumänischen Bankensystems bei, das wiederum Kredite an Menschen mit unternehmerischen Fähigkeiten vergab, zwecks Entwicklung der produktiven Wirtschaftsbereiche des Landes. Vor allem der Industrie galt die Aufmerksamkeit — dem Wirtschaftszweig mit der grö‎ßten Wertschöpfung. So entwickelte sich das rumänische Unternehmertum, gebildet aus mutigen und intelligenten Menschen, die ihre Fähigkeiten einsetzten, um Industrie- und Konsumgüter herzustellen. Gro‎ßen Namen des rumänischen Unternehmertums waren Max Ausschnitt, Ion Gigurtu, Nicolae Malaxa, Aristide Blank. Die Liste könnte fortgesetzt werden. Auf dieser befindet sich auch Dumitru Mociorniţă, einer der begabtesten Unternehmer Rumäniens zu Beginn des 20. Jahrhunderts.



    Mociorniţă wurde 1885 in einer einfachen Familie geboren. Seine brillante Karriere zeigt jedoch, dass die soziale Herkunft kaum eine Rolle spielt, wenn angeborene Talente mit Bildung und Unterstützung durch andere, mächtige Menschen zusammen kommen. 1997 nahm das Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte des rumänischen Rundfunks ein Interview mit dem Juristen Ionel Mociorniţă, dem Sohn Dumitru Mociorniţăs, auf, in dem er über den Aufstieg seines Vaters sprach:



    Mein Vater, Dumitru Mociorniţă, Sohn eines armen Bauern aus dem Dorf Ţintea im Landkreis Prahova, floh nach Abschluss der Grundschule aus seinem Heimatdorf und kehrte erst nach erfolgreichem Abschluss der Hautes Études Commerciales in Paris zurück. Er war der Erste unter 400 Absolventen seines Jahrgangs. Er kam zurück, um seine Familie zu besuchen. Bei dieser Gelegenheit lernte er meine Mutter kennen, die Tochter des Geschäftsmanns Grigore Alexandrescu, des Gründers der rumänischen Leder- und Schuhindustrie, der 1862 den Grundstein für eine kleine Fabrik legte. Er heiratete meine Mutter und arbeitete bis 1923 mit meinem Gro‎ßvater zusammen. Dann nahm er, mit der Unterstützung Vintilă Brătianus und seines Schwiegervaters, einen Kredit von der Generalbank der Walachei auf und kaufte zwei Hektar Land in der Umgebung Bukarests, das von Mineralwasser durchfurcht war. Nachdem er das Land trockengelegt hatte, baute er dort die Dumitru-Mociorniţă-Fabriken, die verschiedene Produktionsbereiche umfassten: Schuhe, Kleidung, Leder, Reiseartikel u.a.m.“




    1923 errichtete Dumitru Mociorniţă seine am Stadtrand von Bukarest gelegene Schuhfabrik. Mithilfe der aus Deutschland und dem Vereinigten Königreich geleasten Werkzeuge wurde Mociorniţă in kurzer Zeit zum wichtigsten Schuhproduzenten in Rumänien. Es war ein Familienunternehmen, und Mociorniţă bereitete seine Kinder auf die Übernahme des Unternehmens vor, erinnert sich sein Sohn:



    Im Alter von 11 Jahren begannen mein Bruder und ich, diesen Beruf zu erlernen. Jeden Tag, von zwei bis sechs Uhr nachmittags, wenn wir nach Hause zurückkehrten und unsere Hausaufgaben für den nächsten Tag erledigt hatten, widmeten wir unsere Zeit dem Unternehmen und konnten so all seine Geheimnisse kennenlernen. Mein Vater hatte immer eine Redewendung parat: »Du kannst von jemanden nicht etwas verlangen, was du selbst nicht verstehst.« Ich glaube, er hatte recht. Wir hatten keine Kindheit, denn anstatt die Luft von Predeal oder Eforie zu atmen, Kurorte, in denen wir Villen hatten, schickte er uns ins Ausland, um uns zu perfektionieren. So haben wir in Freiburg gearbeitet und in Grenoble gewohnt. Wir haben diesen Beruf von der Pike auf gelernt und die offizielle Gesellenprüfung in Anwesenheit der Gewerkschaften abgelegt.“




    Die Lederprodukte der Marke Mociorniţă wurden von den Kunden sehr geschätzt. Im Jahr 1945, als das kommunistische Regime eingesetzt wurde, änderte sich alles — sowohl für Rumänien als auch für Dumitru Mociorniţă. Am 11. Juni 1948 wurde die Fabrik beschlagnahmt, nachdem sie zuvor mehrere Jahre lang in der kommunistischen Presse angegriffen worden war. Ihm selbst wurde vorgeworfen, einer faschistischen Vereinigung angehört zu haben. Ionel Mociorniţă bestritt die Anschuldigungen und erinnerte sich in diesem Zusammenhang an einen Vorfall, der sich während der faschistischen Regierung der Legionäre ereignete:



    Der Geschäftsmann Mociorniţă war Mitglied der Liberalen Partei, aber er zog sich aus der Politik zurück, obwohl Parteigrö‎ßen und Ministerpräsidenten wie Duca und Tătărescu ihm mehrmals Ministerposten vorschlugen. Zu seiner Überraschung ernannte ihn König Karl II. während der ersten rumänischen Diktatur 1938 zum Senator. Er konnte nichts tun, uns wurde aber verboten, den Namen dieses Königs zu Hause auszusprechen. Er wurde von den Legionären bewundert, und ich muss zugeben, dass Corneliu Codreanu in seinen Reden meinen Vater als Beispiel gab und sagte, dass wir nur dann ein freies und rumänisches Land sein würden, wenn wir dem Beispiel des Geschäftsmannes Dumitru Mociorniţă folgen würden. Mein Vater kannte Codreanu nicht persönlich, er hat nie mit ihm gesprochen. Als die Legionäre aufkamen und Antonescu die Leitung übernahm, erschien ein Ingenieur aus Sibiu vor meinem Vater und sagte, die Legionärsbewegung habe ihn geschickt, um die Fabrik zu »rumänisieren« (d.h., jüdische Mitarbeiter zu entlassen — Anm. d. Red.). In Anwesenheit von 40 Angestellten packte ihn mein Vater an dem Kragen und warf ihn aus der Fabrik. Soviel zu seinen angeblichen Beziehungen zu den Legionären.“




    Dumitru Mociorniţă weigerte sich, das Land zu verlassen, als die Kommunisten an die Macht kamen. 1953, als er im Alter von nur 68 Jahren starb, war sein ganzes Vermögen konfisziert und seine Söhne befanden sich im Gefängnis.

