Tag: Geschichte

  • König Michael I.: 100. Jahrestag seiner Geburt mit Ausstellung geehrt

    König Michael I.: 100. Jahrestag seiner Geburt mit Ausstellung geehrt

    Ich bin Rumäne und empfinde meine Zugehörigkeit zum Rumänentum als wesentlich für mein Leben. Daher tue ich alles, was menschlich möglich ist, um mein Land Rumänien zu unterstützen.“ Mit diesen Worten drückte Michael I. (1921–2017), das letzte gekrönte Staatsoberhaupt Rumänien, sein Credo aus. Am 25. Oktober wäre der letzte Souverän Rumäniens 100 Jahre alt geworden. Am Jubiläumstag hat das Nationale Kunstmuseum Rumäniens, das im ehemaligen Königspalast in Bukarest untergebracht ist, Räumlichkeiten für Besucher geöffnet, die nur zu besonderen Anlässen besichtigt werden können. Im Palast dürfen Museumsbesucher nun den königlichen Speisesaal, die Woiwodentreppe, die protokollarischen Zwecken diente, und den Thronsaal besichtigen. Au‎ßerdem wurde unter den Stichworten Fragmente der Erinnerung — königliche Porträts“ eine Ausstellung mit Gemälden eingeweiht, die den König in verschiedenen Lebensabschnitten darstellen.



    Der spätere Herrscher wurde am 25. Oktober 1921 als Sohn des Königs Karl II. und seiner Gemahlin, Prinzessin Elena, geboren. Als König Michael I. bestieg er zweimal in seinem Leben den Thron Rumäniens. Seine erste Herrschaftszeit (vom 20. Juli 1927 bis 8. Juni 1930) fand unter der Leitung einer Regentschaft statt, da der König selber noch minderjährig war. Sein Vater, der ins Exil gezwungene König Karl II., kam jedoch mit Unterstützung einer ihm nahestehenden politischen Fraktion ins Land zurück und übernahm den Thron für die nächsten 10 Jahre. Karl II. wurde aber aufgrund seines abenteuerlichen Charakters und Verhaltens bald wieder untragbar, und so bestieg Michael am 6. September 1940 — diesmal als Volljähriger — zum zweiten Mal den Thron.



    Europa befand sich damals im Krieg und Rumänien hatte im selben Sommer dramatische Ereignisse und eine Zerstückelung seines Staatsgebietes erlebt: Im Juni 1940 hatte die Sowjetunion mit einem Ultimatum Bessarabien, die Nordbukowina und das Herza-Gebiet mit insgesamt 3,7 Mio. Einwohnern an sich gerissen und im August desselben Jahres hatte das vom Reichsverweser Miklós Horthy geführte Ungarn infolge eines unter Druck erlassenen Schiedsspruchs den Norden und Osten Siebenbürgens samt der 2,6 Mio. Einwohner besetzt. Die politische und militärische Elite Rumäniens war jedoch Karl II. gegenüber feindselig eingestellt und zwang ihn zum Abdanken. Es blieb jedoch bei einer Formalie — während König Michael nur formell seine königlichen Vorrechte ausübte, räumte Karl II. dem General und künftigen Marschall Ion Antonescu die Vollmacht zur Führung des rumänischen Staates ein. Antonescu errichtete daraufhin von 1940 bis 1944 ein autoritäres Regime.



    Im Juni 1941 führte Antonescu Rumänien in den Krieg — an der Seite Nazi-Deutschlands und gegen die Sowjetunion. Wurde am Anfang der Krieg mit dem Hintergedanken noch unterstützt, man könne mit Hilfe Deutschlands die Ostgebiete Bessarabien, Nordbukowina und Herza zurückerlangen, so distanzierten sich in den Jahren 1943–44 König Michael und sein Umfeld, die demokratischen Parteien und ein Teil der militärischen Elite von Antonescu und waren fortan bemüht, Rumänien aus der Allianz mit den Achsenmächten herauszuführen. Und so kam es auch — am 23. August 1944 wurde Antonescu entmachtet und verhaftet, Rumänien wechselte die Fronten und kämpfte bis Ende des Kriegs an Seite der westlichen Alliierten.



    Doch im Vorfeld des sich anbahnenden Kalten Krieges und in Ermangelung einer eindeutigen Unterstützung durch die USA und Gro‎ßbritannien wurde König Michael I. am 30. Dezember 1947 von den durch Wahlfälschung an die Macht gekommenen Kommunisten zur Abdankung gezwungen. Nach dem Krieg lebte der Souverän im Schweizer Exil.



    Erst 1992 erlaubten die postkommunistischen Behörden König Michael die Rückkehr ins Land; er wurde von einer jubelnden Menschenmenge empfangen — mehr als 1 Million Menschen begrü‎ßten ihn in Bukarest unter dem Balkon eines Hotels im Zentrum der Stadt. Der ehemalige Souverän erhielt die rumänische Staatsbürgerschaft allerdings erst 1997 zurück, später auch einen Teil seiner Besitztümer. Bis zu seinem Tod am 5. Dezember 2017 lebte er in Abgeschiedenheit, jedoch internationale Präsenz zeigend, in einem seiner Schlösser in Rumänien.

  • Rumänien und Polen zwischen den beiden Weltkriegen: gemeinsames Vorgehen gegen Revisionismus

    Rumänien und Polen zwischen den beiden Weltkriegen: gemeinsames Vorgehen gegen Revisionismus




    Nach Ende des Ersten Weltkriegs änderte sich die Landkarte Europas radikal: Weltreiche wie Österreich-Ungarn, das zaristische Russland und das Osmanische Reich erlebten ihren Untergang, und an ihrer Stelle entstanden Nationalstaaten. Zehn Millionen Menschen hatten ihr Leben im Ersten Weltkrieg verloren, doch trotz der Sehnsucht nach Frieden und Völkerverständigung herrschte auch nach dem verhassten Krieg keine Eintracht zwischen den ehemaligen Kriegsparteien. Die Verlierer suchten mit allen Mitteln nach einer Möglichkeit, die Gebietsverluste — wenn nötig auch mit Waffengewalt — wieder rückgängig zu machen, was schlechthin als Revisionismus bezeichnet wurde. Die Siegermächte und vor allem ihre Verbündeten versuchten ihrerseits, eine neue Politik der Allianzen zu schmieden, um den Revanchismus zu konterkarieren und einen neuen Krieg zu verhindern. Wie die späteren Entwicklungen zeigten, konnte der Zweite Weltkrieg nicht abgewendet werden — mit wenigen Ausnahmen standen sich dieselben verfeindeten Parteien gegenüber und die kriegerischen Auseinandersetzungen hatten noch schrecklichere Folgen.



    Rumänien und Polen hatten gemeinsame Interessen nach 1918, und so kam es zu einer verstärkten Annäherung zwischen den beiden Staaten, zumal es schon im Mittelalter gute nachbarschaftliche Beziehungen zwischen rumänischen und polnischen Staatsgebilden gegeben hatte und es nach dem Ersten Weltkrieg sogar erneut zur Existenz einer kleinen gemeinsamen Staatsgrenze gekommen war. Der Historiker Ioan Scurtu erläutert, wie es zum Brückenschlag zwischen Rumänien und Polen beginnend mit 1921 kam.



    Mit dem Abkommen vom März 1921, das auch eine militärische Komponente hatte, vereinbarte man gegenseitige Hilfe im Fall eines Angriffs Sowjetrusslands an der Ostgrenze. Polen hatte bereits im Ersten Weltkrieg russische und ukrainische Truppen bekämpft und brauchte diese Unterstützung. Und beide Länder wollten einen befreundeten Staat in ihrer Nachbarschaft — Polen zählte also auf ein freundlich gesinntes Rumänien an seiner Südgrenze, ebenso wie Rumänien ein befreundetes Land im Norden brauchte. Das war schon im Mittelalter so gewesen, als das Fürstentum Moldau und das damalige Polen Nachbarstaaten waren.“




    Rumänien und Polen wollten darüber hinaus auch internationale Anerkennung erlangen, und dafür war eine Politik der regionalen Kooperation besonders förderlich. Die zweite Säule der Absicherung der neuen Grenzen und ihrer Anerkennung war die Berufung auf die Prinzipien der Vereinten Nationen, mit denen Europa ein neuer Krieg erspart werden sollte. Doch die Logik des Kriegs war nicht aus der Welt geräumt worden, und so folgte man eher dem Prinzip, dass Frieden nur durch neue Kriegsvorbereitungen gesichert werden könne. Daher erneuerten Rumänien und Polen das militärische Kooperationsabkommen im Jahr 1926. Der Historiker Ioan Scurtu kennt die Details dieses Dokuments:



    Das Dokument sah die Ausarbeitung eines detaillierten Plans zur militärischen Kooperation zwischen den beiden Staaten vor. Und so trafen sich Vertreter der Generalstäbe mehrfach und vereinbarten die konkreten Kooperationsbedingungen. Neu war im Vergleich zum vorangegangenen Abkommen von 1921, dass es keinen ausdrücklichen Bezug auf die Ostgrenze, also jener zur Sowjetunion mehr gab. Im Abkommen von 1926 stand, dass die beiden Staaten sich zu Hilfe eilen würden, wenn ein Drittstaat einen grundlosen Angriff auf einen der beiden Vertragspartner — egal aus welcher Richtung — starten würde. Es ging also um die Kooperation der rumänischen und polnischen Streitkräfte an allen Grenzen.“




    Die verhei‎ßungsvolle militärische Kooperation zwischen Rumänien und Polen sollte jedoch bald vor neue Herausforderungen gestellt werden. Der Historiker Ioan Scurtu erneut mit Einzelheiten:



    Polen hatte einen Gebietsstreit mit der Tschechoslowakei, und die Tschechoslowakei war ebenfalls ein Bündnispartner Rumäniens im Rahmen der sogenannte Kleinen Entente. Aus diesem Grund konnten die rumänisch-polnischen Militärpläne, die u.a. gemeinsame Truppenübungen vorsahen, nicht mehr umgesetzt werden, denn Rumänien wollte sich mit keinem der beiden verbündeten Staaten einen Streit einhandeln. Darüber hinaus gab es zwischen Polen und der Tschechoslowakei auch einen ehrgeizigen Disput, wer als der wichtigste Verbündete Rumäniens zu gelten hat. Als der rumänische Ministerpräsident Take Ionescu Polen und der Tschechoslowakei bereits 1919 vorgeschlagen hatte, eine Allianz vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer zu schmieden, haben beide Staaten diesen Vorschlag abgelehnt. Die Region um Těšín/Cieszyn, über deren Zugehörigkeit sich Polen und die Tschechoslowakei stritten, war besonders reich an Kohle — und Kohleförderung spielte damals noch eine äu‎ßerst wichtige Rolle. Au‎ßerdem hatte die Tschechoslowakei Grenzstreitigkeiten auch mit Ungarn, während Polen keine hatte und befürchtete, dass eine zu enge Kooperation mit der Tschechoslowakei Ungarn feindselig stimmen würde.“




    Mitte der 1930er Jahre wurde die Lage auf dem Kontinent noch dramatischer. Frankreich und Gro‎ßbritannien, die Garanten der Friedensverträge nach dem Ersten Weltkrieg, versuchten, das immer aggressiver werdende Nazi-Deutschland durch eine Beschwichtigungspolitik zu bändigen. Doch für Polen war das ein schwacher Trost — das Land war zwischen Deutschland und der Sowjetunion, dem Nachfolgestaat des zaristischen Russland, eingepfercht, und die Gro‎ßmächte hatten sich Polen mehrmals in der Geschichte untereinander aufgeteilt. Von 1795 bis Ende des Ersten Weltkriegs war der souveräne polnische Staat sogar von der Landkarte Europas verschwunden. Daher war Polen in erster Linie darum bemüht, Ruhe an seinen Grenzen zu haben. Dazu gehörte eine Au‎ßenpolitik, die auf Taktieren setzte, wei‎ß der Historiker Ioan Scurtu:



    Die polnische Diplomatie lavierte ziemlich geschickt durch diese Konstellation und sie schaffte es zeitweilig sogar, eine gewisse Nähe zur Sowjetunion zu etablieren und eine Art Nichtangriffspakt zu vereinbaren. Auch mit Deutschland gelang den Polen 1934 ein ähnliches Kunststück: Polen und Deutschland verpflichteten sich, das Pariser Abkommen von 1928 umzusetzen, in dem vorgesehen war, dass Meinungsverschiedenheiten oder Konflikte zwischen europäischen Staaten ausschlie‎ßlich mit nicht kriegerischen Mitteln beigelegt werden sollen. Vor diesem diesem Hintergrund entfaltete Oberst Józef Beck, der damalige Au‎ßenminister Polens, eine regelrechte Kampagne gegen den rumänischen Diplomaten Nicolae Titulescu, der Präsident der Generalversammlung des Völkerbundes war und eine andere Vision hatte: Ihm schwebte vor, ein staatenübergreifendes Sicherheitssystem zu etablieren, mit dem man Nazi-Deutschland hätte in seine Schranken weisen können. Schlie‎ßlich hat sich diese Taktik Polens als trügerisch erwiesen: Am 1. September 1939 wurde Polen von Nazi-Deutschland angegriffen, und am 17. September marschierten auch sowjetische Truppen in Ostpolen ein.“




    Polen und Rumänien wurden schlie‎ßlich beide Opfer des Hitler-Stalin-Paktes — zunächst Polen im Herbst 1939, danach Rumänien im Sommer 1940. Doch trotz der zeitweiligen Verstimmungen zwischen Józef Beck und Nicolae Titulescu lie‎ß Rumänien die alte Freundschaft auch weiterhin währen: Polen wurde erlaubt, seine politische Führung, Teile der Streitkräfte und seinen Staatsschatz durch rumänisches Staatsterritorium ins sichere Exil zu bringen.

