Tag: Kommunismus

  • „Reflector“: Mutige TV-Sendung nahm es mit kommunistischen Bonzen und Korruption auf

    „Reflector“: Mutige TV-Sendung nahm es mit kommunistischen Bonzen und Korruption auf

     

     

    Es ist eine Binsenwahrheit: In totalitären Gesellschaften ist die Presse gleichgeschaltet, und jeder weiß, dass er in staatlichen Medienprodukten mit Lügen konfrontiert wird und meistens nur Propaganda schlucken muss. So auch im kommunistischen Rumänien geschehen.

     

    Doch die Geschichte der Presse während der kommunistischen Jahre in Rumänien wies auch – für kurze Zeit – ein einigermaßen ehrenwertes Kapitel auf, in dem die Journalisten versuchten, ihre Berufsethik anzuwenden und die Stimme der Gesellschaft zu sein. Die Zeit zwischen 1966 und 1971 war die beste für die Presse unter dem kommunistischen Regime in Rumänien, und einige Medien-Produktionen waren beim Publikum besonders erfolgreich. So z.B. die Sendung „Reflector“ (zu deutsch in etwa: „Im Scheinwerferlicht“), die im staatlichen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Darin wurden institutionelle Missstände und Missbräuche durch Politiker oder Leiter staatlicher Behörden vor Augen geführt.

     

    Die Sendung „Reflector“ („Im Scheinwerferlicht“) war ein Versuch, verantwortungsvollen Journalismus zu betreiben – allerdings setzte das kommunistische Regime dabei klare Grenzen. Die offizielle Ideologie der rumänischen kommunistischen Partei durfte nicht in Frage gestellt werden, ebenso wenig wie das Wesen der Staatsmacht und der sozialen und politischen Ordnung. Ein Tabu waren auch die Person des Führers Nicolae Ceaușescu, seine Familie und die Verwandten, die führenden Aktivisten der Partei, die Armee, der Repressionsapparat, bestehend aus der Miliz und der Securitate, sowie Mitarbeiter der Justiz und des staatlichen Finanz- und Bankensektors. Daher befasste sich die Sendung „Reflector“ meistens mit Missständen und Fehlleistungen in der sozialistischen Konsumwirtschaft.

     

    Die Sendung wurde beginnend mir 1967 ausgestrahlt und orientierte sich an ähnlichen Sendungen in der westlichen Presse. Die Öffnung des rumänischen Fernsehens gegenüber dem Westen ist den Journalisten Silviu Brucan und Tudor Vornicu zu verdanken. Der zu erst Genannte war damals Intendant des Senders und zuvor Botschafter des sozialistischen Rumänien in den USA und bei der UNO gewesen und war von den amerikanischen Medien besonders angetan. Ironie des Schicksals – oder rumänische Paradoxie – der Mann war in den 1950er Jahren einer der schlimmsten Hetzer in der kommunistischen Presse gewesen – und in den 1990ern wieder als Talkshow-Gast gefragt. Tudor Vornicu hingegen, Chefradakteur der Sendung „Reflector“, hatte als Korrespondent des Rumänischen Rundfunks in Frankreich Karriere gemacht und war wiederum mit den französischen Medien vertraut. Aus diesem fragwürdigen Mix sollte ein halbwegs gutes Medienprodukt entstehen. Und darüber weiß der Journalist Ion Bucheru zu berichten, damals Vizeintendant des rumänischen Fernsehens und Koordinator des Teams, das die Sendung machen durfte. In einem Interview mit dem Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte des rumänischen Rundfunks von 1997 erinnerte sich Bucheru, was den Erfolg der Sendung ausmachte.

     

    Ich war damals verantwortlich für die Sendung, die inzwischen zweimal wöchentlich ausgestrahlt wurde und 20 bis 25 Minuten dauerte. Die Sendung wurde bald zu einer sozialen Instanz. Die fünf Hauptakteure, die routinemäßig in der Sendung auftraten, führten sich wie Staatsanwälte auf und glaubten, einen sozialen Auftrag zu haben und ausüben zu müssen. Sie hatten einen direkten Draht zu den Menschen, sie wurden einfach von Bürgern angerufen, die keine andere Hoffnung mehr im Kampf mit der Bürokratie oder mit staatlichen Institutionen hatten.“

     

    Es war einfach ein schlechtes Omen, im Fernsehen vorgeführt zu werden, vor allem wenn es um skandalöse Fälle von Missbrauch, Inkompetenz oder Gleichgültigkeit in Umgang mit öffentlichen Geldern ging. Deshalb war selbst in den kleinsten Läden oder an Marktständen Panik angesagt, wenn das Kamera-Team von „Reflector“ („Im Scheinwerferlicht“)“ urplötzlich auftauchte. Ion Bucheru, der Chefredakteur von damals, erinnert sich weiter:

     

    Wir schlugen damals ziemlich über die Stränge: Wir beendeten die Sendung immer mit einem Standbild und einem Text. Das Bild zeigte ein schwarzes Auto, das in einer Abgas- oder Staubwolke davon düste, und der sarkastische Text lautete: »In diesem Auto verlässt Genosse Minister Soundso das Ministerium, wahrscheinlich in Eile, um an irgendeiner Sitzung teilzunehmen. Und er hatte es so eilig, davonzukommen, dass er nicht einmal die Zeit hatte, mit dem Reporter der Sendung zu sprechen.« Sie können sich vorstellen, was es für einen Wirbel veursachte, wenn ein Redakteur der Sendung den Leiter eines staatlichen Unternehmens oder einen stellvertretenden Minister anrief, um ihm nur mitzuteilen, dass das Journalisten-Team von »Reflector« bald vorbeikäme oder schon auf dem Gelände angekommen sei.“

     

    Doch dann kam der Moment Juli 1971, als der Diktator Nicolae Ceaușescu seine ominösen Thesen verkündete, mit denen eine 180-Grad-Wende eingeleitet wurde: vom relativ liberalen Kommunismus zum National-Kommunismus, in dem jede Kritik am System nicht mehr willkommen war. Es war im Grunde eine Rückkehr zur stalinistischen Epoche der 1950er Jahre, was eine große Bestürzung in den Ländern der freien Welt auslöste, die bis dahin die angebliche Distanzierung des rumänischen Führers von der Sowjetunion geschätzt und unterstützt hatten. Diese Rückentwicklung beeinflusste auch die Sendung „Reflector“ („Im Scheinwerferlicht“), die nach und nach an Schärfe verlor und uninteressant wurde, wie sich der damalige Chefredakteur Ion Bucheru erinnerte:

     

    Die sogenannten Juli-Thesen entsprangen Ceaușescus Geist, Kopf und Feder im Zuge eines Fernsehskandals. Es war der Moment, als Ceaușescu nach 1968 den Höhepunkt seiner Popularität und seines nationalen und internationalen Ansehens erreicht hatte. Es war eine Zeit, in der Rumänien international als ein kleines Weltwunder in dieser Ecke Europas galt. Es war eine Zeit, in der die Staatsoberhäupter Rumänien ihre Türen öffneten, selbst die konservativsten, selbst diejenigen, die es bis dahin abgelehnt hatten, Ceaușescu zu empfangen oder ihm die Ehre eines Staatsoberhauptes zu erweisen. Wenn man damals als rumänischer Journalist im Ausland unterwegs war – und ich habe das selbst erlebt –, wurde man nicht nur mit Sympathie, sondern mit einer Art von Brüderlichkeit betrachtet. Wir waren oft schlecht ausgestattet, ohne logistische Möglichkeiten unterwegs, und waren obendrein auch sehr schlecht bezahlt. Aber es gab eine solche Welle der Sympathie um uns herum, dass uns die ausländischen Kollegen beisprangen und uns vieles zur Verfügung stellten.“

     

    Mitte der 1980er Jahre, als das Fernsehprogramm nur noch zwei Stunden am Tag umfasste, wurde die Sendung „Reflector“ („Im Scheinwerferlicht“) eingestellt. Nach der Wende von 1989 gab es den Versuch, sie wiederzubeleben, doch sie konnte nie wieder an ihren vorherigen Erfolg anbinden.

  • „Horror Vacui”: Die ausgesetzten Kinder des Kommunismus

    „Horror Vacui”: Die ausgesetzten Kinder des Kommunismus

    Diese Theateraufführung „Horror Vacui“ hatte das Ziel, starke Emotionen zu wecken und gleichzeitig auf ein traumatisches Kapitel der rumänischen Vergangenheit aufmerksam zu machen: die massenhafte Aussetzung von Kindern während der kommunistischen und frühen postkommunistischen Ära. Mehr als eine Million Kinder wurden damals im Stich gelassen – Opfer eines Systems, das sie zu „Niemandskindern“ machte. Das Projekt versteht sich als kulturelle Initiative, die sozialen Wandel fördern und die gesellschaftliche Widerstandskraft stärken will. Der Schauspieler, Dramatiker und Initiator des Projekts ‚Horror Vacui‘, Alexandru Ivănoiu, sprach mit uns über die Inspiration hinter dem Projekt.

     Diese Frage wird mir in letzter Zeit oft gestellt – und an jedem Aufführungstag scheint sich meine Antwort zu ändern. Heute wurde mir bewusst, dass ich diese Performance auch ins Leben gerufen habe, um meine Schauspielerkollegen näher zusammenzubringen, damit sie über ästhetische oder politische Differenzen hinwegsehen. Ich wollte wissen, ob es uns gelingt, Menschen um ein gemeinsames Projekt, eine Idee zu versammeln – vielleicht 500. In einer Zeit, in der es so leicht ist, Unterschiede zu finden und sie als triftige Gründe zu nutzen, um andere zu meiden, schien mir das eine wichtige Herausforderung.
    So wie jede Geschichte in unserer Performance das Thema Verlassenwerden berührt, erforschen wir gleichzeitig das Gegenteil: Verbundenheit. Und als Künstler erkennen wir, dass es Momente gibt, in denen das, was wir gemeinsam erschaffen, wichtiger ist als das, was wir allein tun.

    Die in der Event-Performance ‚Horror Vacui‘ verwendeten Texte basieren auf Zeugnissen und Geschichten, die im Museum des Verlassenwerdens archiviert wurden, sowie auf Werken zeitgenössischer Autoren. Sie formen eine kollektive Reflexion über die Anerkennung der Vergangenheit und den Wiederaufbau der Zukunft. Darüber hinaus schafft diese Initiative einen intimen, fortlaufenden Raum für den Dialog und die Suche nach Lösungen. Alexandru Ivănoiu erzählt uns mehr über die Objekte, auf die sich dieses Projekt stützte.

    Wir können von mindestens 253 Beispielen, Zeugnissen, Aussagen, Fotos und Materialien sprechen, die uns das Museum des Verlassenwerdens zur Verfügung gestellt hat, um sie in ‚Horror Vacui‘ einzubinden. Ergänzt werden diese durch Texte zeitgenössischer Autoren sowie gespendete Texte und Zeugnisse – unter anderem von anderen NGOs und sozialen oder kulturellen Akteuren, die sich mit dem Thema Verlassenheit auseinandersetzen. Insgesamt war es eine gewaltige gemeinschaftliche Anstrengung, an der über 505 Mitwirkende beteiligt waren. Besonders dankbar sind wir also dem Museum des Verlassenwerdens: Durch ihre Archivarbeit konnten wir dieser Performance neues Leben einhauchen.

    Was waren die größten Herausforderungen bei diesem Projekt?

    Die größte Herausforderung war zweifellos die Programmgestaltung. Es ist extrem schwierig, die Zeitpläne von 500 Schauspielern zu koordinieren, zumal für ein Projekt dieser Größenordnung oft nur ein begrenztes Zeitfenster zur Verfügung stand. Gleichzeitig ist es paradox – denn ich glaube nicht, dass es je eine passendere Zeit als diese gegeben hat. 500 Schauspieler in nur zwei Monaten zusammenzubringen, war also eine gewaltige Aufgabe, aber nicht unmöglich.

