Tag: Jugendliche

  • „Bukarest ist eine sichere Stadt“ – Joyce Easton aus Schottland lebt gerne in Rumänien

    „Bukarest ist eine sichere Stadt“ – Joyce Easton aus Schottland lebt gerne in Rumänien

    Joyce Easton kam 2006 zum ersten Mal nach Rumänien. Das Land hinterlie‎ß keinen positiven Eindruck bei ihr. Zu der Zeit waren die Kinder klein. Als sie die Altstadt besuchten, mussten sie über Holzbretter gehen, denn die ganze Altstadt war eine Baustelle. Ihr Ehemann arbeitet beim Erdölunternehmen Petrom, also kam sie immer wieder zurück nach Rumänien. Als die ältere Tochter auf die Uni ging, beschloss die Familie, nach Rumänien zu ziehen. Die jüngere Tochter, damals im Alter von 15 Jahren, sollte ihre Ausbildung in einer Schule in Rumänien abschlie‎ßen. Was hielten sie von der Idee, nach Rumänien umzuziehen?



    Wir waren nicht besorgt wegen des Umzugs, denn wir waren schon oft davor in Rumänien. Rumänien hatte sich im Laufe der Zeit stark entwickelt. Wir wussten, was wir zu erwarten hatten. Meine Tochter wechselte die Schule — sie nahm das vermutlich als eine Herausforderung an. Die grö‎ßte Schwierigkeit für mich bestand darin, dass ich in Schottland als Physiotherapeutin gearbeitet hatte. Und hier hatte ich keine Arbeit mehr.“




    Joyce passte sich aber schnell der neuen Situation an. Sie fand eine Beschäftigung:



    Wir haben einen Hund, mit dem ich gerne durch den Park spazieren gehe. Ich beteiligte mich an einigen Wohltätigkeitsaktionen, so etwa in der Vorweihnachtszeit, als ich mich für ein paar Wochen an mehreren Tagen bei der Stiftung Casa Speranţei einbrachte. Ich arbeitete mit den Physiotherapeuten von dort zusammen. Darüber hinaus beteilige ich mich an sämtlichen schulischen Tätigkeiten und Projekten. Und ich lerne Rumänisch. Ich kenne schon viele Wörter, es fällt mir aber schwer, Sätze zu bilden. Ich habe eine gute Lehrerin und werde weiterhin Rumänisch lernen, solange wir hier leben.“




    Was ihre Lieblingsbeschäftigung betrifft — vermutlich können Sie es schon ahnen:



    Ich esse nun mal gerne. Ich mag alle Restaurants, die Vielfalt ist sehr gro‎ß hier. Au‎ßerdem halte ich mich gerne auf dem Obst- und Gemüsemarkt auf. Ich erlebe so die Leute und ihre Kultur näher. Ich beteilige mich gerne an Kulturveranstaltungen, gehe gerne in die Oper. Die Eintrittskarten sind hier nicht so teuer wie in Gro‎ßbritannien. Es werden viele Kulturveranstaltungen organisiert, daher finde ich, dass die Rumänen sehr gebildet sind.“




    Wir fragten Joyce, was sie einem ausländischen Tourist in Rumänien empfehlen würde:



    Die Landschaft ist wunderschön, sobald man aus der Stadt hinausfährt. Ich war noch nicht im Norden des Landes, war allerdings in Sinaia, und in Sibiu (dt. Hermannstadt). Ich bin in der Schulerau (Poiana Braşov) schigefahren. Die Landschaft, die Natur ist dort sehr verschieden im Vergleich zur Stadt. Erst nachdem ich nach Rumänien kam, lernte ich die gro‎ßartige Weinindustrie hierzulande kennen. Wir gehen oft aus, essen gerne in der Stadt. Die kulturelle Dimension ist hier gut ausgeprägt. Viele historische Gebäude sind einen Besuch wert. Das Ballett- und Opernhaus — ich hätte auch in Schottland häufiger eine Aufführung gesehen, nur waren die Eintrittskarten sehr teuer. Die Touristen haben viele Möglichkeiten hierzulande.“




    Auch Joyces Tochter passte sich gut an das Leben in Rumänien an. Sie fand zahlreiche Beschäftigungen entsprechend ihrem Alter — so unsere Gesprächspartnerin:



    Sie liebt Geschäfte, liebt die Mode. In Rumänien gibt es viele junge Designer und meine Tochter interessiert sich für ihre Kreationen. Ehrlich gesagt sind sie auch preisgünstiger. Sie geht gerne aus mit ihren Freunden. Bukarest ist ein sicheres Umfeld für Jugendliche. Hier sind junge Leute irgendwie freier im Vergleich zu Gro‎ßbritannien. Sie ist jetzt 15 Jahre alt, bleibt aber aus bis spät in der Nacht. Die Bukarester Altstadt ist ein positives Beispiel — dort kann man einer alten Frau und ihrem Hund begegnen. Sie sitzt an einem Tisch und trinkt einen Kaffee. Jugendliche, Teenager, Familien — alle treffen hier zusammen. Ich bemühe mich, nicht bis um 1-2 Uhr in der Nacht in der Bukarester Innenstadt zu bleiben. Dennoch, wenn es passiert, fühle ich mich sicher. Ich fahre mit der U-Bahn alleine und habe keine Angst, dass mir etwas zusto‎ßen könnte. Ich komme aus Schottland, dort bin ich ungerne alleine auf den Stra‎ßen um 10-11 Uhr abends.“



    Joyce hob noch einige kulturelle Unterschiede zwischen den beiden Ländern hervor:



    Als Expat fühle ich mich hier überhaupt nicht bedroht. Ich stellte fest, dass jüngere Leute einen besonderen Respekt vor älteren Menschen haben. Es wird ihnen gleich ein Sitzplatz in den öffentlichen Verkehrsmitteln angeboten. Das ist bei uns gar nicht so selbstverständlich.“




    Was sie an Rumänien nicht mag? Zum einen, wie hier geparkt wird. Parken sei unmöglich und Fahren… eine echte Herausforderung! Dennoch lernte sie, sich im Verkehr durchzusetzen.

  • Das Haus der Experimente – Physik als Spaß erlebt

    Das Haus der Experimente – Physik als Spaß erlebt

    Ich wei‎ß nicht, wie sehr Ihnen die Physik am Herzen liegt oder ob Sie damit vertraut sind. Auch wei‎ß ich nicht, ob Ihnen die Physik zuspricht oder ob Sie sie wenigstens interessant finden. Stellen Sie sich dennoch mal vor, Sie könnten die verschiedensten Theorien über das Gewicht, über Flüssigkeiten, Akustik, Optik und vieles Anderes mehr in einer spielerischen Art experimentieren und so die dahinter versteckten Vorgänge begreifen. Es wäre schon möglich, dass unsere Sympathie für ein trockenes Fach etwas zulegt, nicht wahr?



    Kinder spielen und experimentieren gerne. Sie haben mehr Spa‎ß daran als am Lesen. Das Haus der Experimente greift eben diesen Aspekt auf und bietet die Möglichkeit, wissenschaftliche Vorgänge selber zu probieren. Somit wird ein informeller Lernprozess gestartet. Und das Experimentieren beginnt im Haus der Experimente direkt am Eingang, nämlich bei der Kleiderabgabe. Da kann schon experimentiert werden, wie ein Rollensystem funktioniert.



    Das Haus der Experimente wurde durch eine rumänisch-schweizerische Zusammenarbeit auf die Beine gebracht. Es geht um eine Partnerschaft zwischen einem rumänischen Verein und dem Wissenschaftszentrum Technorama Swiss Science Center, kofinanziert durch Schweizer Fördermittel. Die erste Sekretärin der Schweizer Botschaft in Rumänien, Frau Anne-Lise Cattin Hennin, nahm an der Eröffnung des Entdeckerhauses teil. Das Projekt sei ein greifbares Beispiel der gelebten bilateralen Beziehungen zwischen Rumänien und der Schweiz, so die Diplomatin:



    Ich freue mich, an der Eröffnung des Entdeckerhauses teilzunehmen. Es ist ein attraktives Projekt. Das Haus der Experimente regt nicht nur an, ist nicht nur auf Spa‎ß ausgerichtet, sondern stellt vielmehr einen neuen Ansatz der Wissenschaft dar. Und ist zugleich die Antwort auf moderne, zeitnahe Bildungsbedürfnisse. Es veranschaulicht die Distanz zwischen dem akademischen Ansatz, der Art und Weise, in der die Schulen die Wissenschaft den Kindern näher bringen, und der Art und Weise, in der die Kinder es gerne haben wollten, wie sie mit wissenschaftlichen Vorgängen spielerisch experimentieren. Wissenschaft und Innovation brachten zahlreiche Vorteile und trugen zur Entwicklung unserer Gesellschaften bei. Dieser ist ein Ort, wo Kinder experimentieren und mitmachen können. Indem sie mitmachen, verstehen sie auch besser, was dahinter steckt. Durch die Interaktion begreifen sie besser die wissenschaftlichen Vorgänge. Sie haben auch die Möglichkeit zum selber ausprobieren. Ich bin fest davon überzeugt, dass das Entdeckerhaus eine Erfolgsgeschichte wird. Als ich meinem Sohn davon erzählte, dass ich hierher komme, war er sauer, dass er nicht mitkommen konnte, weil die Eröffnung während der Schulzeit stattfand. Wir freuen uns sehr, unseren Beitrag zum Projekt zu leisten. Es war eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen exzellenten Partnern. Die Ergebnisse sind daher dementsprechend gut und auch sehr nützlich.“