  • Fake Maps: Wie das kommunistische Regime Grenzgänger in die Irre führte

    Fake Maps: Wie das kommunistische Regime Grenzgänger in die Irre führte

    Das kommunistische Regime scheute keine Mittel, um Kritiker und Oppositionelle mundtot zu machen. Gegen verzweifelte Menschen, die den Weg der Flucht in die freien westlichen Länder wählen wollten, wurde noch brachialer vorgegangen: Wenn sie nicht auf der Grenze sofort erschossen wurden, steckte man die auf der Flucht Gefassten ins Gefängnis — es folgten Verhöre, Einschüchterung, Erpressung oder sogar Folter. Beim Versuch, den Eisernen Vorhang zu durchbrechen, am bildhaftesten durch die Berliner Mauer verkörpert, wurden Menschen kaltblütig erschossen.



    In ihrem Bemühen, Flucht und Grenzüberwindung zu vereiteln, wandten die kommunistischen Regime jedoch auch subtilere Methoden an. Im September 1965 beschlossen die Ostblock-Staaten auf einer konsultativen Konferenz in Moskau, die Landkarten der sozialistischen Länder künftig mit Ungenauigkeiten, Verzerrungen oder gar falschen Angaben zu drucken. Damit sollten illegale Grenzgänger in die Irre geführt und in die Fänge der Grenzwächter geleitet werden. Fake Maps und Fallen statt aufsehenerregender Schie‎ßereien an der Grenze.



    Den dringendsten Bedarf an Fake Maps meldete die DDR — und die gefürchtete Stasi übernahm die Aufgabe ihrer Verlegung. Doch auch die rumänische Securitate stand ihrem ostdeutschen Pendant in nichts nach und eignete sich diese Praxis geflissentlich an. In Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut in Bukarest hat das rumänische Nationalmuseum für alte Karten und alte Bücher unlängst eine Ausstellung eröffnet, die die Methoden der Stasi und Securitate in der Kartenfälschung beleuchtet. Unter den Stichworten Fake Maps — wie Securitate und Stasi die Menschen in die Irre führten“ dokumentiert die Ausstellung, wie die Geheimdienste mit gefälschten Karten Fluchtversuche vereiteln wollten. Kurator der Ausstellung ist der Historiker Adrian Buga — für ihn sind die Fake Maps aus der Zeit vor 1989 ein Sinnbild für die Unterdrückung der Reisefreiheit:



    Ich würde Landkarten und Erkenntnis gleichsetzen. Wenn man einen neuen geographischen — meinetwegen auch einen au‎ßerirdischen — Raum erschlie‎ßt, ist Wissen essentiell. Wer dieses Wissen hat, in unserem Fall die räumlichen Karten herausgibt, kontrolliert diesen Vorgang. Wenn man jedoch auch die Information kontrollieren und sie dem Feind vorenthalten will, spielt man ihm gefälschte Information zu. Ein weiterer Aspekt der Fake Maps ist die Orientierung. Will man aus einem Raum herausbrechen, braucht man Orientierung aus glaubwürdigen Quellen. Die vom kommunistischen Staat herausgebrachten Landkarten enthielten vorsätzlich eingebaute Fehler oder Falschstellen, um Fluchtwillige in die Irre zu führen.“




    Doch damit nicht genug. Die Fake Maps des kommunistischen Regimes hatten auch die Funktion, die innere Landkarte des Menschen zu manipulieren. Nicht allein die Topographie wurde gefälscht, sondern auch die vermittelte Wahrnehmung der Au‎ßenwelt, erläutert weiter der Historiker und Museograph Adrian Buga:



    Man kann getrost sagen, dass Fake Maps kennzeichnend sind für geschlossene, totalitäre Regime. Wenn der Staat alles kontrollieren, die Menschen unterdrücken und an einem bestimmten Ort festhalten will, dann muss er Grenzen fälschen und die Wahrnehmung des Ortes und der Au‎ßenwelt verzerren. Es gilt, zu vermitteln, wie schlecht es au‎ßerhalb der Matrix sei und wie gut man es im eigenen Staate habe.“




    Doch wie wurden die Landkarten konkret gefälscht? Adrian Buga sagt, dass man im Grunde akkurat hergestellte Karten vorsätzlich verzerrte:



    Es gab natürlich wissenschaftliche Standard-Landkarten, die viel Information über Städte und Ortschaften, Gebäude, Stra‎ßen, Beschaffenheit der Erdoberfläche, Flüsse und Höhenunterschiede enthielten. Doch diese topographischen Standardwerke waren geheim, kaum jemand hatte Zugang zu solchen Landkarten, dafür brauchte man schwer zu erlangende Genehmigungen. Für das breite Publikum waren nur touristische Landkarten erhältlich, auf denen bestimmte Gebiete verzerrt oder auch gar nicht dargestellt wurden. Da stand man dann mit einer herkömmlichen Landkarte an einem bestimmten Ort und musste feststellen, dass gar nichts stimmte: Man fand Abhänge oder Höhenunterschiede, die auf der Landkarte gar nicht markiert waren, oder ein Fluss befand sich in Realität an einer anderen Stelle als auf der Karte dargestellt. Das war so konzipiert, damit Menschen, die sich im Grenzgebiet aufhielten, die genaue Beschaffenheit des Terrains nicht erschlie‎ßen können, und um Fluchtversuche zu erschweren. Und auch, um feindliche Streitkräfte, die in das Land hätten eindringen wollen, in die Irre zu führen.“




    Das Wissen um die Landkarten war dem kommunistischen Regime wichtig, führt der Historiker Adrian Buga weiter aus. Zwar habe die Securitate nicht selber Fake Maps hergestellt, jedoch festgenommene sogenannte Republikflüchtige“ äu‎ßerst genau verhört:



    Wir haben hier in der Ausstellung keine gefälschten Landkarten, sondern Karten mit den üblichen Fluchtrouten. Die Festgenommenen mussten auf Landkarten und in Plänen die genauen Wege ihres gescheiterten Fluchtversuchs einzeichnen. Die Securitate brauchte diese Information über die genaue Topographie der möglichen Fluchtrouten, damit der Staat nachträglich herkömmliche Landkarten entsprechend verzerren konnte, um die Menschen zu entmutigen und weitere Fluchtversuche zu vereiteln. Die üblichen Routen führten über die Westgrenze nach Ungarn und über die Donau nach Jugoslawien, an gewissen Stellen konnte man einen Fluchtversuch wagen. Es gibt viele Zeitzeugen-Berichte darüber, mir fällt z.B. das Buch [des Historikers und Politologen Stejărel Olaru] über die Turnerin Nadia Comăneci und die Securitate ein. Ihre spektakuläre Flucht [im November 1989] über die Grenze zu Ungarn beschreibt sie sehr detailreich. Als Schleuser war ein ortskundiger Hirte herangezogen worden, der aber die genaue Beschaffenheit des Grenzgebiets auch nicht kannte. Und so landeten sie dann mehrmals in Brachen, Böschungen oder an Flüssen, die auch der Schleuser nicht erwartet hatte.“




    Die Erforschung der Archive brachte eine weitere Überraschung ans Tageslicht: Abgesehen von der Praxis der Fake Maps stellte das kommunistische Regime auch individuelle Karten oder — besser gesagt — Karteien her. Zehntausende Oppositionelle oder Regimekritiker wurden anhand sogenannter Bewegungsprofile genauestens überwacht und kartiert. Man kannte Wohnung, Aufenthaltsorte und tägliche Routinen der Überwachten und ihrer Familien auf den Punkt genau.



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  • Tudor Vladimirescu: Walachischer Aufstand von 1821 eröffnete mehr Spielraum

    Tudor Vladimirescu: Walachischer Aufstand von 1821 eröffnete mehr Spielraum

    Wer heute in Griechenland unterwegs ist, wird schnell auf die vielen Plakate aufmerksam, die auf die 200. Jährung des Beginns des griechischen Unabhängigkeitskriegs hinweisen. Dieses Ereignis hat aber auch einen bemerkenswerten Rumänien-Bezug — im Januar 1821 begann in der Kleinen Walachei (Oltenien) die politische Bewegung von Tudor Vladimirescu. Der frühere Soldat in der Zarenarmee und spätere Kaufmann war von den Idealen des aufgeklärten Nationalismus beeinflusst und marschierte an der Spitze einer 5000 Mann starken Truppe auf Bukarest. Im Mai verlie‎ß er die Stadt, da er einen türkischen Einfall befürchtete. Am 21. Mai 1821 wurde Vladimirescu von den griechischen Nationalisten ermordet, aus deren Sicht er Verrat an der gemeinsamen Sache begangen hatte. Die damalige Bewegung Vladimirescus galt lange als Beginn der nationalen Emanzipierung der rumänischen Nation.



    Doch die politische Lage in der Region war deutlich komplizierter. Griechische Nationalisten in der Bewegung Philiki Etaireia — deutsch in etwa Freundschaftsbund“ — wollten die Unabhängigkeit Griechenlands und bekamen dabei starke Rückendeckung aus Russland. In den rumänischen Fürstentümern waren die vom Osmanischen Reich eingesetzten Herrscher aus dem griechischen Viertel Phanar in Konstantinopel der Sache der Etairia ebenfalls wohlwollend gesinnt. Seit 1716 prägten sie die Politik in den rumänischen Fürstentümern. Das 18. Jahrhundert galt als Jahrhundert der Herrscher aus Phanar — bei Zeitgenossen und Nachfahren war es negativ besetzt. Was damals als gemeinsame rumänisch-griechische Causa betrachtet wurde, spaltete sich 1821 in zwei getrennte Bewegungen.



    Wie die Bewegung von Tudor Vladimirescu heute zu bewerten ist, erläutert bei RRI der Historiker Alin Ciupală:



    Sehr wenig bis gar nicht wurde über einen Faktor diskutiert, den die kommunistische Geschichtsschreibung ganz unter den Teppich kehrte — die Rolle des Gro‎ßadels in den rumänischen Fürstentümern, der unter dem Einfluss des über die griechische Kultur importierten westlichen Gedankenguts der Aufklärung stand. Diese Ideen, die ein Gro‎ßteil der Bojaren übernahm, führten praktisch zu einem gro‎ßen Bruch, den wir gegen Ende des 18. Jahrhunderts bemerken. Zwischen dem nationalen griechischen Projekt und dem entstehenden Nationalprojekt der Rumänien entstand eine Spaltung — der griechische Nationalismus, hierzulande gefördert von den Phanarioten und den griechischen Adeligen, kollidiert mit dem Nationalismus der rumänischen Bojaren. Und das führt dazu, dass die rumänischen Adeligen nach Mitteln und Wegen suchten, um die Phanarioten zu beseitigen.“




    Jede Seite hatte ihre spezifischen Vorteile: Die Griechen besa‎ßen die politischen, administrativen und militärischen Instrumente in der Walachei, während der rumänische Gro‎ßadel die Wirtschaft dominierte. Alin Ciupală glaubt, dass die rumänischen Bojaren auf Tudor Vladimirescu als Lösung für ihre Probleme setzten — doch es sollte anders kommen, als von ihnen erwartet.



    In dieser Konjunktur erscheint also Tudor Vladimirescu — er ist ein Mann der Taten, mit militärischer Erfahrung als dekorierter Offizier im russisch-türkischen Krieg von 1806–1812. Die patriotischen Bojaren heuern ihn an, bestellen ihn nach Bukarest und geben ihm Geld, mit dem er in Oltenien eine Armee organisieren und bewaffnen und mit der er auf Bukarest marschieren sollte. Doch als Vladimirescu vor Ort feststellte, wie viel Vertrauen er bei seinen Kameraden in den Reihen der sogenannten Panduren-Truppen genoss und 5000 Mann überzeugte, ihm zu folgen, entschied er sich, sein eigenes Süppchen zu kochen — er verwarf das Projekt der Bojaren und machte immer deutlicher keinen Hehl aus seiner Absicht, das politische Machtvakuum nach dem Ableben des letzten phanariotischen Herrschers in der Walachei zu füllen.“




    In dem Moment, so der Geschichtsforscher weiter, flüchten die rumänischen Bojaren nach Kronstadt und Hermannstadt, den heutigen Städten Brașov und Sibiu. Die Bahn war also frei für Vladimirescu. Aber er war ständig um die Unterstützung der verbliebenen Adeligen bemüht, wie damalige Dokumente es zeigen — er war sich voll bewusst, dass sie die einzigen waren, die ihm die Legitimität für eine Machtposition verleihen konnten.