    Welches war das Ziel hinter dem gesamten Vorhaben – lautete die nächste Frage an Alexandru Ivănoiu, dem Initiator des Projekts ‚Horror Vacui‘.

    Unser vorrangiges Ziel mit diesem Vorhaben ist letztlich eine Gesetzesänderung. Wir fordern offiziell – gemeinsam mit Papercuts, dem Museum des Verlassenwerdens und mehreren NGOs – die Einrichtung einer Kommission, die Missbrauchsfälle in Kinderheimen von 1966 bis 2007 dokumentiert und untersucht. Wir wollen recherchieren, um ein Gesetz zu schaffen, das Klarheit darüber gibt: Wie viele Betroffene gibt es? Wer sind sie? Und was ist ihnen widerfahren?

    Denn wir sind überzeugt, dass nur ein solches Gesetz echten Wandel ermöglichen kann. Solange es weder Konsequenzen noch Anerkennung gibt, bleibt der Missbrauch ein unbearbeitetes Kapitel. Doch Anerkennung wäre bereits ein großer Schritt zur Heilung – und sie ist so einfach umzusetzen.

    Alexandru Ivănoiu sprach zum Abschluss auch über die Menschen, die an der Realisierung des Theaterprojekts beteiligt waren, sowie über die Reaktion des Publikums auf ‚Horror Vacui‘.

     „Insgesamt war die Reaktion derjenigen, die an dem Projekt teilgenommen haben, sehr positiv. Wir haben ein Netzwerk von Freiwilligen und aufgeschlossenen Akteuren aufgebaut, die nicht nur Informationen geteilt, sondern auch positiv über die Idee gesprochen haben. Ich denke, sie sind auch zu Botschaftern unserer Mission geworden. Die Reaktion des Publikums ist ebenfalls sehr schön. Am Erfreulichsten ist, dass wir um 4 oder 5 Uhr morgens immer noch Zuschauer haben. Die Menschen wachen auf, um ihre Freunde, Familienangehörigen oder Kollegen zu sehen, und bleiben dann, um auch andere zu sehen. So entsteht eine kleine Gemeinschaft, die etwas ganz Besonderes ist.

  • Das Gefängnis in Aiud

    Das Gefängnis in Aiud

    Traurige Berühmtheit hat die Stadt Aiud mit ihren rund 22.000 Einwohnern durch das dortige Gefängnis erlangt. Als eines der großen politischen Gefängnisse während des kommunistischen Regimes wurde das, was in Aiud geschah, nach 1989 in das Bewusstsein der Rumänen gerückt. Nach 35 Jahren ist die vom Historiker Dragoș Ursu vom Nationalmuseum der Union in Alba Iulia verfasste Geschichte des Gefängnisses von Aiud eine willkommene redaktionelle Veröffentlichung:
    “Der Widerstand der rumänischen Gesellschaft gegen den Kommunismus, gegen das kommunistische Regime, das nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet wurde, war in erster Linie politischer Natur. Denn die rumänische Gesellschaft, die politischen Parteien, das, was wir allgemein als Zivilgesellschaft bezeichnen, die Rumänen als Ganzes, sahen im Kommunismus einen Feind, der die Existenz der rumänischen Demokratie und des rumänischen Staates bedrohte. Es handelte sich um ein von den sowjetischen Besatzern aufgezwungenes, illegitimes und kriminelles Regime. Die Opposition gegen das kommunistische Regime war also in erster Linie politischer Natur, und das brachte die Regimegegner in die Gefängnisse, ins Visier der Securitate und der kommunistischen Repression, und so landeten sie in Aiud. Die Umerziehung ist eine Form der politischen Konfrontation zwischen dem Regime und den Inhaftierten, denn das Regime betrachtet die Inhaftierten nicht nur als Personen, die in Verwaltungshaft ihrer Freiheit beraubt wurden, sondern als Volksfeinde. Sie mussten in der Haft weiter unterdrückt und durch einen Prozess der politischen Umerziehung, der politischen Umstrukturierung und der psychologischen Umerziehung einem entmenschlichenden Regime unterworfen werden.”
    Die Insassen des Gefängnisses von Aiud waren sehr unterschiedlich, aber es war bekannt als das Gefängnis der Legionäre. Dragoș Ursu: “Quantitativ gesehen ist Aiud vielleicht das geräumigste Gefängnis, wenn wir von der Haftkapazität sprechen. Bis zu 3600 bis 4000 Personen können zu einem bestimmten Zeitpunkt hineingelassen werden, und während der gesamten kommunistischen Haftzeit wurden etwa 14.000 Gefangene in Aiud inhaftiert. Und was die Qualität betrifft, so war Aiud 1948, als eine Kategorisierung, eine Aufteilung der Gefängnisse vorgenommen wurde, den Gefangenen vorbehalten, die wir als Intellektuelle bezeichnen, oder besser gesagt, die einen intellektuellen Beruf ausübten: Beamte, Menschen mit freien Berufen und Intellektuelle, neben dem, was wir nach dem Zweiten Weltkrieg allgemein als Sträflinge bezeichnen. Und in Bezug auf die Politik, sagen wir, auf die politische Abstammung, ja, Aiud ist bekannt als <Gefängnis der Legionäre>, derjenigen mit einer politischen Legionärsvergangenheit, aber das geschieht vor allem während der Umerziehung. Während der gesamten Haftzeit war das nicht ganz so, sie bildeten eher eine relative Mehrheit. In Aiud waren auch Mitglieder anderer politischer Parteien inhaftiert, Liberale, Bauern, Offiziere der ehemaligen königlichen Armee, Bauern, die gegen die Kollektivierung waren, Mitglieder oder solche, die in den Bergen im bewaffneten Widerstand gekämpft haben.”
    Neben Pitești, Gherla und Canal fand auch in Aiud die so genannte Umerziehung statt, eine der extremen Formen der Brutalität, mit der die Menschen von einem Regime behandelt wurden, das von sich behauptete, der größte Menschenfreund zu sein. Dragoș Ursu hat jedoch auch Unterschiede zwischen den verschiedenen Arten der Umerziehung festgestellt:
    “Wir können im Spiegel Pitești das Phänomen der Umerziehung von Pitești sehen, das sich dann auf Gherla und Canal ausdehnt, das Phänomen der gewalttätigen Umerziehung par excellence von extremer Gewalt. Im Gegensatz dazu sprechen wir in Aiud von der späten Umerziehung nach der zweiten Repressionswelle, der Repressionswelle nach der ungarischen Revolution, bei der das Regime eher Mittel und Instrumente der psychologischen Umerziehung, der psychologischen Kriegsführung, der kulturellen Umerziehung einsetzt. Es wendet also nicht direkt und offen Gewalt und Folter an, und zwar aus ganz praktischen Gründen: Die Häftlinge, die Gegenstand der Umerziehung wurden, waren Menschen, die nach 10, vielleicht 15 Jahren Haft kamen, sie waren körperlich, geistig und moralisch erschöpft. Jede minimale Form von Folter, von physischer Gewalt hätte sie also ausgeschaltet, sie wären der Umerziehung erlegen und somit hätte der Prozess sein Ziel nicht erreicht. Und das ist der entscheidende Unterschied zu Aiud. War Pitești eine gewaltsame Reduktion, so ist Aiud eher eine Umerziehung im psychologischen, ideologischen, kulturellen Bereich, mit der das Regime versucht, die Inhaftierten auf seine Seite zu ziehen, bzw. sie dazu zu bringen, ihre eigene politische Vergangenheit offenzulegen. Auf diese Weise haben sie sich vor sich selbst und vor ihren Mitgefangenen moralisch kompromittiert, so dass sie im Hinblick auf ihre Freilassung nicht mehr in der Lage wären, sich politisch zu reaktivieren, sich nicht mehr politisch zu betätigen.”
    Was ist das Vermächtnis von Aiud im kollektiven Gedächtnis? Dragoș Ursu: “Die Umerziehung in Pitești durch extreme Gewalt, Brutalität und ein Werkzeug der Bestialität, das manchmal unsere Vorstellungskraft übersteigt, hat die Opfer freigesprochen. Denn angesichts der extremen Gewalt gibt die menschliche Natur meistens nach. Und dann, auch auf der Ebene des Gedenkens, der Gedächtnisprotokolle der Überlebenden, werden diejenigen, die dieses Wort verwenden, etwas ungerechtfertigt von uns Heutigen, moralisch freigesprochen, eben weil die extreme Gewalt dies garantiert. Im Gegensatz dazu wurde in Aiud, gerade weil die Umerziehung eher psychologisch war, die Einheit der Erinnerung gebrochen. Und wir sehen, wie die Gedenkenden, die Überlebenden, argumentieren, das Schuldgefühl derjenigen vermitteln, die sich irgendwie auf die Seite des Regimes gestellt haben. Damit wird die Umerziehung in Aiud in ein anderes Licht gerückt. So gesehen kann man sagen, dass es dem Regime gelungen ist, Misstrauen und Spannungen unter den Gefangenen zu säen, zunächst in der Umerziehung und dann auf der Ebene der Gedenkstätten, bei den Überlebenden, die diese Zeilen geschrieben haben. Das ist in Pitești nicht der Fall, denn dort ist die Erinnerung viel einheitlicher und die Häftlinge verstehen sich, weil sie extreme Gewalt erlebt haben. Andererseits ist Aiud irgendwie anders.”
    Über das Gefängnis von Aiud gibt es nun eine Monographie, die eine Zeit und einen Ort der Unmenschlichkeit, in der sich das kommunistische Regime hervortat, in die Gegenwart zurückholt.
  • Die Geschichte der Cheia-Seife. Eine Seife mit hundertjähriger Geschichte

    Die Geschichte der Cheia-Seife. Eine Seife mit hundertjähriger Geschichte

    Die Geschichte der Seife Cheia ist wie die vieler rumänischer Marken, die während des Kommunismus existierten, wie Dacia, Arctic, Borsec, Timișoreana, Dero, Braiconf, Antibiotice, Rom-Schokolade, Gerovital oder Eugenia, oft mit den traurigen Erinnerungen derjenigen verbunden, die im „goldenen Zeitalter“ lebten. Viele dieser Produkte gab es jedoch schon vor der Verstaatlichung, einige wurden während des Kommunismus nicht einmal beworben, während andere, wie die Cheia-Seife, nur für Gebrauchszwecke verwendet wurden.

    Zwischen 1950 und 1989 war die Cheia-Seife nur als Waschseife auf dem Markt. Es war eine große Überraschung zu entdecken, dass die Marke ein elitäres Produkt mit einer langen Geschichte ist.

    Wie die Cheia-Seife heute, mehr als 100 Jahre später, immer noch erfolgreich ist, erfuhren wir von Alin Laszlo, dem „Seifenmacher der heutigen Seife“, wie er sich uns vorstellte:

    Wie damals, im Jahr 1886, ist es immer noch ein Familienunternehmen, ein Unternehmen, das den Prinzipien von damals folgt, d.h. die Herstellung einer natürlichen Seife – es ist also die gleiche elitäre Seife. Wenn wir also für das 21. Jahrhundert – wir sind jetzt in der siebten Generation der Cheia-Seifenhersteller – auch den Zeitraum zwischen 48 und 90 berücksichtigen, der noch von Generationen von Rumänen abgedeckt wird, die Cheia-Seife hergestellt haben, dann ist die Seife eine elitäre Seife, die Prinzipien respektiert, die mehr als ein Jahrhundert alt sind, und die stolz eine Geschichte umschreibt, die mehr als ein Jahrhundert lang in der rumänischen Seifenherstellung war“.