    Mehr über die Entstehungsgeschichte des Entdeckerhauses erzählte uns Gabriela Ionescu, Projektleiterin und Vorsitzende des Ausbildungsvereins:



    Das Haus der Experimente ist ein Wissenschaftszentrum. Es ist das erste gemeinnützige Wissenschaftszentrum für Kinder und Jugendliche. Erwachsene sind allerdings auch willkommen. Eine solche Reise konnten wir jedoch nicht alleine antreten. Unser Hauptpartner ist das Schweizer Science Center Technorama. Wir haben allerdings auch mit anderen rumänischen Partnern zusammengearbeitet. Wie es zur Entstehung des Entdeckerhauses kam? Es entstand aus einem Bedürfnis heraus. Das Bildungsniveau ist in Rumänien zurückgegangen. Wir bieten einen praktischen Ansatz der Wissenschaft und versuchen somit das Gefälle zwischen Theorie und Praxis ein bisschen zu verringern. Doch was passiert in der Tat im Haus der Experimente? Ganz einfach: Es wird experimentiert. Die Besucher können alles selber anfassen, probieren, entdecken, um herauszufinden, was hier vorgeht. Jeder Besucher experimentiert unabhängig seines Alters nach Belieben mit den Exponaten. Es gibt selbstverständlich auch Anweisungen. Die Anweisungen sind in drei Sprachen — Rumänisch, Englisch und Italienisch. Falls sie dazu noch zusätzliche Informationen brauchen, wird ihnen durch unsere Mitarbeiter geholfen, die einfach zu erkennen sind.“




    Mehr als 100 Experimente können hier versucht werden. Eine Entdeckungsreise, auf der Gesetze der Physik spielerisch erkannt werden. Es werden mehrere Physikfelder abgedeckt — Akustik, Optik, optische Täuschungen, Mathematik, Mechanik, Magnetismus. Dazu gibt es 12 Bereiche, die durch reizende Bezeichnungen anziehen, wie etwa Münchhausens Aufzug oder das Schloss des Fakirs. Alexandru Mironov, ein bekannter rumänischer Science-Fiction-Autor, zeigte sich voller Hoffnung im Hinblick auf das Wissenschaftszentrum:



    Was hier getan wird, ist sehr wichtig. Es zeigt, dass Ausbildung nicht nur im Klassenraum, sondern überall stattfindet. Es wäre schön, wenn die Massenmedien das Projekt entsprechen fördern und die Lehrer es unterstützen würden. Damit die 1340 Gymnasien und mehr als 860 Sekundarschulen das Haus der Experimente besuchen und womöglich einmal im Monat den Physikunterricht hierher versetzen. Und sich vielleicht auch inspirieren lassen, so dass irgendwann ein solches Wissenschaftszentrum auch in Constanţa oder Temeswar eröffnet wird. Denn praktische Lernprozesse sollten überall gefördert werden. Ich wei‎ß, das ist nur der Anfang. Seit Jahren wünsche ich mir, dass auch in Rumänien eine Cité de la Science et de lIndustrie wie in Paris oder ein naturwissenschaftlich-technisches Museum wie das Deutsche Museum in München, ein Science Museum wie in London eröffnet wird. Ich wünsche mir, dass eines Tages ein Raumschiff aus diesem Hof abgeht.“




    Falls Sie sich für einen Besuch entscheiden, wäre es ratsam, sich im Voraus anzumelden. Sie können das auf der Webseite des Entdeckerhauses machen. Von der gleichen Webseite aus können auch Online-Spenden getätigt werden.

  • Laurent Jouault – ein Franzose im Land der Kontraste

    Laurent Jouault – ein Franzose im Land der Kontraste

    Er tauschte eine Traumlandschaft in Frankreich gegen eine ebenso schöne Gegend in Rumänien. Früher wohnte er am Mont Saint Michel (in der Normandie), jetzt lebt er in Moeciu de Sus in den Südkarpaten, zwischen dem Königsstein und dem Bucegi-Gebirge. Laurent Jouault zog vor acht Jahren zu seiner heutigen Frau, einer gebürtigen Rumänin.



    So führt dich das Leben… das Schicksal. Es wollte, dass ich eines Tages meinen Arbeitsplatz in Frankreich aufgab und nach Rumänien zog. Ich war zum ersten Mal 1997 hier. Ich bin anschlie‎ßend regelmä‎ßig hin und her gependelt, um mich schlie‎ßlich endgültig hier nieder zu lassen. In meiner Heimat leitete ich ein Jugendheim. Ich war als Sozial- und Kulturarbeiter mit Kindern und Jugendlichen beschäftigt. Ich plante diverse Tätigkeiten, Ausflüge, kurzum: auf sie zugeschnittene Projekte. So kam es auch zu meiner ersten Rumänien-Reise: Es war ein Erfahrungsaustausch zwischen französischen und rumänischen Jugendlichen. Nachdem ich nach Moeciu übergesiedelt war, übte ich dieselbe Tätigkeit wie in Frankreich aus. Dort leitete ich unter anderem einschlie‎ßlich eine Fotowerkstatt, also habe ich genau das weitergemacht, was ich am besten konnte: Ich bin Fotograf.“




    Der Franzose aus Moeciu de Sus hat inmitten der Karpaten-Idylle die ehemalige Schreinerwerkstatt des Gro‎ßvaters seiner Ehefrau umgewandelt. Hier lie‎ß er eine Art Museum oder Galerie einrichten, in der die Geschichte der Fotografie und insbesondere der Filmfotografie entdeckt werden kann. Das Ganze nannte Jouault Die Bilderhütte“. Dafür gibt es einen besonderen Eintrag auf seinem Blog, am 16. Juli 2011: An diesem Tag kamen Freunde und Nachbarn aus Moeciu, der Nachbarstadt Râşnov, aber auch aus der Normandie, um der offiziellen Einweihung der Hütte beizuwohnen. Einen Ausstellungsraum in einem abgelegenen Dorf am Fu‎ße der Karpaten zu eröffnen, mag sich als verrücktes Unterfangen angehört haben, erzählt der Franzose. Und dennoch:



    Es ist ein Raum für das Publikum, es ist eine Ausstellung und ein Museum der alten Fototechnik zugleich. Da ich mit dieser Technik noch arbeite, stelle ich hier meine Arbeiten aus. Zum Glück wohne ich in einem durchaus touristischen Dorf, das hei‎ßt, es kommen regelmä‎ßig Leute an den Wochenenden hierher. Dank der Bilderhütte lerne ich also viele Menschen kennen. Im Dorf selbst ist mein Museum zu einer Art Sehenswürdigkeit geworden, sowohl für Einheimische als auch für Touristen. Und das war auch meine ursprüngliche Absicht: Ich wollte eine Begegnungsstätte schaffen, ein Ort der Entdeckungen, der Offenheit gegenüber der Au‎ßenwelt, an dem ich hin und wieder Arbeiten anderer Künstler ausstellen oder mich mit ihnen über die alte Fototechnik austauschen kann.“




    Wenn man im Ausland lebt, fühlt man sich irgendwie doch fremd im Adoptionsland, egal wie gut die Integration geklappt hat. Laurent Jouault hat allerdings eine in Moeciu geborene Ehefrau, die ihm die Anpassung leicht gemacht hat.



    Die Einweihung der Bilderhütte hat mir ermöglicht, viele der Dorfbewohner kennenzulernen, so konnte ich viele Freundschaften schlie‎ßen. Au‎ßerdem bin ich nicht der einzige Ausländer in Moeciu, hier leben noch ein Spanier und eine Deutsche, also gibt es schon einige Zugezogene hier. Sicher, es ist schwer, weit weg von der Heimat zu leben. Es gibt Momente, in denen man weg möchte, auch wenn es nur für einen Abend, ein Wochenende oder eine ganze Woche sein sollte. Sonst komme ich sehr gut mit der rumänischen Sprache aus, auch wenn ich Fehler mache, bekomme ich Komplimente von den Besuchern, die so tun, als ob sie überrascht wären, dass ich kein Rumäne bin.“




    Moeciu ist für viele Rumänen der klassische Urlaubsort, in dem man Spa‎ß haben und sich erholen kann. Die Umgebung, die frische, ozonreiche Luft, die spannenden Wanderwege in den umliegenden Bergen, die Reiseziele, aber auch die kleinen Siedlungen an den steilen Hängen machen die Gegend zu einem Stückchen rumänischen Paradies. Hier zu wohnen, ist eine Gelegenheit an sich. Jouault hat sich allerdings nicht auf die Region beschränkt, in der er seit acht Jahren wohnt. Er hat auch andere Regionen in Rumänien besucht — die Maramuresch im Norden, die Bukowina im Nordosten oder das Donaudelta im Südosten. Für ihn sei es eine gute Möglichkeit gewesen, sein Fotomaterial aufzustocken und sich auch ein gedankliches Rumänien-Bild zu schaffen.