    Inzwischen setzte die griechische nationale Bewegung auf die Unterstützung Russlands. Doch das Zarenreich zögerte, und auch Vladimirescus Armee ging auf Distanz zu den griechischen Nationalisten — die osmanischen Truppen hatten unter diesen konfusen Umständen zunächst ein leichteres Spiel, so Historiker Alin Ciupală abschlie‎ßend:



    Zeitgleich kommt es zum griechischen Aufstand und in dem Moment, wo Russland das Osmanische Reich auf diplomatischem Weg versicherte, sich nicht zugunsten des Aufstands einzumischen, greift das türkische Militär ein. Interessant ist, dass es nirgendwo zum Kampf zwischen den osmanischen Truppen und Tudor Vladimirescus Heer kam, was deutlich zeigt, dass die Osmanen gezielt den griechischen Aufstand niederwerfen wollten.“




    Doch selbst wenn Tudor Vladimirescu auf tragische Weise umgebracht wurde, wirkte seine Bewegung nach: Das Osmanische Reich verzichtete, eigene Vertreter auf den Thron der rumänischen Fürstentümer zu schicken, und die rumänischen Führungseliten hatten die Möglichkeit, eine schlüssigere Strategie zu artikulieren.



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  • Rumänische Außenpolitik in den 1960er–70er Jahren: Öffnung gegenüber dem Westen

    Rumänische Außenpolitik in den 1960er–70er Jahren: Öffnung gegenüber dem Westen

    In den 1960er Jahren war Rumänien auf der Suche nach einer eigenen Stimme auf der internationalen politischen Bühne. Nachdem es nach 1945 zusammen mit ganz Osteuropa in den Einflussbereich der Sowjetunion geriet, war es gezwungen, sein politisches und soziales Entwicklungsmodell zu ändern. Davon war auch die Au‎ßenpolitik betroffen, wobei der Abbruch der Beziehungen zur westlichen Welt die erste Direktive aus Moskau war. Von 1948, als das kommunistische Regime vollständig an die Macht kam, bis Anfang der 1960er Jahre dominierten Isolationismus und Feindseligkeit gegenüber dem Westen und der kapitalistischen Welt die Au‎ßenpolitik Rumäniens.



    Stalins Tod 1953, die Verurteilung seiner Politik durch den neuen Machthaber Chruschtschow und die Intervention der Sowjetunion gegen die ungarische Revolution von 1956 waren einige der wichtigsten Ereignisse, die zu einer Veränderung in den internationalen Beziehungen des sozialistischen Blocks führten. Die Sowjetunion begann, ihre Kontrolle über die Staaten, die sie nach 1945 besetzt hatte, abzubauen, während die kommunistischen Führer dieser Länder versuchten, die nach dem Krieg beeinträchtigten Beziehungen wieder aufzubauen. Rumänien versuchte selbst, seine internationale Identität wiederherzustellen. Das Au‎ßenministerium brauchte einen reformorientierten Leiter, und man glaubte, dass Corneliu Mănescu, Rumäniens Botschafter in Ungarn, für diese Aufgabe geeignet sei. 1961 wurde er nach Bukarest berufen und ihm wurde vom Staatsoberhaupt Gheorghe Gheorghiu-Dej höchstpersönlich mitgeteilt, dass er das Amt des rumänischen Au‎ßenministers übernehmen werde.



    Zu dieser Zeit hatte Rumänien diplomatische Beziehungen zu rund 30 Staaten. Mănescu hielt das für lächerlich und eröffnete als erstes den Kontakt zu den Vereinten Nationen, wo Rumänien tatsächlich Freunde fand. Ein solcher Freund war der burmesische Diplomat U Thant, der dritte Generalsekretär der Organisation. So wurde Rumänien 1955 als Mitglied der Vereinten Nationen aufgenommen. 1994 zeichnete das Zentrum für Mündliche Geschichte des Rumänischen Rundfunks ein Interview mit Corneliu Mănescu auf, der damals 78 Jahre alt war:



    U Thant war ein gro‎ßer Freund von Rumänien. Er half uns, ein ehrenwertes Mitglied der Organisation der Vereinten Nationen zu werden und das UN-Zentrum in Bukarest zu gründen sowie bei vielen anderen Dingen. Er tat alles, was er konnte, um uns zu helfen. Im Jahr 1968, als Rumänien von einer [russischen] Invasion bedroht war, war er die erste Person, mit der ich in New York Kontakt aufnahm, und er versprach, eine au‎ßerordentliche internationale Sitzung der Vereinten Nationen abzuhalten, um uns zu unterstützen. Wir schulden ihm also unseren Respekt und unsere Dankbarkeit.“



    Corneliu Mănescu versuchte auch, Rumäniens Beziehungen zum Westen wiederherzustellen, angefangen mit Frankreich:



    1961, als ich das Au‎ßenministerium übernahm, hatte Rumänien fast nur Beziehungen zu den Staaten des Warschauer Paktes. Mit den westlichen Staaten, an deren Seite wir gegen Hitlers Armeen gekämpft hatten, befanden wir uns seit 1945 in einem Beinahe-Kriegszustand. Die Beziehungen waren fast eingefroren. Ab 1961 begannen wir, unsere Beziehungen systematisch auszubauen. Vor allem haben wir die Beziehungen zu Ländern wie Frankreich wiederhergestellt. Im Jahr 1961 waren unsere Beziehungen zu Frankreich fast nicht existent. Ich traf den damaligen französischen Au‎ßenminister Couve de Murville 1961 im ersten Jahr meiner Amtszeit und er lud mich nach Frankreich ein. Ich habe sofort ja gesagt, was nicht üblich war. Es war nicht üblich, dass jemand eine solche Entscheidung alleine trifft. Natürlich habe ich später auch die Zustimmung von zu Hause erhalten.“



    Ein weiteres westliches Land, das Rumänien ins Visier nahm, war Italien:



    Rumänien hatte eine unverzeihliche Haltung gegenüber internationalen Organisationen, es lehnte sie ab, verweigerte Hilfe. Ich werde nie eine Diskussion vergessen, die ich mit dem italienischen Ministerpräsidenten Amintore Fanfani in Bukarest hatte, als ich ihm sagte, dass Rumänien die Hilfe von Industrieländern wie Italien braucht. Und er sagte: ‚Warum haben Sie so lange gebraucht? Wir haben darauf gewartet, dass Sie um unsere Hilfe bitten, aber Sie haben nie gefragt. Also haben wir den Ländern, die darum gebeten haben, unsere Hilfe angeboten, besonders Jugoslawien.‘. Das waren die Worte von Fanfani.“



    Rumänien würde 1967 den gro‎ßen Schritt machen, nämlich die Wiederherstellung der Beziehungen zu Westdeutschland. Der rumänische Au‎ßenminister aus der kommunistischen Ära, Corneliu Mănescu, erinnert sich:



    Ungefähr zu dieser Zeit gab ich einem Reporter von The Christian Science Monitor ein Interview, er hie‎ß Rossi und arbeitete in New York. Er fragte mich nach unserer Haltung gegenüber Westdeutschland, ob wir Beziehungen zu ihnen wollten, ob wir glauben, dass wir eine formalisierte, stabile Beziehung haben sollten. Und er fragte auch, ob ich Deutschland für faschistisch halte, worauf ich kategorisch antwortete: ‚Nein!‘ Dieses Interview löste bei den anderen Ländern des Warschauer Paktes, vor allem in Ostdeutschland, gro‎ße Unzufriedenheit aus, und sie protestierten vehement. Sie fragten mich, welches Recht ich hätte, eine solche Position zu vertreten. Aber das änderte nichts, die Dinge waren geklärt, es war etwas, das getan werden musste.“



    Corneliu Mănescu war ein erfolgreicher Au‎ßenminister und genoss Unterstützung von höchster Ebene. Am 19. September 1967 wurde er zum Präsidenten der 22. Sitzung der UN-Generalversammlung gewählt und war damit der erste Vertreter eines sozialistischen Landes, der diese Position innehatte. Zu dieser Zeit war das Image Rumäniens im Ausland hervorragend, was es in den 1980er Jahren ausnutzen sollte.



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  • QSL 5/2021: Museum für Geschichte der Großwardeiner Juden

    QSL 5/2021: Museum für Geschichte der Großwardeiner Juden

    Im Museum für die Geschichte der Juden erfahren Sie das tragische Schicksal von Éva Heyman, einem 13-jährigen Mädchen, das ähnlich wie Anne Frank im Gro‎ßwardeiner Ghetto ein kurzes Tagebuch schrieb, bevor es in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert und zum Holocaust-Opfer wurde.



    Die Geschichte von Éva Heyman oder Tereza Mózes — einer Holocaust-Überlebenden — haben die Atmosphäre des Museums stark geprägt. Im Museum sind auch ihre Biografien, Tagebücher und andere persönliche Gegenstände ausgestellt.

  • Kommunismus auf dem Lande: Überwachungsapparat wandte brutale Methoden an

    Kommunismus auf dem Lande: Überwachungsapparat wandte brutale Methoden an

    Die politische Überwachung in Rumänien während des kommunistischen Regimes (1945–1989), war eine der Säulen des Terrors, auf denen das System beruhte. Der Sicherheitsdienst Securitate“, die Miliz (die damalige Polizei) und das Netzwerk von Spitzeln, in Deutschland inoffizielle Mitarbeiter genannt, verfolgten unschuldige Menschen und brachten viele davon ins Gefängnis. Der Apparat der politischen Überwachung und Repression war allgegenwärtig und schreckte auch vor Mord nicht zurück.



    Die politische Überwachung im Kommunismus ist in den Städten gut dokumentiert. In den gro‎ßen städtischen Ballungsräumen, wo die Lebensbedingungen schwierig und das Risiko eines Widerstandes grö‎ßer waren, konzentrierte das Regime mehr Ressourcen. Darüber hinaus gaben dem Regime gerade die Arbeiter, wegen ihrer Fähigkeit zur Solidarität, mehr Grund zur Sorge.



    Aber auch auf dem Lande war der Überwachungs- und Repressionsapparat des Staates vertreten. Die Geschichte der kommunistischen Überwachung und Unterdrückung begann im Grunde genommen auf dem Lande und hörte erst 1989 auf. Der bewaffnete antikommunistische Widerstand, gebildet aus Soldaten und Bauern, die sich gegen die Zwangskollektivierung wehrten, veranlasste den kommunistischen Staat, den Terror zunächst auf dem Lande zu etablieren. Der Staat brauchte Spitzel, um herauszufinden, wer die Partisanen in den Bergen waren, wer die Bauern in den Dörfern und Gemeinden waren, die sie unterstützten, und wie die Netzwerke der Partisanen, Bauern und der städtischen Bevölkerung funktionierten.



    Die Überwachung auf dem Lande war also von gro‎ßer Bedeutung. Spitzel hatten einen wichtigen Beitrag zur Liquidierung der Partisanengruppen, sagen die Geschichtsforscher. In Massengräbern wurden Dutzende Bauern entdeckt, die auf den Feldern, am Waldrand oder an anderen abgelegenen Orten erschossen wurden.



    Der Historiker Gheorghe Miu hat den Überwachungs- und Repressionsapparat in der Region Buzău, im Südosten Rumäniens, erforscht.



    Diese militarisierten Strukturen des kommunistischen Regimes operierten auf dem Lande, in den sozialistischen Dörfern, indem sie die Milizposten der Gemeinden nutzten. Die Securitate hatten gut ausgebaute Informationsnetzwerke mit konspirativen Häusern, inoffiziellen Mitarbeitern und einer Informationsstruktur, wie aus den durch gesichteten Dokumenten hervorgeht. Der Milizposten war eine Informationsquelle. Von dort aus wurden Netzwerke von inoffiziellen Mitarbeitern überwacht und beaufsichtigt. Meistens übernahm der Leiter des Milizpostens auch die Aufgaben des Sicherheitsoffiziers, der für das Gebiet zuständig war. Er gab Informationen an den Sicherheitsbeauftragten weiter, der üblicherweise als operativer Sicherheitsmitarbeiter bezeichnet wurde.“




    Ein Überwachungs- und Repressionsapparat könnte ohne inoffizielle Mitarbeiter nicht auskommen. Diese kamen aus allen Gesellschaftsschichten und bespitzelten aus den unterschiedlichsten Gründen. Einige gaben Erpressung nach, andere erhielten laut den Archiven materielle Vorteile: Sie oder ihre Familienmitglieder bekamen begehrte Arbeitsplätze, erhielten bessere Wohnungen, höhere Gehälter oder finanzielle Belohnungen, wieder andere durften ins Ausland reisen. Aber auf dem Lande gab es keine Belohnungen, die inoffiziellen Mitarbeiter bespitzelten aus Angst, sagt Gheorghe Miu.