    Ich habe unseren Gesprächspartner gefragt, wie die Produktpalette aussieht, die heute unter der Marke „Cheia“ angeboten wird. Denn ich erinnere mich noch gut an die Wäscheseife aus der Zeit vor ’89. Alin Laszlo dazu:

    Das, was Sie beispielhaft dargestellt haben, macht derzeit 7% unseres aktuellen Angebots aus. Wir sind dabei, eine lange Geschichte neu zu schreiben, mit Rezepten, die jeder Epoche eigen sind, denn die Cheia-Seife hat die Normalität, den Krieg, die Epidemien, die Zwangsindustrialisierung während der kommunistischen Ära erlebt, mit dem Wechsel des Produktionsparadigmas, das den Bedarf und nicht das Vergnügen deckte. Weder moralisch noch historisch können wir diese Periode aus unserer Geschichte streichen, und auch hier beziehen wir uns nur auf eine Periode, die in unserem Angebot, dem „Grauen Buch der Cheia-Seife“, definiert ist. Wir bieten die beschriebene breite Produktpalette an, die jedoch für den heutigen Verbraucher, seine Bedürfnisse und seinen Gebrauch umgeschrieben wurde, und zwar in dem Sinne, dass wir immer noch Wäscheseife herstellen, aber nicht unbedingt die Wäscheseife aus der Ceausescu-Ära. Diese Wäscheseife aus der Zwischenkriegszeit war anders, sie war kein Massenprodukt, und wir produzieren sie auch heute noch, aber wir produzieren sie für einen extrem kleinen Bereich und nicht für Nostalgiker. Es gibt tatsächlich noch Menschen, die feste Waschseife verwenden. Um unser Geschäft auszubauen, haben wir eine Innovation eingeführt und pulverförmige Wäscheseife hergestellt, sozusagen das Äquivalent zu dem, was die Mütter meiner Generation Anfang der 90er Jahre mit geriebener Cheia-Seife wuschen, Flüssigseife in ihrer natürlichen Form, kein chemisches Waschmittel.”

    Unsere Interviewpartnerin hat uns auch mit anderen Cheia-Produkten in Versuchung geführt:

    Die Nummer eins ist Cheia für die Haare. Nicht unbedingt, weil wir zu Omas Ritual des Haarewaschens mit Seife zurückkehren, aber doch, weil es das erste Shampoo ist, das die Menschheit bis in die 1950er Jahre verwendet hat, als die chemische Seife erfunden wurde. In dieser Zeit haben wir eine ganze Reihe von Produkten entwickelt, von der Seife bis hin zu dem Äquivalent des Essigs im Ritual unserer Großmutter, den Haarspülungen. Im Bereich der Wäschepflege haben wir heute die gesamte Palette von fester Seife, Seifenpulver, Seifenpaste und Flüssigseife im Angebot. Ebenso sind wir bei der Handseife, die gewissermaßen die Nummer zwei in unserem Portfolio ist, zu der gleichen Formel zurückgekehrt, die wir alle im Chemieunterricht in der 10. Klasse gelernt haben: Naturseife.”

    Alin Laszlo ist stolz darauf, Teil einer langen Tradition zu sein, und fügt hinzu: „Wir glauben an den Wert der Tradition! Es würde mich freuen zu wissen, dass wir auch einen kleinen Teil dazu beigetragen haben, den spezifischen Pro-Kopf-Verbrauch von Seife in diesem Land zu erhöhen, denn Sie wissen sehr gut, dass wir diesbezüglich nicht außerordentlich gut dastehen!”

    Unter der Marke Cheia finden Sie jetzt ein breites Angebot an Natur-, Bio-, Öko-, Liebhaber- und naturfreundlichen Seifen sowie eine vielfältige Auswahl an überraschenden Geschenken. Die Körperbutter Lush Maria mit dem Gesicht der Königin Maria auf der Verpackung, Duschöle mit weihnachtlichen Aromen oder Kinderseife in Form des Weihnachtsmannes, Lippenbalsam, aber auch „Cookie Candy Lip Scrub“ mit Orangen- und Zimtgeschmack, Cheia-Dac, Seife für einen schönen Bart sind nur einige Beispiele für die heutigen Cheia-Produkte, deren Zahl noch viel größer ist.

  • Die Kommunistische Partei Rumäniens in der Illegalität

    Die Kommunistische Partei Rumäniens in der Illegalität

    Das Ende des Ersten Weltkriegs war weit davon entfernt, die erhitzten Gemüter, die ihn ausgelöst hatten, zu beruhigen, sondern schürte neue Wut und Obsessionen, und extreme Lösungen wurden als am besten geeignet angesehen. So beherrschten Links- und Rechtsextremismus, Kommunismus und Faschismus, monströse Schöpfungen des Krieges, die Köpfe vieler Menschen. Eine Besonderheit des Ersten Weltkriegs war, dass weder die Sieger ihren Sieg genießen konnten noch die Verlierer auf Rache verzichteten. Es dauerte bis zum Zweiten Weltkrieg, bis die zerstörerischen Energien aufgebraucht waren.
    Die nach 1918 entstandenen neuen Staaten ergriffen Maßnahmen gegen den Extremismus und zur Sicherung ihrer Grenzen. Das Königreich Großrumänien, ebenfalls eine Schöpfung des Versailler Systems, ergriff harte Maßnahmen, um die extremistischen Erscheinungen zu beseitigen, die seine Existenz und sein Funktionieren gefährdeten. Am 6. Februar 1924, also vor mehr als 100 Jahren, verabschiedete die liberale Regierung unter Ion I. C. Brătianu das Gesetz über juristische Personen, mit dem extremistische Organisationen verboten wurden. Die beiden wichtigsten Organisationen, die davon betroffen waren, waren die 1923 gegründete rechtsextreme Nationale Christliche Verteidigungsliga und die 1921 gegründete linksextreme Rumänische Kommunistische Partei. Der Architekt des Gesetzes, nach dem das Gesetz benannt wurde, war Justizminister Gheorghe Gh. Mârzescu, ein Jurist und Bürgermeister von Iași während der Kriegsjahre.
    Während sich die extreme Rechte 1927 in Form der Legionärsbewegung neu erfand und in den späten 1930er Jahren legal und erfolgreich in der Öffentlichkeit agieren konnte, blieb die extreme Linke, ein Agent Moskaus in Rumänien, bis 1944 verboten. Am Ende des Zweiten Weltkriegs, nachdem die Sowjetunion Rumänien besetzt und die Kommunistische Partei Rumäniens (PCR) an die Macht gebracht hatte, machten die wenigen Mitglieder der Partei einen Ruhmestitel aus der Tatsache, dass sie Mitglieder einer verbotenen Organisation gewesen waren. Man nannte sie „Illegale“, und es gab sowohl solche, die im Gefängnis saßen, als auch solche, die versteckt in Freiheit den Anweisungen aus Moskau folgten. Einer der Illegalen war Ion Bică. Im Archiv des Zentrums für Mündliche Geschichte des rumänischen Rundfunks befindet sich ein Interview mit ihm aus dem Jahr 1971, in dem er erzählt, wie sie im April 1944 mit Hilfe einiger Leute aus der Verwaltung aus dem Lager in Târgu Jiu, in dem sich einige der kommunistischen Aktivisten befanden, geflohen sind: „Der Partei war es gelungen, eine enge Verbindung zwischen den Kämpfern draußen und den Kämpfern in den Gefängnissen und Lagern herzustellen. Sie wird mit einer schwierigen Situation konfrontiert. Während Hitlers Armeen einen Schlag nach dem anderen erhalten, intensiviert sich die Aktivität der Partei im Lande. Die Verbindung zwischen den Kommunisten drinnen und draußen wird durch einfache Leute hergestellt, die bestimmte Aufgaben im Verwaltungsapparat des Lagers übernehmen. Es gab zum Beispiel Frauen, die nach der Auflösung des Lagers in verschiedene Orte des Landes und nach Bukarest gingen. Es gab Frauen, die das Vertrauen der Kommunisten genossen, sie waren Überbringerinnen von Notizen, von Korrespondenz zwischen den Kommunisten draußen und denen drinnen sowie zwischen denen drinnen und denen draußen.“
    Anton Moisescu war ebenfalls Illegaler und erzählte 1995, wie seine Aktivitäten vor und während des Krieges aussahen: „Vorher war ich noch in der illegalen Partei tätig, aber ich arbeitete in einer Fabrik und unter meinem richtigen Namen, den jeder kannte, aber nicht als Parteiaktivist oder UTC-Aktivist. Diesmal musste ich jedoch meinen Namen ändern und mich nirgends blicken lassen, damit mich keiner unserer Agenten traf, denn die hätten mich sofort verhaftet. Und dann habe ich in einem geheimen Haus gelebt, habe meine Tätigkeit nachts ausgeübt, bin nur nachts zu Versammlungen und Sitzungen gegangen. Ich wurde gesucht, aber ich war für die Staatssicherheit unauffindbar.“
    Anton Moisescu verwies auch auf die Mittel zum Lebensunterhalt, die ein Illegaler hatte: „Wir lebten von der Hilfe der Aktiven in der Hauptstadt. Die Leute sparten etwas Geld für uns, denn wir waren nur wenige, wir waren nicht viele in dieser Situation. Die anderen Parteimitglieder und Sympathisanten sammelten für die politischen Gefangenen, ich habe mich auch darum gekümmert, mit der Roten Hilfe: Kleidung, Lebensmittel, Proviant, Geld. Ich habe ihnen das gegeben, was wir über ihre Verwandten gesammelt haben, wir haben sie in die Gefängnisse geschickt. Sie haben auch für uns gesammelt. Wir hatten ein geheimes Haus, in dem wir wohnten, normalerweise hatten wir nichts zu mieten, wir hatten kein Haus auf unseren Namen. Es war das Haus eines Sympathisanten, wo wir eine Zeit lang wohnten. Wenn uns etwas verdächtig vorkam, gingen wir in ein anderes Haus eines anderen Sympathisanten und so weiter. Die ganze Zeit waren wir in geheimen Häusern untergebracht, die der Sicherheitsbehörde nicht bekannt waren, auch nicht den Leuten, die als Aktivisten bekannt waren, sondern nur unseren Sympathisanten.“
    Die Zeit der Illegalität, in der die PCR tätig war, zwischen 1924 und 1944, war eine Zeit, in der sich der rumänische Staat in legislativer, administrativer, politischer und wirtschaftlicher Hinsicht konsolidierte. Und das Mârzescu-Gesetz war das Instrument, mit dem verhindert wurde, dass der Extremismus, sowohl der rechte als auch der linke, die Entwicklung eines Staates, der für seine Errungenschaften mit großen Opfern bezahlt hatte, aufhalten konnte.
  • Parteizeitung „Scânteia“: die Anfänge des Presseorgans der rumänischen Kommunisten

    Parteizeitung „Scânteia“: die Anfänge des Presseorgans der rumänischen Kommunisten

    Eine der stärksten Waffen der Propaganda der kommunistischen Regime war die Presse. Die Rede- und Pressefreiheit ist ein Recht, das im 18. Jahrhundert errungen und in Artikel 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 formell als allgemeines Recht angenommen wurde. Doch totalitäre kommunistische und faschistische Regime haben dieses Recht mit Füßen getreten und in ein Mittel zur Einschüchterung und Gleichschaltung verwandelt.

    In den kommunistischen Ostblockstaaten Mittel- und Osteuropas drehte sich die gesamte Presse um die Ideologie. Die kommunistischen Parteien gründeten zu diesem Zweck ihre eigenen Presseorgane, die das Wesen ihrer Ideologie zum Ausdruck brachten. In der Sowjetunion gab es seit 1912 die Zeitung „Prawda“ („Die Wahrheit“), und im kommunistischen Bulgarien erschien bis 1990 „Rabotnitschesko Delo“ („Taten der Arbeiter“). In der Tschechoslowakei gab es bis 1995 die Parteizeitung „Rudé Právo“ („Rote Gerechtigkeit“). In der Deutschen Demokratischen Republik erschien ab 1946 die das Blatt „Neues Deutschland“ als Zentralorgan der SED. Im ehemaligen Jugoslawien wurde „Borba“ („Der Kampf“) bis 2009 herausgegeben und erschien danach episodisch weiter. In Polen wurde „Trybuna Ludu“ („Die Volkstribüne“) von 1948 bis 1990 gelesen. In Ungarn erschien ab 1942 „Szabad Nép“ („Freies Volk“), das 1956 in „Népszabadság“ („Volksfreiheit“) umgetauft wurde. Und schließlich in Rumänien wandte sich die Kommunistische Partei mit „Scânteia“ („Der Funke“) an die Gesellschaft.