  • Frauen in der postkommunistischen Gesellschaft: Buch untersucht Stellung der Frau in Rumänien

    Frauen in der postkommunistischen Gesellschaft: Buch untersucht Stellung der Frau in Rumänien

    Der Band Die Geburt der demokratischen Staatsbürgerschaft. Frauen und ihre Macht im modernen Rumänien“ von Maria Bucur und Mihaela Miroiu analysiert die Art und Weise, wie Frauen im postkommunistischen Europa wahrgenommen werden. Maria Bucur lehrt Geschlechterstudien an der Universität Indiana in den USA. Über dieses Projekt sagte sie:



    Das ganze Projekt begann natürlich mit meiner Freundschaft zu Mihaela, was mich dazu brachte, zehn Jahre lang über dieses Thema viel zu lesen. Es hat sich gelohnt, denn ich habe viel gelernt. Ich war es nicht gewohnt, Urteile zu fällen, so wie ich sie am Ende getroffen habe, und das ist ein Gewinn für mich. Ich glaube, ich hatte sehr viel zu lernen. Meine Interdisziplinarität hat sich enorm ausgeweitet, und das ist für mich au‎ßergewöhnlich. Die Gelegenheit, diese Frauen kennenzulernen, die mir Mihaela vorgestellt hat, war die Chance meines Lebens.“




    Die in diesem Bereich durchgeführten Forschungen führten zur Entwicklung einer Geschichte der rumänischen Frauen nach 1990. Das Buch von Maria Bucur und Mihaela Miroiu stellt eigentlich einen einzigartigen Ansatz in der rumänischen Literatur dar:



    Das Kapitel über die Geschichte, oder genauer gesagt der historischen Kontext, war ursprünglich nicht geplant. Wir hatten mit einer Feldstudie begonnen, die wir später im Detail vorstellen wollten. Aber dann wurde uns klar, dass es bisher kein Buch in rumänischer Sprache über die Geschichte der Frauen gab, ein Buch, das erklärt wie man ihre Stimmen besser verstehen kann und welche die rechtlichen, bildungspolitischen oder politischen Strukturen und Normen der damaligen Zeit waren.“




    Mihaela Miroiu ist Professorin für Politikwissenschaft an der Nationalen Schule für Politische und Administrative Studien in Bukarest. Ihr Name ist vor allem mit der Gründung der feministischen Studien und der Geschlechterforschung in Rumänien verbunden. Als Koautorin des Buches gibt sie zu, dass dieses Projekt das Ergebnis eines persönlichen Ansatzes ist:



    In gewisser Weise war dieses Buch mein Moment, in dem ich mir sagte: ‚Lass mich zur ursprünglichen Frau zurückkehren.‘ Zu allen Frauen, die mich aufgezogen haben, zur Generation der Frauen, die meine Zeitgenossinnen sind, und dann zu den Frauen der folgenden Generationen. Das sind, wenn Sie so wollen, die drei Generationen: unsere Gro‎ßmütter, Mütter und Töchter. Es gab nicht viel vorsätzliches Denken in dem Buch, es hat sich einfach so ergeben. Ich persönlich finde die drei sehr langen Interviews, die jeweils durchschnittlich 5 bis 6 Stunden dauerten, sehr gut.“




    In der gesamten modernen Geschichte haben Frauen für die Anerkennung ihrer moralischen, intellektuellen, bürgerlichen und politischen Rechte gekämpft. Und überraschenderweise scheinen die rumänischen Frauen, auch die älteren, einen angeborenen Bürgergeist zu haben, sagt Mihaela Miroiu:



    Die politische Kultur all dieser Frauen ist lobenswert. Ohne allzu anspruchsvoll zu sein, haben sie Interessen, die es politisch zu lösen gilt. Es ist sehr klar, dass aus ihrer Sicht eine Demokratie und eine Art von Politik, in der die Moral verschwunden ist, nichts mit dem Gemeinwohl zu tun hat. Sie wären in konsolidierten Demokratien wie den skandinavischen ganz zu Hause.“




    Eine Feldforschung im siebenbürgischen Dorf Sâncrai gab Maria Bucur und Mihaela Miroiu die Möglichkeit, Geschichten von einer Vielzahl von Frauen zu hören, die einfach und au‎ßergewöhnlich zugleich sind:



    Man kann ihre Entwicklung sehen, wie sie einfach ihr Leben selbst in die Hand genommen haben, unabhängig davon, dass es sich um 80-jährige Frauen aus Sâncrai handelt, die nur vier Jahre in die Schule gegangen sind, oder um hoch qualifizierte Stadtfrauen, viele von ihnen Ärztinnen, Lehrerinnen, Ingenieurinnen. Sie sind sich au‎ßerordentlich ähnlich in ihren Bestrebungen und sie sind sich sehr ähnlich, weil sie die Trennung zwischen der Moral und der Praxis der Politik nicht ertragen können. Eine Idee, die unser Buch fördert.“




    Das Buch wurde 2018 in den USA im Verlag Indiana University Press veröffentlicht und ist jetzt in rumänischer Sprache in der Sammlung Zeitgeschichte“ im Verlag Humanitas erhältlich. Die Übersetzung trägt die Unterschrift von Magda Dragu und Mihaela Miroiu.