    Wir haben unzählige inoffizielle Mitarbeiter entdeckt, die Decknamen trugen. Sie kamen aus unterschiedlichen sozialen Verhältnissen. Im Allgemeinen stammten sie aus dem Umfeld der Zielperson, die von der Securitate und der Miliz ins Visier genommen wurde. Sie waren Nachbarn oder LPG-Bauern. Aber wir haben auch Lehrer gefunden, die inoffizielle Mitarbeiter waren. Wir entdeckten sogar einen Bank-Angestellten, der den Bauern die Vorteile der CEC-Bank vorstellen sollte und gleichzeitig einen konkreten Auftrag von den Sicherheitsbeamten hatte. Die Spitzel auf dem Lande erhielten keine materiellen Vorteile. Die Miliz und die Securitate operierten auf dem Lande mit der Methode des Terrors: Sie erzeugten Angst. Die Leute wurden zum Milizposten einbestellt und sagten aus Angst oder aus eigenem Willen aus.“




    Der Historiker Gheorghe Miu erklärt die Arbeitsweise der Securitate am Beispiel seines Gro‎ßvaters väterlicherseits.



    Eine Fallstudie betrifft meinen Gro‎ßvater, Vasile Miu, einen Bauern, der sich der Kollektivierung widersetzte. Er trat bis 1989 nicht der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft bei, musste dafür aber die Konsequenzen tragen. Er wurde vernommen und ihm wurde ein Strafverfahren angehängt. Mein Gro‎ßvater war ein Bauer aus der Mittelschicht, hatte 9 Hektar Land und wurde als Reaktionär, als Feind des kommunistischen Regimes abgestempelt. Unter dem Vorwand eines Briefes, den er an den Vorsitzenden des Volksrates in Padina, Gigel Stoicescu, einen der Köpfe der Kollektivierung in Padina, im Kreis Buzău, schickte, wurde er von der Securitate überprüft und gegen ihn wurde eine strafrechtliche Ermittlungsakte eröffnet. Was darauf folgte, war eine Tortur. Obwohl der Bauer Vasile Miu nicht als politischer Gefangener eingestuft wurde, wurde er für drei Monate inhaftiert, weil er ein Pferd verkauft hatte, das von den kommunistischen Steuerbehörden für anstehende landwirtschaftliche Schulden auf dem Markt beschlagnahmt wurde.“




    Der Überwachungs- und Repressionsapparat des kommunistischen Regimes operierte auf dem Lande mit der gleichen Brutalität wie in den Städten. Und viele Bauern erinnern sich noch gut an die Methoden der Securitate, der Miliz und auch an die Spitzel auf dem Lande.



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  • Emil Cioran (1911–1995): „Schlaflosigkeit ist eine außergewöhnliche Offenbarung“

    Emil Cioran (1911–1995): „Schlaflosigkeit ist eine außergewöhnliche Offenbarung“

    Mit dem Religionshistoriker Mircea Eliade und dem Dramatiker Eugen Ionescu bildet der Philosoph und Essayist Emil Cioran das Vorzeige-Trio einer rumänischen Generation, die nach 1945 die westliche Kulturwelt beeinflusste. Alle drei wählten das Exil, nachdem sich beginnend mit 1945 das kommunistische Regime in Rumänien etabliert hatte. Alle drei, die Anfang des 20. Jahrhunderts innerhalb von nur zwei Jahren geboren wurden, dürfen Leistungen auf höchstem Niveau in drei Bereichen ihr Eigen nennen: Eliade in der Religionsgeschichte, Ionescu im Theater und Cioran in der Philosophie.



    Der jüngste von ihnen, Emil Cioran, wurde vor 110 Jahren, am 8. April 1911, in Rășinari bei Sibiu (Hermannstadt), geboren und starb am 20. Juni 1995 in Paris im Alter von 84 Jahren. Sein Vater war ein orthodoxer Geistlicher und seine Mutter war die Tochter eines zum Baron erhobenen Notars. Er besuchte die Fakultät für Literatur und Philosophie an der Universität Bukarest, wo er mit zwei anderen wichtigen rumänischen Philosophen der Zwischenkriegszeit, Petre Țuțea und Constantin Noica, in Kontakt kam. In den 1930er Jahren fühlte sich Cioran von der philosophischen Bewegung mystischer Hedonisten angezogen, einer rumänischen Version des Existenzialismus. Der junge Cioran studierte eifrig die Werke von Friedrich Nietzsche, Arthur Schopenhauer, Georg Simmel, Martin Heidegger, Fjodor Dostojewski, Lew Schestow. Von dieser Zeit an vertrat er agnostische Ansichten und litt an Schlaflosigkeit, ein sehr wichtiges biographisches Detail, das sein Werk prägen sollte.



    Cioran sah sich selbst eher als Essayist denn als Philosoph und bezeichnete sich selbst als Skeptiker im Dienst einer Welt im Niedergang“. Sein Werk zeigt ihn als einen pessimistischen Denker, der von der Gegenwart des Leidens, des Zerfalls und des Nihilismus beherrscht wird. Schon in seinem ersten Buch Auf den Höhen der Verzweiflung“, das 1934 erschien, als er im Alter von 23 Jahren war, lie‎ß Cioran seinen morbiden Gedanken freien Lauf. Vier weitere Bände sollten in rumänischer Sprache folgen, in denen seine dunklen Reflexionen über die conditio humana, die Natur des Menschen weitergeführt werden.



    1937 ging er mit einem Stipendium des Französischen Instituts in Bukarest nach Frankreich, das bis 1944 verlängert wurde, und er kehrte nie mehr nach Rumänien zurück. In Paris, wo er im Quartier Latin lebte, schrieb er neun weitere Bücher, ab nun in französischer Sprache, die ihn in der französischen Kulturszene als echten Skeptiker der untergehenden Welt etablierten. Seine Werke wurden vielfach übersetzt und seine kritische Rezeption war im Allgemeinen positiv. Er gilt als einer der wichtigsten Stilisten der französischen Essayistik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das Lieblingsthema seiner Bücher in französischer Sprache wird der Selbstmord bleiben, dem er viel Raum widmen wird. Weitere Themen sind die Erbsünde, der tragische Sinn der Geschichte, das Ende der Zivilisation, die Bedrohung durch das Böse, die Verweigerung des Glaubens. Philosophie war nur noch als Fragment möglich, glaubte Cioran, so dass viele seiner Seiten Aphorismen und kurze Anmerkungen zu bereits festgelegten Themen enthalten.




    Im Jahr 1990 drehte der Philosoph Gabriel Liiceanu einen Film über Emil Cioran, einen der ersten Filme über ihn in rumänischer Sprache — hier lie‎ß sich der Philosoph über die Arbeit an sich aus:



    Meine Arbeit ist eine Sache der Besessenheit. Ich habe alle Bücher aus medizinischen, therapeutischen Gründen geschrieben. Die gleiche Besessenheit, das Thema der Vergeblichkeit und des Todes. Alle anderen Themen haben keine Bedeutung. Alles, was formuliert wird, wird erträglicher. Sich auszudrücken, wird zum Medikament. Was bringt es schlie‎ßlich, zu einem Priester zu gehen, um zu beichten, was man getan hat? Es ist eine Befreiung. Alles, was ausformuliert wird, wird in der Intensität herabgesetzt. Das ist therapeutisch, das ist die Bedeutung von therapeutisch. Die depressiven Zustände, die ich in meinem Leben durchgemacht habe, hätten mich in den Wahnsinn treiben können oder, schlimmer noch, zum völligen Versagen. Die Tatsache, dass ich sie formuliert habe, war bemerkenswert effektiv. Wenn ich nicht geschrieben hätte, bin ich überzeugt, dass die Dinge für mich schlecht geendet wären. Und ich habe aufgehört zu schreiben, weil sich etwas in mir verändert hat, eine Verkleinerung“, erzählte Cioran in der Dokumentation von Gabriel Liiceanu.




    Es sind extreme persönliche Erfahrungen, die die Existenz in einem definitiven Ausma‎ß leiten, glaubte Cioran. Die Schlaflosigkeit war dementsprechend die Erfahrung, die ihn tief geprägt hat und ihn dazu brachte, bemerkenswerte Werke zu schreiben. Cioran gestand Liiceanu die Bedeutung des Schlafmangels für die menschliche Existenz:



    Vor meiner Schlaflosigkeit war ich ein fast normaler Mensch. Es war eine Offenbarung für mich, als ich meinen Schlaf verlor. Mir wurde klar, dass Schlaf etwas Au‎ßergewöhnliches ist und dass das Leben nur durch den Schlaf erträglich ist. Morgens beginnt man ein neues Abenteuer oder das gleiche Abenteuer, aber mit einer Unterbrechung. Schlaflosigkeit ist eine au‎ßergewöhnliche Offenbarung, weil sie das Unbewusste unterdrückt. Man verbringt 24 Stunden am Tag im Wachzustand bei vollem Bewusstsein. Und der Mensch ist zu schwach, um das zu ertragen. Es wird zu einem Akt des Heldentums, jeder Tag ist ein Kampf. Als ich an Schlaflosigkeit litt, verachtete ich absolut jeden, jeder war ein Tier für mich. Der Wachzustand ist der Mensch, der an seine Grenzen stö‎ßt“, beichtete der Philosoph.




    Als junger Mann fühlte sich Cioran zum Faschismus hingezogen. Von dieser Anziehungskraft distanzierte er sich kritisch in den frühen 1940er Jahren. In einem Interview in den 1970er Jahren bezeichnete er sein Festhalten am Faschismus erneut als die grö‎ßte Torheit seiner Jugend. Ciorans Einfluss war nicht nur in der Hochkultur, sondern auch in der Popkultur zu spüren. 1991 schrieb die französische Sängerin Mylène Farmer den Text zu ihrem Hit Désenchantée“, inspiriert von Ciorans Debütband Auf den Höhen der Verzweiflung“. Und im März 2021 wurde Cioran zur Figur in einem Comic des französischen Künstlers Patrice Reytier.



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  • Schach in Rumänien der 1960er–80er Jahre: Rumänische Meister waren weltweit anerkannt

    Schach in Rumänien der 1960er–80er Jahre: Rumänische Meister waren weltweit anerkannt

    Das Schachspiel war in Rumänien um 1700 ein Spiel der Elite, erst im 19. Jahrhundert begann man, Schach in bürgerlichen Kreisen zu spielen, und gegen Ende des Jahrhunderts erschienen Publikationen und Vereine. Bei den Schacholympiaden belegten rumänische Mannschaften dann im 20. Jahrhundert recht gute Plätze: 1926 erreichte Rumänien in Budapest den 3. Platz, 1978 in Buenos Aires den 6. Platz und 1984 in Thessaloniki den 5. Platz.



    Einer der Spitzenspieler Rumäniens war Florin Gheorghiu — er siegte auch über Bobby Fischer, der von vielen als der grö‎ßte Spieler in der Geschichte dieses Sports angesehen wird. Fischer und Gheorghiu waren auch befreundet, das Ergebnis der Partien zwischen den beiden war ein friedliches 2:2. Fischer und Gheorghiu trafen sich zum ersten Mal 1962 bei den Olympischen Spielen in Warna, als der Amerikaner 19 und der Rumäne 18 Jahre alt waren. Sie spielten nicht gegeneinander, aber Gheorghiu sagte, dass er, wie die anderen, von Fischers gro‎ßer Spielstärke beeindruckt war.



    Der heute 76 jährige Gro‎ßmeister Florin Gheorghiu erzählte bei RRI von seinen Auseinandersetzungen mit Fischer am Schachbrett, die 1966 in Kuba begannen:


    Unsere erste Begegnung fand bei den Olympischen Spielen 1966 in Havanna statt, und sie endete überraschend mit meinem Sieg. Im Beisein von Fidel Castro und der gesamten kubanischen Regierung, die unser Treffen mit gro‎ßem Interesse verfolgten, legten wir damals den Grundstein für eine Annäherung, für eine zukünftige Freundschaft. Bobby hat sich tadellos verhalten, das Verhalten eines gro‎ßen Champions, seine Leistung in Havanna war ganz au‎ßergewöhnlich. Unser Match begann im Zeichen seiner absolut unglaublichen Punktzahl, 14 von 15 möglichen Punkten hatte er bis dahin erreicht. Er hatte zwei Remis, gegen Boris Spasski und Wolfgang Uhlmann, und da er in Führung lag, hätte er auch diese Partien gewinnen können. Er verlor gegen mich und gewann das letzte Spiel und hatte somit ein Endergebnis von 15 von 17 möglichen Punkten.“




    Fischer stellte sich der Herausforderung von Gheorghiu — und die zweite Runde des Showdowns sollte in zwei Jahren stattfinden.



    Wir haben noch dreimal gespielt, leider nur dreimal, es wäre toll gewesen, mehr zu spielen. Das zweite Treffen fand zwei Jahre später beim gro‎ßen Turnier in Kroatien im Jahr 1968 statt. Dort gewann Bobby das Turnier souverän mit zwei Punkten Vorsprung und präsentierte sich ganz anders, als man ihn kannte, nämlich als fröhlicher, kommunikativer Mann, der gerne Musik hörte. Wir hatten ein absolut au‎ßergewöhnliches Match, das 18 Stunden dauerte, drei Unterbrechungen hatte und in einem Unentschieden endete. Bobby misslang die Revanche und, ein wenig verärgert über dieses Ergebnis, schlug er vor, ein 10-Spiele-Match irgendwo zu machen, möglicherweise sogar in Bukarest. Natürlich habe ich mich gefreut, mich mit Bobby zu messen, es wäre etwas Au‎ßergewöhnliches für das rumänische Schach gewesen. Ich habe diesen ehrenhaften Vorschlag an den rumänischen Schachverband und das Sportministerium weitergeleitet, die natürlich ablehnten und sagten, sie hätten keine Mittel zur Verfügung. Bobby hatte die Messlatte für dieses inoffizielle Match sehr niedrig gelegt. Sicherlich wäre niemand aus diesem Match als Weltmeister hervorgegangen, aber er hätte mit gro‎ßer Wahrscheinlichkeit bewiesen, dass unser Ergebnis in Havanna für ihn ein Unfall gewesen war. Für mich wäre es eine tolle Gelegenheit gewesen, den grö‎ßten Spieler aller Zeiten zu treffen.“




    Fischer sollte im dritten Spiel gegen Gheorghiu, weitere zwei Jahre später, gleichziehen.