    Es ist eines voller Kontraste, das zeichnet Rumänien in meinen Augen am besten aus. Es ist der Kontrast zwischen den Verkehrsteilnehmern in Geländewagen mit Allrandantrieb und denen auf den Pferdewagen… Der Kontrast zwischen den Menschen, die Handys der neuesten Generation haben, und denjenigen, denen es ziemlich schlecht geht… Es herrscht eine Art Dynamik, aber auch eine Ungewissheit über den morgigen Tag.“




    Für Laurent Jouault ist die Fotografie ein Synonym für Begegnung. Ergänzend könnte man sagen, dass es die Begegnung zwischen einem Franzosen und seinem Adoptionsland Rumänien ist. Ein Land, das er nicht mittels der von Medien verbreiteten Klischees, sondern durch die Linse seines Fotoapparates stets neu entdeckt.

  • Typisches Risikoverhalten Jugendlicher hat anatomische Gründe

    Typisches Risikoverhalten Jugendlicher hat anatomische Gründe

    Das Risiko, gefährliche Verhaltensweisen zu entwickeln, ist bei Teenagern besonders hoch. Nach einer Statistik aus dem Jahr 2013 haben 42% der Jugendlichen mindestens einmal Alkohol getrunken und 23% von ihnen haben mindestens einmal geraucht. Einer von zehn Jugendlichen im Alter von 16 Jahren hat mindestens einmal Drogen genommen, einer von vier Jugendlichen im Alter von über 14 Jahren hat bereits Sex gehabt. Die gesellschaftlichen Umstände und der seelische Wandel, die Jugendliche zu diesem Verhaltensmuster veranlassen, waren Thema einer weiteren Erhebung der UNICEF, sagt Sandie Blanchet, Leiterin des Büros der Organisation in Rumänien: Das Gehirn der Jugendlichen ist noch relativ unreif. Bestimmte Gehirnareale sind ziemlich gut entwickelt, die Jugendlichen haben deshalb noch immer eine gut ausgeprägte Lernfähigkeit. Das ist auch ihre Chance — denn was sie in der Kindheit nicht gelernt haben, können sie jetzt noch nachholen. Aber die Gehirnareale, die für die Bildung von Urteilen und für Selbstdisziplin zuständig sind, gelten in dem betreffenden Alter als nicht voll ausgereift, deshalb können sie Entscheidungen nicht so treffen, wie es Erwachsene tun.”




    Wie Blanchet ausführt, können sich Jugendlich also aus rein anatomischen Gründen nicht gut zurücknehmen — Selbstkontrolle und Instinkte sind noch unreif. Eltern und Erzieher müssen berücksichtigen, wie das Gehirn bei Teenagern funktioniert, meint auch Daniela Dumulescu, Psychologin an der Babeş-Bolyai-Universität in Cluj: Anders als bei Erwachsenen, sind bei Jugendlichen die für die Kontrolle verantwortlich sind, noch nicht voll entwickelt. Sie sind deshalb impulsiver, risikobereiter, sie handeln weniger rational und mehr instinktiv. Das sind typische Verhaltensmuster. Sie sind zudem viel emotionaler eingestellt und wollen, dass alles jetzt und hier passiert — so ist auch zu erklären, warum sie so experimentierfreudig sind. Die Erwachsenen müssen das berücksichtigen und die Jugendlichen so steuern, dass sie Neues in einem sicheren Umfeld erleben. Die Jugendlichen sind sich zwar bewusst, dass sie sich negativ verhalten, sie haben aber noch nicht die Gehirnstrukturen, die das Verhalten hemmen können. Sie wissen, dass sie etwas Gefährliches tun, können sich aber nicht zurückhalten.”




    Abgesehen von diesem Adrenalindrang stehen Teenager auch unter einem starken Gruppeneinfluss. Innerhalb dieser Mini-Gemeinde findet eine Sozialisierung statt — sie entwickeln hier gesellschaftliche Normen und Überzeugungen über Alkohol, Drogen, Rauchen und Sex, so die Gesellschaftsforscherin Fidelie Kalambay. Die Jugendlichen sind zwar der Auffassung, dass diese risikoreichen Verhaltensweisen ungesund und nutzlos sind und das Image eines Jugendlichen oder eines Menschen generell negativ beeinflussen. Aber dennoch vertreten sie differenzierte Meinungen. Alkohol kosten — und nicht trinken – ist akzeptabel. Rauchen und Trinken sind andererseits auch in der Gesellschaft verbreitet, deshalb sehen Jugendluche sie als tolerierte Abweichungen” an. Negative Verhaltensweisen, die aber hingenommen werden können, die zwar das Image negativ beeinflussen, aber keine Ausgrenzung mit sich bringen.”




    Diese Art von Verhältnis zur Freundesgruppe und zur Gesellschaft — die allerdings ebenfalls in der Gruppendynamik interpretiert wird — gilt auch für den Umgang mit der Sexualität oder mit Drogen, glaubt Kalambay. Jugendliche, mit denen ich mich auseinandergesetzt habe, entwickeln empirisch die Idee, dass die Mehrheit ihrer Alterskollegen raucht, trinkt und schon Sex hat — und wenn alle das tun, warum sollte ich mich zurückhalten, denken sie. Doch diese Überzeugung ist oft falsch. In Wirklichkeit sind Rauchen, Trinken und Sex weniger verbreitet, als diese Teenager annehmen. Eine andere normative Überzeugung, die unerwartet war: Die Jugendlichen glauben, dass nur wenige, ja fast keine ihrer Freunde Rauschgift nimmt. Wir gehen davon aus, dass diese Einstellung auf der Kriminalisierung des Drogenkonsums zurückgeht — viele geben gar nicht zu, mit Drogen experimentiert zu haben. Aber es kann auch damit zu tun haben, dass sie nicht viel über Drogen wissen.”




    Für UNICEF und andere Organisationen ist es wichtig, dass die Gesellschaft und die Institutionen die Psychologie der Jugendlichen nachvollziehen können, um gefährliche Verhaltensmodelle gar nicht entstehen zu lassen. UNICEF setzt deshalb in fünf rumänischen Gro‎ßstädten – Bucureşti, Iaşi, Constanţa, Bacău und Cluj — ein neues Interventionsmodell um: Anlaufstellen für Jugendliche in sozial benachteiligten Gebieten, die in Kooperation mit der Kommunalverwaltung eingerichtet wurden. Hier gibt es psychologische Unterstützung, Beratung in Krisenfällen und berufliche Orientierungshilfe. Eine Spezialwebsite klärt auf und ermöglicht, Unterstützungsgruppen im Internet zu bilden.

  • Kreative Kindererziehung: Löcher in den Bauch gefragt – in Kultureinrichtungen

    Kreative Kindererziehung: Löcher in den Bauch gefragt – in Kultureinrichtungen

    Kinder wollen ihre Welt entdecken. Wie ginge das besser wenn nicht durch Fragenstellen? Eltern verzweifeln öfter mal an den ständigen Fragen ihrer Kinder. Doch die Frage nach dem Warum“ ist ein wichtiger Entwicklungsschritt im Leben eines Kindes. Das war auch die Idee, die zur Gründung des Vereins Da’DeCe“ (deutsch: Aber warum“) führte.



    Vor dreieinhalb Jahren wurde in Bukarest ein Verein namens Da’DeCe” (zu deutsch: Aber Warum“, Warum denn“) gegründet. Und… warum? Weil einige Eltern, die gleichzeitig studierte Erzieher, Pädagogen, Kunstgeschichtswissenschaftler, Museumskuratoren und Künstler sind, sich zusammengetan haben, um originelle Programme für Kinder und Jugendliche zu gestalten. Sie hatten bemerkt, wie die Kunst die Kinder anzieht und dazu anregt, überraschende Assoziationen zu machen, die ihre geistige Entwicklung fördern. Daher wollten sie den Kindern und ihren Eltern das Beste, Schönste, Interessanteste in der rumänischen Kulturlandschaft zeigen. In den letzten drei Jahren führten die Mitglieder des Vereins Da’DeCe“ zahlreiche Gruppen von Kindern und Eltern durch alle Bukarester Museen. Wir fragten die Vereinsgründerin und -leiterin Raluca Bem Neamu, warum die Gründer sich für den Namen den Namen Da’DeCe“ (Aber warum“) entschieden haben:



    »Da’ de ce«– »warum denn« — ist die häufigste Frage, die Kleinkinder stellen. Wer ein Kind hat, kennt die berühmte »Warum-Phase«, die etwa im Alter von zwei Jahren beginnt. Die bis zum Überdruss wiederholte Frage ist ein Instrument, mit dem die kleinen Kinder versuchen, die Welt zu erforschen, und deshalb richten sich unsere Programme an Kinder zwischen 2 und 10 Jahren. Die Programme, die wir vorschlagen, finden in Kultureinrichtungen, insbesondere in Museen statt. Dort haben wir ein Universum entdeckt, das den Kindern sehr gut gefällt, und wenn wir interaktive Programme durchführen, die dem Alter und den Interessen der Kinder entsprechen, machen wir zusammen wunderbare, au‎ßergewöhnliche Erfahrungen. Ein Museum bietet einen enormen Reichtum an Ideen und Spielmöglichkeiten in Interaktion mit Kulturgegenständen.“




    Kinder machen die schönsten, tiefsten Erfahrungen, wenn sie zusammen mit ihren Eltern die Welt entdecken. Der Verein Da’DeCe“ hat an jedem Wochenende einen neuen Programmvorschlag für Kinder, unter der Bedingung, dass sie von ihren Eltern begleitet werden. Die Programme richten sich also an Familien mit Kindern im Alter von 2 bis 10 Jahren. Wie attraktiv sind aber die Museen für Kinder? Wie nehmen die Kinder die Museen wahr? Raluca Bem Neamu antwortet:



    Angefangen haben wir mit dem Museum des rumänischen Bauern in Bukarest, weil seine Ausstellungsweise uns am freundlichsten erschien. Wir besuchten auch das Dorfmuseum, das Nationale Geschichtsmuseum, und auch einige Gedenkhäuser wie zum Beispiel das Museum »George Enescu«, mit dem wir seit drei Jahren konstant zusammenarbeiten. Im Museum »George Enescu« hatten wir Programme mit Musik und Bewegung. Wir waren in vielen Museen, die auch Gruppen mit Kleinkindern empfangen — nicht alle Museen sind auf eine solche Erfahrung vorbereitet. Wenn sie ein Museum betreten, brauchen die Kinder zuerst ein bisschen Anpassungszeit. Die Kinder sind noch sehr klein, und die Museumsräume sind für sie sehr gro‎ß, es ist schon etwas Besonderes. Deshalb beginnen wir unsere Programme immer mit einem Spiel, damit sie sich mit den neuen Räumlichkeiten anfreunden können. Die Eltern sind auch dabei, und das mach die Sache leichter. Dann schlagen wir den Kleinen vor, zu erkunden, was ihnen das Museum anbietet. Sie sind sehr offen für diese Erkundung, Kinder sind von Natur aus neugierig und sie haben keine Vorurteile oder Hemmungen wie die Erwachsenen. Kunst ist für Kinder eine natürliche Sache, je jünger das Kind, desto besser die Kunstakzeptanz.“




    Für diejenigen, die Lust haben, Kunstmuseen oder Kunstgalerien zu besichtigen, haben die Mitglieder des Vereins Da’DeCe“ Programme zur visuellen Erziehung in der Ausstellung Auf den Kopf gestellt“ des französischen Fotografen Philippe Ramette, veranstaltet vom Französischen Institut in der Galerie des Bukarester Zentrums für Visuelle Künste und Multimedia. Es handelt sich um ein Programm zur Entzifferung der Gegenwartskunst im Allgemeinen und speziell zur Erläuterung der Betrachtungsweise Philippe Ramettes. Mehr dazu von Raluca Bem Neamu:



    Die Hauptbotschaft dieses Programms wäre, dass der Künstler die Realität nach Lust und Laune, seinen Wünschen und Ideen entsprechend verwandelt — so helfen wir den Kindern, zu verstehen, was Kunst bedeutet. Kunst ist nicht blo‎ß eine Fotoaufnahme einer Landschaft, sondern eine Darstellung, in der die Idee und die Botschaft des Künstlers offensichtlich werden. Nach mehreren Gesprächen und Spielen, und in Anlehnung an das umgedrehte Universum von Philippe Ramette sollten die Kinder Collagen basteln, in denen die Gesetze der Physik nicht mehr funktionieren und die Normalität umgedreht wird. Die Collagen sollten aber die persönlichen Botschaften ihrer jungen Autoren vermitteln. Wir wünschen uns sehr, dass die Kinder verstehen, was Kunst bedeutet — dabei wollen wir keine Definitionen geben, sondern das Verstehen des Begriffs ermöglichen. Die Tatsache, dass beim Besuchen der Ausstellung die Kinder selbst zu Künstlern werden, hilft ihnen, die Botschaft unseres Programms zu verinnerlichen.“




    Weitere Programme des Vereins Da’DeCe“ sind Philosophie-Workshops für Kinder zwischen 4 und 8 Jahren — dabei beginnen die kleinen Philosophen mit einer Geschichte und diskutieren anschlie‎ßend über das Leben. Für diejenigen, die sich für Natur und Reisen interessieren, gibt es zwei Workshops über die Pflanzenwelt, einen über Blumen und Kräuter und einen weiteren über die faszinierende Welt der Bäume und Wälder. Mit der Zeit, mit jedem neuen Workshop gewinnt die alte Frage Da’DeCe“ (Aber warum“) an Tiefe und Bedeutung.



    Im Internet finden Sie den Verein Da’DeCe“ unter http://www.asociatiadadece.ro/.

  • Cyberbullying, Sexting, Grooming – die hässliche Seite des Internets

    Cyberbullying, Sexting, Grooming – die hässliche Seite des Internets

    Virtuelle Realität, zahlreiche Möglichkeiten der Kommunikation und Erweiterung der Kenntnisse — das alles bietet das weltweite Netz der virtuellen Welt. Das Internet hat aber auch gefährliche Seiten, die alles andere als augenscheinlich sind. Cyberbullying, Sexting und Grooming sind Begriffe, die in der Kinder- und Elternsprache neu sind.



    In den letzten fünf Jahren ist das Alter, in dem ein Kind zum ersten Mal Zugang zum Internet hat, von 10 Jahren auf 8 Jahre gesunken. Die Eltern und Erzieher versuchen sich dieser Realität anzupassen und die Kinder vor der Gefahr, die online lauert, zu schützen. Die Organisation Rettet die Kinder“ (Salvaţi copiii“) hat eine Studie über die Nutzung des Internets in der Familie herausgearbeitet und hat einen Ratgeber für die Sicherheit im Internet herausgegeben. Forschungen zufolge sind 90% der Kinder in einem sozialen Netzwerk wie Facebook anwesend. Es gibt Fälle, in denen ein Kind mehrere Accounts in verschiedenen sozialen Netzen hat. Ciprian Grădinaru, Koordinator der besagten Studie, hat Einzelheiten:



    Über die Anonymität eines Profils im Internet kann ich behaupten, dass eine Verminderung um 10% im Vergleich zu 2013 bemerkbar ist. Die Mädchen haben öfters private Profile als die Jungen. Die Kinder vom Lande gebrauchen mehr reale Identitäten. Was veröffentlichen in ihren Internet-Profilen? Fotos, Familiennamen, das reale Alter, den Namen der Schule, wo sie lernen. 16% der Kinder behaupten, sie hätten auch ihre Adresse veröffentlicht. 10% meinen, sie haben auch ihre Handynummer bekanntgemacht. Die meisten Kinder benutzen das Internet, um neue Freunde zu finden.“




    55% der befragten Kinder gaben an, in ihrer Freundesliste gebe es auch unbekannte Personen, und 10%, dass sie den unbekannten Personen Informationen gegeben haben, was gefährlich werden kann. 47% der Kinder sagten, sie würden mit den unbekannten Personen kommunizieren. Mehr als die Hälfte der Befragten erklärten, es habe auch ein Treffen von Angesicht zu Angesicht gegeben, das in den meisten Fällen ein unangenehmes gewesen sei. Die Kinder sagten aber nicht, was sie dabei gestört hat. Diejenigen, die darüber sprachen, bezogen sich auf anstö‎ßige Sprache. Die Aggressivität ist tatsächlich immer mehr im Internet präsent. Ciprian Grădinaru dazu:



    33% der befragten Kinder behaupten, sie haben im letzten Jahr Bildmaterial mit sexuellem Inhalt gesehen, die meisten natürlich im Internet. 22% sagen, sie haben in verschiedenen Kontexten Mitteilungen mit sexuellem Inhalt erhalten oder gesehen, das sogenannte Sexting. Die Hälfte von den 22% meint, ihnen wurde persönlich ein Foto oder eine Message mit sexuellem Inhalt geschickt, während 8% abverlangt wurde, über Sex zu sprechen. Nur ein kleiner Teil der befragten Kinder hat erklärt, man habe ihnen ein Video oder ein Foto abverlangt, in dem intime Körperteile zu sehen sind. Der Prozent jener, die zugeben, dass sie selbst derartige Messages gesendet haben, ist natürlich kleiner, und zwar 5%.“




    Wie werden diese Kinder von ihren Eltern überbewacht? Mehr als die Hälfte der Eltern erklärte, sie erlaube den Kindern wann immer Instant Messaging zu gebrauchen und Musik oder Filme herunterzuladen. 65% der befragten Eltern antworteten, sie erlauben dem Kind, ein Profil in sozialen Netzwerken zu haben. 8% der Eltern erlauben den minderjährigen Kindern, persönliche Daten zu veröffentlichen. Ciprian Grădinaru sagt uns nun, ob die Eltern sich den Gefahren bewusst sind:



    Als wir die Eltern über die Risiken, mit denen sich die Kinder im Internet konfrontieren, befragten, antworteten 41% der Eltern, dass die Kinder gewaltvolle Bilder gesehen haben, 15% — dass der Sohn oder die Tochter persönlich mit einer im Internet kennengelernten Person zusammengekommen ist, 13% — dass der Sohn oder die Tochter Bilder mit sexuellem Inhalt gesehen haben, während 10% Sexting-Messages erhalten haben. Wenn wir die Daten, die wir von den Kindern bekommen haben, mit jenen der Eltern vergleichen, dann merken wir, dass die Eltern nur teilweise wissen, was ihre Kinder im Internet tun. Wir haben sie gefragt, wie sie die Aktivität der Kinder im Internet überwachen. Die meisten Eltern antworteten nur: Antivirus. Sie kennen die Programme nicht, sie wissen nicht, wie man bestimmte Internetseiten blockiert. Nur ein Drittel der Eltern kennt diese Möglichkeiten.“




    Adina Codreş von der Nationalbehörde für Kinderrechte und Adoption sagte, einige Eltern haben Schwierigkeiten in der Beziehung mit ihren Kindern und wissen nicht, wie man mit einem PC umgeht.