  • Constantin Dobrogeanu-Gherea (1855–1920): sozialdemokratischer Vordenker und Literat

    Constantin Dobrogeanu-Gherea (1855–1920): sozialdemokratischer Vordenker und Literat

    Constantin Dobrogeanu-Gherea wurde 1855 in Slawjanka bei Jekaterinoslaw in der heutigen Ukraine als Solomon Katz in einer Familie jüdischer Kaufleute geboren und hatte ein sehr abenteuerliches Leben. Die Familie gehörte zur Mittelschicht der damaligen russischen Gesellschaft — sein Bruder war Arzt, sein Vater Inhaber einer Bierbrauerei. Katz besuchte die Hochschule in Charkiw und fand als Student schnell den Anschluss zu russischen Anarchisten. Er nahm 1874 Teil am sogenannten Gang ins Volk“, einer Gro‎ßaktion der russischen Narodniki –Volksanarchisten, die als Studenten dem Bauernvolk die Revolution schmackhaft machen wollten.



    Verfolgt von der zaristischen Polizei, erreichte er die Stadt Iaşi in Rumänien und gelangte von hier aus in die Schweiz, wo er Verbindung mit den dortigen russischen Revolutionären aufnahm. Wieder zurück in Rumänien schmuggelte er illegale Literatur ins Russische Reich. Doch er lebte sich auch schnell in Rumänien ein, wo er 1890 auch die Staatsbürgerschaft erwarb. Zur damaligen Zeit war jedoch die rumänische Staatsbürgerschaft den christlich-orthodoxen Menschen vorbehalten. Solomon Katz wurde zu Constantin Dobrogeanu-Gherea, entschied sich für eine Karriere als Literaturkritiker und gehörte 1893 zu den Gründern der sozialdemokratischen Arbeiterpartei Rumäniens. Professor Călin Cotoi von der Universität Bukarest wei‎ß mehr über das Leben dieses linken Denkers:



    Sein Leben ist sehr interessant — er wird 1877 von der russischen Geheimpolizei entführt und nach Sibirien gebracht, von wo er über Norwegen flüchten kann und nach Rumänien zurückkehrt“ — Amerikaner würden ihn als larger than life beschreiben, meint Cotoi.



    Gherea lässt später ab von der gesellschaftlichen Vision der Narodniki und Anarchisten und wird zu einem der wichtigsten Vertreter des orthodoxen Marxismus nach Kautsky. Er übersetzt das Erfurter Programm“, versucht aber, den Marxismus an Rumänien anzupassen, dass damals als Agrarperipherie ganz andere Besonderheiten aufwies, erläutert der Historiker — der mehrsprachige Constantin Dobrogeanu-Gherea wurde in kurzer Zeit zu einem exzellenten Diagnostiker der gesellschaftlichen Missstände im rumänischen Dorf. Sein Buch zur neuen Leibeigenschaft wird zur echten Inspirationsquelle rumänischer Sozialisten.



    Gherea ist keine alleinstehende Figur“, sagt Professor Cotoi, es gibt ein breiteres Spektrum, in der es linkes Gedankengut und Sozialismus an diese Peripherie anzupassen gilt, in der Rumänien und Südrussland als Grenzgebiet zwischen Europa und dem russischen Reich lagen.“



    Er prägte den Begriff der neuen Leibeigenschaft — in seinem gleichnamigen Buch versucht er den Ideen eines anderen Ex-Narodniki, Constantin Stere, sein eigenes Konzept entgegenzustellen — sozialistische Ideen haben Sinn und Zweck in Rumänien und sind sogar die einzig fortschrittliche Denkweise, die auch in Rumänien existieren könnte. Solche Konzepte sollten dann auch die Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Rumäniens im Jahr 1893 mitbestimmen — Gherea war einer der Gründungsmitglieder, sagt Călin Cotoi: Die Partei war schon von Anfang an problematisch — die Mitglieder der Arbeiterklasse, insofern sie der Rede wert ist, hatten nicht alle die rumänische Staatsangehörigkeit Es waren viele Juden, Magyaren, Deutsche und siebenbürgische Rumänen darunter — dazu kommen, dass antisemitische Töne in der Arbeiterschaft laut werden und die Partei sie zu beschwichtigen versucht“, beschreibt der Historiker die damalige Lage.



    Die Partei brach schlie‎ßlich unter dem Gewicht der eigenen Paradoxien zusammen und Gherea wollte sich nicht vom Mahlstrom mitrei‎ßen lassen, umso mehr er gerade die rumänische Staatsbürgerschaft bekommen hatte. Er taucht also in den rumänischen kulturellen Mainstream ein und wird zu einem der bedeutsamsten Literaturkritiker, nachdem er in Konflikt mit der Koryphäe Titu Maiorescu gerät. Das hei‎ßt, dass einer der grö‎ßten linken Denker nicht als Parteimensch bekannt wird, sondern als Literat. Der Bukarester Historiker Cotoi meint, dass der im November 1917 auch nicht mehr jüngste Gherea das bolschewistische Regime eher ablehnt — er war ein Sozialist, der gegen die gesellschaftlichen Probleme mit demokratischen Waffen kämpfen wollte.



    Er war ein Sozialdemokrat à la Kautsky. Nach seiner Theorie versucht er, Politik zu leben. Und nach Kautsky sind die Bolschewiki eher Häretiker. Aber Gherea steht in Kontakt mit ihnen, mit Rakowski zum Beispiel. Ghereas Sohn wirkt dort mit, er selbst behält sich eine gewisse Autonomie vor und bleibt in der Sozialdemokratie deutscher Prägung“, findet der Bukarester Historiker.