    Das dritte Treffen war bei einem Superturnier, das von der grö‎ßten Zeitung Südamerikas, der Zeitung »Clarín«, 1970 in Buenos Aires organisiert wurde. Bobby kam leider zu spät und die Organisatoren hätten ihn fast disqualifiziert. Er gab die ersten beiden Partien auf und zwei Gro‎ßmeister nahmen schändlicherweise in Kauf, durch sein Forfait zu gewinnen. Die Auslosung bestimmte, dass Bobby die dritte Partie mit mir spielen musste. Hätte ich zugestimmt, durch Forfait zu gewinnen, wäre Bobby ausgeschieden und das Turnier wäre uninteressant geworden. Ich weigerte mich, so zu gewinnen, und das ermöglichte es ihm, weiterzumachen. Er kam erst spät ins Spiel, er hat gegen mich ein tolles Match gemacht, wie gegen die anderen auch, und hat es geschafft, den Punktestand zwischen uns beiden auszugleichen.“




    Die vierte und letzte Begegnung der beiden Schachgrö‎ßen endete 1970 ebenfalls mit einem Unentschieden, erinnert sich der rumänische Meister Florin Gheorghiu.



    Das vierte und leider letzte Treffen fand 1970 bei den Olympischen Spielen in Siegen statt, wo die Entwicklung spannend war. Das Spiel hatte dramatische Akzente — wir unterbrachen in einer scheinbar gleichstarken Position. Es musste irgendwie unentschieden ausgehen. Die Nacht der Analyse war interessant, es schien mir, dass Bobbys Chancen in diesem scheinbar geradlinigen Finish besser waren. Ich stellte zur Überraschung aller fest, dass bei der kleinsten Ungenauigkeit Schwarz, also Bobby, gewann. Der einzige Weg zum Remis war ein Pferdeopfer für zwei Bauern. Bekanntlich ist es nie oder fast nie gut, am Ende eine Figur zu opfern. Erfreulicherweise führte das Opfer schlie‎ßlich zu einem Unentschieden.“




    Der gro‎ße amerikanische Meister gewann 1972 in Reykjavik seine berühmte Auseinandersetzung mit dem sowjetischen Gro‎ßmeister Boris Spasski — sie sollte als Match des Jahrhunderts“ in die Geschichte eingehen. Florin Gheorghiu hat eine ebenfalls beeindruckende Bilanz: Er spielte bei 14 Olympiaden für Rumänien, in vier davon blieb er ungeschlagen. In den 1970er Jahren, als Bobby Fischer Weltmeister wurde, gehörte Gro‎ßmeister Florin Gheorghiu zu den 10 besten Schachspielern der Welt.



    Deutsch von Alex Gröblacher

  • Antikommunistischer Widerstand in den 1950er Jahren: die  Arnăuțoiu-Gruppe

    Antikommunistischer Widerstand in den 1950er Jahren: die Arnăuțoiu-Gruppe

    Am 14. Februar 1921 wurde einer der Helden des antikommunistischen Widerstands in Rumänien, Leutnant Toma Arnăuțoiu, geboren. Er war der Anführer einer der am längsten bestehenden Partisanengruppen in der Gegend von Muscel, in Zentralrumänien, am Südhang des Făgăraș-Gebirges. Als Entstehungsort der rumänischen Schriftsprache betrachtet, wurde Muscel während seiner Geschichte von freien Bauern mit einer guten wirtschaftlichen Situation bevölkert, und seine Residenz, die Stadt Câmpulung, hat eine wichtige multikulturelle Geschichte. Die Musceler profitierten immer von der Verwaltungsautonomie und hatten enge Beziehungen zum Fürstentum Siebenbürgen jenseits der Karpaten.



    Leutnant Toma Arnăuțoiu war Mitglied der kulturellen Elite der Gemeinde Nucșoara. Er war das dritte Kind eines Lehrers, sein älterer Bruder Ion, ein Kavallerieoffizier, war 1943 auf der Krim gefallen. Elena Florea Ioan war die Schwester von Toma Arnăuțoiu und sie wurde im Jahr 2000 vom Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte des Rumänischen Rundfunks interviewt. Dabei betonte sie, dass die Familie des Lehrers Arnăuțoiu eine der angesehensten in der Gemeinde Nucșoara war, mit starken Werten und Prinzipien, die damals allerdings kaum förderlich für die Frauen in traditionellen Familien waren:



    Ich habe eine besondere Dankbarkeit gegenüber meiner Mutter, die uns sehr gut erzogen hat und mich geführt und alles gelehrt hat, so dass ich im späteren Leben wusste, wie man alle Schwierigkeiten angehen kann. Meinen Vater konnte ich mit seiner Sanftmut und Güte nie aus der Fassung bringen. Ich konnte ihn nie ärgern, was ein Beweis dafür war, dass ich auf alles hörte, was er sagte. Und er lie‎ß mich nicht auf die Schule gehen, damit die Jungen zur Schule gehen, lernen und sich weiterbilden können. Und was die Ehe anbelangt, haben meine Eltern tatsächlich meinen zukünftigen Ehemann für mich ausgesucht, und ich konnte nie sagen, dass sie sich geirrt haben. Sie haben mich immer auf den richtigen Weg geführt und mir beigebracht, ehrlich, flei‎ßig und respektvoll zu sein und mich in der Gesellschaft so zu verhalten, dass ich vor niemandem erröten müsste.“




    An der Front verwundet, wurde Toma Arnăuțoiu in den Reihen des Königlichen Gardebataillons aufgenommen, einer militärischen Eliteeinheit. Nach dem Staatsstreich vom 23. August 1944 begann eine weitere bittere Seite in der Geschichte Rumäniens, die die gesamte Gesellschaft umkrempeln sollte: die militärische Besetzung durch sowjetische Truppen und die Einsetzung einer prokommunistischen Regierung am 6. März 1945. 1947 aus der Armee entlassen, ging Toma Arnăuțoiu 1948 nach Bukarest und wurde Student an der Handelsakademie. Dort lernt er den Oberst Arsenescu kennen, und zusammen mit weiteren 30–40 Kommilitonen schmieden sie einen Plan zur Organisation einer Gruppe von Partisanen, die in den Bergen gegen die Regierung kämpfen sollte. Im Jahr 1949 setzten sie ihren Plan um und Toma Arnăuțoiu wurde von seinem jüngeren Bruder Petre begleitet. Elena Florea Ioan beschrieb, wie die von ihrem Bruder angeführten Partisanen von den Einheimischen aus Nucșoara unterstützt wurden. Doch bald beginnen die Zusammenstö‎ße mit den Truppen des Innenministeriums.



    Man schickte ihnen dort, in den Bergen, Lebensmittel und alles, was sie brauchten, aber die Geheimpolizei begann, die Gemeinde zu bewachen, und sie hatten keinen sicheren Ort mehr, an den sie gehen konnten, um sich zu ernähren. Und sie begannen oben in den Bergen zu verzweifeln, denn sie hatten kein Essen mehr, sie hatten nichts. Eines Nachts gingen sie hinunter ins Dorf, zu unserem Haus, und jemand aus ihrer Umgebung, eine Informantin namens Ileana, und ich kann mich an ihren Nachnamen nicht mehr erinnern, setzte die Securitate in Kenntnis. Der Spitzel war ein Dienstmädchen in einer Molkerei. Und dann kam ein ganzes Regiment hinter ihnen her. Es gab einen Zusammensto‎ß zwischen der Securitate und ihnen, und dabei ist ein Unteroffizier der Securitate ums Leben gekommen.“




    Nachdem die Arnăuțoiu-Brüder in die Berge geflüchtet waren, verhaftete die Securitate ihre gesamte Familie — die Eltern, die Schwester, ihren Mann, die Frau von Petre. Elena Florea Ioan wurde auch mehrfach verhört; an eine bestimmte Episode, die sich im Gefängnis in Pitești ereignet hatte, erinnerte sie sich besonders:



    Das zweite Mal wurde ich zu fünf Jahren verurteilt, das galt als Verwaltungsstrafe wegen unterlassener Denunziation. Ich würde wissen, wo sich meine Brüder in den Bergen aufhielten, und würde verweigern, der Securitate zu helfen, sie aufzuspüren und festzunehmen. Sie verhafteten mich immer wieder oder bestellten mich zur Securitate und legten mir nahe, ich solle mich als Schwester bei ihnen einschleichen, um ihren Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Ich beteuerte immer wieder, meinen Brüdern nie geholfen zu haben, was mir die Securitate-Leute bei den Verhören nie abkaufen wollten. Als ich im Gefängnis in Pitești war, kam eines Nachts ein Oberst aus Bukarest und verhörte mich, so gegen 1–2 Uhr nachts. Er zerrte an meinem Hemd, bis die Knöpfe abrissen, sprang auf und fragte mich, warum gerade ich als Schwester meinen Brüdern nicht geholfen haben sollte, wo doch andere rund 100 ‚Bastarde‘ aus dem Dorf ihnen geholfen hätten?“




    1958, nach neun Jahren der Verfolgung durch Securitate-Truppen, wurde die Gruppe der Partisanen in Muscel gefangen genommen. Die Securitate stellte ihnen eine Falle: Durch einen Freund von Toma Arnăuțoiu wurden den Partisanen Pässe und die Erlaubnis versprochen, das Land zu verlassen. Die Anführer der Arnăuțoiu-Gruppe wurden schlie‎ßlich in der Hütte eines Hirten gefasst. Nebst den Arnăuțoiu-Brüdern wurde auch Tomas zweijährige Tochter und ihre Mutter, Maria Plop, festgenommen. Toma Arnăuțoiu Schwester, Elena Florea Ioan, erinnerte sich im Jahr 2000 im Interview mit dem Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte des Rumänischen Rundfunks an diesen Moment:



    Dieser [von der Securitate eingewiesene] Freund meiner Brüder kam mit etwas Schnaps, dem Betäubungsmittel beigemischt worden waren, und den Pässen zu ihnen. Und während sie sich unterhielten, bot er ihnen einen Becher Schnaps an. Toma wollte nicht trinken, Petrică trank eine Tasse Schnaps. Und als sie sich dort unterhielten und planten, wie sie flüchten sollten, standen drau‎ßen plötzlich die Securitate-Leute drau‎ßen, sie stürmten herein sund chnappten sich Toma. Er wehrte sich, sie wussten, dass er ein Tütchen mit Gift am Revers trug, damit er nicht lebendig gefangen genommen wird, sollte man ihn erwischen. Sie stürzten sich sofort auf Toma und nahmen ihm das Gift ab. Petrică schaffte es, zu entkommen, während Toma noch mit ihnen kämpfte. Er überquerte einen Fluss und bestieg ein Hügel, wo ihn jemand sah und und der Securitate verpfiff. Sie verfolgten ihn mit einem Hund und fanden ihn mit seinem Gürtel um den Hals, bereit, Selbstmord zu begehen.“




    Nach ihrer Verhaftung am 20. Mai 1958 werden die Mitglieder der Gruppe mehr als ein Jahr lang verhört. In der Nacht vom 18. auf den 19. Juli 1959 werden Toma Arnăuțoiu, sein Bruder Petre und 14 weitere Menschen, die ihnen neun Jahre lang geholfen hatten, erschossen.

  • Fliegerlegende Nadia Russo-Bossie (1901–1988): ein Leben im Dienste der Wahlheimat

    Fliegerlegende Nadia Russo-Bossie (1901–1988): ein Leben im Dienste der Wahlheimat

    Nadia Russo-Bossie war eine der Pilotinnen, die ihre Fähigkeiten, ihr Wissen und ihren Mut einsetzten, um an der Front des Zweiten Weltkriegs Leben zu retten. Wie so viele Menschen in Kriegszeiten hat sie sich nie vor ihren Pflichten gescheut, die sie gegenüber ihren Mitmenschen, gegenüber ihrem neuen Land Rumänien empfand. Denn Nadia Russo-Bossie war ein junges russisches Mädchen, wie viele Millionen Exilrussen, die der Hölle der bolschewistischen Revolution entkommen waren, bevor sie sie selber zum Opfer des Kommunismus wurde. Die sogenannte Wei‎ße Emigration“ bildete sich auch in Rumänien, wo sie sich in die Werte der rumänischen Gesellschaft integrierte und am Schicksal des Landes teilnahm. Wie die rumänische Gesellschaft erlitt auch Nadia Russo-Bossie eine Qual nach der anderen, sie erlitt Krieg und Totalitarismus, verstarb ohne die ihr gebührende Ehrung, und erst die heutige Nachwelt würdigt ihre Verdienste voll und ganz.