    Wir wissen nicht, wie wir uns mit den Kindern, die mit der Technologie besser umgehen als wir, verhalten sollen. Das ist die heutige Herausforderung für Eltern. Ich glaube, dass wir als Eltern nicht genug vorbereitet sind. Auch die Eltern müssen lernen, wie sie ein Kind erziehen müssen. Es geht eigentlich um Vernachlässigung. Wenn man den Eltern sagt, sie würden das Kind vernachlässigen, dann antworten sie: Wir geben ihm doch Geld, Nahrung, also alles, was er braucht. Vernachlässigung bedeutet auch, ein Kind eine Stunde allein vor dem Laptop oder auf dem Handy spielen zu lassen, ohne zu wissen, ob das Kind in Sicherheit ist.“




    Die Stiftung Rettet die Kinder“ hat in Zusammenarbeit mit dem Erziehungsministerium einen Ratgeber für Sicherheit im Internet“ veröffentlicht. Die Vertreter des Bildungsministeriums haben erklärt, der zukünftige Lehrplan für das Fach Informatik für den Primär- und Sekundärbereich werde Elemente aus dem Ratgeber enthalten, so dass die Kinder lernen, wie sie im Internet sicher sein können.

  • Umfrage unter Jugendlichen: Bessere Bildungschancen, soziale Ungleichheiten

    Umfrage unter Jugendlichen: Bessere Bildungschancen, soziale Ungleichheiten

    Die bedeutendsten Probleme Rumäniens sind die Korruption, die Armut und die Sorgen um den Arbeitsplatz — so die Ergebnisse einer Umfrage unter Jugendlichen, die vom Meinungsforschungsinstitut CURS im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung durchgeführt wurde. Der Bericht fasst die Hauptbeschäftigungen und Interessen der jungen Rumänen im Alter von 15 bis zu 29 Jahren zusammen.



    Mehr als die Hälfte der Jugendlichen in Rumänien ist der Meinung, dass das Land sich nicht auf dem richtigen Weg befindet. Die meisten sind von den bedeutendsten politischen Institutionen und von den jungen Politikern enttäuscht. Fast die Hälfte der Jugendlichen wohnt noch mit den Eltern. Das Heiratsalter steigt von Jahr zu Jahr. Die Einkommen der jungen Angestellten oder Mitarbeiter sind sehr unterschiedlich und hängen vom Alter ab. Die Männer verdienen mehr als die Frauen, die Stadt- mehr als die Dorfbewohner, die Jugendlichen in Bukarest mehr als die Jugendlichen in der Moldau. Der Soziologe Radu Umbreş erläutert die Ergebnisse:



    Über drei Viertel der befragten Personen meinen, dass heute folgendes modisch sei: gut auszusehen, unabhängig und frei zu sein, Sport zu treiben und eine Karriere zu haben. Diese sind individualistische Eigenschaften, besonders wenn wir sie mit anderen Sachen vergleichen wie: Treue, Heirat, Teilnahme an ehrenamtlichen Tätigkeiten. Diese Tendenz kann besonders bei der Bukarester Jugend bemerkt werden. Die Damen wünschen sich mehr als die Männer, eine Hochschule zu besuchen und in einer Beziehung treu zu sein. Hinsichtlich des materiellen und kulturellen Konsums der Familien, in der die Jugendlichen leben, bemerkt man einen bedeutenden Unterschied zwischen den Jugendlichen, die in der Stadt leben, und jenen, die auf dem Dorf wohnen. Die Stadtjugendlichen gehören Familien an, die durchschnittlich um 300 Lei mehr (ca. 70 Euro) als die Familien auf dem Dorf ausgeben. Der Unterschied weitet sich auch auf den Gebrauch von Kulturgütern aus. 27% der Stadtjugendlichen haben mehr als 100 Bücher im Haus, während auf dem Dorf nur 19% der Jugendlichen diese Bücheranzahl besitzen. 8,6% der Dorfjugendlichen haben überhaupt kein Buch im Haus, im Vergleich zu 4,4% in der Stadt.“




    Die Jugendlichen verbringen im Vergleich zu den Erwachsenen mehr Zeit im Internet als vor dem Fernseher. Das Internet wird meistens für Unterhaltung, Sozialnetzwerke, Videos gebraucht. Erst danach folgt die Information. Die Jugendlichen haben nach 1989 eine bessere Bildung im Vergleich zu den Eltern — so der Bericht. Fast die Hälfte der befragten Personen besucht eine Ausbildungsstätte. Davon gehen zwei von drei in die Schule, aufs Gymnasium oder machen eine Lehre in Berufsschulen. Fast 30% besuchen eine Uni, während 7% ihr Master-Studium oder den Doktor machen. In Siebenbürgen bevorzugen die Jugendlichen die Berufsschulen, während die Bukarester Jugendlichen mehr eine postgraduale Bildung wünschen. Nur ein Jugendlicher von drei ist mit dem rumänischen Unterrichtssystem zufrieden. Die Dorfjugend ist zufriedener. Soziologe Radu Umbreş dazu:



    Obwohl der Grad der Hochschulausbildung heute erheblich zugenommen hat, bemerkt man eine stark konservative Tendenz in der Einstufung der Bildung. Anders gesagt: Die Eltern mit einer guten Bildung erziehen ihre Kinder so, damit sie auch zu Bildungsbürgern werden. 70% der Jugendlichen, die eine Uni besucht haben oder besuchen, haben Eltern, die ebenfalls eine Uni absolviert haben. 82% der Jugendlichen, die nur eine Berufsschule besucht haben, kommen aus Familien, in denen der Vater ein niedriges Bildungsniveau hat. Die Arbeitsplätze an der Spitze der Pyramide werden von gebildeten Jugendlichen belegt. Diese Zahlen zeigen eine soziale Ungleichheit: Vorteile und Nachteile in der Bildung werden von einer Generation auf die andere übertragen.“




    Und nun zum Arbeitsmarkt. Ein Jugendlicher von drei hat einen Vollzeitjob, einer von zehn arbeitet in Teilzeit und mehr als die Hälfte gar nicht. Die rumänische Jugend meint, die persönlichen Beziehungen seien für einen Arbeitsplatz wesentlich. Diese werden von der Erfahrung und der Bildung gefolgt. Die bedeutendste Rolle bei der Wahl eines Arbeitsplatzes spielt das Gehalt. Die meisten Jugendlichen wollen in der Privatwirtschaft tätig sein, während über 20% der Jugendlichen, besonders Männer über 25 Jahre in Bukarest, ein eigenes Geschäft starten wollen. Rund 40% der Jugendlichen sagten, sie würden im Ausland arbeiten oder studieren. Die meisten wollen im Westen der EU, Gro‎ßbritannien, Deutschland und den Vereinigten Staaten aktiv sein.



    Über 80% der Jugendlichen sind orthodoxen Glaubens, ein Drittel glaubt nicht an Gott, ist aber gegen Schwangerschaftsabbruch. Der Soziologe Daniel Sandu dazu:



    Wir haben ein kleines Problem in Rumänien, was den Schwangerschaftsabbruch anbelangt. Es geht um die Gesetzgebung. Über 50% der Jugendlichen meinen, das heute gültige Gesetz müsse verändert werden. 19% wünschen das totale Verbot der Abtreibung und über ein Drittel (37%) sind mit der Abtreibung in Notsituationen einverstanden. In Rumänien sind sowohl Frauen als auch Männer gegen die Abtreibung. In der Welt aber merkt man, dass der Schwangerschaftsabbruch eher als ein Problem der Frauen betrachtet wird.“




    Sehr viele Jugendliche sind der Auffassung, sie werden ein besseres Leben als ihre Eltern haben. Dieses Vertrauen kommt von den Möglichkeiten, die die Bewegungsfreiheit in der EU bietet, erklären die Autoren der Studie.

  • „Opportunitäten für Jugendliche“ – ein Programm für gefährdete Teenager

    „Opportunitäten für Jugendliche“ – ein Programm für gefährdete Teenager

    Fast jedes zehnte Kind wird in Rumänien von einer jugendlichen Mutter, die zwischen 15 und 19 Jahre alt ist, auf die Welt gebracht. Damit nimmt Rumänien einen der ersten Plätze in der EU in puncto Teenage-Schwangerschaften ein. Zudem nehmen andere Probleme in dieser Altersgruppe zu: Fettleibigkeit, die Abbrecherquote und der Alkohol- und Tabak-Konsum. Das waren auch die Gründe, warum vor Kurzem in Bukarest das zweite Ressourcen-Zentrum für gefährdete Jugendliche eröffnet wurde. Hier werden diese beraten und bekommen Unterstützung. Hier sollen auch Gruppen-Tätigkeiten organisiert werden, im Rahmen derer die Jugendlichen die Möglichkeit haben werden, zusammen mit Fachleuten über wichtige Themen wie Beziehungen oder Gesundheit zu sprechen.



    Das Zentrum soll eine Brücke zwischen den gefährdeten Jugendlichen und der Gemeinschaft, beziehungsweise der Familie darstellen. Um diesen Jugendlichen entgegenzukommen, hat UNICEF in Partnerschaft mit dem rumänischen Ministerium für Jugendliche und Sport, dem Rathaus des 4. Bezirks und der Allianz für den Kampf gegen den Alkoholismus und die Rauschgift-Süchte ALIAT zeitgleich mit der Eröffnung dieses Zentrums das Programm Opportunitäten für Jugendliche“ eingeleitet. Das Programm soll drei Jahre dauern und in fünf Städten implementiert werden: Bukarest, Cluj (Klausenburg), Iaşi (Jassy), Constanţa und Bacău.