  • 9. Mai 1945: Europa fand wieder zum Frieden

    9. Mai 1945: Europa fand wieder zum Frieden

    Am 9. Mai 1945 fand Europa nach sechs Jahren Qualen wieder zum Frieden, als Nazideutschland bedingungslos kapitulierte. Während Westeuropa zur demokratischen Normalität zurückkehrte, wurde Mittel- und Osteuropa von der Sowjetunion besetzt und gezwungen, das kommunistische Experiment ein halbes Jahrhundert lang mitzumachen. Vladimir Tismăneanu, Professor für die Geschichte des Kommunismus an der Universität Maryland (USA), macht sich Gedanken über den Krieg und dessen Folgen:




    In der Betrachtung des Krieges in seinen Ursachen, seinem Verlauf und seinen Konsequenzen folge ich der Vision von Hannah Arendt, Arthur Koestler und George Orwell. Es war kein Kampf zwischen einem absoluten Guten und einem Bösen, denn an der Seite der Demokraten in der antifaschistischen Koalition kämpfte auch die stalinistische Sowjetunion — ein totalitäres Reich, das schuldhaft mit Nazideutschland angebandelt hatte“, findet der Politologe. Das Gute war also ein relatives — denn in der Geschichte gibt es kein absolut Gutes, glaubt Tismăneanu, der in einem seiner Bücher über den Teufel in der Geschichte“ schreibt, eine Anlehnung an das Konzept des polnischen Intellektuellen Leszek Kolakowski. Es war der Teufel, der zu dem Zeitpunkt weniger expansionistisch veranlagt schien; ein Teufel, den der Westen brauchte. Doch wer hat unter diesen Umständen den Krieg verloren?




    Im Zweiten Weltkrieg unterlagen faschistische Parteien, Regierungen und Bewegungen. Der Faschismus wurde besiegt und das ist ganz wesentlich. Das jetzt mancherorts das Narrativ des Kriegs umschrieben wird — auch in Rumänien — , dass verschiedene faschistische Bewegungen rehabilitiert werden, dass es neue kollektive Fundamentalismen gibt, tribalistische, rassistische oder uranfängliche Bewegungen — das alles zeigt, dass einige die politische, moralische, militärische Bedeutung des Kriegs verkennen“, gibt der US-Politologe rumänischer Abstammung zu bedenken.




    Ob der Westen sich 1947–48 dem sowjetischen Vorpreschen entgegenstellen konnte, ist heute fraglich. Und die sowjetische Militärpräsenz in Mittel- und Osteuropa war nicht eine Folge eines westlichen Verrats, sondern des Frontverlaufs im Krieg. Rumänien ist ein sonderbarer Fall — es kämpfte an beiden Fronten, landete aber auf der Verliererseite und wurde vom Kommunismus überrollt, sagt Vladimir Tismăneanu:




    Die Verwandlung Rumäniens zu einem radikal rechten totalitären System zwischen dem 6. September 1940 und dem 23. August 1944 hat teilweise mit der Krise der freiheitlichen Demokratie zu tun. Wir müssen immer betonen, dass Rumänien eine Vergangenheit hat, auf die man aufbauen kann — es hat hier eine funktionale konstitutionelle Demokratie gegeben“. Unglücklicherweise, unterstreicht der Politologe, haben linke und rechte Kräfte den Einheitsstaat und die konstitutionelle Demokratie fortlaufend angegriffen. Mehrere Premierminister wurden von Kommandos der Faschisten hingerichtet, Mord wurde zum Bestandteil des politischen Klimas. Die Politik war ihrerseits nicht wehrhaft. Dass Rumänien sich an die Seite der Achsenmächte stellte, war kein Schicksalsschlag, sondern das Ergebnis einer Verkettung von Fehlern.




    Kann man heute noch aus diesen Fehlern lernen? Gewisserma‎ßen schon, findet Tismăneanu. Jede Illusion über ideokratische Systeme, über ideologiebasierte Diktaturen ist kurz- und mittelfristig, aber besonders langfristig ein Fehler. Wir sehen das gerade heute. Ich glaube nicht, dass es in China einen Plan gab, das Covid-Virus in die Welt zu setzen. Aber die Geheimniskrämerei, das Verschweigen — sie sind Teil des Totalitarismus. Was jetzt passierte, war ein Pendant von Tschernobyl, ein globales Tschernobyl. Man kann vieles lernen aus dem Krieg, aber die wesentliche Lektion ist, dass wir keine Kompromisse eingehen dürfen, wenn Freiheit, Vertrauen, und die Wahrheit angegriffen und erniedrigt werden“, so Vladimir Tismăneanu.

  • Nach Archivarbeit in Russland: Liste rumänischer Kriegsgefangener in der Sowjetunion veröffentlicht

    Nach Archivarbeit in Russland: Liste rumänischer Kriegsgefangener in der Sowjetunion veröffentlicht

    Für die osteuropäischen Staaten, darunter auch Rumänien, brachte das Ende des Zweiten Weltkriegs die sowjetische Besatzung mit sich. Hunderttausende rumänische Soldaten starben während des Krieges in der Sowjetunion, während Zehntausende Gefangene in Lagern starben. Zum Gedenken an die Rumänen, die im Zweiten Weltkrieg an der Ostfront starben, veröffentlichte die rumänische Botschaft in der Russischen Föderation eine Liste der rumänischen Armeegefangenen, die in der UdSSR in Gefangenschaft starben. Die Liste enthält auch Zivilisten, die in den russischen Archiven identifiziert wurden. Vasile Soare, Rumäniens Botschafter in Moskau, leitete die Bemühungen, die Namen der Toten herauszufinden:



    Kurz vor Ostern haben wir in der rumänischen Botschaft in Moskau etwas erreicht, was ein Novum in der rumänischen Geschichtsschreibung darstellt, nämlich die Veröffentlichung einer vollständigen Liste mit allen in den russischen Archiven verfügbaren Informationen zu diesem Thema über die rumänischen Kriegsgefangenen und Zivilgefangenen, die in Gefangenenlagern auf dem Gebiet der heutigen Russischen Föderation starben. Sie wurden zwischen 1941 und 1956 in der Nähe dieser Lager begraben. Die Liste enthält die Namen von 20.718 Rumänen, von denen die meisten Kriegsgefangene und damit Soldaten waren.“




    Die Bemühungen, all diese Namen ausfindig zu machen, waren intensiv und dauerten mehr als ein Jahrzehnt. Vasile Soare erläuterte dem Moskauer Korrespondenten von Radio Rumänien, Alexandr Beleavski, wie die Anzahl und der Status der Gefangenen auf der Liste ermittelt wurde:



    Wir haben zehn Jahre lang an der Fertigstellung der Liste gearbeitet. Im vergangenen Jahr veröffentlichten wir die Hälfte der Liste, die über 10.000 Namen enthielt, und jetzt ist es uns gelungen, die Liste mit weiteren 11.000 Namen zu vervollständigen. Wir sprechen ausschlie‎ßlich von Gefangenen, und nicht von Menschen, die in der Schlacht von Stalingrad oder an der Donschleife gefallen sind, sondern von Überlebenden der gro‎ßen Schlachten, die gefangen genommen und zu Kriegsgefangenen wurden. Die Liste umfasst auch Zivilisten, genauer gesagt Angehörige der deutschen Volksgruppe in Rumänien, die im Januar und Februar 1945 deportiert wurden. Sie wurden kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs aus Rumänien verschleppt, als eine beträchtliche Zahl von Deutschstämmigen aus Mittel- und Osteuropa gewaltsam vertrieben oder in sowjetische Arbeitslager deportiert wurden. Die grö‎ßte Anzahl der Verschleppten kam aus Rumänien, etwa 70.000 Menschen, von denen etwa 8.000 in sowjetischen Arbeitsbataillonen und Lagern starben.“




    In den Wirren des Krieges gab es viele ungeklärte Geschehnisse, und es war Aufgabe der nachfolgenden Generationen, sie so weit wie möglich aufzuklären. Botschafter Vasile Soare erzählt uns die Geschichte der rumänischen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion in den 1940er Jahren:



    Die ersten kamen 1941 in den sowjetischen Lagern an. Die Mehrheit kam 1942 an, mehr als 100.000 Menschen, eine sehr gro‎ße Zahl, und sogar noch nach dem 23. August 1944 [als Rumänien die Fronten wechselte — Anm. d. Red.] und auch später, nach Oktober 1944. Es ist schwierig, eine genaue Zahl zu ermitteln, aber nach dem, was wir in den Archiven gefunden haben, schätzen wir die Zahl auf 236.000 rumänische Gefangene ein. Es scheint, dass etwa 65.000 in den Lagern starben. Wir wissen nur genau, was mit den fast 21.000 Namen geschah, die wir in den Archiven gefunden und veröffentlicht haben. Nach den Kämpfen von Stalingrad, die von November 1942 bis gegen März–April 1943 stattfanden, wurden keine Aufzeichnungen über die ausländischen Kriegsgefangenen geführt, die in die sowjetischen Lager kamen. Es gibt also Zehntausende von Menschen, die nie offiziell erfasst wurden, was diesen zahlenmä‎ßigen Unterschied erklärt. Im Vergleich zu den offiziellen russischen Statistiken, die 15.435 Todesfälle unter rumänischen Kriegsgefangenen ausweisen, fanden wir bei Einsicht in die Archive eine höhere Zahl. Bei genauerem Hinsehen stellten wir fest, dass es sich bei den zusätzlichen Zahlen um andere Personen handelte, also fügten wir sie der Liste hinzu und kamen somit auf 20.718 Namen.“




    Die Namen von 40.000 rumänischen Kriegsgefangenen sind noch unbekannt. Vasile Soare beschreibt die Arbeit in alten Archiven:



    Am schwierigsten war es, die Handschrift zu verstehen. Jeder Eintrag wurde von den sowjetischen Soldaten, die in den Lagern arbeiteten, von Hand geschrieben, die oft die Namen der ausländischen Gefangenen so buchstabierten, wie sie sie hörten. Es gab viele Fehler, und es war schwierig, die tatsächlichen Namen der Gefangenen festzustellen. Wir wollten die Liste zu Weihnachten 2019 veröffentlichen, aber es war nicht möglich; es gelang uns jedoch, sie rechtzeitig zum 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs zu veröffentlichen.“




    Die Liste enthält die Vor- und Nachnamen der Soldaten, den Namen des Vaters, das Geburtsdatum, das Lager, in dem sie interniert waren, und das Datum ihres Todes. Sie enthält auch einen Anhang, in dem alle Lager, NKWD-Sonderkrankenhäuser und Arbeitsbataillone aufgeführt sind, in denen die deportierten Zivilisten interniert waren. Seit der Veröffentlichung haben viele Rumänen die Namen ihrer Verwandten, Gro‎ßväter und Urgro‎ßväter in einer sehr emotionalen Erfahrung ermittelt. Neben dem Studium von Archiven und Feldforschung zu den Namen der in Russland verstorbenen Rumänen führt die rumänische Botschaft auch eine Kampagne zur Erinnerung an die Orte durch, an denen sie vor fast 80 Jahren starben. Bisher wurden auf dem Staatsgebiet der heutigen Russischen Föderation 34 Gedenkstätten zum Gedenken an die verstorbenen Rumänen errichtet. Einige dieser Gedenkstätten sind für Besucher zugänglich. Viele der Orte, an denen Rumänen starben, sind mit der Zeit in Vergessenheit geraten, doch andere sind wieder in Erinnerung gebracht worden und sollen in Gedenkveranstaltungen einbezogen werden.

  • Zur Geschichte der Donaukommission: zweitälteste internationale Organisation der Welt

    Zur Geschichte der Donaukommission: zweitälteste internationale Organisation der Welt

    Der Krimkrieg (auch Orientkrieg oder 9. Türkisch-Russischer Krieg) war ein von 1853 bis 1856 dauernder militärischer Konflikt zwischen Russland einerseits und dem Osmanischen Reich sowie dessen Verbündeten Frankreich, Gro‎ßbritannien und seit 1855 auch Sardinien-Piemont andererseits. Er begann als neunter Russisch-Türkischer Krieg, in den die westeuropäischen Mächte eingriffen, um eine Gebietserweiterung Russlands auf Kosten des geschwächten Osmanischen Reichs zu verhindern. Am 30. März 1856 schloss Russland mit seinen Kriegsgegnern — dem Osmanischen Reich, Gro‎ßbritannien, Frankreich und Sardinien sowie den nicht kriegführenden Staaten Preu‎ßen und Österreich — den Dritten Frieden von Paris. Darin wurde die Integrität und Unabhängigkeit des Osmanischen Reiches erklärt. Die Donaumündungen und ein Teil Bessarabiens gingen an das Fürstentum Moldau. Die Schifffahrt auf der Donau wurde freigegeben, die Kommission der Donau-Uferstaaten gegründet und das Schwarze Meer zu einem neutralen Gebiet erklärt.



    Das Ende des Krimkrieges markierte die Anfänge des modernen rumänischen Staates, als die Entscheidungen der Siegermächte 1859 zur Vereinigung der Fürstentümer Moldau und Walachei und 1878 zur Unabhängigkeit Rumäniens führten. Die Donau wurde schlie‎ßlich zu einem freien europäischen Schifffahrtsweg, und man konnte auf dem Rhein und auf der Donau von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer fahren. Der Historiker Constantin Ardeleanu von der Universität Dunărea de Jos“ (Niederdonau“) in Galaţi unterstreicht die gro‎ße Bedeutung der Donau für die Entstehung, die Modernisierung und die Verwestlichung Rumäniens:



    Die Donau spielte eine zentrale Rolle nicht nur bei der wirtschaftlichen, sondern auch bei der politischen Modernisierung der Donaufürstentümer, wie sie Mitte des 19 Jh. genannt wurden. Die Donau ist einer der Pfeiler, auf denen das moderne Rumänien gegründet wurde. Die Donau ist ein äu‎ßerst interessanter Fluss, weil sie, wie der Rhein, Gegenstand einer internationalen Kommission war.“




    Das Erscheinen Rumäniens auf der europäischen Landkarte bedeutete aber auch das Entstehen eines internationalen Gremiums, das die Freiheit der Donau garantierte. Es war die Europäische Donaukommission, bestehend aus Österreich, Frankreich, Gro‎ßbritannien, Preu‎ßen, Sardinien, Russland und dem Osmanischen Reich, eine gesamteuropäische Institution, die kurz nach dem Ende des Krimkrieges entstand, um die freie Flussschifffahrt zu sichern. Über die Geschichte der Europäischen Donaukommission sagte der Historiker Constantin Ardeleanu:



    Es handelte sich um eine internationale Einrichtung, die nach dem Krimkrieg geschaffen wurde und die Aufgabe hatte, die Donaumündungen von den technischen und politischen Problemen zu befreien, die die Schifffahrt in der Region behinderten. Sie war die zweite internationale Organisation der Welt; die erste war eine ähnliche Kommission, die 1815 zur Regulierung des Rheins gegründet worden war. Die Europäische Donaukommission unterschied sich aber von der Rheinkommission — sie wurde von den 7 europäischen Mächten gegründet, die die Existenz der Vereinigten Rumänischen Fürstentümer garantierten. Aus einer kurzfristig angelegten Aktion wurde eine solide Institution, die von 1856 bis 1948 dauerte. Die Europäische Donaukommission war die erste Institution, die als ‚europäisch‘ bezeichnet wurde.“




    Es wird oft gesagt, Rumänien sei die Kornkammer Europas“ gewesen. Der Ursprung dieses Ausdrucks liegt genau in der internationalen Politik des 19. Jahrhunderts, als die Westmächte eine einfache Möglichkeit suchten, sich mit Lebensmitteln zu versorgen, und die rumänischen Fürstentümer die nächste und sicherste Quelle für Agrarprodukte waren. Dazu der Historiker Constantin Ardeleanu:



    Die Donaufürstentümer waren ein äu‎ßerst wichtiger Markt für die Versorgung mit Getreide. Europa befand sich mitten in einer industriellen Revolution und die Donaufürstentümer waren einer der grö‎ßten Versorgungsmärkte. In der Tat hing das Entstehen des modernen Rumänien vom dem Wohlstand ab, den der Getreidehandel brachte. Gleichzeitig war Russland das grö‎ßte Hindernis, die russische Macht, die die Donaufürstentümer kontrollierte, setzte dem internationalen Handel alle möglichen Hindernisse in den Weg. So hatte der Krimkrieg auch eine wichtige wirtschaftliche Komponente. Am Ende des Krimkrieges wurde der internationale Grundsatz aufgestellt, dass die Flüsse frei schiffbar sein müssen. Dieses Prinzip galt für die Donau nach 1856, als Russland die Donau nicht mehr kontrollierte.“




    Der neue rumänische Staat hatte den Auftrag, der ihm zuteil gewordenen Ehre würdig zu sein. In dieser Hinsicht haben die europäischen Mächte über seinen internationalen Status entschieden. Constantin Ardeleanu:



    Aus der Sicht der Gro‎ßmächte bestand die Rolle Rumäniens darin, die Freiheit der Donaumündungen zu garantieren. Dies wurde später, mit dem Berliner Vertrag von 1878 sehr deutlich, als die Unabhängigkeit Rumäniens anerkannt und Rumänien Mitglied der Europäischen Donaukommission wurde. Rumänien sollte als Pufferzone zwischen Russland und dem Osmanischen Reich fungieren und die Unabhängigkeit der Flussschifffahrt auf der Donau garantieren.“