    Das Nationalmuseum für rumänische Geschichte würdigte die Präsenz von Frauen an der Front des Zweiten Weltkriegs. Nadeschda Jewgenjewna Brjosowskaja oder Nadia Russo-Bossie ist, zusammen mit zwei anderen rumänischen Fliegerlegenden, Smaranda Brăescu und Mariana Drăgescu, eine der zentralen Figuren der Sanitätsstaffel oder Wei‎ßen Staffel“. Die Historikerin Cristina Păiușan-Nuică organisierte die Ausstellung und präsentierte eine Kurzbiographie der Heldin.



    Nadia Russo-Bossie war russischer Herkunft. Geboren 1901, floh sie 1918 vor der bolschewistischen Revolution, nachdem beide Eltern tot waren, zusammen mit ihrer Schwester nach Chișinău, wo sie Verwandte hatte und sich ein Leben in Bessarabien aufbaute. Nach dem Besuch der Kunstschule in Paris wollte sie Fliegerin werden. 1936 besuchte sie, weil es recht teuer war, gesponsert, Pilotenkurse und erhielt eine Frauenlizenz und dann eine allgemeine Pilotenlizenz. Sie war von Anfang an Teil der Sanitätsstaffel.“




    Das Schicksal hat es nicht gut mit Nadia gemeint. Ihre Mutter starb 1912, als sie gerade 11 Jahre alt war, und ihr Vater starb drei Jahre später, 1915 an der Front, als Nadia noch ein Kind war und 14 Jahre alt. Nachdem sie und ihre Schwester sich in Rumänien retten konnten, bekommt ihr Leben eine neue Bedeutung. Cristina Păiușan-Nuică:



    Nadia Russo hatte ein schweres Leben. Nach ihrer Flucht aus dem bolschewistischen Russland war sie, bevor sie zur Pilotin der Sanitätsstaffel wurde, Lehrerin und übte verschiedene andere Berufe aus. Sie war mit einem recht wohlhabenden Mann, Alexandru Russo, verheiratet, der sie während der Ehe versorgte. Sie war leidenschaftlich gerne geflogen und kaufte sich ein Flugzeug mit Hilfe öffentlicher Spendeaktionen und mit Unterstützung des rumänischen Staates. Nach ihrer Heirat wurde sie als Rumänin eingebürgert. Zwischen 1940 und 1943 flog sie in der Sanitätsstaffel. 1943 erlitt Nadia Russo einen Nervenzusammenbruch, danach sie flog wieder bis 1945, aber nur sehr wenig.“




    Nadia Russo-Bossies Leidenschaft im Leben war die Luftfahrt, der sie bis zum Schluss verbunden blieb. Als Sportlerin, die an nationalen und internationalen Wettkämpfen teilnahm, als Kriegsheldin, die mit der inneren Überzeugung antrat, die Bolschewiken zu bekämpfen, die ihr Land zerstört hatten, sollte Nadia nach 1945 das Schicksal ganz Rumäniens teilen. Das kommunistische Regime, vor dem sie in ihrer Jugend geflohen war, holte sie ein und verurteilte sie zu einer Gefängnisstrafe. Cristina Păiușan-Nuică:



    Die Tragödie ihres Lebens begann im Jahr 1950, als sie verhaftet wurde. Im August 1950 wurde sie beschuldigt, das Treffen britischer Piloten der Alliierten Kontrollkommission mit rumänischen Fliegern ermöglicht zu haben. Sie wurde 1951 zu acht Jahren Gefängnis in der sogenannten »Fliegergruppe« verurteilt. Nach fünf Jahren wurde sie per Staatsdekret entlassen, erhielt aber weitere fünf Jahre Zwangsaufenthalt in Lățești, in der Bărăgan-Steppe, wo sie ihren zweiten Mann, Gheorghe Bossie, kennenlernte. Wir haben in der Ausstellung ihren Rentenbescheid aus dem Jahr 1969, als sie mit einer Rente von 325 Lei aus der Sozialhilfe in den Ruhestand ging. Für die fünf Jahre Zwangsaufenthalt im Bărăgan erhielt sie, nachdem sie 1968 an die Securitate geschrieben und darum gebeten hatte, dass diese fünf Jahre als Arbeitsjahre anerkannt werden, zusätzlich 79 Lei. Sie hatte eine Rente von 400 Lei, was zu jener Zeit sehr wenig war.“




    Die Nachwelt sollte sie erst nach 1989 wiederentdecken, als ganz Rumänien sich nach dem Sturz der kommunistischen Tyrannei neuerfand. Cristina Păiușan-Nuică erläutert, welche Objekte, die Nadia Russo-Bossie hinterlie‎ß, in der Ausstellung zu sehen sind.



    Wir haben ein Album mit mehreren hundert Fotos von Nadia Russo, das durch eine Reihe glücklicher Umstände Teil des Nationalmuseums für rumänische Geschichte wurde. Wir haben auch einige Notizen, die sie im Mai 1981 gemacht hat, an ihrem 80. Geburtstag und 45 Jahre nachdem sie ihre Pilotenlizenz erhalten hatte. Die damalige Staatsmacht hatte vor, sie zu veranlassen, einen Vortrag darüber zu halten, wie es gewesen war, vor 45 Jahren eine Fliegerin zu sein. Leider hat sie es nicht bis 1990 geschafft, sie wurde nicht für ihre Verdienste gewürdigt und sie erhielt keine Rente, die ihr einen angemessenen Lebensunterhalt ermöglicht hätte.“




    Nadia Russo-Bossie starb 1988 im Alter von 87 Jahren in Bukarest. Sie ist nun Teil des rumänischen immateriellen Erbes und ein Symbol für jene Menschen, die sich für ihre Heimat aufopferten.

  • Hörerpostsendung 21.3.2021

    Hörerpostsendung 21.3.2021

    Liebe Freunde, herzlich willkommen zur Hörerpostsendung von RRI!




    Heute muss ich leider erneut mit einer traurigen Nachricht beginnen. Vor wenigen Tagen erhielten wir einen Anruf von Udo Becker in der Redaktion. Herr Becker teilte er uns mit, dass Fritz Andorf, einer unserer langjährigen Stammhörer, im Alter von 79 Jahren überraschend verstorben ist. Wir waren alle bestürzt in der Redaktion, seine letzte E-Mail mit Feedback zu unseren Programmen hatte ich vor zwei Wochen im Funkbriefkasten verlesen. Herr Andorf war ein bekannter Name in der Szene der Kurzwellenhörer und Mitglied in unterschiedlichen DX-Gemeinschaften; bereits in den 1970er Jahren hörte er viele internationale Rundfunkstationen, darunter auch Radio Bukarest, wie unser Sender damals hie‎ß. Als Gedenken an Herrn Andorf möchte ich jetzt ein kurzes Audiofragment aus unserem Archiv senden, in dem er selbst zu hören ist. 1999 feierte der Rumänische Rundfunk sein 60-jähriges Jubiläum. Am 7. November 1999 strahlten wir zu diesem Anlass eine Sondersendung live aus dem Studio in Bukarest aus und wir nahmen auch Gespräche per Telefon mit Hörern entgegen. Herr Andorf meldete sich kurz in dieser Sendung und erinnerte sich auch an seine Rumänien-Reise im Sommer desselben Jahres, bei der sich u.a. die Gelegenheit ergab, die totale Sonnenfinsternis vom 11. August 1999 zu beobachten. Hören wir das Gespräch:



    Audiotrack Fritz Andorf 1999 (01ʼ17ʼʼ)




    Fritz Andorf in der Sendung vom 7. November 1999, anlässlich des 60-jährigen Jubiläums des Rumänischen Rundfunks. Die Sendung wurde von unseren leider auch verstorbenen Kollegen Svetlana Sterescu und Florin Stoica moderiert. An den überraschenden Besuch von Herrn Andorf in unserer Redaktion im August 1999 kann ich mich noch lebendig erinnern, es war ein hei‎ßer Sommertag, wir waren alle etwas benommen von der Hitze, und ich wei‎ß nicht einmal mehr, ob wir Herrn Andorf ausreichend Erfrischungsgetränke anbieten konnten.



    Im Namen der gesamten Redaktion möchte ich den hinterbliebenen Familienangehörigen und Freunden von Fritz Andorf unser aufrichtiges Beileid aussprechen. Möge er in Frieden ruhen!




    Jetzt kommt mir eine administrative Aufgabe zu. Nächsten Sonntag stellen wir — vielleicht zum letzten Mal — auf Sommerzeit um und wechseln damit auch die Frequenzen unserer Kurzwellenausstrahlungen. Für die Hörer ohne Internetzugang möchte ich jetzt die neuen Frequenzen verlesen, vernetzte Hörer brauchen nicht mitzuschreiben, Sie werden die Angaben auf unserer Webseite finden und ich schicke morgen auch einen Newsletter mit den Frequenzen sämtlicher Sprachdienste per E-Mail heraus. Eine gute Nachricht für DRM-Fans ist, dass wir weiterhin auch die digitale Ausstrahlung beibehalten. In der Zeit vom 28. März bis einschlie‎ßlich 30. Oktober 2021 können Sie uns auf folgenden analogen und digitalen Frequenzen empfangen:










    Zeit (UTC)

    Frequenzen (kHz)

    Zielgebiet

    06.00 — 06.30

    7 325 (DRM); 9 700

    Mittel- u.Westeuropa

    14.00 — 15.00

    9 60011 880

    Mittel- u.Westeuropa

    18.00 –19.00

    7 245 (DRM); 9 570

    Mittel- u.Westeuropa





    Und jetzt zu Hörerzuschriften der letzten Zeit. Dieter Sommer (aus Eisleben, Sachsen-Anhalt) meldete sich Anfang des Monats per E-Mail mit folgenden Zeilen:



    Sehr geehrte Redaktion von RRI,



    ich möchte Ihnen heute wieder zwei Empfangsberichte zukommen lassen.



    Der Empfang war wie immer sehr gut. Hier ist nun der Frühling angekommen und man kann wieder die Sonne, trotz Corona, gut aufnehmen. Ich denke, bei Ihnen ist die Situation ebenso.



    Heute habe ich eine Frage, und zwar gibt es in Rumänien eine Fischfangflotte? Für eine


    diesbezügliche Antwort wäre ich Ihnen sehr dankbar.



    Wie ich hörte, gibt es bei RRI noch alte Stationsaufkleber. Könnten Sie mir bitte einen zusenden? Vielen Dank.



    Viele Grü‎ße und bleiben Sie gesund


    Ihr Hörer Dieter Sommer




    Vielen Dank für Ihre Zeilen, lieber Herr Sommer. Selbstverständlich schicken wir Ihnen nebst QSL-Karten auch einen Aufkleber. Das Wetter ist hier in Bukarest seit Anfang des Monats sehr launisch — mal regnet es, mal scheint die Sonne, aber so richtig warm wird es nicht und am 10. März hatte es nochmal heftig geschneit, aber der Schnee war in zwei Tagen schon geschmolzen. Eigentlich ganz normal für den März in unseren Breitengraden.



    Hinsichtlich Ihrer Frage: Rumänien hatte mal eine Fischfangflotte, die sich zeigen lie‎ß. Schon in den 1960er Jahren wurde ein staatliches Unternehmen mit Sitz in Tulcea gegründet, die ersten Trawler und Frachter mit Tiefkühlräumen bestellte das kommunistische Regime am Anfang in Japan, Deutschland, Polen und der Sowjetunion; später wurden eigene Schiffe in den Werften von Constanţa, Tulcea oder Mangalia gebaut. Bis 1989 bestand die rumänische Fischfangflotte aus über 60 Schiffen, davon 49 Super-Trawler und 12 Tiefkühlschiffe, die alle Ozeane der Welt durchkreuzten. Je nach Quelle [und Eckdaten] befand sich Rumänien damals unter den ersten 5 oder erste 10 Ländern weltweit, was den Umfang der Fischfangflotte anbelangt.



    Vor 1989 arbeiteten rund 6.000 Menschen auf den Schiffen der rumänischen Fischereiflotte. Rumänien betrieb Fischzucht auf circa 90% von den insgesamt 500.000 Ha Wasserfläche, entlang 76.000 km in Flüssen und 1.075 km in der Donau. Die Fischproduktion der Binnenfischerei in Flüssen war in Höhe von 60 Tausend Tonnen jährlich. Aus den Ozeanen kamen über 150 Tausend Tonnen im Jahr. Die meiste Fischmenge wurde frisch verkauft, der Rest wurde in Konservenfabriken in Galaţi, Tulcea, Sulina und Constanţa verarbeitet. Der interne Konsum von Fisch war gesichert, so dass rund 100 Tausend Tonnen Fisch im Jahr exportiert wurden. Das sozialistische Rumänien hatte sich auch Fischfangquoten in den Gewässern einiger afrikanischer Länder wie Angola oder Mauretanien gesichert und exportierte im Gegenzug Industrieerzeugnisse sowie Waffen und Munition in diese Länder.



    Nach 1990 wurde die rumänische Fischfangflotte in mehreren dubiosen Privatisierungsaffären einfach verscherbelt, so dass Rumänien heute keine nennenswerte ozeanische Flotte mehr hat. Schlimmer noch — Rumänien deckt heute seinen Fischbedarf zu über 90% aus Importen. Sicherlich war das kommunistische Erbe in der Fischereiindustrie überdimensioniert, doch die Zerstückelung der Flotte nach der Wende bleibt ein Skandal, der von Anfang an politisiert wurde, ohne das jemand schlie‎ßlich zur Rechenschaft gezogen worden wäre.



    Ich hoffe, Ihre Frage zufriedenstellend beantwortet zu haben, lieber Herr Sommer. Herzliche Grü‎ße nach Eisleben!




    Paul Gager aus Wien hinterlie‎ß uns eine interessante Info im Feedback-Formular:



    Werte Redaktion! Vielleicht ist es von Interesse, was das Wiener Sonntagsblatt“ zu Jeremias von der Walachei schreibt. Er lebte von 1556–1625 und wurde 1983 bekanntlich als erster Rumäne seliggesprochen.



    Er suchte das Land der guten Christen“. Weil ihm seine Mutter Italien als Land der guten Christen“ darstellte, machte sich Johannes Kostist 1573 aus Rumänien auf dem Weg dorthin. In Neapel trat er in den Kapuzinerorden ein, nahm den Ordensnamen Bruder Jeremias von der Walachei an und bemühte sich selbst darum, ein guter Christ zu werden. 40 Jahre lang pflegte Bruder Jeremias Kranke, kümmerte sich um arme, obdachlose und behinderte Menschen, die wegen ihres ungepflegten Zustandes gemieden wurden. Wer krank war, egal welchen Standes oder Alters, bat um einen Besuch von ihm. Einer dieser Krankenbesuche kostete Jeremias schlie‎ßlich das Leben, da er sich bei schlechtem Wetter eine Lungenentzündung geholt hatte.




    Vielen Dank für die Info, lieber Herr Gager. Ich muss zugeben, dass ich von diesem Kapuzinermönch aus der mittelalterlichen Walachei noch nie gehört hatte. Herzliche Grü‎ße nach Wien!




    Aus Überlingen am Bodensee meldete sich Martina Pohl per E-Mail:



    Liebe deutschsprachige Redaktion,



    vielen Dank für die Dezember-QSL-Karte, über die ich mich sehr gefreut habe.



    Ihre Programme und Rubriken sind für mich immer eine gute Informationsquelle. Ich bin froh, dass die Sendungen noch über die Kurzwelle zu empfangen sind.



    Auch bei uns steigen die Infektionszahlen wieder deutlich an. Schnelltests sollen jetzt auch in Super- und Drogeriemärkten zu kaufen sein. Reisepläne haben wir in diesem Jahr keine. Ohne Tests und Impfung wird dies ohnehin nicht mehr möglich sein. Experten sprechen schon davon, dass wir wegen der immer wieder neuen Mutationen sowieso jedes Jahr mindestens zwei- bis dreimal eine neue Impfauffrischung brauchen werden. Mal abwarten, wie sich alles entwickelt. Die Zukunft sieht nicht wirklich rosig aus.



    Ich wünsche Ihnen allen weiterhin viel Gesundheit und verbleibe mit den besten Wünschen



    Ihre Hörerin


    Martina Pohl




    Vielen Dank für das Feedback, liebe Frau Pohl. Die Zukunft sieht momentan wahrhaftig nicht rosig aus und an weitgehende Reisepläne ist tatsächlich nicht zu denken. Und der Impfpass oder das Impfzertifikat wird so oder so kommen, auch wenn sich manche darüber aufregen. Schlie‎ßlich ist es eine Gesundheitsma‎ßnahme, die auch einzelne Länder auf anderen Kontinenten verhängen, man denke da an Reisen in bestimmte Länder in Südamerika oder Afrika. Herzliche Grü‎ße nach Überlingen am schönen Bodensee, liebe Frau Pohl!




    Ralf Urbanczyk (aus Eisleben, Sachsen-Anhalt) fand einen Beitrag in der Geschichtsrubrik Pro Memoria“ interessant. Folgende Zeilen erhielten wir per E-Mail:



    Radio Novi Sad aus der serbischen Vojvodina, welches im Mittelpunkt der heutigen Geschichtsrubrik Pro Memoria“ stand, dürfte nicht nur mir, sondern auch vielen anderen Hörern des deutschen Programms von Radio Rumänien International wegen seines leistungsstarken Mittelwellensenders und seines freundlichen QSL-Services noch gut bekannt sein. Die Reichweite der Mittelwelle 1269 kHz ging bis vor einigen Jahren weit über die Vojvodina und das Banat hinaus. Während der Nachtstunden war der Sender selbst im Norden Deutschlands immer gut zu hören. Allerdings war wegen der Sprachbarriere der Inhalt der Informationsprogramme dieses Senders für mich mehr zu erahnen als zu verstehen. Auf jeden Fall hatte damals die Empfangsmöglichkeit von Radio Novi Sad mein Interesse an der Vojvodina und darüber hinaus an der Geschichte des Banats begründet. Und nun haben Sie mit Ihrer Geschichtsrubrik nicht nur Erinnerungen geweckt und Wissenslücken gefüllt, sondern meinen ganzen Blick auf diesen Sender neu ausgerichtet.




    Am selben Beitrag im Geschichtsmagazin fand auch Peter Vaegler (aus Stralsund) Gefallen:



    In der Sendung am Sonnabend, den 6. März., hat mir besonders der Beitrag über Radio Novi Sad gefallen, denn diese Station habe ich in den 1970ern auch gehört. Damals war auf der Mittelwelle ja noch sehr viel mehr los, so habe ich Bestätigungen von Radio Koper, Sarajevo, Ljubljana, Zagreb, Priština usw. Und auch Bukarest sendete damals das deutsche Programm auf 755 kHz.




    Liebe Freunde, vielen Dank für das Feedback! Jugoslawien und Rumänien hatten in der Zeit des Kalten Kriegs tatsächlich eine interessante Position im Rahmen des sogenannten Ostblocks. Jugoslawien war ja nicht einmal Mitglied des Warschauer Paktes, und Rumänien liebäugelte unter Diktator Ceauşescu auch mit einem gewissen Unabhängigkeitskurs gegenüber der Sowjetunion. Da kann ich mir gut vorstellen, dass die Programme der Auslandssender dieser Staaten durchaus mit Interesse verfolgt wurden, wenn auch in den letzten Jahren des Kommunismus zunehmend Propaganda gesendet wurde.




    Ihnen beiden vielen Dank für das Feedback und herzliche Grü‎ße, liebe Freunde!




    Zum Schluss die Postliste. Postbriefe lagen erst am Freitag wieder bereit, ich hole sie mir nächste Woche von unserer Postabteilung. E-Mails erhielten wir von Michael Willruth, Walter Grube, Dieter Feltes, Gerd Brüschke, Carsten Fenske, Ralf Urbanczyk, Ralf Ladusch, Chris Krebs, Anna und Bernd Seiser und Reinhard Schumann (D) sowie von Andrej Nowgorodskij (Andrey Novgorodsky) aus der Ukraine.



    Die Internet-Formulare nutzten Paul Gager (A) und Simon Heinrich (D).



    Danke fürs Zuhören, bleiben Sie gesund und bis nächsten Sonntag!



    Audiobeitrag hören:




  • Pop-up-Museum: Kunst und Geschichte in Einkaufszentrum ausgestellt

    Pop-up-Museum: Kunst und Geschichte in Einkaufszentrum ausgestellt

    Die Gäste eines Einkaufszentrums in Bukarest haben die Möglichkeit, nicht nur ihre Einkäufe zu erledigen, sondern auch eine Kulturreise zu unternehmen. Das Pop-Up-Museum bringt nämlich mehrere Ausstellungen verschiedener Bukarester Museen an einem Ort zusammen — dem Sun Plaza Mall. Das Museum der Rumänischen Bahn, das Museum der Parfüme sowie das Astronomische Institut der Rumänischen Akademie stellten einige Werke im Einkaufszentrum aus. Im Grunde geht es um ein Kulturprojekt, das die Museen näher an die Hauptstadteinwohner bringen will. In diesem Zusammenhang werden mehrere weniger konventionelle Ausstellungen organisiert.



    Als erstes wurde dieses Jahr eine Foto-Ausstellung veranstaltet. Die ausgestellten Fotografien zeigen, wie einst eingekauft wurde. Sie erzählen zugleich Geschichten über wichtige Händler, die die Grundsteine des Bukarester Handels legten und zeigt, wie früher — als es noch keine Werbeindustrie gab — Waren und Erzeugnisse gefördert wurden. Die Ausstellung ist das Ergebnis einer Partnerschaft mit dem Museum der Stadt Bukarest. Der Historiker Adrian Majuru, der Leiter des Bukarester Stadtmuseums, lieferte uns mehr Einzelheiten zum Thema:



    Es war die Idee des Einkaufszentrums. Wir antworteten auf seine Einladung, im Inneren des Einkaufszentrums eine Ausstellung zu organisieren, und schlugen das Konzept und das Thema vor — nämlich Einkäufe. Die Ausstellung zeigt die Entwicklung der Einkäufe und des Einkaufsverhaltens im Laufe der letzten 300 Jahre in Bukarest. Dadurch wollten wir feststellen, was sich im Laufe der Zeit verändert hat, was verloren gegangen ist und, vor allem, was noch verloren gehen wird: und zwar die Interaktion mit dem Verkäufer. Früher ging man in einen Textil-Laden, wenn man einen bestimmten Stoff für einen Anzug oder ein Kleid kaufen wollte. Man konnte die Stoffe sehen, anfassen und sich mit dem Verkäufer darüber unterhalten. Je nach dem, was man daraus nähen wollte, machte der Verkäufer Empfehlungen. Und genauso war es auch in einem Lebensmittelladen oder einem Wolle-Geschäft. Nach 19990, also nach der Wende, änderte sich dieses Verhalten beim Einkaufen. Den Leuten bot sich die Möglichkeit, sich selbst die Produkte auszuwählen. Die Interaktion mit dem Verkäufer trat in den Hintergrund. Nach dem Jahr 2000 wurde diese Entwicklung noch sichtbarer. Es wurden gro‎ße Einkaufszentren gebaut — die sogenannten Shopping-Malls, die, unter uns gesagt, es ja schon immer gegeben hat, wir hatten hier auch eine Lafayette-Franchise, in der Calea Victoriei (Siegesstra‎ße), in der Innenstadt von Bukarest. Wie gesagt, ab etwa 2000 wurde diese Entwicklung noch deutlicher. Es gibt Geschäfte, in denen die einzige Interaktion mit einem Menschen an der Kasse, beim Bezahlen der Einkäufe stattfindet.“




    Online-Einkäufe sind die Gegenwart und die Zukunft des Handels. Die Produkte werden nach verschiedenen Kriterien ausgewählt, unter Berücksichtigung unter anderem des vorgesehenen Liefertermins. Das sagte uns unser Gesprächspartner. Er erzählte uns mehr über die Ausstellung im Einkaufszentrum.



    Es ist wie eine Zeitreise — die Gäste werden ins 18. Jahrhundert zurückversetzt und beginnen danach eine Reise, die bis in die 1990er Jahre führt. Sie können beobachten, wie die Geschäfte früher aussahen, sowohl im Inneren wie auch von au‎ßen, es werden sowohl Käufer als auch Verkäufer vorgestellt und ganz viele Arten von Läden — Buchhandlungen, Gemüseläden, Geschäfte für Elektrohausgeräte, Möbel oder Teppiche. Es sind ganz viele Dinge, die heutzutage im Innendesign nicht mehr anzutreffen sind. Der Handel hat sich stark verändert, das Einkaufsverhalten der Menschen ebenfalls. Vor 50 Jahren hätte man sich so etwas nicht vorstellen können. Der Handel, der Alltag, haben ihre Besonderheiten, sie verändern Verhaltensweisen und Mentalitäten. Die künftigen Entwicklungen können im Einkaufsverhalten schon abgelesen werden: Der Wunsch nach mehr Komfort wird immer deutlicher.“




    Das Pop-Up-Museum erzählt die Entwicklung der Einkäufe in Bukarest im doppelten Format. Mehr Einzelheiten über die Ausstellung und über die Zukunftspläne bringt ebenfalls Adrian Majuru, Historiker und Leiter des Museums der Stadt Bukarest:



    Bild und Text gehen Hand in Hand, denn sie sind unzertrennlich. Das Einkaufszentrum befindet sich im 4. Bezirk der Hauptstadt, also haben wir uns bemüht, so viele Fotos wie möglich von diesem Stadtteil auszustellen. Wir haben seit mehreren Jahren schon angefangen, unsere Ausstellungen in Räumlichkeiten au‎ßerhalb des Museums zu zeigen. Denn das nicht-museale Publikum ist anderorts zu finden, zum Beispiel in Einkaufszentren. Wir waren auch in den Vorjahren in verschiedenen Shopping-Malls präsent. Und wollen auch am Internationalen Flughafen Otopeni sichtbar werden. Auch die Zusammenarbeit mit dem Verein Art Safari werden wir fortsetzen. Und sind sehr daran interessiert, mit Schulen zusammenzuarbeiten, in denen wir bildungsbezogene Ausstellungen präsentieren können.“




    Das Pop-Up-Museum wird weitere drei Ausstellungen dieses Jahr beherbergen. Die im Zeitraum Februar — Juli 2021 veranstalteten Ausstellungen können kostenlos besichtigt werden. Mitte Mai soll eine weitere unkonventionelle Ausstellung folgen, diesmal über die Entwicklung der Telekommunikationstechnologie in Rumänien und der damit zusammenhängenden Ausstattung. Die Gäste werden Telefongeräte und Radioapparate sehen können, die unsere Gro‎ßeltern mal verwendet haben, aber auch Kommunikationsgeräte, die während des 2. Weltkriegs eingesetzt wurden.



    Eine weitere Ausstellung wird die Besucher in die Welt der rumänischen Luftfahrt begleiten — Flugmaschinen, Flugsimulatoren sowie vieles mehr werden künftig betrachtet werden können. Das Museum der Rumänischen Flugfahrt stellt einige seiner Exponate zur Verfügung. Auch diese werden im Rahmen der Ausstellung im Bukarester Shopping-Mall Sun Plaza beobachtet werden können.

  • „Supergeschichten aus Bukarest“: Kulturprojekt für Jugendliche erforscht Geschichte der Hauptstadt

    „Supergeschichten aus Bukarest“: Kulturprojekt für Jugendliche erforscht Geschichte der Hauptstadt

    Kinder und Jugendliche aus Bukarest werden im Rahmen dieses Projektes eingeladen, nach den verborgenen Geschichten in der Geschichte der Stadt zu suchen. Mann kann sie in der Familie, in der Gemeinde, in der Schule, im Dialog mit den Lehrern, in Bibliotheken, in Buchläden dokumentieren, man kann sie in Dokumenten und Materialien im digitalen Raum finden und sie dann in Geschichten übersetzen. Die Idee ist, dazu beizutragen, die Erinnerung an den Ort zu bewahren und diese Legenden weiter zu erzählen. Die Initiatorin und Koordinatorin des Projekts ist Oana Boca Stănescu, Kulturmanagerin und Gründerin des Verbands Headsome Communication“:



    Als ich das Projekt schrieb, kam es mir seltsam vor. Ich meine, ich habe es halb aus der Position der Kulturmanagerin, halb aus der Position der Mutter geschrieben, denn ich habe zwei Kinder und alles, was mit der Leseerziehung zusammenhängt, die Art und Weise, wie Kinder Geschichten verstehen und sich darauf beziehen, ist mir wichtig. Ich mache mich Sorgen über das Schicksal meiner beiden Kinder, denn sie leben nicht in einer Glaskugel, deshalb habe ich dieses Projekt gestartet. Auf diese Idee bin ich im letzten Jahr gekommen, als ich mich zusammen mit den Mitarbeitern einer Bukarester Buchhandlung an einem enthusiastischen Projekt beteiligte, bei dem es darum ging, Bäume im Bukarester Jugendpark (»Parcul Tineretului«) zu pflanzen. Während dieser Aktion erzählte uns der Koordinator, dass wir in das Areal kommen würden, das früher als »Valea Plângerii« (»Tal der Tränen«) bekannt war. [Vor der Einrichtung des Parks, beginnend mit 1965, war das Areal um das Bukarester Schlachthaus eine Müllhalde; rundherum lebten mit und von den Abfällen der Stadt die ausgesto‎ßenen und ärmsten Stadteinwohner — zumeist Roma — Anm. d. Red.] Wir schauten uns an, einige Damen schienen zu wissen, worum es ging, aber die Kinder, die dabei waren, verstanden nicht viel, sie wussten nicht, wo das Gebiet war. So wurde mir klar, dass weder ich noch meine Kinder, die allerdings dort spielten, viel über diesen Ort wissen. Beim Nachforschen in alle Richtungen wurde mir klar, dass es viele Geschichten und Legenden über Bukarest gibt, die Kinder, die in dieser Stadt aufwachsen, nicht kennen, und so dachte ich, dass es sich lohnt, ein Projekt zu diesem Thema zu machen. Und weil das Kulturministerium einen Wettbewerb für Projekte im Zusammenhang mit dem nationalen Kulturtag am 15. Januar organisiert, wurde mir klar, dass dieses Projekt, SUPERGESCHICHTEN aus Bukarest, auch mit der nationalen Identität zu tun haben würde.“




    Zu Beginn des Herbstes, zwischen dem 1. und 12. September, sollen Kinder zwischen 8 und 18 Jahren, unterteilt in drei Alterskategorien, ihre Geschichten an die Organisatoren schicken. Oana Boca Stănescu kommt erneut zu Wort mit Einzelheiten:



    In erster Linie wollen wir mit diesem Projekt Kinder und Jugendliche dazu anregen, sich ein wenig umzusehen. Ein wenig das Handy aus der Hand zu lassen und zu entdecken, was sie umgibt. Mit Eltern, Gro‎ßeltern, Freunden zu sprechen und zu verstehen, dass Bukarest so gro‎ß, interessant und komplex ist und dass dieses Bukarest aus kleinen Städten besteht. Zu versuchen, zu verstehen und herauszufinden, was die Geschichte eines Ortes ist und wenn sie eine interessante Geschichte entdecken, diese aus verschiedenen Quellen zu dokumentieren, Bücher, Bibliotheken, Internet, mit Hilfe von Lehrern, es gibt so viele Quellen, mit denen man heute ein Thema dokumentieren kann. Nach der notwendigen Dokumentation bin ich sicher, dass sie in der Lage sein werden, eine Geschichte zu erstellen. Wir richten uns an alle mutigen Kindern, die solche Geschichten erstellen können, sie uns bis Anfang September zu schicken.“

  • Zweiter Weltkrieg: Erdölfelder im Prahova-Tal unter Bombenangriffen der Alliierten

    Zweiter Weltkrieg: Erdölfelder im Prahova-Tal unter Bombenangriffen der Alliierten

    Die 60 Kilometer nördlich der Hauptstadt Bukarest gelegene Stadt Ploieşti, Hauptstadt des Kreises Prahova und der gleichnamigen Ölregion, einer Region, die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für Glück und Wohlstand der Stadt sorgte, befand sich während des Zweiten Weltkriegs inmitten von Turbulenzen. In der Tat war die Ausbeutung des schwarzen Goldes der Hauptvorteil, den Rumänien auf den Tisch gelegt hatte, als es im Juni 1941 den Bündnisvertrag mit Nazi-Deutschland unterzeichnete. Es war das rumänische Erdöl, das die deutsche Kriegsmaschinerie am meisten brauchte. Nachdem Rumänien ein Verbündeter Deutschlands geworden war, befand es sich bald im Krieg mit den ehemals verbündeten Mächten, wie Gro‎ßbritannien und den Vereinigten Staaten.



    Die ölreiche Prahova-Region zog jedoch nicht nur die Begehrlichkeiten des deutschen Verbündeten auf sich, sondern auch den Zorn und die Bomben der feindlichen Flugzeuge. Die ersten Versuche, das Prahova-Ölgebiet und die Stadt Ploieşti zu bombardieren, wurden im Sommer 1941, gleich nachdem Rumänien in den Krieg gegen die UdSSR eingetreten war, von der sowjetischen Luftwaffe unternommen. Der Historiker Lucian Vasile, Autor einer Monographie über die Stadt Ploieşti, analysiert die Auswirkungen der Angriffe, die von den Flugzeugen der feindlichen Mächte zwischen den Jahren 1941 und 1944 gegen die Stadt verübt wurden:



    Es gibt keinen möglichen Vergleich zwischen der Gewalt der sowjetischen Angriffe im Jahr 1941 und der der amerikanischen Luftwaffe, drei Jahre später. Die Auswirkungen der sowjetischen Angriffe waren gering. Die sowjetischen Bombenangriffe, die mit ein paar Dutzend eher groben Flugzeugen durchgeführt wurden, kratzten kaum an der Stadt Ploieşti. Sie hatten es nur geschafft, ein paar Dutzend Bomben innerhalb der Stadt abzuwerfen. Es hatte einige Opfer in der Zivilbevölkerung gegeben, und einige der Raffinerien hatten kleinere Schäden erlitten. Und diese Razzien dauerten nicht länger als ein paar Wochen. Als sich die Front entfernte, war die Stadt Ploieşti bald au‎ßerhalb der Reichweite der sowjetischen Bomber.“




    Doch im Dezember 1941, nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor und dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten, musste Rumänien angesichts des Bündnisspiels den Amerikanern den Krieg erklären. Und von diesem Moment an ändern sich die Daten des Problems völlig, denn die Vereinigten Staaten wollen um jeden Preis die Versorgungskapazitäten Deutschlands und seiner Verbündeten in Sachen Treibstoff vernichten. So fand der erste amerikanische Angriff auf die Stadt Ploieşti im Juni 1942 statt, durchgeführt von Staffeln, die in Nordafrika, in Benghazi, Libyen, stationiert waren. Lucian Vasile kennt diese erste Konfrontation zwischen den amerikanischen Piloten und den Verteidigern der Stadt Ploieşti:



    Der erste amerikanische Überfall, der 1942 stattfand, hatte sich als ein tagsüber durchgeführter Angriff materialisiert. Die Amerikaner hatten diese Lösung vor allem gewählt, um die Chancen zu erhöhen, ihre Ziele zu treffen. Natürlich riskierten sie, ihre Piloten zu enttarnen, und es war wahrscheinlicher, dass sie von der Flugabwehr der Stadt abgeschossen werden. Die Briten hingegen entschieden sich für einen Angriff bei Nacht. Das war zwar weniger zielsicher, doch sicherer für ihre Piloten, die unversehrt wieder zurückfliegen konnten.“




    Die unter deutschem Kommando organisierte Flugabwehr umfasste mehrere hundert Flugabwehrgeschütze und Dutzende von Kampfflugzeugen. Die im August 1943 durchgeführte Operation Tidal Wave“, an der 170 amerikanische schwere Bomber vom Typ B-24 Liberator teilnahmen, scheiterte am erbitterten Widerstand der gemeinsamen rumänisch-deutschen Verteidigung, der es gelang, 53 Flugzeuge abzuschie‎ßen, 440 amerikanische Soldaten zu töten und 220 Gefangene zu machen. Die Operation Tidal Wave“ galt später als einer der bittersten Misserfolge der amerikanischen Luftwaffe während des Zweiten Weltkriegs. Aber es sollte nicht lange so bleiben. Im Frühjahr 1944 konnte sich die amerikanische Luftwaffe tatsächlich rächen. Lucian Vasile, Monograph der Stadt Ploieşti, mit Einzelheiten:



    Die Bombenangriffe von 1944 haben die Stadt in Stücke gerissen. Die Industrie wurde hart getroffen, und auch die Wohngebiete. Ein Achtel der Gebäude wurde in Schutt und Asche gelegt, ein Drittel der Stadt wurde getroffen. Der Angriff im Mai 1944 zielte auf das Zentrum der Stadt. Der Feind wollte Schrecken verbreiten, die Moral der Einwohner brechen, ihre Rebellion provozieren, damit sie Sabotageakte produzieren, um so die Reaktionsfähigkeit der Stadtverteidigung zu verringern.“




    Aber der Krieg ist die Quelle aller Schrecken und Fehler. Eines der letzteren: die versehentliche Bombardierung und Zerstörung des Armenviertels der Stadt, des Mimiu-Viertels, das hauptsächlich von Roma-Bevölkerung bewohnt war. Lucian Vasile:



    Mimiu war ein Randbezirk, der an die Stadt angrenzte. Es wurde nicht per se angegriffen, sondern befand sich vielmehr in der Position eines Kollateralopfers, eines Opfers ihrer Armut. Wissen Sie, von Beginn des Krieges an gab es eine nächtliche Ausgangssperre, aber auch Tarnungen, weil wir Angst vor nächtlichen Angriffen hatten. So wurde alles in Dunkelheit getaucht, auch die Fabriken, die Raffinerien, mit einer Ausnahme: der Bezirk Mimiu. In der Tat zeigte die Analyse der Situation, die im Winter 41/42 durchgeführt worden war, dass nur der Bezirk Mimiu vom Himmel aus sichtbar war. Das lag daran, dass die Bewohner aufgrund ihrer Armut einen neuen Brennstoff zum Heizen verwendeten, nämlich mit Erdölprodukten getränkte Erde. Sie hatten kein Holz zum Heizen. Und so wurde in der Nacht die ganze Stadt in Dunkelheit getaucht, während der Stadtteil Mimiu mit tausend Lichtern erstrahlte. Dies war fatal für die Einwohner.“




    Am 23. August 1944 brach Rumänien sein Bündnis mit Nazi-Deutschland. Danach hörten die Bombenangriffe, die die Stadt Ploieşti in Trauer stürzten, endgültig auf. Auch die Ölindustrie kehrte zu einem Anschein von Normalität zurück, während die Menschen noch auf das Ende des Unglücks hofften, das der Zweite Weltkrieg für alle Zeitgenossen war.