    Gegründet 1931, als die Rumänische Kommunistische Partei (PCR) eine verbotene Partei war und vom rumänischen Staat radikal verfolgt wurde, weil sie für die Zerstückelung des Landes eintrat, erschien die Parteizeitung „Scânteia“ bis 1940 nur sporadisch. Ihr Name war eine Übersetzung des russischen Wortes „Iskra“ („Funke“) und eine Anlehnung an die gleichnamige Exilzeitung Lenins, die zwischen 1900 und 1905 erschienen war. Legal erschien „Scânteia“ erstmals am 21. September 1944, nachdem die Rote Armee am 30. August 1944 Bukarest besetzt hatte und bis 1947 die kommunistische Herrschaft in ganz Rumänien durchsetzen sollte.

     

    Der 1920 geborene Kunstkritiker Radu Bogdan war ein kommunistischer Sympathisant und hatte in den Kriegsjahren sporadische Kontakte zu Mitgliedern der Kommunistischen Partei gehabt. Unmittelbar nach dem Einmarsch der Sowjets wurde er politisch aktiv. 1995 erinnerte er sich im Interview mit dem Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte, wie er an der Neugründung der Parteizeitung mitgewirkt hatte.

    Am Anfang waren es fünf Personen, die von der Partei beauftragt wurden, die erste Ausgabe vorzubereiten. Der Komponist [und überzeugte Kommunist] Matei Socor stand an der Spitze des Teams, zu dem noch Pavel Chirtoacă, der Ingenieur Solomon, Radu Mănescu und Iosif Ardelean gehörten, der später bei der Zensurbehörde arbeiten sollte. Es begann also mit diesen fünf, wobei der Ingenieur Solomon administrative Aufgaben hatte. Damals schwebte mir vor, als Journalist tätig zu werden, aber ich wusste nicht, wie ich anfangen sollte. Als ich hörte, dass Radu Mănescu eine Zeitung herausgeben sollte, ging ich zu ihm, stellte mich vor und fragte, ob ich mitmachen könne, weil ich Journalismus machen wollte. So wurde ich eingeladen, mich hinzusetzen und ein Volontariat zu machen. Es war die so genannte romantische Zeit, ich steckte voller Ideale! Am Anfang habe ich Korrekturlesen gemacht. Dort hatte ich Mirel Ilieșiu als Kollegen, einen Filmregisseur. Ich habe also schon mit der Arbeit an der ersten Ausgabe der Zeitung »Scânteia« einen Fuß in die Redaktion gesetzt.“

     

    In der Zeitung sprachen sich idealistische kommunistische Intellektuelle wie auch neuere Opportunisten mit extremer Gewalt gegen das bürgerliche Rumänien und die demokratische Gesellschaftsordnung aus. Einer der schärfsten Propagandisten war damals Silviu Brucan, der die gesamte Geschichte des Regimes erlebte und auch nach 1989 noch eine Zeit lang als Publizist tätig war. Radu Bogdan erinnerte sich an die „wachsame“ Tätigkeit der Presse in jenen Jahren, insbesondere die der Parteizeitung „Scânteia“, die vom marxistischen Soziologen Miron Constantinescu geleitet wurde.

    Matei Socor war nur einen Tag lang Leiter der »Scânteia«. Danach wurde er zum Rundfunk versetzt und wurde dessen Generaldirektor. Ein paar Tage nach den ersten Ausgaben der Parteizeitung bekamen wir Miron Constantinescu als Chef, er war gerade aus dem Gefängnis entlassen worden. Wir haben in der Redaktion oft nachts gearbeitet. Die ersten Tage schlief ich mit ihm auf der gleichen Matratze auf dem Boden, es gab nämlich keine Betten. Das erste Redaktionsbüro von »Scânteia« befand sich im Gebäude der eingestellten [rechtsgerichteten] Zeitung »Curentul«, die von Pamfil Șeicaru geleitet worden war. Zu dieser Zeit war ich auch der Leibwächter von Miron Constantinescu. Aber das war mehr Schein als Sein, weil ich nicht bewaffnet war. Doch Constantinescu ging jeden Tag zum Allgemeinen Gewerkschaftsbund und ihm war es etwas mulmig zumute, allein auf der Straße unterwegs zu sein, also nahm er mich immer mit, um ihn zu begleiten. Ich war damals ziemlich gut gebaut und ein hochgewachsener Mann. Doch wir wurden nie angegriffen. Aber ein paar Monate lang war ich wie sein Schatten.“

     

    In den folgenden 40 Jahren war „Scânteia“ – ähnlich wie die Presseorgane der Schwesterparteien in den kommunistischen Ostblockstaaten – ein reines Propagandabüro, das die materiellen Entbehrungen und die brutale Verletzung der Menschenrechte verschleierte.

  • Geschichte des Kommunismus: Wie sich die Securitate vom KGB emanzipierte

    Geschichte des Kommunismus: Wie sich die Securitate vom KGB emanzipierte

     

     

    Es war der bis dahin kremltreue Bukarester Kommunistenführer Gheorghe Gheorghiu-Dej, der diese Emanzipationspolitik zunächst zögerlich und zurückhaltend einleitete. Sein Nachfolger Nicolae Ceaușescu sollte den sogenannten Unabhängigkeitskurs zementieren und zum Anlass nehmen, allmählich eine Personaldiktatur mit neostalinistischen Zügen zu errichten.

    Der General (a.D.) Neagu Cosma war Offizier in der Direktion für Spionageabwehr des Ministeriums für Staatssicherheit, die er jahrelang auch leitete. Im Jahr 2002 erinnerte er sich in einem Interview mit dem Zentrum des rumänischen Rundfunks für mündlich überlieferte Geschichte an die Umstände der Abkehr vom KGB.

    Solange die Sowjets hier waren – und sie waren wirklich mächtig, sie hatten überall ihre eigenen Leute an den Hebeln der Macht, in der Politik wie in den Geheimdiensten –, waren die Dinge recht einfach. Es wurde alles à la Kreml gehandhabt – soll heißen: mit der Brechstange. Massenverhaftungen waren damals aus allerlei Gründen und sogar wegen Lappalien an der Tagesordnung. Die Rolle der sowjetischen Berater, die eigentlich verdeckte KGB-Offiziere waren, bestand darin, den Kommandanten der jeweiligen Einheiten und den Leitern staatlicher Institutionen ständig auf die Finger zu schauen. Es gab einen Berater auf Ministerialebene, den Chef aller Berater, und mehrere Berater bei allen untergeordneten staatlichen Stellen. Auf Ersuchen des Ministers oder des jeweiligen Behördenleiters schalteten sie sich ein. Wenn wir beispielsweise ein Problem in der Orientierung, der Technik, der Arbeitsmethodik hatten, legte man das Thema dem sowjetischen »Berater« vor, und dieser schöpfte aus seiner unermesslichen »Erfahrung« – so hieß es damals – und kam mit einer Lösung auf. Das war zumindest die theoretische Rolle der sowjetischen Berater. In der Praxis haben sie sich rücksichtslos in alles eingemischt. In Wirklichkeit waren die sowjetischen Berater Führungsoffiziere von Spionagenetzwerken, die sogar die Strukturen der Securitate unterwandert hatten.“

     

    Mit der Zeit wollten sich die rumänischen Geheimdienstler diese Gängelung nicht mehr gefallen lassen. Der ehemalige Securitate-General Neagu Cosma erinnert sich weiter, wie die ersten Schritte eingeleitet wurden, um sich die lästigen sowjetischen „Berater“ vom Leibe zu halten.

    Irgendwann bestellt uns Innenminister [Alexandru] Drăghici zu sich, der verzweifelt darüber war, dass die Sowjets sich überall einmischen. Er sagte: »Leute, lenkt sie doch mit Vergnügungsprogrammen ab! Die mögen doch Angeln, Spaziergänge und Ausflüge, sicherlich sind sie auch Frauen und Wodka nicht abgeneigt. Gebt ihnen, was sie wollen, dann könnt ihr in Ruhe arbeiten.« Doch nach dem Aufstand 1956 in Ungarn waren die Sowjets besonders aufdringlich geworden, bei uns in der Spionageabwehr kreuzten auf einmal sechs solcher »Berater« auf. Die haben uns regelrecht kujoniert, und niemand wusste genau, wofür sie zuständig waren. Im Grunde haben sie Informationen gesammelt, es gab aber keine wirkliche Rechtfertigung mehr für ihre Anwesenheit, und diese war auch nicht mehr durch die Regierungsvereinbarungen gedeckt. Sie waren da, um den Puls des Ortes zu fühlen – aus Angst, dass auch in Rumänien etwas Ähnliches wie in unserer Nachbarschaft passieren könnte, und das wollten sie vereiteln.“

     

    Anfang der 1960er Jahre kam Parteigeneralsekretär Gheorghiu-Dej zu dem Schluss, dass in den rumänisch-sowjetischen Beziehungen eine Grenze überschritten worden war. Die Securitate nutzte ihr eigenes Informations- und Dokumentationszentrum, um die Anwesenheit der KGB-Agenten zu erfassen und diese zu beseitigen. Securitate-General Neagu Cosma wurde damals beauftragt, ein Team von 5–6 tüchtigen und verschwiegenen Beamten zu koordinieren, das mit der Ausarbeitung von Listen mit KGB-Agenten begann.

    Bis 1962 hatten wir einen großen Teil, vielleicht 80 Prozent des KGB-Netzwerks in unserem Land eruiert. Wir hatten keine andere Aufgabe, als dieses Spionage-Netzwerk zu erkennen. Es wurden Tabellen mit kurzen Kommentaren und Notizen erstellt, das gesamte Netzwerk wurde so von oben bis unten durchleuchtet. Dabei berücksichtigten wir auch das alte Spionage-Netzwerk, d.h. die Agenten, die schon während des Kriegs mit den sowjetischen Divisionen (»Tudor Vladimirescu« und »Horia Cloșca und Crișan)«, die aus rumänischen Kriegsgefangenen bestanden, nach Rumänien gekommen waren, sowie die sowjetischen Fallschirmjäger, die damals hier abgesprungen waren – allesamt standen mit den Russen unter einer Decke. Und diese Tabellen wurden dann Generalsekretär Gheorghiu-Dej vorgelegt.“

     

    Die Folgestrategie des rumänischen Staates war recht einfach. Den sowjetischen Spionen wurde klargemacht, dass alle ihre Aktivitäten bekannt seien, und sie wurden vor die Wahl gestellt: Entweder stellen sie ihre Zusammenarbeit mit dem KGB ein, dann würden sie begnadigt, oder ihnen wird kurzerhand der Prozess gemacht. Die meisten von ihnen nahmen das Angebot der Securitate an. Der ehemalige Mitarbeiter der Spionageabwehr bei der Securitate, Neagu Cosma, erinnert sich, welche Kriterien galten, um in die Liste der sowjetischen Spione aufgenommen zu werden:

    In der Anfangsphase hatten wir etwa 180 Spione aus dem ganzen Land auf die Liste gesetzt. Hinzu kamen Personen mit einem weniger sicheren Hintergrund, jedoch mit deutlichen Hinweisen, dass sie sowjetische Spione sein könnten. Zum Beispiel Leute, die in der Sowjetunion studiert hatten und mit russischen Ehefrauen nach Rumänien zurückgekommen waren. Auf den ersten Blick nichts Besonderes – in einer normalen Gesellschaft. Doch mit den Russen funktionierte das nicht so, nichts war normal und wir kannten die Vorgehensweise. Menschen, die mit russischen Ehefrauen aus der UdSSR nach Rumänien zurückkamen, waren uns von Anfang an verdächtig. Und dann haben wir erst einmal alle russischen Ehefrauen unter die Lupe genommen. Viele waren mit Militärs verheiratet, die hohe Positionen in der Armee und im Innenministerium innehatten, ganz zu schweigen von hochrangigen Posten im Wirtschaftsressort. Im politischen Apparat gab es viele Kader, die mit russischen Frauen verheiratet waren. Sicherlich gab es unter ihnen auch fähige Menschen, die nichts verschuldet hatten, sie fielen aber dieser Säuberung sozusagen als Kollateralschaden zum Opfer. Denn letztendlich wurden mit dieser Maßnahme alle sowjetfreundlichen Kader aus den wichtigsten Institutionen entfernt.“

  • Die Agrarreform der Kommunistischen Partei

    Die Agrarreform der Kommunistischen Partei

    Selbst in ländlichen Gebieten, in denen der Boden das wichtigste Produktionsmittel war, musste das Privateigentum abgeschafft werden. Dies war in der Sowjetunion nach 1918 der Fall und in allen militärisch besetzten Ländern nach 1945. Dies, auch wenn die von Lenin 1921 eingeführte Neue Ökonomische Politik eine gewisse Form des Privateigentums in der Landwirtschaft zuließ. Nach Lenins Tod im Jahr 1924 wurde das Privateigentum in der Landwirtschaft abgeschafft. Die ehemaligen mittleren Landbesitzer wurden als Klassenfeinde betrachtet und in das Lagersystem des Gulag deportiert.