    Die Europäische Donaukommission war keine rein bürokratische Institution. Sie hat aufgrund ihrer Effizienz, ihrer erfolgreichen Projekte und ihrer Neutralität an Ansehen gewonnen. Mehr dazu von Constantin Ardeleanu:



    Die Europäische Donaukommission begann eine immer aktivere Rolle in der internationalen Politik zu spielen, und zwar bereits in den ersten Jahren nach ihrer Gründung, als die sieben europäischen Kommissare als ausgleichender Faktor in einem geopolitisch komplizierten Gebiet angesehen wurden. Während des Krieges für die Unabhängigkeit Rumäniens von 1877–1878 wurde die Donauhafenstadt Sulina gerade durch die Existenz dieser Kommission verteidigt. Die Russen versuchten, die Stadt zu bombardieren, aber sie achteten sehr genau darauf, wo sie ihre Schüsse abgaben, um die Neutralität der Donaukommission zu respektieren. Diese Kommission war eine äu‎ßerst effiziente bürokratische Einrichtung, die sich auf genaue Regeln konzentrierte. Am Ende des Ersten Weltkriegs galt die Europäische Donaukommission als Vorbild für die internationale Zusammenarbeit.“




    Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Europäische Donaukommission (EDK) auf der Basis der Versailler Verträge neu belebt. Daneben gründete sich im Jahr 1921 die Internationale Donaukommission (IDK), die ihren Sitz zuerst in Pre‎ßburg (Bratislava) nahm. Im Jahr 1927 wurde dieser nach Wien verlegt. Die Präsidentschaft der EDK wurde im Wechsel von Vertretern der Anrainerstaaten übernommen. Schlie‎ßlich lösten sich die beiden Kommissionen (EDK und IDK) im Jahr 1940 auf, dafür entstand der Flussrat mit Sitz in Pre‎ßburg/Bratislava. Die Kriegseinwirkungen führten in den 1940er Jahren zum völligen Erliegen der Schifffahrt auf der Donau, weswegen alle entsprechenden Organe ihre Arbeit einstellten.



    Am 18. August 1948, nachdem in Belgrad auf sowjetischen Vorschlag ein entsprechendes Übereinkommen über die Regelung der Schifffahrt von ursprünglich sieben Staaten unterzeichnet worden war, gründete sich die Donaukommission neu und siedelte sich in Galaţi (Galatz) in Rumänien an. Im Jahr 1954 zog die Kommissionsverwaltung nach Budapest. Deutschland und Österreich wurden bei der Gründungskonferenz nicht zugelassen, da sie für den Krieg verantwortlich gemacht wurden. Österreich ist seit 1960 Mitglied. Deutschland konnte auf Grund russischer Vorbehalte erst nach 1999 beitreten. Gro‎ße Bedeutung hatte die Donaukommission neben den laufenden Aufgaben im Zuge der Kriegswirren des Balkankonflikts, als die Donau nicht mehr passierbar war. Der Kommission wurde das Projekt Räumung der Donau bei Novi Sad übertragen.



    Ein Teil des Vermächtnisses der Europäischen Donaukommission, das wir täglich auf Radio Rumänien hören, sind die auf Rumänisch, Russisch und Französisch verlesenen Pegel der Donaugewässer. Der Rumänische Rundfunk bietet seit Jahrzehnten diesen Dienst an. Grund für das tägliche Verlesen der Eckdaten über den Donaupegel ist eine Empfehlung der Donaukommission aus dem Jahr 1979, in der es hie‎ß, dass diese für den Schiffsverkehr wichtigen Informationen im rumänischen Sektor des Donauverlaufs durch den Rumänischen Rundfunk zu erfolgen habe, und zwar in den Sprachen Rumänisch, Französisch und Russisch. Warum gerade diese drei Sprachen? Das ist einfach zu beantworten: Rumänisch ist die Landessprache, Russisch und Französisch sind zwei von den insgesamt drei Amtssprachen der Donaukommission. Deutsch ist zwar auch Amtssprache der besagten Organisation, in der Aussendung des Rumänischen Rundfunks wird sie aber nicht berücksichtigt.



    Seit 2008 werden die Wasserstände der Donau allerdings nicht mehr im ersten Programm ausgestrahlt, das sich Radio Rumänien Aktuell nennt, sondern im Programm für Landwirte, das sich Antena Satelor (Dorfantenne) nennt und auf Langwelle sendet. Die Donaupegel an den verschiedenen Messstationen werden täglich von 12:10–12:20 Uhr Ortszeit auf 153 kHz verlesen — das ist nach MEZ 11:10–11:20 Uhr, also eine Stunde früher.

  • Epidemien: Flecktyphus in Rumänien während des Ersten Weltkriegs

    Epidemien: Flecktyphus in Rumänien während des Ersten Weltkriegs

    Laut Statistik tötete die Fleckfieber-Epidemie im Winter 1916–1917 etwa 350 Tausend Soldaten und 450 Tausend Zivilisten in Rumänien und war damit tödlicher als der Krieg. Rumänien war im August 1916 an der Seite der französisch-englisch-russischen Entente durch eine Militäroffensive in Siebenbürgen in den Ersten Weltkrieg eingetreten. Die deutsch-österreichisch-ungarische Gegenoffensive im Norden und die deutsch-bulgarische im Süden zwangen die rumänische Armee, in die Defensive zu gehen. Nach viermonatigen Kämpfen zog sich die rumänische Armee zusammen mit der Regierung und einem Teil der Bevölkerung nach Jassy in die Moldau zurück. Im Dezember 1916 wurde Bukarest von den deutschen, bulgarischen und österreichisch-ungarischen Truppen besetzt und ein strenges militärisches Regime von Requisitionen und Restriktionen verhängt.