    Sandie Blanchet, UNICEF-Vertreterin in Rumänien, nahm an der Einweihung des Ressourcen-Zentrums für Jugendliche teil. Sie erklärte, die knapp 1,7 Millionen Jugendlichen in Rumänien würden sich mit denselben Herausforderungen wie Jugendliche in aller Welt konfrontieren:



    Jüngste Studien im Bereich der Neurowissenschaft zeigen, dass die Jugendphase eine entscheidende Etappe in der Entwicklung des menschlichen Hirns ist. Jugendliche sind dazu geneigt, sich Risiken auszusetzen, weil ihr Hirn noch nicht komplett entwickelt ist. Die Entscheidungen, die man während des Jugendalters trifft, beeinflussen stark den weiteren Lebensstil. Deshalb ist es wichtig, in diesem Lebens-Abschnitt gesunde Entscheidungen zu treffen. Letztes Jahr waren etwa 17.000 Jugendliche unter 19 Jahren schwanger. Zudem nehmen die Fettleibigkeit, der Alkohol-Konsum, das Rauchen und der Drogen-Konsum in den Reihen der Jugendlichen zu. In den Städten gefährdet der Konsum sogenannter ethnobotanischer Stoffe die Gesundheit oder sogar das Leben von Hunderten von Jugendlichen. Es gibt auch das Risiko der HIV-Infektion. Laut einer UNICEF-Studie befanden sich 19% der Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren au‎ßerhalb des Bildungs-Systems. Das stellt eine ernsthafte Bedrohung für ihre Chancen dar, einen gut bezahlten Job zu bekommen.“




    Dieses Eingriffs-Modell für gefährdete Jugendliche, die in benachteiligten Stadtteilen im 4.Bezirk der Hauptstadt leben, kommt in einem wichtigen Moment für die Jugend-Politiken in Rumänien. Cosmin Cristian, Staatssekretär im Ministerium für Jugendliche und Sport, erklärt:



    Wir freuen uns, dass, die Nationale Strategie für die Jugend 2015-2020 von der rumänischen Regierung angenommen wurde. In dieser Strategie sprechen wir auch von dieser Gruppe der Jugendlichen, die eine gefährdete Gruppe darstellt und vielen Versuchungen ausgesetzt ist. In Rumänien leben mehr als 6 Millionen junge Leute zwischen 15 und 34 Jahren. 1,7 Millionen davon sind Jugendliche. Diese Strategie soll die Teilnahme der jungen Menschen am aktiven Leben, am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben fördern. Sie soll diesen Menschen gleiche Chancen anbieten. Die Nationale Strategie für die Jugend soll durch lokale Jugend-Strategien umgesetzt werden, das ist sehr wichtig. Wir möchten es nicht dabei belassen. Wir arbeiten jetzt an den nationalen Ma‎ßnahmen-Plänen für Jugendliche anhand der vier Säulen dieser Strategie. Wir wünschen uns eine schnelle Operationalisierung der Strategie. Es gibt schon Städte in Rumänien wie Timişoara (Temeswar), in denen es schon eine lokale Jugend-Strategie gibt. Ich wünsche mir eine Strategie für Bukarest und für die Jugendlichen im 4.Bezirk.“




    Man schätzt ein, dass im ersten Jahr mehr als 1.500 junge Leute informiert werden und weitere 200 von Entwicklungs-Möglichkeiten im Rahmen des Programms Opportunitäten für Jugendliche“ profitieren werden. Insgesamt soll im Rahmen des Pilot-Projekts etwa 10.000 Jugendlichen geholfen werden. Bogdan Glodeanu, Vorsitzender des Verbandes ALIAT, erklärte, man müsse die Jugendlichen über die Risiken, denen sie sich aussetzen, informieren. Bis jetzt hat der ALIAT-Verband etwa 3.000 Jugendliche informiert und unterstützt. Bogdan Glodeanu:



    Im Durchschnitt kommen die Jugendlichen in Kontakt mit Alkohol, Tabak und Drogen ab dem 13. Lebensjahr. Mit 17 Jahren haben 76% der Mädchen und 75% der Jungen mindestens zwei dieser Produkte probiert. 60% der Jugendlichen konsumieren aus Neugier. Nach eineinhalb Jahren werden sie ständige Konsumenten und deswegen gibt es zahlreiche Probleme. Manche brechen die Schule ab, schlie‎ßen sich Gruppen an und die Familie kann ihnen in vielen Fällen nicht mehr helfen. Internationalen Studien zufolge sind 9% der Todesursachen bei jungen Menschen zwischen 15 und 29 Jahren auf den Alkohol zurückzuführen. Rumänien liegt weltweit auf Platz 8 beim Alkoholkonsum pro Kopf. 40% der Jugendlichen haben mindestens einmal Alkohol konsumiert. Im Durchschnitt haben sie knapp 3 Liter Alkohol im Monat konsumiert.“




    Die Spezialisten-Gruppen des Zentrums sollen die Jugendlichen mit Problemen in Schulen ausfindig machen. Es wird zudem Partnerschaften mit Behörden und Nichtregierungsorganisationen geben, die die Lage dieses Jugendlichen besser kennen. Diese sollen die Jugendlichen beraten, dieses Zentrum aufzusuchen. Ein anderes den Jugendlichen zur Verfügung gestelltes Instrument ist die Plattform www.adolescenteen.ro. Auf dieser Plattform können sie in Kontakt mit Spezialisten treten und Informationen über Entwicklungs-Opportunitäten in Bukarest bekommen.

  • Leseförderung in Rumänien

    Leseförderung in Rumänien

    Lesen gehört seit langem nicht mehr zu den Lieblingsbeschäftigungen der Jugendlichen in Rumänien. Eine Meinungsumfrage des Rumänischen Institutes für Soziale Studien hat gezeigt, dass 22% der Jugendlichen überhaupt nicht lesen, während einer von fünf nur ein Buch im Jahr liest. Die Tatsache, dass die Rumänen weder Lust noch Geld für Bücher haben, spiegelt sich auch auf dem Markt der gedruckten Bücher wider, der von Jahr zu Jahr schrumpft.



    Zurzeit befindet sich der rumänische Buchmarkt auf dem letzten Platz im EU-Vergleich. Und das ist der Grund, warum unterschiedliche Verbände, Bibliotheken oder Verlage versuchen, dem breiten Publikum das Lesen mit allerlei Projekten schmackhaft zu machen.



    Die Kampagne România, citeşte-mă!“ (Rumänien, lies mich!“) entstand vor dem Hintergrund einer fehlenden landesweiten Strategie zur Förderung der geschriebenen Kultur. Die Verleger standen deshalb vor gro‎ßen Schwierigkeiten, wenn es um die Lese- und Buchförderung ging, berichtet Lucia Ovezea, die Vorsitzende des Rumänischen Buchhändler-Verbandes.



    Es waren unterschiedliche Aktivitäten vorgesehen, aber wir dachten zunächst an die kleineren Kinder, die insbesondere in diesem Alter für das Buch und das Lesen begeistert werden sollen. Deshalb haben wir die Viertklässler ausgewählt und sie zu einem Lesewettbewerb eingeladen. Der Wettbewerb wurde letztes Jahr in ungefähr 50 Schulen in Bukarest, in allen Schulen in Târgoviște und in Câmpina organisiert. Praktisch haben wir versucht, dem Ganzen eine nationale Dimension zu verleihen. In diesem Jahr hatten wir weniger Fördermittel zur Verfügung. Von daher hat der Verband der Buchverleger, der der Konföderation der Buchverleger und –händler angehört, die Kontrolle übernommen und die Kampagne fortgesetzt — dabei wurden 20 Schulen aus Bukarest mobilisiert. Die Kinder werden in diesem Monat an dem Wettbewerb auf Stadtebene teilnehmen, die Preise werden dann — wie letztes Jahr auch — im Rahmen der Buchmesse Bookfest am 31. Mai verliehen.“



    Weil die Jugend von heute die meiste Zeit vor dem Computer verbringt, hat ein junger Mann aus Klausenburg eine Kampagne zur Leseförderung auf Facebook gestartet. Das Projekt von Victor Miron hei‎ßt Die Bücher im Gesicht“ und hat das Selfie-Konzept als Grundlage. Das setzt die Inszenierung eines sogenannten Buch-Selfies“ voraus, das hei‎ßt ein Bild, auf dem das Gesicht der fotografierten Person von dem gerade gelesenen Buch verdeckt ist. Bislang hat Mirons Initiative Hunderte von positiven Rückmeldungen, Kommentaren und Fotos gesammelt und viele Jugendliche für die Kultur begeistert, wie der Autor selbst erzählt:



    Ich konnte die Leute vom Buchladen Bookstory in Klausenburg überreden, den Kunden, die ein Facebook-Profilfoto mit Buch vorweisen können, einen Rabatt von 10% zu bieten. Das geschah im Februar und die Meldung über diese Ermä‎ßigung hat sehr viele Menschen gefreut. Auf der ersten Seite, auf der ich für diese Aktion warb, hatten innerhalb von einigen Tagen fast 2000 Facebook-Nutzer den Gefällt-Mir-Button gedrückt. Und das hat gezeigt, dass die Leute Interesse daran hatten, nach dem ersten Artikel waren sehr viele Nutzer mit einem Buch auf ihrem Profilfoto zu sehen.“