    Die Liquidierung des Privateigentums in der Landwirtschaft, euphemistisch als „Agrarreform“ bezeichnet, begann in Rumänien am 6. März 1945. An diesem Tag übernahm die kommunistische Regierung unter Petru Groza die Macht. Bereits im Januar 1945 rief die Nationale Demokratische Front, ein Bündnis politischer Gruppierungen unter Führung der PCR, die Bauern dazu auf, Ackerland von mehr als 50 Hektar zu besetzen.  Zusammen mit dem Ackerland wurden auch die landwirtschaftlichen Maschinen der Eigentümer beschlagnahmt. Diese Maßnahme gehörte zum Arsenal der kommunistischen Propaganda bei den Wahlen vom 19. November 1946.

    In der Praxis bedeutete die Abschaffung des Privateigentums jedoch den Beginn einer ganzen Reihe grober Menschenrechtsverletzungen und Brutalitäten bis hin zum Mord.  Die Folge waren Spannungen zwischen verschiedenen Gruppen von Bauern und Terrorakte der bewaffneten Banden der Kommunistischen Partei gegen diejenigen, die sich weigerten, ihr Eigentum abzutreten.

    Das enstandene Klima der Gewalt und Instabilität wurde später sogar von kommunistischen Aktivisten wie Ion Paicu anerkannt. In einer Aufnahme aus dem Archiv des rumänischen Rundfunks erinnerte sich Paicu 1971 an den Verlauf der sogenannten Agrarreform.

    Bei der Agrarreform mussten wir uns sehr anstrengen, denn wir hatten genug Ärger mit ehemaligen Landbesitzern, die sich mit der Waffe in der Hand gegen die Aufteilung des Landes wehrten. Es gab viele Fälle, einer von den Landbesitzern erschoss sogar einen Soldaten der sowjetischen Armee. Sie bekamen alle ihre Strafe. Gegen diese Gutsherren haben wir Genossen, Gruppen von Arbeitern geschickt, denen es gelang, die Menschen so zu mobilisieren, weil die Bauern Angst bekommen hatten. Ich möchte betonen, dass es der Arbeiterklasse, angeführt von der Kommunistischen Partei Rumäniens und mit der armen Bauernschaft als Verbündeten, gelungen ist, den Widerstand der  Großgrundbesitzer zu überwinden.

    Die Regierung der Kommunistischen Partei begann mit einer noch nie dagewesenen populistischen Maßnahme. Die Ackerflächen waren auf dem Lande sehr knapp, und die Umverteilung sollte diejenigen ansprechen, die keinen Grund besaßen. Die kommunistische Theorie war jedoch keineswegs auf Bildung von Privateigentum ausgerichtet. Tudor Constantin, der seit 1947 in der Gewerkschaftsbewegung aktiv war, wurde 2003 vom Zentrum für mündliche Geschichte des rumänischen Rundfunks interviewt. Dabei erzählte er von der Landreform der kommunistischen Partei, die ihn in der Nähe des südrumänischen Oltenița, 60 Kilometer südöstlich von Bukarest, zum Landbesitzer machte.

    Man hat mir ’45 als Kriegsteilnehmer auch einen halben Hektar gegeben. Danach, als sie allen das Land wegnahmen, sagten sie, ich sei nicht aus der Gemeinde, und sie nahmen mir mein Land weg, so wie sie es allen anderen wegnahmen. Es entstand eine Organisation, die sich „Front der Pflüger“ nannte, es gab zwei oder drei Kommunisten darin. Was für Kommunisten, das waren doch einfache Bauern! Was für Kommunisten, was wussten sie schon vom Kommunistischen Manifest? Sie gingen hin, um das Land des Gutsherrn aufzuteilen. Und sie gingen hin, 30-40 Männer mit Pflöcken. Sie markierten die Acker und sagten: „Seht, das ist euer Land, das ist euer Land“! Und sie begannen es zu bearbeiten, bis zur Kollektivierung.

     Die Bodenreform der Kommunistischen Partei von 1945 dauerte bis 1949. Eine wirkliche Reform war in Wirklichkeit nie beabsichtigt. Nachdem König Michael I. am 30. Dezember 1947 zur Abdankung gezwungen und vertrieben worden war, blieb die PCR der absolute Herrscher Rumäniens und bereitete die eigentliche Reform vor: Sie zwang alle Eigentümer von Ackerland, ihr Eigentum aufzugeben und LPGs (landwirtschafliche Produktionsgenossenschaften) zu gründen, als Teil des großen Prozesses der „sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft“.

  • Rundfunkgeschichte: Hörspiele für Kinder waren ein konstanter Erfolg

    Rundfunkgeschichte: Hörspiele für Kinder waren ein konstanter Erfolg

     

     

    Hörspiele für Kinder aus dem Hause Radio Rumänien waren entlang der Zeit sehr erfolgreich, und ihr Erfolg ist das Verdienst von Drehbuchautoren, Schauspielern und Regisseuren sowie von technischen Teams. Sie alle haben die Geschichte des Kinderhörspiels mitgeschrieben. Im Archiv des rumänischen Rundfunks gibt es zahlreiche Aufzeichnungen zur Geschichte der Sendungen für Kinder, darunter Interviews mit wichtigen Persönlichkeiten, die damit verbunden sind.

     

    Die Schriftstellerin Silvia Kerim war auch als Radiojournalistin tätig und hat mit Hingabe an Kindersendungen gearbeitet. Sie begann ihre Arbeit im Rundfunk 1961 in einer Kulturredaktion, die versuchte, der politischen Ideologie der Zeit zu entkommen. 1998 hat das Zentrum für mündliche überlieferte Geschichte des rumänischen Rundfunks Silvia Kerim interviewt. Im Interview erinnert sich die Kinderbuchautorin, wie es den Hörspielmachern gelang, die Qualität der Produkte für die kleinsten Zuhörer beizubehalten.

    Ich wurde einer Redaktion zugeteilt, der mir sehr gut gefiel, sie hieß »Theater am Mikrophon für Kinder«. Das war ein Glücksfall, denn die meisten Stücke, die das Hörspiel-Repertoire für Kinder ausmachten, waren Märchen und Geschichten. Sie stammten aus der Weltliteratur, so dass Ideologie und Manipulation dort nicht wirklich hineinpassten. Die Schauspieler waren großartig, die Regisseure waren großartig, so dass es keinen Platz für Lügen und Kompromisse gab.“


    Wie an jedem Arbeitsplatz sind das Klima und die Belegschaft ausschlaggebend. Die Kinderbuchautorin Silvia Kerim erinnert sich weiter an ihre Zeit in der Hörspielredaktion für Kinder.

    In der Redaktion hatten wir Eduard Jurist als Chef, von ihm habe ich gelernt, was es heißt, als Vorgesetzter bescheiden zu sein, nicht den Chef zu spielen, eine gleichmäßig verteilte Aufmerksamkeit gegenüber jüngeren oder älteren Redakteuren zu haben. Ich hatte auch Vasile Mănuceanu als Kollegen. In dieser Redaktion der Jugendprogramme arbeiteten viele Ausnahmetalente, darunter der begnadete Schriftsteller Călin Gruia. Mit großer Freude möchte ich auch Mioara Paler erwähnen, die einst die Kinderredaktion leitete und der ich die Freude am Schreiben für Kinder verdanke. All diese Kollegen haben in mir diese Liebe zu Kindern gespürt, sie haben meinen Wunsch gespürt, für Kinder zu schreiben.“

     

    Als Autorin hat Silvia Kerim viele Drehbücher für Kinderhörspiele verfasst. Im Interview mit dem Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte erinnerte sie sich, wie wichtig ihr die Geschichten waren, die sie von ihren Eltern in der Kindheit erzählt bekam.

    In der Redaktion wurde mir aufgetragen, einige Geschichten zu überarbeiten, die schlecht aus der chinesischen oder japanischen Literatur übersetzt worden waren. Man gab mir solche Geschichten und Kurzgeschichten, die einen ganz eigenen Dreh hatten. Als ich sie nacherzählte, wurde mir klar, dass ich viel von meiner Fantasie in sie hineinlegte und dass ich die Geschichten, die mir im Kopf herumschwirrten, irgendwann selbst schreiben könnte, was wiederum magische Wurzeln hatte. Meine Mutter erzählte meinem Bruder und mir Abend für Abend Geschichten, als wir noch sehr klein waren. Eine Zeit lang war es »Schneewittchen«, ich glaube, ein Jahr lang hörten wir uns Nacht für Nacht »Schneewittchen« an, entweder in Episoden oder gekürzt. Und wenn meine Mutter bei einem Detail nicht mehr weiter wusste, sprangen wir beide ein, um ihr zu widersprechen und sie daran zu erinnern, dass es beispielsweise nicht Schlafmütz war, der dies und jenes getan oder gesagt hatte. Und dann gab es Geschichten, die von Tieren handelten, die meine Mutter ebenso wie mein Vater sehr liebten. Beide Eltern haben diese Zuneigung für Tiere an uns weitergegeben.“

     

    Doch in den Jahren, in denen Silvia Kerim Kindergeschichten über den Äther brachte, indoktrinierte das kommunistische Regime die Öffentlichkeit mit aller Gewalt. Auch Kulturredaktionen waren der Zensur unterworfen. Doch die Journalistin und Autorin, schaffte es, sich der Zensur und Ideologie in subtiler Weise zu entziehen.

    Ich möchte wirklich sagen, dass im Falle meiner Texte die Ideologen es ziemlich schwer hatten, Propaganda unterzubringen. Ich habe nie das Wort »Pionier« verwendet, Wörter wie »Partei« und »Pionier« kamen in meinen Texten nie vor. Meine Drehbücher und Geschichten sind traurige Geschichten von armen Menschen, vom Sterben der Großeltern, vom teuersten Kuchen, dem Apfelkuchen, oder vom köstlichsten Nachtisch, dem Toast mit Pflaumenmus. Ich habe immer gedacht, dass es viel mehr unglückliche, verwaiste Kinder gibt als reiche, verzogene Kinder. Und dass diese Geschichten sie erreichen müssen, oder vielmehr auch sie. In einer Zeit, in der wir angehalten wurden, nur über glückliche Kinder zu schreiben, die unter der Obhut der Partei gesund und unbeschwert aufwachsen würden, war es nicht leicht, einen Text an der Zensur vorbeizukommen, vor allem wenn die dort beschriebene Realität eher traurig und hoffnungslos aussah.“

  • Nachrichten 17.12.2023

    Nachrichten 17.12.2023

    Bukarest: Das westrumänische Timișoara gedenkt der Helden, die während der antikommunistischen Revolution im Dezember 1989 ihr Leben verloren haben. Der 17. Dezember ist der Tag, an dem die Repressionskräfte auf Befehl von Nicolae Ceaușescu das Feuer auf Demonstranten eröffneten. In den Kirchen und in der Metropolitankathedrale in Temeswar fanden am Sonntag Gedenkgottesdienste statt, und an den Denkmälern der Opfer der Revolution wurden von den lokalen Behörden und den revolutionären Vereinigungen Blumenkränze niedergelegt. Am Samstag gab es Ausstellungen, Konzerte, eine festliche Sitzung des Gemeinderats und einen Marsch zum Gedenken an die gefallenen Helden. Der Aufstand gegen das kommunistische Regime in Rumänien brach am 16. Dezember 1989 in Timișoara aus und breitete sich ab dem 21. Dezember auf Bukarest und andere Städte des Landes aus. Insgesamt starben bei den Kämpfen in dem einzigen osteuropäischen Land, in dem der Regimewechsel gewaltsam vollzogen wurde, mehr als 1.000 Menschen und etwa 3.000 wurden verwundet.