    Die militärische Besetzung Bukarests bedeutete auch die Entstehung eines neuen Feindes: das Fleckfieber. Ende Dezember 1916 wurden die ersten Fälle von Ansteckung unter der armen Bevölkerung von Bukarest entdeckt. Die Krankheit breitete sich aus und verwandelte sich bald in eine Epidemie. Krieg, Nahrungsmangel und die für den Winter ungewöhnliche Wärme trugen zur Ausbreitung der Krankheit bei. Ein zweiter Fleckfieberherd, noch gefährlicher als der im Süden, war jener, den die russische Armee in die Moldau einschleppte. Die Historikerin Delia Bălăican von der Bibliothek der Rumänischen Akademie hat die Auswirkungen der Fleckfieber-Epidemie auf die rumänische Gesellschaft erforscht.



    Was bedeutete die Fleckfieberepidemie? Die Ursache dafür waren die Läuse, die auf Armut und mangelnde Hygiene bei Zivilisten und Militärs hindeuten. Die Krankheit war von den russischen Truppen nach Rumänien eingeschleppt worden und war auch in der Balkanregion präsent. Sie breitete sich auf dem Land aus, als die rumänischen Truppen sich in die Moldau zurückzogen. Die Situation geriet au‎ßer Kontrolle, und im März 1917 erreichte die Sterblichkeitsrate 30% unter der Zivilbevölkerung und 40% unter dem medizinischen Personal.“



    Trotz des Chaos reagierten die rumänischen Behörden und entwarfen einen Plan zur Eindämmung der Krankheit. Die Historikerin Delia Bălăican erläutert weiter:



    Im Januar 1917 wurde die Krankheit offiziell anerkannt. Der Höhepunkt der Epidemie wurde im März registriert. Im besetzten Bukarest gab es das Institut für Bakteriologie unter der Leitung des Wissenschaftlers Victor Babeş. In Iaşi wurden nach Appellen des Französischen Roten Kreuzes die medizinischen Dienste unter der Leitung des Arztes Ion Cantacuzino vereinigt. In Bukarest versuchte Victor Babeş, Seren und Impfstoffe gegen Fleckfieber und andere Krankheiten herzustellen, da während des Krieges auch Ausbrüche von Cholera und Malaria gemeldet wurden. Leider wurden auch Epidemien politisiert, und die Behörden wurden beschuldigt, nicht vorbereitet zu sein. Das Fleckfieber war jedoch eine neuartige Krankheit, die im rumänischen Gebiet unbekannt war, so dass es keinen Impfstoff dagegen gab.“



    In jeder kritischen Situation gibt es jedoch Menschen, die einen klaren Verstand haben und die besten Ma‎ßnahmen ergreifen. Einer der Helden im Kampf gegen das Fleckfieber war der Arzt Ion Cantacuzino. Delia Bălăican erklärt, mit welchen Ma‎ßnahmen er die Epidemie letztendlich eindämmte:



    Doktor Cantacuzino, wie er in den Memoiren der Persönlichkeiten jener Zeit und in den Archiven erwähnt wird, hat in Iaşi in sehr kurzer Zeit Wunder vollbracht und es geschafft, die Fleckfieberpatienten zu isolieren. Ein Team von 150 Ingenieuren wurde mit dem Bau einiger Baracken beauftragt, um die Kranken von den Gesunden zu isolieren. Die Baracken waren aus Holz und waren in Wirklichkeit militärische Sanitätseinheiten, in denen Soldaten und Zivilisten, unabhängig von Alter und Geschlecht, untergebracht wurden. Die Landbevölkerung lebte noch immer in Hütten und hatte kein Licht. Die Feuchtigkeit im Inneren begünstigte die Krankheit. Die ersten Ma‎ßnahmen bestanden darin, die Kranken aus diesen Hütten in die Baracken zu bringen, sie zu desinfizieren, zweimal wöchentlich eine strenge Hygiene der Kranken zu gewährleisten und ihre persönlichen Gegenstände zu desinfizieren. Die Gegenstände, die nicht verbrannt wurden, wurden in Öfen desinfiziert. Wenn auch dies nicht möglich war, wurden die Gegenstände mit Benzin oder Essig desinfiziert. Dies waren die damaligen Ma‎ßnahmen. Die gleichen Ma‎ßnahmen wurden auch in Bukarest ergriffen. In Iaşi bestand das Hauptproblem der Behörden darin, die Stadt zu reinigen. Der harte Winter und der starke Schnee erschwerten diese Aufgabe zusätzlich. Ein weiteres gro‎ßes Problem war das Einsammeln der Leichen von den Stra‎ßen.“



    In diesen kritischen Zeiten brauchten die Rumänen Persönlichkeiten, die einen kühlen Kopf bewahren und ihnen helfen konnten, mit der Krankheit fertig zu werden. Die Historikerin Delia Bălăican hebt die Rolle der Königin Maria hervor, die sich als Krankenschwester um Kranke und Verwundete kümmerte:



    Königin Maria war nicht nur während der unglücklichen Episode der Fleckfieberepidemie eine Schlüsselfigur. Bilder aus dem Krieg zeigen, wie sie sich um die Kranken kümmerte, sie ermutigte und ihnen Essen brachte, was auf ihre persönlichen Beziehungen zu ausländischen Missionen zurückzuführen ist, insbesondere zur amerikanischen, französischen und britischen. Königin Maria war ein Vorbild für die Rumänen, und Damen aus den gehobenen Kreisen folgten ihrem Beispiel. Kriegserinnerungen beschreiben Königin Maria auf rührende Weise, denn sie war ein Symbol für den Kampf gegen die Krankheit und vielleicht das einzige helle Bild einer sehr schwierigen Zeit.“



    Die ergriffenen Ma‎ßnahmen waren sehr wirksam, die Ergebnisse waren bereits im Juni 1917 zu sehen, als das Fleckfieber bereits ausgerottet war. Es war das Signal der Genesung und es nahm die militärischen Erfolge der rumänischen Armee in Mărăşti, Mărăşeşti und Oituz vorweg, die schlie‎ßlich zum endgültigen Sieg führten.