    Nachdem auf Facebook immer mehr Selfies mit lesenden Menschen zu sehen waren, ging Victor Miron zur nächsten Aktion seiner Kampagne über:



    Unsere Absicht war, sie mit Büchern zu überraschen, an Orten, wo sie es nicht erwarteten… Also haben wir eine kleine Bibliothek in einer Autowerkstatt eingerichtet, die für jede Reparaturarbeit ein Buch verschenkte. Das Motto lautete dort: Egal wie schön dein Auto ist, es kann dich nicht in die Gemütszustände versetzen, die ein Buch verursacht. Und dann hat eine Zahnarztpraxis in Klausenburg ein ungewöhnliches Angebot für die lesenden Patienten. Man bekommt eine 10%-ige Ermä‎ßigung auf die Behandlungskosten, wenn man auf Facebook in die Praxis eincheckt und dabei angibt, welches Buch einem ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat. Wir unternehmen also Ungewöhnliches, um die Menschen aus ihrem monotonen Alltag zu entführen und sie zu veranlassen, ein angenehmes Gefühl dem Lesen gegenüber zu entwickeln, interessante Diskussionen über Bücher zu führen. Wir wissen, dass Menschen sehr positiv auf Preisnachlässe reagieren, allerdings reagieren sie noch viel besser auf Gratisangebote. Deshalb haben wir dem Bürgermeisteramt Klausenburg vorgeschlagen, dass am ersten Sonntag eines jeden Monats Bücher lesende Fahrgäste der öffentlichen Verkehrsmittel diese kostenlos nutzen dürfen. Die Behörden haben bestätigt, dass sie das Konzept im Rahmen einer Buchmesse testen wollen und wir konnten es bereits anlässlich des Internationalen Buchtags umsetzen. Wer ein Buch bei sich hatte, konnte den Botanischen Garten in Klausenburg kostenlos besuchen. Auch diese Aktion war recht erfolgreich, in dem Sinne, dass der freie Eintritt am Karfreitag durch eine einfache Anzeige im Internet angekündigt wurde und, innerhalb von einigen Tagen, 32.000 Menschen erreicht hat — das Bild mit der Gratis-Aktion wurde einfach weitergegeben. Insgesamt haben dann 1230 Personen mit einem Buch unter dem Arm den Botanischen Garten besucht.“



    Der Welttag des Buches wird am 23. April begangen und ist inzwischen zum wichtigen Termin für alle Leseratten geworden. In Bukarest und anderen Städten des Landes fanden an diesem Tag unterschiedliche Aktionen zur Leseförderung statt. Nichtsdestotrotz verbringt der Durchschnittsrumäne laut einer Studie des Nationalen Institutes für Statistik lediglich eineinhalb Stunden im Monat mit Theater-, Kino- und Kunstgaleriebesuchen, während das Lesen in der Freizeit im Schnitt nur 13 Minuten am Tag ausmacht, wobei mit fortschreitendem Alter auch die mit Büchern verbrachte Zeit abnimmt. Lucia Ovezea versucht, die Entwicklung zu erklären:



    Die Welt ist global geworden, es gibt nun das Internet, die Informationen verkehren viel schneller, die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung oder die eigene Vorstellungskraft kommen heute auf anderen Wegen zum Ausdruck. Und da ist es klar, dass das Lesen dem Ganzen ein wenig hinterherhinkt, weil viele es als veraltet ansehen oder weil es gar nicht wahrgenommen wird. So ist es nun mal, es sind andere Generationen. Lesen ist aber nach wie vor für recht viele Menschen wichtig. Leider ist der Anteil der Leser in Rumänien im Vergleich zu anderen europäischen Ländern viel geringer, aber damit müssen wir uns abfinden. Im Allgemeinen stagniert das Buch bei uns oder es macht kleine Rückwärtsschritte.“



    Für die Jugendlichen sind audiovisuelle Medien, der Fernseher und der Computer das attraktivere Angebot, im Vergleich zum geschriebenen Text. Die virtuelle Welt hat die jungen Menschen erobert und sie vor den Büchern auf Distanz gebracht. Relativ interessiert sind die Schüler heute noch an den Büchern aus dem Lehrplan.



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  • Rumänische Jugendliche und ihre Probleme

    Rumänische Jugendliche und ihre Probleme

    Die Heranwachsenden zwischen 10 und 18 Jahren werden entweder als Kinder oder als junge Leute betrachtet — die Öffentlichkeit nimmt sie meistens nicht als getrennte Kategorie wahr. Dies besagt u.a. eine Studie mit dem Titel Die Situation der Heranwachsenden in Rumänien“, die unter der Schirmherrschaft der UNICEF vom Zentrum für Städtische und Regionale Soziologie (CURS) und vom Institut für Erziehungswissenschaften durchgeführt wurde. Die Untersuchung konzentrierte sich auf Heranwachsende zwischen 10 und 18 Jahren und zielte auf die kulturellen Trends, die Probleme und Anfälligkeiten der Teenies ab. Dazu die UNICEF-Vertreterin in Rumänien, Sandie Blanchet:



    Es gibt 3 Kategorien von anfälligen Teenagers in Rumänien: die Behinderten, die Heranwachsenden aus den Roma-Gemeinschaften und die Drogenkonsumenten. Die häufigsten Probleme sind der Schulabbruch (16% der Rroma-Kinder verlassen die Schule nach der 4. Klasse), die verfrühten oder ungewollten Schwangerschaften (2012 gab es in Rumänien 17.000 Mädchen unter 18 Jahren, die schwanger wurden), der Alkoholkonsum (42% der Heranwachsenden haben mindestens einmal Alkohol getrunken), das Rauchen (23% der Teenies haben mindestens einmal geraucht) und der Drogenkonsum (5,4% der Teenagers über 14 Jahren haben mindestens einmal Drogen genommen).“



    Die Prozentzahl der Heranwachsenden, die mindestens einmal Alkohol getrunken haben ist in der Tat hoch, aber es gibt Unterschiede zwischen Stadt und Land einerseits und zwischen Mädchen und Jungen andererseits. Die Soziologin Ionela Şufaru vom Zentrum für Städtische und Regionale Soziologie (CURS) stellt die Situation dar:



    Die Prozentzahl der Jungs ist doppelt gegenüber den Mädchen. In den ländlichen Regionen erklärten die Befragten eine doppellte Menge an konsumiertem Alkohol, im Vergleich zu den Städten. Was das Rauchen betrifft, so erklärten 23% der befragten Heranwachsenden, sie hätten mindestens einmal geraucht; das sind doppelt so viel Jungs im Vergleich zu Mädchen und um 10% mehr in den Städten als auf dem Lande. Zu den Drogen: Fast 4% der Befragten sagten, sie hätten zu einem gewissen Zeitpunkt irgendeine Droge genommen. In der Altersstufe 14-18 Jahre steigt diese Zahl aber bis auf 5,4%, und wenn wir die Kategorie 14-18 Jahre in den Städten betrachten, so werden 7,4% erreicht. Das Einstiegsalter für den Konsum von Alkohol und Rauschgiftmittel liegt bei den rumänischen Heranwachsenden bei 14 einhalb Jahren — das Einstiegsalter beim Drogenkonsum variiert aber zwischen 11 unsd 15 Jahren.“



    Einige Ursachen für ein solches Risikoverhalten sind das Verlassen der Familie im Alter von 14 Jahren, die aggressive Werbung für alkoholische Getränke und Zigaretten und der leichte Zugang der Teenies zu solchen Produkten. Das riskante Sexualverhalten ist eine weitere Kategorie, die in der Studie Situation der Heranwachsenden in Rumänien“ untersucht wird. Die Soziologin Ionela Şufaru:



    15% der befragten Teenager erklärten, sie hätten bereits ihr Sexualleben begonnen — die Prozentzahl der Jungs war zweimal höher als die der Mädchen, und es gab mehr sexuell aktive Teenies in den Städten als auf dem Lande. Die Mädchen sind in der Regel vorsichtiger und stabiler als die Jungs — sie haben meistens stabile Sexualparter und benutzen Kondome. Leider erklärten 16% der befragten Heranwachsenden, sie würden niemals Kondome benutzen. Den ersten Geschlechtsverkehr hätten sie mit 15-einhalb Jahren gehabt.“



    Neben der Feststellung der wichtigsten Anfälligkeiten der Teenager präsentierte die Studie auch mehrere Empfehlungen der UNICEF, damit die Rechte der Heranwachsenden besser geschützt werden und die Gesellschaft ihnen die Hilfe bietet, die sie benötigen. Die UNICEF-Vertreterin in Rumänien, Sandie Blanchet:



    Das Ausbildungssystem sollte den Teenagern die notwendigen Kenntnisse und das entsprechende Verhalten durch Hygienekurse vermitteln, die zum Schulprogramm gehören müssten. Die Schulen und die Gemeinden müssen die anfälligen Teenies unterstützen, damit sie ihre Ausbildung fortsetzen und abschlie‎ßen können. Das Gesundheitssystem sollte Fachleute ausbilden, die den Heranwachsenden zu einer sozialen Inklusion ohne Diskriminierung helfen. Die Teenies sollten au‎ßerdem mehr Sport treiben — dadurch wird die Anfälligkeit für ein Risikoverhalten reduziert. Diese Dienstleistungen sollten immer lokal, ganz nah an den jungen Leuten angeboten werden. Nicht zuletzt müssen die Eltern einen besseren Zugang zu Informationen haben, so da‎ß die Teenager sich zu Hause wohl fühlen.“