    Bukarest: Das Parlament in Bukarest diskutiert am Montag über die Entwürfe für den Staatshaushalt und den Haushalt der staatlichen Sozialversicherungen für 2024, wobei die beiden Gesetze von den Fachausschüssen geprüft werden. Am Dienstag werden die beiden Kammern in gemeinsamer Sitzung mit den Debatten beginnen. Die Schlussabstimmung wird für Mittwoch erwartet. Die rumänische Regierung hat am Donnerstagabend die Gesetzesentwürfe für den Staatshaushalt und den Haushalt der staatlichen Sozialversicherungen für das kommende Jahr verabschiedet. Die Exekutive rechnet mit der Aufnahme europäischer Gelder im Jahr 2024 und setzt auf eine Erhöhung der Steuereinnahmen durch das bessere Funktionieren der Finazbehörde ANAF, des Zolls sowie auf eine Verringerung der Steuerhinterziehung. Premier Marcel Ciolacu, Vorsitzender der PSD, sprach von einem Anstieg der Einnahmen von 27% auf 30% des Bruttoinlandsprodukts. Er sagt, dass der Haushalt für 2024 die grö‎ßten Mittel für Investitionen und Bildung in der Geschichte Rumäniens vorsieht. Die Opposition meint jedoch, der Haushalt basiere auf unrealistischen Zahlen und ein gro‎ßes Problem werde im nächsten Jahr die Zahlung der Renten darstellen.



    Tel Aviv: Das Au‎ßenministerium in Bukarest hat am Samstag den Tod einer weiteren Geisel mit doppelter israelischer und rumänischer Staatsbürgerschaft im Gaza-Streifen bekanntgegeben. Wie das Au‎ßenministerium in Bukarest mitteilt, befinde sich derzeit nur noch eine rumänische Doppelstaatsbürgerin unter den Geiseln. Die rumänische Botschaft in Tel Aviv hält Kontakt zu den israelischen Behörden, fügt das Ministeriuzm hinzu.



    Sofia: Ungarn hat ein Veto gegen den Beitritt Bulgariens zum Schengenraum angekündigt, wenn Sofia nicht die Transitsteuer auf russisches Gas abschafft. Auch Österreich ist noch nicht vom Veto abgerückt. Während westeuropäische Länder gro‎ße Anstrengungen unternommen haben, um auf Importe von russischem Gas zu verzichten, bezieht Ungarn 4,5 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr aus Russland, hauptsächlich über Bulgarien und Serbien. Bulgarien hatte erst am Freitag einen Erfolg in seinen Bemühungen um den Beitritt zum Schengenraum. Die Niederlande hatten auf der Tagung des Europäischen Rates am Freitag in Brüssel offiziell bekannt gegeben, dass sie mit dem Beitritt Bulgariens zur Europäischen Freihandelszone einverstanden sind. Somit legt sich nur noch Österreich quer, was den Schengen-Beitritt von Bulgarien und Rumänien betrifft. Die Regierung in Wien will mit ihrem Widerstand Ma‎ßnahmen gegen irreguläre Migration innerhalb der Europäischen Union erzwingen. Bulgarien argumentiert, dass es sich als Schengenmitglied besser an diesem Kampf beteiligen könnte, weil dann mehr Polizisten zum Schutz der bulgarischen EU-Au‎ßengrenze eingesetzt werden könnten.





  • Ausstellung zum 100. Geburtstag der Dissidentin Monica Lovinescu

    Ausstellung zum 100. Geburtstag der Dissidentin Monica Lovinescu

    Am 19. November jährte sich der Geburtstag von Monica Lovinescu, Journalistin, Essayistin und Literaturkritikerin, zum 100. Mal. Die Tochter des Literaturkritikers E. Lovinescu und der Französischlehrerin Ecaterina Bălăcioiu war ihrerseits eine wichtige Figur der rumänischen kulturellen Moderne der Zwischenkriegszeit, eine wichtige Persönlichkeit der rumänischen Diaspora. Jahrzehntelang hat die Journalistin gemeinsam mit ihrem Ehemann Virgil Ierunca am Mikrofon des Radiosenders Europa Liberă, der in Rumänien heimlich gehört wurde, die Propaganda demontiert und die Wahrheit über die vom Kommunismus geschaffene Gesellschaft und Kultur im Lande gesagt.



    Ihre Stimme wurde unter den Rumänen sehr bekannt, die dank ihrem Einsatz besser verstanden, was um sie herum geschah. Zu Ehren der beiden – Virgil Ierunca starb 2006 und Monica Lovinescu 2008 — hat der Kulturverband La Mița Biciclista in Bukarest Ende November eine Ausstellung eröffnet, die bis Ende des Jahres zu sehen ist. Kurator Edmond Niculușcă erklärt, mit welchen Absichten die Veranstaltung organisiert wurde. “Monica Lovinescu hat im Namen von Millionen von Menschen gesprochen. Und, wie Gabriel Liiceanu sagt, hat sie gesagt, was unser Verstand dachte, aber nicht aussprechen konnte, was der Verstand unserer Eltern dachte, aber nicht aussprechen konnte. Die Ausstellung folgt dem Leben von Monica Lovinescu von 1923 bis 2008, von der Geburt bis zum Tod, und führt den Besucher gleichzeitig durch die gro‎ße Zeit der Geschichte: von der Verabschiedung der Verfassung von 1923, der Machtübernahme durch Kommunisten, der Zeit des Ceaușescu-Regimes, dem Fall des kommunistischen Regimes und dem Beginn der 1990er Jahre. In dieser Ausstellung sind auch zwei bewegende Nachstellungen zu sehen.



    Zum einen das Zimmer der Mutter, wie es Ecaterina Bălăcioiu, die Mutter von Monica Lovinescu, in einem Brief mit einigen Fotos an ihre Tochter in Paris beschreibt. Es handelt sich um das Zimmer, in dem Ecaterina Bălăcioiu nach der Machtübernahme durch das kommunistische Regim in Bukarest lebte und in dem sie im Alter von 71 Jahren verhaftet wurde. Von hier aus begann der au‎ßergewöhnliche Briefwechsel mit Monica in den letzten zehn Jahren des Lebens von Ecaterina Bălăcioiu. Zudem gibt es auch eine kommunistische Küche in Bukarest im November 1989, wo Ceaușescu während des letzten PCR-Kongresses im Fernsehen spricht, als er als Staatschef wiedergewählt wird. Es gibt auch einen Radiosender, in dem eine Sendung vom November 1989 zu hören ist, in der Monica Lovinescu über den Sturz des Kommunismus, den Fall der Berliner Mauer und die Absurdität der Situation in Bukarest spricht. “



    Die Ausstellung mit dem Titel “Monica Lovinescu, die Stimme, die uns gegeben wurde” ist vor allem den Jüngsten gewidmet, die nach 1990 geboren wurden und nicht genau wissen, wer sie war. Sie richtet sich auch an Erwachsene und ältere Menschen, die ihren Beitrag zum Kampf gegen die kommunistische Diktatur vielleicht vergessen haben. Wir haben diese Ausstellung eröffnet, um die Erinnerung an Monica Lovinescu wach zu halten”, schlie‎ßt Edmond Niculușcă. “Nur wenige Menschen wissen noch, wer Monica Lovinescu ist. Die Ausstellung in La Mița Biciclista ist für uns, die wir heute leben, damit wir Monica Lovinescu nicht vergessen, denn Monica Lovinescu zu vergessen, bedeutet, die Werte zu vergessen, für die Monica Lovinescu gekämpft hat, die Werte, für die Monica Lovinescu sogar Opfer eines Attentats wurde, die Werte, für die Monica Lovinescu ihr ganzes Leben gegeben hat”.

  • Entwicklungshilfe für Schwellenländer: Sozialistisches Rumänien verfolgte auch politische Ziele

    Entwicklungshilfe für Schwellenländer: Sozialistisches Rumänien verfolgte auch politische Ziele

    Einer der gro‎ßen Veränderungsprozesse, die nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzten, war die Entkolonialisierung der Welt. Ehemalige Kolonialmächte, vorrangig sogenannte westliche Staaten, mussten der Reihe nach die Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonien anerkennen, und die Beziehungen zwischen den westlichen Metropolen und den jungen unabhängigen Staaten wurden von neuen Positionen aus fortgesetzt. Aber auch von den sozialistischen Ländern des Ostblocks ging die Bereitschaft aus, die Länder des so genannten Globalen Südens“ in Lateinamerika, Afrika, Asien und Ozeanien im Namen des neuen Humanismus zu unterstützen. Zum Beziehungskomplex zwischen den alten und neuen Staaten, die aus ehemaligen Kolonien hervorgegangen waren, gehörte die humanitäre Hilfe als umfangreiche Möglichkeit der Unterstützung. Doch gleichzeitig wurden Hilfe und Unterstützung aus dem Westen nicht nur aus Nächstenliebe gewährleistet, sondern geschahen stillschweigend auch im Interesse derer, die sie anboten.



    Seit den 1970er Jahren machte sich auch das sozialistische Rumänien für die sogenannten Dritte Welt“ stark, wie der Globale Süden damals bezeichnet wurde. Die Länder des Ostblocks setzen bekannterweise auf den globalen Klassenkampf und die sozialistische Weltrevolution. Der rumänische Diktator Nicolae Ceaușescu war dabei keine Ausnahme — in seiner Au‎ßenpolitik sprach er von einer Öffnung gegenüber dem afrikanischen Kontinent, und die Unterstützung für sozialistische oder mit dem Sozialismus sympathisierende Länder in Asien sowie für kommunistische Bewegungen in Lateinamerika waren Teil seiner Profilierungssucht auf der internationalen Bühne.



    Die Historikerin Mia Jinga vom Institut für die Aufarbeitung der Verbrechen des Kommunismus und die Geschichte des rumänischen Exils (IICCMER) ist als Forscherin an einem weitgehenden Projekt beteiligt, das die Weltpolitik Rumäniens von den 1960er bis zu den 1980er Jahren erforscht. Sie kennt die Umstände, unter denen das sozialistische Rumänien humanitäre Hilfe leistete:



    In unserer Nachforschung haben wir eine Methode angewandt, um alle möglichen Ebenen der Hilfeleistung zu untersuchen, angefangen bei der klassischen humanitären Soforthilfe. Am Anfang ging es um Soforthilfe bei Naturkatastrophen wie Dürre, Überschwemmungen, Erdbeben und andere Desaster. Aber nicht nur Rumänien, sondern auch die anderen Ostblockländer und die westlichen Länder haben unterschiedliche Formen der Hilfe gewährleistet: Hilfe für Menschen in Konfliktgebieten oder Flüchtlingslagern, materielle und militärische Unterstützung für verschiedene Befreiungsbewegungen und kommunistische Parteien. Das meiste Geld ist tatsächlich dorthin geflossen. Au‎ßerdem wurden Stipendien für die voruniversitäre und universitäre Ausbildung sowie Praktika, Fachwissen und Ausrüstung bereitgestellt, die als Entwicklungshilfe verstanden wurden.“




    1979 half Rumänien Schwellenländern auf drei Kontinenten: Peru, Martinique, der Dominikanischen Republik, Nicaragua und Mexiko in Nord-, Mittel- und Südamerika; Benin, Äthiopien, Sudan, Burundi, Mosambik, Senegal, der Zentralafrikanischen Republik, Mauretanien, Kap Verde, Namibia, Guinea-Bissau in Afrika; dem Jemen und dem Libanon in Asien. Die Historikerin Mia Jinga weist darauf hin, dass humanitäre Hilfe und die Verfolgung eigener politischer Interessen oft zusammenfielen. So unterstützte Rumänien beispielsweise aktiv die marxistisch-leninistische Gruppe Zimbabwe African Peoples Union“ (ZAPU), die zwischen 1964 und 1979 im Bürgerkrieg in Rhodesien involviert war.



    Wenn man genauer hinsieht, stellt man fest, dass es nebst der humanitären und der Entwicklungshilfe weitere Ma‎ßnahmen gab, die politische Ziele verfolgten. Bei Naturkatastrophen zum Beispiel bestand die Hilfe in erster Linie aus Grundnahrungsmitteln, Kleidung, Medikamenten und medizinischer Hilfe. Je nach Bedarf wurde die Unterstützung allerdings auch auf andere Bereiche ausgedehnt. Aus der Vielzahl der humanitären Aktionen habe ich mir die Unterstützung ZAPU-Aktivisten im damaligen Rhodesien angeschaut, die mir am interessantesten erschienen. Rund 9,5 Millionen Lei — das waren damals umgerechnet mehr als 2,1 Mio. USD — gingen 1979 an diese Organisation, während der durchschnittliche Betrag für eine gewöhnliche humanitäre Hilfeleistung bei nur knapp 56.000 Dollar lag. Die Diskrepanz ist enorm.“




    Die Historikerin Mia Jinga erläutert auch, welche politischen Überlegungen dahinter steckten, als Rumänien den sogenannten Schwellenländern Hilfe leistete.



    Ich habe mir näher angeschaut, wie humanitäre Hilfsprojekte durchgeführt wurden, wie sie ihren Anfang nahmen und wie sie endeten. Handelte es sich um eine Initiative des rumänischen Staates, oder war es im Gegenteil der Empfänger, der um Hilfeleistung bat? In allen Fällen, zumindest in denen, die ich bisher erforscht habe, wurde die Hilfe auf einen formellen Antrag hin gewährt, der an eine hohe politische Stelle gerichtet war. Der Antrag kam von einem bekannten Anführer einer Partei oder Bewegung im Bittstellerstaat, nicht selten nach einem Treffen mit Ceaușescu oder nach einem Besuch oder Treffen auf hoher Ebene im Ausland. Nach Eingang eines solchen Ersuchens verfasste die Abteilung für Au‎ßenbeziehungen des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Rumäniens einen Vermerk, in dem sie begründete, ob sie den Antrag genehmigte oder ablehnte. Die Begründung enthielt auch eine kurze Geschichte der humanitären Hilfeleistungen für den Empfänger, die Beträge für jedes Jahr, ob man früher schon geholfen hatte, wie sachgemä‎ß die Hilfe verwendet worden war und ob sich diplomatische Verwerfungen aufgrund von weiteren Hilfeleistungen ergeben könnten. Es gab viele Situationen, in denen Rumänien gerne geholfen hätte, doch der weltpolitische Kontext war damals so angespannt, dass die Antwort »Nein« lautete. In allen Fällen hatte allerdings der Diktator Nicolae Ceaușescu das letzte Wort. Es gab auch Länder, die unter allen Umständen grünes Licht bekamen, wie es mit Vietnam der Fall war. Egal, wie viel das Land verlangte, Vietnam bekam es. Irgendwann dämmerte es Ceaușescu, dass er kein politisches Kapital daraus schlagen konnte. Er sagte damals sinngemä‎ß, dass Rumänien Vietnam schon seit 10 Jahren helfe und dass die Vietnamesen sich endlich einmal an die Arbeit machen sollten.“




    Das sozialistische Rumänien verfolgte — wie viele Staaten des Ostblocks — eine Politik der differenzierten Hilfe für die Schwellenländer. Die Archive offenbaren sowohl Erfolge als auch Misserfolge der verschiedenen Projekte, wobei Afrika in Ceaușescus Auffassung von einer rumänischen Weltpolitik der bevorzugte Kontinent war, den er bei zahlreichen Gelegenheiten besuchte.

  • Doku zum einzigartigen Stadtdelta in Văcărești in die Kinos gekommen

    Doku zum einzigartigen Stadtdelta in Văcărești in die Kinos gekommen

    Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde in der entsprechenden Gegend eines der schönsten Klöster Osteuropas, das Văcărești-Kloster, errichtet, das nach der Machtübernahme durch die Kommunisten in ein Gefängnis umgewandelt wurde.



    Trotz zahlreicher Proteste von Persönlichkeiten aus dem Kulturbereich wurde das Văcărești-Kloster 1986 auf Anordnung des kommunistischen Präsidenten Nicolae Ceaușescu abgerissen. Einigen Restauratoren gelang es, die Fresken und Ikonen, die das Kloster schmückten, zu retten. Die Besitzer von Grundstücken und Häusern in dem Gebiet wurden enteignet, und das kommunistische Regime begann mit umfangreichen hydrotechnischen Arbeiten, die schlie‎ßlich aufgegeben wurden. Nach Berichten über das Vorhandensein einer beeindruckenden Anzahl von zum Teil seltenen Vogelarten und einer ausführlichen Fotodokumentation hat sich ein Team von Naturschutzgebiets-Experten 2012 an die Einrichtung eines Naturparks gemacht.



    Heute ist der Naturpark Văcărești dank des Ökosystems, das sich in unmittelbarer Nähe des Zentrums der Hauptstadt gebildet und entwickelt hat, eine der touristischen Attraktionen in Rumänien. Der Dokumentarfilm Delta Bucureștiului wurde in Rumänien auf dem TIFF (Transilvania International Film Festival, Cluj-Napoca) uraufgeführt, kam Ende September in die rumänischen Kinos und soll im kommenden Frühjahr auch in Frankreich Premiere feiern. Wir sprachen mit der Regisseurin Eva Pervolovici über die sehr persönlichen Memoiren – sie habe sich durch einen Wandteppich inspirieren lassen, den sie von der Künstlerin Lena Constante erhielt, die 1954 zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt wurde.



    Alles begann mit diesem Wandteppich von Lena Constante, einer Freundin der Familie, die in den 60er Jahren in Văcărești und anderen Gefängnissen in Rumänien inhaftiert war. Dieser Wandteppich war für mich wie ein Ruf aus der Vergangenheit, er löste mein Bedürfnis aus, mehr über die Geschichte dieser inhaftierten Frauen zu lesen und ihre Geschichte zu dokumentieren. Der Wandteppich hat mich auch neugierig gemacht, und so stie‎ß ich auf das Buch <Die stille Flucht> von Lena Constante, und dank dieses Buches entdeckte ich, dass es noch andere Frauen gab, die in Văcărești inhaftiert waren, und einige von ihnen schrieben auf den ersten Blick merkwürdigerweise auf Französisch und veröffentlichten ihre Memoiren in Frankreich. Wir müssen jedoch bedenken, dass diese Bücher vor 1989 geschrieben wurden und die französische Sprache für diese Art von Memoiren sicherer für den Autor war. Ich möchte Adriana Cosmovici erwähnen, die das Buch Au Commencement etait la fin (1951) schrieb, das beim Humanitas-Verlag unter dem Titel . Die rote Diktatur in Bukarest.> erschien. Obwohl das Buch auf Rumänisch geschrieben wurde, erschien es zuerst in Paris, übersetzt von Monica Lovinescu, mit der Adriana Cosmovici ebenfalls sehr eng befreundet war.


    Adriana Cosmovici gelang in den 60er Jahren die Flucht nach Frankreich, also während des repressiven Regimes von Gheorghe Gheorghiu-Dej, bevor Ceaușescu an die Macht kam. Auch in Frankreich war es damals nicht ganz einfach, denn nicht nur die Franzosen, sondern die meisten Menschen im Westen hatten eine gute Meinung vom Kommunismus und hielten Andersdenkende für Faschisten. Umso wichtiger war die Hilfe von Monica Lovinescu, einer bekannten Produzentin bei Radio Freies Europa, die Lena Constante in jenen Jahren in Paris unterstützte. Neben den Büchern von Lena Constante und Adriana Cosmovici werden in der Dokumentation auch Zitate aus dem Roman <Le cachot des Marionettes – quinze ans de prison> / <Das Marionettengefängnis>.



    Man kann sich nirgendwo verstecken, wenn die Geschichte hinter einem her ist”, sagt die Erzählerin des Dokumentarfilms Delta Bukarest an einer Stelle, ein Satz, der ein mögliches Motto für den Film sein könnte. Eva Pervolovici habe sich bei ihrer Recherche auf die Erinnerungen der Häftlinge konzentriert.



    Auf diese Weise wurden die Informationen zusammengetragen, und der Film konzentriert sich auf die Aussagen der Frauen, obwohl das Gefängnis von Văcărești einen Flügel hatte, in dem auch Männer inhaftiert waren. Ich habe mich für einen Film entschieden, der auf den Erinnerungen der weiblichen Gefangenen basiert, weil ich das Gefühl habe, dass ihre Stimmen immer noch nicht genug gehört werden. Wir sprechen viel über Kriegshelden oder Helden des antikommunistischen Kampfes und fast nichts über Frauen, die ebenfalls enorm gelitten haben, oft aus einem nicht existierenden Grund. Einige von ihnen wurden einfach deshalb inhaftiert, weil sie sich zur falschen Zeit am falschen Ort befanden, wie Lena Constante, die nicht einmal politisch engagiert war.


    Ich hielt es für wichtig, diese Zeugnisse von Frauen, die gelitten und überlebt haben, aufzubewahren, denn es sind die Zeugnisse von sehr starken Frauen, von Kämpferinnen, die es geschafft haben, sehr harte und ungerechte Momente zu überwinden und am Ende etwas Gutes daraus zu machen. Dies war der Fall bei Lena Constante, die für ihre schriftlichen Zeugnisse, aber auch als bildende Künstlerin durch die von ihr geschaffenen Wandteppiche bekannt ist. Deshalb hat der Film auch etwas Optimistisches und Positives an sich, er erzählt von der Überlebenskraft dieser Frauen. Ich würde sagen, er ist auch eine Lektion darüber, wie wir sehr schwierige Momente im Leben überstehen können, indem wir das Beste aus diesen Erfahrungen machen.



    Eva Pervolovici ist auch die Regisseurin von Marussia, ihrem Spielfilmdebüt. Der 2013 erschienene Film wurde mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet.

  • Arbeiteraufstand von 1987 in Kronstadt jährt sich zum 35. Mal

    Arbeiteraufstand von 1987 in Kronstadt jährt sich zum 35. Mal





    Der Tag, der nicht in Vergessenheit gerät“ ist der Titel eines Buches, das zwei rumänische Zeithistoriker, Marius Oprea und Stejărel Olaru, dem antikommunistischen Arbeiteraufstand vom 15. November 1987 in Brașov (Kronstadt) gewidmet haben. Obwohl er brutal unterdrückt wurde, erschütterte der Aufstand die kommunistische Diktatur von Nicolae Ceaușescu und war, so sagen es die beiden Historiker, der Auftakt zur Revolution vom Dezember 1989, die nach fast 50 Jahren das von der sowjetischen Besatzungsarmee am Ende des Zweiten Weltkriegs an die Macht gehievte kommunistische Regime hinwegfegte.



    In Moskau brach der letzte sowjetische Staatschef, der Reformer Michail Gorbatschow, mit der Tradition des von Lenin und Stalin errichteten Polizeistaates und versuchte, dem System durch die so genannte Glasnost (Transparenz) und Perestroika (Umstrukturierung) ein menschliches Antlitz zu verpassen. In Polen, das wie Rumänien nach dem Krieg ein Satellitenstaat der Sowjetunion geworden war, legte die Arbeitergewerkschaft Solidarność durch Proteste und Marathonstreiks ein kommunistisches Regime lahm, das noch immer behauptete, im Namen und zum Wohle der Arbeiter zu regieren.



    Es ist kein Zufall, dass die Zornentladung der Arbeiter von Kronstadt ihren Ausgang auf einer der grö‎ßten industriellen Plattformen der sozialistischen Republik nahm: Im düsteren Klima der späten 1980er Jahre, als die Versorgungsengpässe mit einer lückenlosen polizeilichen Überwachung und einem wahnhaften Personenkult um Ceaușescu einherging, war die Stimmung in der Bevölkerung äu‎ßerst bedrückt und angespannt.



    Marius Boieriu, Vorsitzender des Kronstädter Vereins 15. November 1987“ erinnert sich, welche die Forderungen der aufständischen Arbeiter waren:



    Wir haben buchstäblich Brot gefordert, damals war es rationiert, man erhielt es nur unter Vorweisen einer Lebensmittelkarte und nach stundenlangem Schlangestehen nach der Arbeitsschicht. Wir haben ein funktionierendes Fernwärmesystem für unsere kalten Wohnungen gefordert, wo wir und insbesondere die Kinder der älteren Arbeitskollegen im Winter frieren mussten. Ich war damals 20 Jahre alt. Und wir forderten Freiheit. Um all dem Nachdruck zu verliehen, skandierten wir »Nieder mit Ceaușescu!«. Während unseres Aufmarschs in Richtung Parteikreisrat sangen wir das Revolutionslied von 1848 Erwache, Rumäne“, in der Hoffnung, dass sich die Bürger der Stadt auf unsere Seite schlagen und auf die Stra‎ße gehen. Doch es sollte noch zwei Jahre dauern, bis die Menschen tatsächlich aus ihrer Ohnmacht erwachten. Es ist schwer, in wenigen Worten zu beschreiben, was wir damals durchmachen mussten.“



    Nach dem Protest in den Fabriken stürmten die aufständischen Arbeiter den örtlichen Parteisitz und warfen Porträts von Ceaușescu und die roten Fahnen der kommunistischen Einheitspartei aus den Fenstern. In der Folge wurden rund 300 Demonstranten verhaftet und von der Securitate, der politischen Polizei des Regimes, unter Folter verhört. Offiziell wurden die Proteste als isolierte Fälle von Rowdytum“ eingestuft, und die Strafen gingen nicht über drei Jahre Gefängnis ohne Freiheitsentzug hinaus, eine relativ moderate Strafe im kommunistischen Strafgesetzbuch. Es wird auch eine Rolle gespielt haben, dass einige Tage nach den Unruhen Studenten in Brașov auf dem Campus ein Transparent mit der Aufschrift Verhaftete Arbeiter dürfen nicht sterben“ ausrollten, ein Zeichen dafür, dass die Unzufriedenheit über die Tore der Fabriken der Stadt hinausging und von der Mehrheit der Bevölkerung geteilt wurde.



    Zwei Jahre später setzte die Revolution von Dezember 1989 dem kommunistischen Regime ein Ende; der postkommunistische rumänische Staat tat sich allerdings Jahre danach noch schwer damit, die ehemalige Diktatur als verbrecherisch und unrechtmä‎ßig zu verurteilen.

  • Kommunistische Widersacher Ceaușescus: Alexandru Bârlădeanu (1911–1997)

    Kommunistische Widersacher Ceaușescus: Alexandru Bârlădeanu (1911–1997)






    Die letzten 25 Jahre des kommunistischen Regimes in Rumänien waren von der Persönlichkeit des Diktators Nicolae Ceaușescu geprägt. Von 1965 bis 1989 führte er zunächst als Generalsekretär der Kommunistischen Partei, später zugleich auch als Staatspräsident die Geschicke Rumäniens mit eiserner Hand. Die Epoche war vom Personenkult des Diktators und seiner Ehefrau geprägt, Ceaușescu galt als brutal, launisch und engstirnig. Wirtschaftlich ging es im Land kontinuierlich bergab, insbesondere in den 1980er Jahren setzten sich die Menschen in Rumänien zunehmend mit materiellen Entbehrungen auseinander — die rigide Planwirtschaft führte zu chronischem Mangel an Basisprodukten auf dem Markt.



    Eine Opposition gab es aufgrund der alles überwachenden Geheimpolizei Securitate kaum — die wenigen mutigen Dissidenten wurden unter Hausarrest gestellt, mundtot gemacht oder ins Exil gezwungen. Selbst in den Reihen der kommunistischen Elite gab es nur wenige Widersacher — auch sie wurden aus den Machtkreisen entfernt, oder sie wählten aus eigenen Stücken die Isolation.



    Einer der wenigen hohen Parteifunktionäre, die den Mut hatten, es mit Nicolae Ceaușescu aufzunehmen, war der Ökonom Alexandru Bârlădeanu. Er wurde 1911 im Süden der heutigen Moldaurepublik geboren, damals noch eine Provinz des zaristischen Russlands. 1943 trat er in die Kommunistische Partei Rumäniens ein und nach 1944 bekleidete er hohe Ämter in der damaligen Hierarchie. Als Vertrauter des stalinistischen Generalsekretärs Gheorghe Gheorghiu-Dej, des Vorgänger Ceaușescus, hatte Alexandru Bârlădeanu mehrmals Ministerposten inne und bekleidete höhere Ämter in der Volksversammlung, dem damaligen Parlament. Nach dem Tod Gheorghiu-Dejs im Jahr 1965 wechselte Bârlădeanu ins Lager der Reformisten und geriet in Konflikte mit dem neuen Machthaber Nicolae Ceaușescu.



    Im Sommer 1989 war er einer der sechs hochrangigen Parteifunktionäre, die einen offenen Brief an Ceaușescu verfassten, in dem der Diktator zu Reformen aufgefordert wurde. Der Brief gelangte allerdings nie an die Öffentlichkeit, wurde aber bei Radio Free Europe und anderen westlichen Sendern verlesen und eifrig kommentiert. Nach dem Umsturz von 1989 war Bârlădeanu von 1990 bis 1992 Parlamentsabgeordneter und verstarb 1997 im Alter von 86 Jahren.



    In einem Interview von 1995 mit dem Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte des Rumänischen Rundfunks erinnerte sich Alexandru Bârlădeanu, dass seine Divergenzen mit Ceaușescu bereits beim 9. Parteikongress 1965 ihren Anfang hatten, als Ceaușescu zum Generalsekretär gewählt wurde. Die beiden hatten unterschiedliche Ansichten über die Gewichtung von Investitionen und Konsum in der sozialistischen Planwirtschaft.



    In der Meinungsverschiedenheit mit Ceaușescu ging es um die Aufteilung des Bruttoinlandsproduktes zwischen dem Konsumfonds und dem Rücklagenfonds. Ich nahm darauf Bezug in meiner Rede beim Parteikongress. Ich sagte sinngemä‎ß, dass zu hohe staatliche Investitionen den Lebensstandard sinken lassen und zu niedrige Investitionen hingegen die Entwicklung des Landes hemmen würden. Ich sagte auch — und hier kam es erneut zum Streit –, dass die Entscheidung über diese Proportion aus politischem Gespür kommen muss, während Ceaușescu in einem fort von einer wissenschaftlichen Entscheidung sprach. Das hatte nichts mit Wissenschaft zu tun, sondern mit der Kunst der Politik und dem Gespür für das Richtige.“




    Die Antipathie der beiden gegeneinander nahm mit der Zeit zu. Zu einem weiteren Eklat kam es 1966, als in Rumänien die Abtreibungen verboten wurden — mit katastrophalen Folgen über Jahrzehnte für die Familienplanung, die Gesundheit der Frauen und das Schicksal ungewollter Kinder. Alexandru Bârlădeanu erinnerte sich im Gespräch von 1995, wie der verbale Schlagabtausch über die Bühne lief:



    Wir hatten entlang der Zeit mehrere Auseinandersetzungen, in denen wir völlig entgegengesetzte Meinungen vertraten. Einen grundlegenden Dissens hatten wir im Zusammenhang mit den Abtreibungen. Im Sommer nach der Wahl Ceaușescus zum Generalsekretär war ich im Urlaub am Schwarzen Meer, als er urplötzlich eine Sitzung des Exekutivkomitees einberief. Ich reiste aus Costinești an, und Ceaușescu setzte aus heiterem Himmel das Thema Abtreibungen auf die Agenda. Ich war gegen das Verbot und sagte es auch unverblümt: Die Sache sei wissenschaftlich nicht genügend untersucht worden, und ohne Studien könne man keine richtige Entscheidung treffen. Der damalige Ministerpräsident Ion Gheorghe Maurer pflichtete mir sogar bei und sagte etwas Ähnliches — man müsse die Frage der Abtreibungen erst einmal wissenschaftlich untersuchen lassen. Doch Ceaușescu brauste auf und sagte: ‚Mit diesem Vorschlag will Genosse Bârlădeanu blo‎ß die Prostitution in Rumänien unterstützen!‘“




    Der Konflikt zwischen Ceaușescu und Bârlădeanu entbrannte auch an der Frage, wie gro‎ß Bauernhöfe in einer kollektivierten Landwirtschaft noch sein durften. Auch hier versuchte Alexandru Bârlădeanu, dem Diktator einen Strich durch die Rechnung zu machen. Doch Bârlădeanu ging erneut als Verlierer aus dem Konflikt heraus und beschloss bald darauf, unter dem Vorwand einer unheilbaren Krankheit in den Ruhestand zu gehen.



    Ceaușescu wollte Bauerngehöfte auf 500 Quadratmeter begrenzen. Ich kann mich zwar nicht mehr genau an die Argumente dieser Auseinandersetzung erinnern, doch Ceaușescu war ständig gegen andere Meinungen. 1968 hatten wir erneut einen Disput, ich hatte die Nase voll und danach entschied ich, mich aus der Politik zu verabschieden. Ich hatte bereits Symptome einer anfänglichen Blutkrankheit gehabt, und ein bekannter Hämatologe aus Paris, der mich untersucht hatte, stellte mir eine Bescheinigung aus, dass die Krankheit 7 von 10 Chancen habe, einen fatalen Ausgang zu haben, wenn ich von der Arbeit nicht befreit werden würde. Diesen ärztlichen Befund zeigte ich Ceaușescu.“




    Alexandru Bârlădeanu wählte somit nach 1968 die Selbstisolation, wie auch andere kommunistische Widersacher Ceaușescus, denn der ständige Konflikt mit dem Diktator wäre aussichtslos gewesen, wie Bârlădeanu im Interview von 1995 mit dem Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte des Rumänischen Rundfunks eröffnete:



    Ich leitete damals den Wissenschaftsrat und lie‎ß Ceaușescu Vorschläge zukommen, wie man den Rat und generell den Bereich der Wissenschaften umorganisieren könnte. Mehrere Tage darauf erhielt ich keine Antwort, und auf meine Frage, ob er mein Referat gelesen habe, reagierte er erneut unwirsch und sagte nur: ‚Glaubst du denn wirklich, dass du mir beibringen kannst, was Wissenschaft ist?!‘. Soviel zu seinem Führungsstil. 1968 fällte ich dann die Entscheidung, mich dieser Art, Politik zu betreiben, fern zu halten. Ich hatte begriffen, dass Ceaușescus Wirtschaftspolitik ins Desaster führen würde. Und ich habe nie einen Hehl daraus gemacht.“




    Tatsächlich führte Ceaușescus Renitenz — selbst gegen Berater aus dem kommunistischen Machtkreis — zu einer beispiellosen Wirtschaftskrise in den 1980ern. Mangelwirtschaft und die Unterdrückung der Meinungsfreiheit hatten das sozialistische Rumänien in den Spätachtzigern in eine beispiellose Misere und Isolation geführt, aus denen sich das Land erst 1989 befreien konnte.