    Der Minister für Jugend und Sport, Nicolae Bănicioiu, hat die Probleme der rumänischen Heranwachsenden erkannt, und besteht auf bessere Informierung:



    Ein Gro‎ßteil unserer Aktivität im Teenagerbereich konzentriert sich auf die Prävention und die Bekämpfung des Konsums von Alkohol, Drogen und anderen verbotenen Substanzen. Neben den spezialisierten Nichtregierungsorganisationen nehmen wir uns auch vor, die Partnerschaft mit der Nationalen Agentur für Drogenbekämpfung fortzusetzen. Alle Aktionen des Ministeriums für Jugend und Sport — dazu gehören Ferienlager für Schüler und Studenten sowie die kulturellen und sportlichen Aktivitäten — wurden von Fachleuten von der Nationalen Agentur für Drogenbekämpfung begleitet, die Informations- und Präventionsaktionen durchgeführt haben. Wir fördern einen gesunden Lebensstil schon im jungen Schulalter, um gute Ergebnisse zu erzielen. Dazu gehört auch eine bessere Kommunikation mit den Teenagern.“



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  • Fettleibigkeit im jungen Alter

    Fettleibigkeit im jungen Alter

    Die Internationale Gesundheitsorganisation warnt vor einem zunehmenden Anteil der übergewichtigen und adipösen Kinder und Jugendlichen in den EU-Staaten. Da Fettleibigkeit immer früher auftritt, erhöht dies nicht nur das Krankheitsrisiko, sondern erzeugt auch erhebliche soziale Probleme.



    Fettleibigkeit hat sich in den letzten Jahren in den EU-Staaten zu einem gro‎ßen Problem entwickelt. Immer mehr Kinder und Erwachsene in der Europäischen Union leiden heutzutage an Adipositas. Wie die Europäische Statistikbehörde Eurostat 2011 erklärte, sei jeder fünfte Erwachsene in den EU-Staaten stark übergewichtig. In England leiden 23,9 Prozent der Frauen und 22,1 Prozent der Männer an Fettleibigkeit. Neben Gro‎ßbritannien liegen Malta und Ungarn an der Spitze im EU-Vergleich. Besonders wenig Menschen mit Fettleibigkeit gibt es den Eurostat-Zahlen zufolge hingegen in Rumänien, Italien, Bulgarien und Frankreich.



    2007 warnte die Internationale Gesundheitsorganisation vor einem zunehmenden Anteil der übergewichtigen und adipösen Kinder und Jugendliche in den EU-Staaten. Die Zahl der übergewichtigen Kinder und Jugendliche stieg demzufolge auf 20%, während ein Drittel der europäischen Kinder und Jugendliche an Fettleibigkeit leide. Heutzutage wird es heftig über die Ursachen der Zunahme des Übergewichts debattiert. Genetische Faktoren können einen gro‎ßen Effekt auf die individuelle Prädisposition für Fettleibigkeit haben. Jedoch erklären die Gene allein nicht die dramatische Zunahme der Fettleibigkeitsrate bei Kindern in den letzten Jahren. Wie sieht die derzeitige Situation in Rumänien in Bezug auf dieses Problem aus? Einer neulich in der rumänischen Öffentlichkeit bekanntgemachten Information zufolge, liege Rumänien auf dem dritten Platz unter den EU-Ländern mit einer hohen Fettleibigkeitsrate bei Kindern.



    Das Rumänische Endokrinologische Institut und die Fachklinik des Bukarester Krankenhauses Elias” führten diesbezüglich Mai 2011 eine epidemiologische Studie durch. Es handelte sich um eine Beobachtungsstudie an Kindern mit dem Alter zwischen 6 und 18 Jahren, die eine direkte Abschätzung des Fettleibigkeitsrisikos bei Bukarester Kindern und Teenagers erlaubte. Endokrinologie-Fachärztin Carmen Barbu erläutert die Ergebnisse:



    Wie die Studie gezeigt hat, haben 32% der beobachteten Kinder Übergewichtsprobleme, d.h. 11,5% sind fettleibig und 20,5% übergewichtig. Die letztere Kategorie liegt in der Mitte zwischen normal und fettleibig. Im Vergleich zum Rest des Landes stellten wir fest dass die Bukarester Kinder am stärksten davon betroffen werden. Einer 2009 in westrumänischen Timişoara (Temeswar) veröffentlichten Studie zufolge, liege der Anteil der übergewichtigen und adipösen Kinder in Timişoara nicht so hoch wie in Bukarest. Dies zeigt wie unterschiedlich die Umweltbedingungen sind und wie sie sich auf den Gesundheitszustand der Kinder auswirken lassen.



    Es hat sich gezeigt, dass es au‎ßerdem erhebliche geographische Unterschiede in der Ausbreitung dieser Krankheit gibt, wobei die Gro‎ßstädte im Vergelich zum Dorfmilieu höhere Verbreitungsraten von Fettleibigkeit und Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen aufweisen. Neben körperlichen und emotionalen Problemen, die in der Kindheit auftreten, haben zudem Studien gezeigt, dass jugendliche Fettleibigkeit ein ma‎ßgebliches Vorzeichen für Fettleibigkeit im Erwachsenenalter ist, insbesondere dann, wenn die Eltern ebenfalls übergewichtig waren. Das ist aber keine Regel und eine besondere Besorgnis erregt die Feststellung, dass es in der heutigen Gesellschaft zahlreiche Kinder ebenso zu Übergewicht oder Fettleibigkeit neigen, .selbst wenn kein Elternteil übergewichtig oder fettleibig ist. Fachärztin Carmen Barbu vertritt der Ansicht, eine der wichtigsten Ursachen dieser Krankheit seien die ungesunden Gewohnheiten:



    Eine in Bukarest besonders ausgebreitete ungesunde Gewohnheit ist nach 22 Uhr zu essen. Über 90% der beftragten Kinder erklärten sie essen nach 22 Uhr und ebenso über 90% sagten sie haben sogannanten Sü‎ßigkeiten-Reseven zuhause zur Verfügung. Es handelt sich zudem um keine hausgemachte Sü‎ßigkeiten. Au‎ßerdem zeigte der von den Kindern ausgefüllte Fragebogen, dass sie zuhause kein komplettes Essen kriegen, das Proteine, Kohlenhydrate und unterschiedliche essentielle Bestanteile der Nahrung beinhaltet. Über 90% der Kinder erklärten zudem sie essen vor dem Fernseher oder Computer. Wie sich deutlich herausstellte, treiben die Kinder auch zu wenig Sport. Nicht zuletzt ist diese mangelnde Bewegung ein erhebliches Risiko in der Entwicklung der Kinder und Jugendliche. Viele von ihnen beschränken sich lediglich auf den Sportunterricht in der Schule.“



    Beim ungesunden Essen handelt es sich nicht nur um Sü‎ßigkeiten, sondern auch um Fast-food-Essen, das zu viel Salz, Fett und suchterzeugende Stoffe enthält. Dies sei dadurch zu erklären dass die Eltern die Essensgewohnheiten der Kinder aus Zeitmangel vernachlässigen, sagt Ernährungsexperte Gheorghe Mencinicopschi.



    Die Eltern und Gro‎ßeltern müssen dessen bewu‎ßt werden, dass die 10-oder 11-jährigen Kinder alleine zwischen gesunden und ungesunden Nahrungsmitteln nicht unterscheiden können. In diesem Alter lern das Kind durch Nachahmung und der Lebensstil in seiner Familie wird höchstwahrscheinlich später sein ganzes Leben prägen. Einmal die Gewohnheit fest verankert, führt der Jugedliche oder Erwachsene meistens einen hoffnungslosen Kampf gegen seinen ungesunden Lebensstil.



    Ungesundes Essen erhöht das Risiko von Herzeekrankungen, Typ 2 Diabetes, Bluthochdruck, sowie von verschiedenen Krebsarten und Arthritis. Bei jungen Männern schlie‎ß man sogar das Risiko der Senkung der Zeugungsfähigkeit nicht aus. Was kann man gegen die Zunahme dieses Alltagsphänomens machen? Ernährungsexperte Gheorghe Mencinicopschi:



    Die Lösung istdas hausgemachte Essen. Selbst wenn es manche als altmodisch betrachten, stellt das hausgemachte Essen eine Garantie für unsere Gesundheit dar weil man die Zutaten selber auswählen kann. Heute schenken die Menschen ihrer Ernährung keine Aufmerksamkeit, sie sind nichteinmal neugierig, das zu lesen was auf der Verpackung steht. Würden sie das Etikett lesen, könnten sie Angaben zu Zutaten oder zu Nährwerten finden. Zumindest könnte man so erfahren, wieviel Zucker oder Salz in unseren Lebensmitteln steckt. Die beste Option wäre aber die Zutaten selber auszuwählen und das Essen selber zu Hause zu kochen oder Bio-Produkte zu kaufen, wenn wir uns das leisten.“



    Leider sind heutzutage ganz gesunde Lebensmittel schwer zu finden, da viele davon Pestizid-Rückstände und Hilfsstoffe enthalten oder industriell verarbeitet werden. Das Zuhause-Kochen alleine kann uns dabei helfen, gewisserma‎ßen die Kontrolle über die Ernährung unserer Kinder zu übernehmen.



    Audiobeitrag hören: