Tag: Literatur

  • Casa Radio legt Nina Cassian erneut auf

    Casa Radio legt Nina Cassian erneut auf

    Nina Cassian war nicht nur Lyrikerin, sondern auch Essayistin, Übersetzerin, Komponistin und bildende Künstlerin. Sie entstammte einer jüdischen Familie und bewegte sich bereits als Jugendliche in linken intellektuellen Kreisen. Mit 16 Jahren trat sie der damals verbotenen Kommunistischen Jugendorganisation bei, angetrieben von der Idee, die Welt von fundamentalen Gegensätzen zwischen Geschlechtern, Rassen, Völkern und Klassen zu befreien.

    Ihr literarisches Debüt gab sie 1947 mit dem surrealistischen Lyrikband La scara 1/1  (deutsch: Größenordnung 1/1). Nach einem ideologischen Angriff in der Parteizeitung Scânteia begann sie vorübergehend, sich dem sozialistischen Realismus zuzuwenden, kehrte aber „nach einer Umweg von etwa acht Jahren“, wie sie selbst sagte, zur authentischen Poesie zurück. Zudem schrieb sie Kinderliteratur und übersetzte Werke von Shakespeare, Bertolt Brecht, Christian Morgenstern, Iannis Ritsos und Paul Celan. Ein Kinderbuch über zwei Tigerjunge (Originaltitel: Povestea a doi pui de tigru numiţi Ninigra şi Aligru) brachte ihr 1969 den Preis des Rumänischen Schriftstellerverbands ein.

    1985, während eines Aufenthalts als Gastprofessorin an der New York University, erfuhr Cassian von der Verhaftung und Ermordung ihres Freundes Gheorghe Ursu, in dessen von der Securitate sichergestellten Tagebuch auch ihre eigenen regimekritischen Äußerungen vermerkt waren. Sie entschied sich, in den USA zu bleiben. In Rumänien wurden ihre Bücher verboten und ihre Wohnung enteignet. In den USA veröffentlichte sie Übersetzungen ihrer rumänischen Gedichte (Life Sentence) sowie Werke auf Englisch (Take My Word for It!, Blue Apple und Lady of Miracles), für die sie 1994 den Golden Lion Award der New York Library erhielt. Die letzten 30 Jahre ihres Lebens verbrachte sie in New York, wo sie ihre Memoiren schrieb – ein dreibändiges Werk, das zwischen 2003 und 2005 in Rumänien erschien.

    Die Neuauflage des Hörbuchs “Dans” – auf Deutsch Tanz – wurde von Cosmin Ciotloș betreut und bei einer Veranstaltung des Verlags Casa Radio präsentiert. Zu den Gästen gehörten der Regisseur Alexandru Solomon und der Schriftsteller Călin-Andrei Mihăilescu. Ciotloș betonte die stilistische Relevanz von Cassians Werk: „Mich interessiert, wie viel von Nina Cassian in der heutigen rumänischen Poesie noch lebendig ist. Viele Sprachspiele in den Gedichten von Florin Iaru lassen sich auf sie zurückführen. Auch manche von Mircea Cărtărescus Gedichte, die  eigentlich auf Ion Barbu abstellen, tragen ihr stilistisches Erbe. Junge Dichter von heute, darunter Ioan Coroamă, Florentin Popa und Mihnea Bâlici, stehen ihrer Poesie näher, als man denkt. Cassians Werk ist mehr als ein nostalgisches Erinnerungsstück – es bleibt eine lebendige, produktive poetische Form.“

    Călin-Andrei Mihăilescu, seit den späten 1980er Jahren in Kanada ansässig, kannte Cassian noch aus den Sommern im Schwarzmeerdorf 2 Mai und später aus ihrer Zeit in New York. Er beschrieb sie als außergewöhnliche Persönlichkeit: „In diesem Hörbuch kann man Nina Cassians Stimme vernehmen, aufgenommen zwischen den 1950er- und den frühen 2000er-Jahren. Ihre Stimme gehörte zu den großen rumänischen Stimmen: gebildet, klug, raffiniert und zugleich erotisch. Ich habe sie in ihren letzten 20 Jahren in New York näher kennengelernt. Wir veranstalteten Creative-Writing-Workshops – mal auf Rumänisch, mal auf Englisch. Nina hatte dabei immer eine Flasche Whisky, oft von minderer Qualität, aber stets als Literflasche, und sie konnte jeden unter den Tisch trinken. Sie rauchte mehr als ich – und glauben Sie mir, ich rauche wirklich viel. Sie war eine Diva. Eine Diva, die in einer recht schäbigen Hochhauswohnung auf der Roosevelt Island lebte, aber ihre Wohnung war voller Zeitschriften, darunter Gazeta Literară und România Literară, und sogar ein Paris Match aus dem Jahr 1968 mit einem Bericht über Charles de Gaulles Besuch in Bukarest.“

    Ein besonders bewegender Moment der Veranstaltung war die Vorführung eines Kurzfilms von Alexandru Solomon. Die Aufnahmen, die er als Jugendlicher in Vama Veche gemacht hatte, zeigten Nina Cassian gemeinsam mit seiner Mutter, der Malerin und Kunsthistorikerin Yvonne Hasan, und weiteren Künstlerfreunden.

  • Moromeții: Trilogie nach Marin Predas Werk und Leben geht zu Ende

    Moromeții: Trilogie nach Marin Predas Werk und Leben geht zu Ende

    Der erste Film von 1988 war noch eine recht getreue Adaption des ersten Bandes des berühmten Romans „Moromeții“, in dem sich Preda mit der Welt des rumänischen Dorfs zwischen den beiden Weltkriegen auseinandersetzt. Die Fortsetzung, „Moromeții 2“ erschien drei Jahrzehnte später 2018 und verwertet den Roman „Das Leben wie eine Beute“ sowie Texte aus Marin Predas Publizisti. Der letzte Teil der Trilogie, dessen Drehbuch ebenfalls von Stere Gulea stammt, wurde von Marin Predas Tagebüchern sowie von Archivdokumenten inspiriert, die die Atmosphäre der 50er Jahre rekonstruieren – eine Zeit maximaler sozialer und ideologischer Spannungen, geprägt vom Aufstieg der Kommunistischen Partei, die sich zur einzigen offiziellen politischen Partei Rumäniens putschte.

    Der Film setzt die Geschichte von Niculae fort, dem jüngsten Sohn des Getreidebauern Ilie Moromete, der die Hauptfigur im ersten Teil ist. Niculae Moromete wird zu einem erfolgreichen jungen Schriftsteller – ein Alter Ego von Marin Preda, der von seinen politischen Überzeugungen und der literarischen Branche enttäuscht wird, als die Schriftsteller sich den ideologischen Zwängen beugen mussten. Der Film zeigt auch die bedeutende Rolle, die zwei große Künstlerinnen im Leben von Marin Preda spielten: Nina Cassian und Aurora Cornu.

    „Es ist ein Bild, das die Haltung von Marin Preda in der damaligen Epoche, in politischen Situationen, widerspiegelt. Ich habe versucht, seine Reise zu verstehen und intuitiv zu erfassen, und habe versucht, diesen Kern darzustellen, jedoch unter Verwendung von Fiktion. Mir gefiel die Idee, einen Film über jene Zeiten zu machen, die heute weitgehend ignoriert werden“, sagt Regisseur Stere Gulea über „Moromeții 3“.

    Die Schauspielerin Olimpia Melinte spielt im Film Vera Solomon spielt, eine Figur, die an die Autorin Nina Cassian angelehnt ist. RRI sprach mit ihr über die Veränderungen, die das von Stere Gulea geschriebene Drehbuch durchlief, und darüber, wie sie die Figur von Nina Cassian, einer äußerst komplexen Künstlerin recherchierte – Cassian war eine für die Stalinisten durchaus unbequeme Komplizin des Regimes.

    „Alles begann mit einem Casting. Doch nachdem ich den Regisseur traf und sein Drehbuch und seine Erwartungen besser verstand, kam ich zum Schluss, dass das Schicksal mir diese Rolle schenkte. Ich sehe Nina Cassian nicht gerade ähnlich, aber uns verbindet die Leidenschaft. Cassian war sehr leidenschaftlich in Bezug auf Poesie, Musik, Zeichnung und Malerei; sie fühlte sich von allen schönen Künsten angezogen. Sie war eine vollendete Künstlerin, und ich denke, dass diese Leidenschaft für die Künste sie in jener sehr komplizierten Zeit unterstützt hat, als sie sich entschieden hatte, Musik zu machen und nicht Literatur in diesem schrecklichen System. Diese Leidenschaft verband mich sehr stark mit der Figur. Ich habe ihre Tagebücher gelesen, ihre Interviews, alles, was ich online über sie gefunden habe. Natürlich hat mir auch der Dokumentarfilm über Nina Cassian von Mona Nicoară und Dana Bunescu, sehr geholfen. Ich konnte so diese Künstlerin besser verstehen, denn auch ich hatte eine Art Vorurteil ihr gegenüber. Doch selbst die kleinsten Vorurteile verschwanden, sobald ich mit der Arbeit begann, weil ich Cassian in ihrer Intimität und Tiefe verstehen wollte, so wie sie andere nicht gesehen haben, so wie sie vielleicht gegen Ende ihres Lebens im erwähnten Dokumentarfilm gesehen werden kann. Es waren die Momente, in denen Nina Cassian ihre soziale Maske ablegte, die Momente, in denen sie sich erlaubte, diese Liebesgeschichte mit Marin Preda wieder auszuleben – eine Liebe, die schwer in Worte zu fassen ist.“

    Olimpia Melinte führte dann weiter aus, wie die Beziehung zwischen Marin Preda und Nina Cassian filmisch nachgebildet wurde.

    „Wir wollten die Geschichte nicht erklären, denn im Leben erklärst du selten etwas. Allenfalls erklären Leute bestimmte Dinge erst nach vielen Jahren, wenn sie einander wiedersehen. Wir haben dafür versucht, ihre Beziehung mithilfe ihrer Tagebücher nachzubilden und wollten so nah wie möglich an der Realität bleiben. Es war ein kolossales Stück Arbeit für uns alle, denn das Drehbuch änderte sich sehr, sehr oft, und ständig schrieb der Regisseur neue Szenen hinein. Manchmal kam sogar am Drehtag eine neue Szene hinzu. Die Geschichte der Protagnoisten war ursprünglichen bei Drehbeginn nicht so zentral. Sie wurde aber immer wichtiger, je mehr wir uns in die Arbeit stürzten, und das freut mich, denn in ihrem Leben spielte sie eine sehr wichtige Rolle.“

    Neben Olimpia Melinte sind viele angesehene rumänischen Darsteller dabei: Alex Călin spielt die Rolle des Niculae Moromete, und Horațiu Mălăele verkörpert zum zweiten Mal in seiner Karriere Ilie Moromete. In „Moromeții 3“ sind auch Mara Bugarin, Răzvan Vasilescu, Iulian Postelnicu, Toma Cuzin und Oana Pellea zu sehen. Das Bühnenbild stammt von Cristian Niculescu, die Kostüme wurden von Dana Păpăruz entworfen, und die Kamera führte Vivi Drăgan Vasile. Die Filmmusik schrieb Cristian Lolea.

    „Moromeții 3“ wurde mit dem Publikumspreis beim TIFF/Transilvania International Film Festival 2024 ausgezeichnet und war auf mehreren nationalen Filmfestivals zu sehen, darunter das TIFF Chișinău, die Serile Filmului Românesc in Iași und das TIFF Timișoara.

  • Englischsprachiger Buchmarkt: Taffe Szene für rumänische Literatur

    Englischsprachiger Buchmarkt: Taffe Szene für rumänische Literatur

    35 Jahre nach der Wende feierte das rumänische Kulturinstitut bei einer neuen Ausgabe der Londoner Buchmesse die Freiheit in all ihren kreativen Formen. Unter dem Motto “Voices of Freedom” (Stimmen der Freiheit) war die diesjährige Teilnahme Rumäniens an der Londoner Buchmesse – eine der größten Veranstaltungen für Literaturschaffende – allen Generationen einheimischer Schriftsteller gewidmet, die in völliger Redefreiheit geschaffen haben. 
Das Rumänische Kulturinstitut bereitete ein dichtes Programm mit Buchvorstellungen und Konferenzen und Veranstaltungen des gesprochenen Wortes vor, die am Stand auf der Messe, in der Londoner Zentrale des Instituts, in der Barbican Library und in der Conway Hall stattfanden. Eli Bădică, Koordinatorin und Initiatorin der Sammlung zeitgenössischer rumänischer Literatur bei der Nemira Publishing Group bewertet bei RRI die Teilnahme an der Londoner Buchmesse aus ihrer Sicht als Verlegerin.

    “Natürlich ist eine Messe wie diese auch für die Öffentlichkeit zugänglich, aber es findet kein Buchverkauf statt. Es ist also nicht wie in Rumänien, mit vielen Ereignissen und Buchpremieren, sondern eine Veranstaltung vor allem für Literaturagenten, Verleger, Kulturmanager und Übersetzer, eine literarische Vernetzung, aber auch eine kommerzielle. Für mich und meine Branchenkollegen ist es eine wichtige Messe, die zweitwichtigste der Welt nach Frankfurt. Sie sind auch strategisch günstig, im Frühjahr und im Herbst, weil dabei normalerweise Übersetzungsrechte gekauft werden. Einige der rumänischen Veranstaltungen fanden beim Sitz des Rumänischen Kulturinstituts statt, zwei weitere in Bibliotheken, also in prächtigen Räumen. 
Rumänische Schriftsteller, Literaturkritiker und Kulturmanager waren anwesend und nahmen an einigen sehr interessanten Diskussionen teil. Es wurden auch mehrere neuere Übersetzungen aus dem Rumänischen ins Englische vorgestellt. Dabei kam die Diskussion wieder auf, dass nur 3 % des angelsächsischen Buchmarkts Übersetzungen sind. Ich sage dies, um zu verstehen, wie schwierig es für rumänusche Verlage ist, für ihre Autoren jemand zu finden, der sie auf einem Markt herausbringt, in dem das Englische dominiert. Ich habe mich in London mit Übersetzern, Verlegern und Agenten getroffen, die sich wirklich dafür interessieren, was rumänische Autoren schreiben”.

    Was laut Verlagsfrau Eli Bădică die wenigsten außerhalb der Szene wissen, ist, dass die Verlagspläne in der Regel auf sehr wenige Autoren aus dem Osten ausgerichtet sind, manchmal nur auf einen pro Verlagsjahr. Und dann muss man versuchen, den Verleger, den Übersetzer oder den Agenten davon zu überzeugen, dass dieser osteuropäische Schriftsteller es verdient, ein rumänischer Schriftsteller zu sein, erläutert sie.
    Die Teilnahme an dieser Ausgabe der Londoner Buchmesse wurde mit einer Veranstaltung eröffnet, die den Stimmen rumänischer und britischer Schriftstellerinnen gewidmet war. Elena Vlădăreanu, Initiatorin und Koordinatorin des Sofia-Nădejde-Preises, der an zeitgenössische rumänische Autorinnen verliehen wird, war auch dabei und sagt, dass Feminismus ein Schwerpunktthema der Diskussion war.

    “Eine der Schriftstellerinnen, die an dieser Diskussion teilnahmen, war Alina Purcaru, die zusammen mit Paula Erizanu die dreibändigen Anthologie Ein Jahrhundert rumänischer Poesie von Frauen koordinierte, die vom Verlag Cartier herausgegeben wird. Es handelt sich um eine sehr wichtige Anthologie, denn Alina und Paula haben ein Jahrhundert rumänischer Poesie zusammengetragen und dabei Schriftstellerinnen ausgewählt und in die Gegenwart geholt, die vielen Leuten kein Begriff sind. Zwei sehr interessante Schriftstellerinnen und Philosophinnen aus dem Vereinigten Königreich, Suzannah Lipscomb und Hannah Dawson, die über ein umfangreiches Werk und einen Doktortitel in Philosophie verfügen, nahmen ebenfalls an der Diskussion teil. Lipscomb ist Geschichtsspezialistin und hat kürzlich einen Sachbuchpreis ins Leben gerufen, der an den im Vereinigten Königreich verliehenen Preis für Belletristik anschließt. Die Idee für den Preis sei ihr gekommen, erzählte sie, als sie feststellte, dass in der akademischen Welt hauptsächlich von Männern verfasste Texte und Forschungsarbeiten vorkommen. Sie hielt es für eine gute Möglichkeit, diese von Frauen verfassten Sachtexte hervorzuheben, und initiierte deshalb den Preis, der dieses Jahr zum ersten Mal verliehen wird. Hannah Dawson, Spezialistin für Sprachphilosophie, hat ihrerseits vor kurzem bei Penguin eine Anthologie mit dem Titel The Penguin Book of Feminist Writing veröffentlicht. Dafür hat Dawson mindestens 100 Jahre Literatur von Frauen durchforstet. 
Sie war vor allem daran interessiert, unbekannte Texte zu finden, die feministische Themen behandeln. Und sie war überrascht, sehr alte Texte zu finden, Texte, die sogar älter als 100 Jahre sind und sich auf sehr zeitgemäße Weise mit feministischen Themen befassen, wie z. B. Gleichberechtigung, dem Recht auf Bildung, dem sozialen Stellenwert von Frauen, den Beziehungen, die Frauen innerhalb der Familie, aber auch innerhalb der Gesellschaft haben.”

    Zu den Teilnehmern an der Londoner Buchmesse gehörten auch die Autoren und Kritiker Mădălina Căuneac, Liliana Corobca, Cosmin Perța, Florentin Popa, Maria Stadnicka, Matei Vișniec, Marius Chivu, Bogdan Crețu, Alex Ciorogar und Susan Curtis, Iulian Morar, Gabi Reigh und Milena Deleva

  • Borja Mozo Martín: „Osteuropa ermöglicht Neuentdeckung der gesamteuropäischen Identität“

    Borja Mozo Martín: „Osteuropa ermöglicht Neuentdeckung der gesamteuropäischen Identität“

     

     

    Borja Mozo Martín ist literarischer Übersetzer und Kulturredakteur. Der gebürtige Spanier aus Madrid lebt und arbeitet seit 2016 in Rumänien. Er übersetzt Werke der rumänischen und französischen Literatur ins Spanische. Seine Ausbildung erfuhr er an der Complutense Universität in der spanischen Hauptstadt, wo er zunächst französische Literatur und Journalistik studierte. Danach belegte er ein Masterstudium in Literaturwissenschaft und Fremdsprachendidaktik, was ihm danach eine internationale Laufbahn ermöglichte – in den letzten 10 Jahren hat er Spanische Sprache und Kultur an unterschiedlichen Hochschulen in Frankreich und Rumänien sowie am spanischen Kulturinstitut „Cervantes“ in Bukarest unterrichtet.

    Seine literarischen Vorlieben gelten der Moderne und der zeitgenössischen Literatur. Als Übersetzer hat er bislang vier rumänische Romane ins Spanische übertragen – zwei Klassiker der Nachkriegsmoderne und zwei zeitgenössische Romane, darunter den Roman „Und man hörte die Zikaden“ unserer Kollegin Corina Sabău von der Feature-Redaktion. Aktuell arbeitet er an der Übersetzung des Romans „Das Mädchen, das Gott spielen wollte“ von Dan Lungu.

     

    Zunächst fragten wir Borja Mozo Martín, wie er sich der rumänischen Sprache und später der rumänischen Literatur genähert hat.

     

    Mich hat zunächst die rumänische Literatur interessiert, und selbstverständlich muss man auch die Sprache lernen, um einen unmittelbaren Zugang zur Literatur zu haben. Das Interesse für die Literatur hat also auch mein Interesse für die Sprache erweckt. Es war also eine doppelte Entdeckungsreise für mich. Zuvor hatte ich nur durch Übersetzungen Zugang zur rumänischen Literatur gehabt, die großen rumänischen Klassiker waren schon ins Spanische übersetzt und sie wurden an der Uni in Spanien auch gelehrt, doch hier in Rumänien sind sie eher Lehrstoff an Gymnasien. Doch die bekanntesten Werke der Klassik waren fast allesamt beginnend mit den 1970ern bis Ende der 1990er Jahre übersetzt worden. Lange Zeit gab es nur wenige Übersetzer aus dem Rumänischen; umso größer ist ihr Verdienst um die Förderung der rumänischen Literatur im spanischen Kulturraum.

    Ich hatte schon als Teenager ein leidenschaftliches Interesse an der französischen Literatur und später auf der Uni lernte ich ein für mich seltsames Phänomen kennen – die rumänische Exil-Literatur in Paris, die eine sonderbare Rolle im französischen Kulturbetrieb der 1970er–80er Jahre spielte. Und so wollte ich herausfinden, wie rumänische Schriftsteller und Journalisten wie Monica Lovinescu, Dumitru Țepeneag oder Mircea Eliade und andere große Namen, die auch nur zeitweilig in Paris lebten, es schafften, nicht nur ihr eigenes Werk voranzubringen, sondern auch die französische Kultur jener Epoche zu prägen. Und so entfaltete sich mein Interesse für die rumänische Literatur, selbst wenn das heute anekdotisch klingen mag. Ich war neugierig, zu erfahren, wer diese Menschen gewesen sind, wie ihr Leben in der rumänischen Exil-Gemeinschaft war und wie es ihnen gelang, ihre eigene Stimme im Kulturbetrieb Frankreichs hörbar zu machen.“

     

    Doch was hat Borja Mozo Martín dazu bewogen, seine wissenschaftliche Karriere und übersetzerische Tätigkeit nach Rumänien zu verlegen?

     

    Mein Interesse für die rumänische Literatur eröffnete mir neue Perspektiven – durch Literatur kann man nicht nur ästhetische Erlebnisse haben, sondern eine gesamte Kultur kennenlernen. Und bald musste ich feststellen, dass Rumänien – trotz der kulturellen Nähe zu Spanien und Frankreich – kaum bekannt in Westeuropa ist. So dass die Übersiedlung nach Rumänien ein natürlicher Schritt für mich war. Und ich konnte von einem akademischen Austauschprogramm profitieren, das vom spanischen Außenministerium in Zusammenarbeit mit dem rumänischen Bildungsministerium angeboten wurde. Hochschulprofessoren und Gymnasiallehrer konnten dadurch für mehrere Jahre nach Rumänien kommen und unterrichten. Und ich hatte das Glück, ein Angebot für einen Aufenthalt in Bukarest zu bekommen. 2016 kam ich also nach Bukarest mit der Überzeugung, dass es eine einmalige Chance ist, für eine unbestimmte Zeit in einem Land zu leben, von dem man von Anfang an fasziniert war. Es war folglich eine gelebte Faszination, die mir die Integration auch erleichtert und angenehm gemacht hat.“

     

    Stichwort Faszination – was hat den spanischen Philologen an Rumänien so fasziniert?

     

    Ich glaube, die meisten Westeuropäer empfinden eine gewisse Faszination für Osteuropa. Vielleicht nicht alle, eher meine Generation. Ich bin in den 1980ern geboren, und wir hatten damals viel darüber gehört oder gelesen, was in Osteuropa damals passierte, doch hatten wir keine Möglichkeit, die damaligen Umwälzungen in diesem Teil Europas hautnah mitzuerleben. Und so habe ich schon in sehr jungen Jahren aus Erzählungen, Filmen, Büchern eine Faszination für diese Welt entwickelt, die es so wie damals zwar nicht mehr gibt, aber immer noch präsent ist, trotz der europäischen Integration.

    Doch wenn man als Westeuropäer nach Rumänien oder generell nach Osteuropa kommt, entdeckt man eine leicht unterschiedliche Welt, die einen interessanten Dialog nicht allein mit der fremden Kultur, sondern auch mit sich selbst ermöglicht. Denn trotz aller Unterschiede aus der versunkenen Vergangenheit teilen wir als Europäer eine gemeinsame Geschichte und Realität. Die Übersiedlung nach Rumänien war für mich nicht nur eine Raum- und Zeitreise, sondern auch eine Gelegenheit, meine Identität als Europäer neu zu entdecken.“

     

    Zum Schluss fragten wir den spanischen Übersetzer und Kulturredakteur Borja Mozo Martín, ob ihm etwas am Leben in Rumänien missfällt oder zumindest unangenehm vorkommt.

     

    Es fällt mir manchmal schwer, mich mit diesem Gefühl anzufreunden, dass die Menschen in Rumänien weniger Gemeinsinn an den Tag legen, als ich es aus Ländern in Westeuropa kenne. Hier ist der Individualismus sehr stark ausgeprägt. Ich verstehe die historischen Wurzeln dieser Einstellung und will das gar nicht kritisieren, doch ist es für mich als Westeuropäer manchmal befremdlich, zu beobachten, welch niedrigen Stellenwert das Gemeinwohl in der rumänischen Gesellschaft hat. Ich bin im Westen Europas aufgewachsen, dort ist es eher umgekehrt – die Gemeinnützigkeit spielt eine große Rolle. Dieser Mentalitätsunterschied überrascht mich auch heute noch immer wieder.“

  • Buchmesse Gaudeamus findet in Bukarest zum 30. Mal statt

    Buchmesse Gaudeamus findet in Bukarest zum 30. Mal statt

    Die Buchmesse Gaudeamus findet dieses Jahr bereits zum 30. Mal in Bukarest statt. Hunderttausende Titel erwarten auch dieses Jahr ihre Leser auf der Buchmesse, die vom öffentlich-rechtlichen Radiosender Radio Rumänien organisiert wird. Auf dem Programm stehen Buchvorstellungen, Debatten, Ausstellungen, Kinderveranstaltungen. Da Radio Rumänien in diesem Jahr sein 95-jähriges Jubiläum feierte, hat das Nationale Hörfunk-Theater aus diesem Anlass eine besondere Veranstaltung bei Gaudeamus vorbereitet. Attila Vizauer, Chefredakteur des Nationalen Hörfunk-Theaters kommt zu Wort mit Einzelheiten: “Die Buchmesse Gaudeamus ist diesem schönen 95-jährigen Jubiläum von Radio Rumänien gewidmet. Auf der diesjährigen Gaudeamus-Messe wollen wir eine Sammlung von Hörspielen präsentieren, die natürlich den Büchern gewidmet ist, den literarischen Meisterwerken, die im Laufe der Jahre geschrieben wurden. Zu diesem Anlass haben wir eine Sammlung mit dem Titel 95 Jahre Radio, 95 Jahre Literatur zusammengestellt. Wir dachten natürlich an die begeisterten Leser und Leserinnen rumänischer und internationaler Literaturwerke. Die Sammlung ist unter www.eteatru.ro zu finden und wird bei der Eröffnung der Gaudeamus-Messe vorgestellt.”



    Der Verlag Casa Radio hat für diese Sonderausgabe der Gaudeamus Buchmesse viele Veranstaltungen für Kinder vorbereitet. Ligia Necula vom Verlag Casa Radio: “Der Verlag Casa Radio ist bekanntlich mit der Geschichte des öffentlichen Rundfunks verbunden. Dieses Jahr, anlässlich des 95-jährigen Jubiläums von Radio Rumänien und des 25-jährigen Bestehens des Casa Radio Verlags, werden wir in einer unseren Musiksammlungen, Radio-Legenden, den Komponisten und Dirigenten Mihail Jora vorstellen. Genauer gesagt bieten wir eine CD mit Ballettmusik, die von Mihail Jora komponiert wurde. Mihail Jora ist im Zusammenhang mit diesen Jubiläen auch deshalb wichtig, weil der Konzertsaal des rumänischen Rundfunks seinen Namen trägt.



    In der Musiksammlungen Profil Interpretativ präsentieren wir einen Namen, der immer wieder ein gro‎ßes Publikum anzieht. Es handelt sich um den Geiger Alexandru Tomescu. Dieses Mal werden Alexandru Tomescu und die Stradivari-Geiger Elder Voicu Kompositionen von Beethoven, Brahms und Enescu vortragen, begleitet am Klavier von Sînziana Mircea”. Eine der Veranstaltungen, die am Stand des Verlags Casa Radio stattfinden, hat als Protagonistin die Schauspielerin Alexandrina Halic, die unvergessliche Rollen verkörpert hat, an die sich viele Generationen von Kindern erinnern. An der Veranstaltung, die in Zusammenarbeit mit dem rumänischen Radiotheater organisiert wird, nimmt der Schriftsteller und Publizist Ion Moldovan teil, Autor des Buches Alexandrina Halic. Die magische Welt des Radiotheaters.

  • Literaturübersetzer Jan Willem Bos: ein Liebhaber rumänischer Kultur

    Literaturübersetzer Jan Willem Bos: ein Liebhaber rumänischer Kultur

    Jan Willem Bos, der heute einer der wichtigsten literarischen Übersetzer aus dem Rumänischen ins Niederländische ist, hat seine Memoiren geschrieben, beginnend mit seinen ersten Versuchen, Rumänisch zu lernen, und endend mit der Gegenwart, in der er ein sehr guter Freund Rumäniens und ein profunder Kenner der rumänischen Realitäten ist. Seine erste Begegnung mit unserem Land fand 1974 statt, als er 20 Jahre alt war, eine Episode, an die er sich in seinem Buch “Vom Rhein zur Donau und zurück” ausführlich und mit gro‎ßem Vergnügen erinnert und von der Jan Willem Bos jetzt erzählt: “Als ich anfing, die rumänische Sprache und Kultur zu studieren, wusste ich nichts über Rumänien. Ich kannte ein paar Sportinformationen und hatte auch von einem Nicolae Ceaușescu gehört, aber das war es auch schon. Aber als ich mit dem Studium begann, hatte ich das Bedürfnis, so schnell wie möglich nach Rumänien zu fahren. Erst nach drei Monaten Studium nutzte ich die erste Gelegenheit in den Osterferien, um nach Rumänien zu fahren und das Land aus erster Hand zu sehen. Und es war eine interessante Erfahrung, um es vorsichtig auszudrücken, nicht hundertprozentig angenehm, aber auch nicht unangenehm. Und es hat mich überzeugt, mein Studium fortzusetzen, auch nachdem ich mehr und mehr mit dem Land in Kontakt kam und natürlich immer mehr lernte. (…) Bei meinem ersten Besuch in Rumänien blieb ich etwa zweieinhalb Wochen, aber ich kam im Sommer desselben Jahres zurück, in dem ich 20 wurde. Beim zweiten Mal blieb ich zweieinhalb Monate, davon einen Monat für die Sommerkurse, die von der Universität Bukarest in Brasov organisiert wurden. Und dann bin ich mit meinem Freund Doru durch ganz Rumänien gereist. Wir fuhren nach Maramureș, wir fuhren ans Meer, wir fuhren nach Brasov, an viele Orte, und so lernten wir die Realitäten dieser Zeit direkter kennen.”



    Später, Ende der 1970er Jahre, studierte Jan Willem Bos dank eines Stipendiums für ausländische Studenten ein Studienjahr an der Universität von Bukarest. In dieser Zeit bereitete er seine Bachelorarbeit vor und kehrte zwischen 1982 und 1984 als Dozent für Niederländisch an die Universität Bukarest zurück. Noch während seines Studiums begann er, rumänische Texte zu übersetzen, zum einen aus dem Wunsch heraus, Freunden und Verwandten mitzuteilen, was er über Rumänien entdeckt hatte, zum anderen aus Freude an der Übersetzung literarischer Werke von einer Sprache in eine andere. Gleichzeitig entdeckte er die Rumänen und war fasziniert von den oft gegensätzlichen Realitäten in Rumänien. Die während des Kommunismus zutage getretenen Kontraste sind auch heute noch nicht verschwunden. Jan Willem Bos: “Ich möchte als Beispiel die Geschenke anführen, die ich von dem Dichter Leonid Dimov erhielt, als ich 1979 Rumänien verlie‎ß, nachdem ich ein Jahr in der Spezialisierung verbracht hatte. Bei meiner Abreise machte mir Herr Leonid Dimov, mit dem ich freundschaftlich verbunden war, zwei Geschenke. Er schenkte mir eine kleine oltenische Rinde, die bis heute an der Wand meines Arbeitszimmers hängt, und ein Exemplar der Zeitschrift “Sozialistische Ära”. Es war nicht nötig, das zu kommentieren. Ich verstand sehr gut, dass es zwei Rumänien gab: das alltägliche politische Rumänien mit all seinen Mängeln, Problemen und Spannungen und ein, sagen wir mal, ewiges Rumänien, das trotz der damaligen politischen Situation überlebte und in der Tat während der gesamten kommunistischen Periode recht gut überlebte.”



    Im Laufe der Jahre hat Jan Willem Bos mehr als 35 Bände (Prosa, Lyrik, Theater) aus dem Rumänischen übersetzt und etwa 150 Artikel und zehn Bücher über Rumänien veröffentlicht. In seinem Buch “Vom Rhein zur Donau und zurück” schreibt der Übersetzer ausführlich über seine literarischen Vorlieben und Freundschaften, von denen er uns nun einige mitteilt: “Ich habe die Literatur der Zwischenkriegszeit immer mit gro‎ßem Vergnügen gelesen, aber es ist mir nicht gelungen, Verlage zu finden, die unbedingt meine Lieblingsautoren veröffentlichen wollten. Ich versuche immer noch, wie schon seit vielen Jahren, Camil Petrescus Das Bett von Procust zu verlegen, und obwohl Liviu Rebreanu in den drei‎ßiger Jahren in Holland übersetzt wurde, denke ich, dass es eine neue Übersetzung verdient, da es nicht aus dem Rumänischen, sondern aus dem Französischen oder durch das Französische übersetzt wurde.



    Es ist mir gelungen, bei Pegasus Publishers in Amsterdam “The Old Court Crafts” zu veröffentlichen, das ein alter Wunsch von mir war und zu meinen Lieblingsbüchern der Literatur gehört. (…) Die Epoche des Übergangs spielt in der rumänischen Literatur eine wichtige Rolle, und ich übersetze auch sehr gerne zeitgenössische Literatur, und meine letzten beiden Bücher sind im vergangenen September erschienen. Es handelt sich um Varujan Vosganians Das Spiel der hundert Blätter und Mircea Cărtărescus Solenoid. Das sind sehr aufschlussreiche Beispiele. In naher Zukunft hoffe ich, mit der Arbeit an “Theodoros”, ebenfalls von Cărtărescu, beginnen zu können, einem Roman, der es zweifellos verdient, in so viele Sprachen wie möglich übersetzt zu werden.

  • In Iaşi findet zum 10. Mal das FILIT-Festival statt

    In Iaşi findet zum 10. Mal das FILIT-Festival statt

    Wie bei allen früheren Ausgaben des Festivals wird das Publikum die Gelegenheit haben, preisgekrönte Schriftsteller und wichtige Stimmen der zeitgenössischen Literatur aus dem In- und Ausland kennenzulernen.



    Zu den Gästen gehören John Boyne (Autor des Bestsellers Der Junge im gestreiften Pyjama, der in 58 Sprachen veröffentlicht wurde), Manuel Vilas (einer der bekanntesten und preisgekrönten Schriftsteller Spaniens), Boualem Sansal (ein französischsprachiger algerischer Schriftsteller, Gewinner des Grand Prix der französischen Akademie für Belletristik), Narine Abgarian (armenische Schriftstellerin, die vom The Guardian zu einer der sechs besten europäischen Autorinnen ernannt wurde, Bestsellerautorin mit dem Roman Vom Himmel fielen drei Äpfel) und der rumänische Schriftsteller und Philosoph Andrei Pleșu.



    Fünf Tage lang finden während des FILIT Dutzende von Veranstaltungen statt: literarische Begegnungen mit Stars der Weltliteraturszene, Weiße Nächte der Poesie und Musik, Workshops und professionelle Gesprächsrunden, Konzerte und Lesungen. Vom 3. bis 7. Oktober fanden die 8. FILIT-Workshops für Übersetzer statt, die vom Nationalen Museum für Rumänische Literatur in Iasi in Zusammenarbeit mit dem Ipotești Memorial – dem Mihai Eminescu Nationalzentrum für Studien organisiert wurden.



    Die Workshops bieten einen Ausbildungs- und professionellen Kommunikationsrahmen für Übersetzer aus dem Rumänischen in eine Fremdsprache. Die Teilnehmer dieser Ausgabe kamen aus zehn Ländern: Jale Ismayil (Aserbaidschan), Monica Constandache (Schweiz), Alexey Kubanov (Kasachstan), Joanna Kornás-Warwas (Polen), Ferenc André und Csanád Száva (Rumänien, Übersetzer für die ungarische Sprache), Monica Cure (Rumänien/USA), Eliza Filimon (Rumänien, Übersetzerin ins Englische), Roxana Ilie (Rumänien, Übersetzerin ins Deutsche), Đura Miočinović (Serbien), Klara Rus (Slowenien), Elena Borrás (Spanien), Gabriella Koszta (Ungarn). Wir sprachen mit Florin Lăzărescu, Schriftsteller und Mitglied des FILIT-Teams, über die Bedeutung des Festivals für Übersetzer und seine Relevanz für das rumänische Publikum.



    Deshalb haben wir es auch Internationales Literatur- und Übersetzungsfestival Iasi genannt, weil wir den Übersetzern besondere Aufmerksamkeit schenken, insbesondere den Übersetzern aus dem Rumänischen in eine Fremdsprache. Neben diesen Workshops gibt es während des FILIT auch einige Veranstaltungen, die sich auf Übersetzer konzentrieren, von professionellen Treffen mit Literaturagenten und Übersetzern bis hin zu Workshops für Gymnasiasten. Konkret gehen die Übersetzer in die Gymnasien und bringen den Schülern das Übersetzen bei. Was das FILIT-Publikum angeht, so sind 80% der Besucher des Festivals jung und sehr jung, und ich kann sagen, dass ich froh bin, dass FILIT ihre Existenz prägt.


    Ich werde zwei Beispiele nennen, weil das Geschichten sind, die das Publikum in letzter Zeit gehört hat. Gabriela Vieru ist bereits eine bekannte Literaturkritikerin, sie gehört zur Redaktion der Zeitschrift Timpul. Sie ist jedes Jahr zu FILIT gekommen, hat bei den vergangenen Ausgaben als Freiwillige mitgearbeitet und moderiert dieses Jahr zwei Veranstaltungen. Neulich erzählte mir Gabriela Vieru, dass sie bei FILIT zum ersten Mal Schriftstellerinnen und Schriftsteller gesehen hat, von denen sie vorher noch nie etwas gehört hatte. Die Tatsache, dass das Leben einer Literaturkritikerin von der 9. Klasse bis heute von FILIT geprägt ist, erscheint mir außergewöhnlich.


    Und das ist nicht das einzige Beispiel, das ich anführen kann. Zu dieser Ausgabe von FILIT ist auch Ioan Coroamă eingeladen, der seit seinem Debüt als neue, hoch geschätzte Stimme der rumänischen Poesie gilt. Als ich ihn zum Festival einlud, erzählte er mir, dass er seit der 6. Klasse zu FILIT kommt und dass FILIT sehr wichtig für ihn sei, er sei mit diesem Festival aufgewachsen. Diese Begegnungen mit Schriftstellern sind meiner Meinung nach sehr wichtig für die Öffentlichkeit, insbesondere für das junge Publikum. In diesem Jahr besuchen die FILIT-Gäste 18 Gymnasien nicht nur in Iasi, sondern auch in anderen Orten des Landes. Und diese Leute sind Schriftsteller, Übersetzer, Fachleute aus der Literaturbranche, ich wollte betonen, dass wir nicht nur Schriftsteller treffen. Das scheint mir eines der wichtigsten Dinge zu sein, die FILIT macht: Es gelingt ihm, die Perspektive auf Literatur zu verändern, es zeigt, dass Literatur spektakulär und interessant sein kann, dass Literatur lebendig ist.



    Bei FILIT 2022 werden die rumänischen Prosaautoren Cezar Amariei, Remus Boldea, Adrian Cioroianu, Bogdan Coșa, Filip Florian, Lavinica Mitu, Liviu Ornea, Ioana Pârvulescu, Dan Perșa, Bogdan Suceavă und Anca Vieru auftreten. Gleichzeitig werden wichtige Namen der Poesie an der 10. Ausgabe von FILIT teilnehmen: Răzvan Andrei, Ion Buzu, Ioan Coroamă, Teona Galgoțiu, Anastasia Gavrilovici, Sorin Gherguț, Claudiu Komartin, Ileana Negrea, Cătălina Stanislav, Veronica Ștefăneț, Mihók Tamás. In der Casa Fantasy werden die Schriftsteller O.G. Arion, Michael Haulică, Liviu Surugiu, Daniel Timariu und Marian Truță zu Gast sein, in der Casa Copilăriei die Illustratorin Sidonia Călin und die Autoren Ioan Mihai Cochinescu, Simona Epure, Iulia Iordan und Radu Țuculescu. An besonderen Veranstaltungen werden die Journalistin Elena Stancu und der Fotograf Cosmin Bumbuț teilnehmen, und der Fotograf Mircea Struțeanu wird sich mit einem literarisch-künstlerischen Projekt beteiligen.

  • Parol, mon cher: Literaturwettbewerb für Gymnasiasten

    Parol, mon cher: Literaturwettbewerb für Gymnasiasten

    Der Wettbewerb legt den Akzent auf die Werke des Dramatikers I. L. Caragiale legt. Kurzprosa, Lyrik und Drama sind die drei Kategorien, in die die an die Bibliothek gesendeten künstlerischen Werke fallen müssen. “Parol, Mon Cher” ist ein Wettbewerb, der sich an literarisch interessierte Schülerinnen und Schüler der Klassen IX-XII richtet, die ihre Arbeiten in einem Schulwettbewerb präsentieren möchten.



    Die besten Arbeiten werden in einer Anthologie mit Texten veröffentlicht, die vom Verlag der Bukarester Stadtbibliothek in der Reihe Literatur ohne Alter gedruckt wird. Die Stadtbibliothek Bukarest ist ein Netz öffentlicher Bibliotheken unter der Schirmherrschaft des Bukarester Rathauses. Ramona Mezei, Direktorin der Stadtbibliothek Bukarest. “Alle eingegangenen Beiträge werden von einer Fachjury bewertet, die die Gewinner des Wettbewerbs für jede Kategorie auswählt. In jeder Kategorie werden drei Preise und einen Sonderpreis vergeben. Ich möchte erwähnen, dass die erste Ausgabe dieses Literaturwettbewerbs für Gymnasiasten die Stadt Bukarest zum Thema hatte und die zweite Ausgabe die Welt von morgen, in der sich die Gymnasiasten mit einem Genre auseinandersetzten, das ihnen sehr am Herzen liegt, nämlich Fantasy. Ziel dieses Projekts ist es, das literarische Schaffen von Gymnasiasten in Bukarest zu fördern. Wir glauben, dass es unsere Aufgabe als öffentliche Bibliotheken ist, intellektuelle Bestrebungen zu unterstützen, lebenslanges Lernen zu fördern und den Lesern sowohl die Ressourcen als auch das Umfeld zur Verfügung zu stellen, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen.



    Seitdem wir diesen Wettbewerb gestartet haben, konnten wir erfreulicherweise feststellen, dass junge Menschen über eine au‎ßergewöhnliche Kreativität verfügen, und unsere Aufgabe besteht einfach darin, diese Kreativität zu fordern und zu fördern. Ein weiteres Projekt der Stadtbibliothek ist das kreative Schreibprojekt für Grund- und Sekundarschüler, das in diesem Jahr unter dem Motto FRIEDEN steht. Ausgehend von den Buchstaben des Wortes ermutigen wir die Kinder, in unseren Zweigstellen an kreativen Schreibworkshops teilzunehmen und Geschichten über Frieden, Erinnerungen, Reisen und Gefühle zu schreiben. Auch dieses Projekt ist Teil der Reihe Literatur ohne Alter und soll die Schreibfähigkeiten der Kinder fördern und ihre Fantasie anregen.”



    Kreative Schreib- und Illustrationsworkshops für Kinder werden bis Ende August in allen Zweigstellen der Stadtbibliothek Bukarest und in Schulbibliotheken organisiert. Die am besten bewerteten Texte werden in einer Anthologie des Bibliothekverlags veröffentlicht.

  • Radio România Cultural vergibt erneut seine Preise

    Radio România Cultural vergibt erneut seine Preise

    Die Gala ist die einzige Veranstaltung, die alle Bereiche der Kultur in Rumänien auszeichnet, wobei bei dieser Jubiläumsausgabe die wichtigsten Leistungen der rumänischen Kultur im Jahr 2021 gewürdigt wurden.



    Der Preis für herausragende Leistungen im Rahmen der Gala von Radio Rumänien Kultur ging an Dr. Cătălin Denciu und das Team der Intensivstation des Kreiskrankenhauses Piatra-Neamț, die ihr Leben aufs Spiel setzten, um ihre Patienten während des tragischen Brandes im Jahr 2020 zu retten. Der Sonderpreis für Bildung ging an die Mathematik-Ausbildungsplattform MateX.xyz. Die Plattform wurde von 8 Olympia-Teilnehmern mit dem Ziel geschaffen, arme Schüler der 8. Klasse online auf die nationale Prüfung vorzubereiten.



    Der Sonderpreis für Wissenschaft ging an den Graphs.ro-Gründer Dragos Vana. Täglich wurden auf seiner Plattform Daten über die Entwicklung der Coronavirus-Pandemie in Rumänien und Informationen über die Anti-COVID-Impfkampagne veröffentlicht. Im April 2020 als persönliches Projekt mit persönlichen Ressourcen gestartet, hat sich Graphs.ro zu einer Referenzquelle und einem unverzichtbaren Instrument zur Verfolgung der Entwicklung der Pandemie in Rumänien entwickelt.



    Der Sonderpreis für Literatur ging an die Buchhandlung Zwei Eulen in Timișoara, ein kulturelles Großprojekt, ein Beispiel für das kulturelle Überleben in den schwierigen Tagen der Abriegelung. Raluca Selejan und Oana Doboși, die Gründerinnen der Buchhandlung Zwei Eulen, beim Entgegennehmen des Sonderpreises für Literatur von RRC:



    Vielen Dank an RRC und die Jury, die uns für diesen Preis nominiert haben. Es ist eine Auszeichnung, die zu einem Zeitpunkt kommt, an dem wir nach zwei sehr harten Jahren fast bereit waren, die Waffen niederzulegen, aber sie erinnert uns daran, dass sich eine so wunderbare Gemeinschaft um unsere Buchhandlung gebildet hat, die uns in einer sehr schweren Zeit zur Seite steht, ohne zu wissen, dass wir eine sehr schwere Zeit haben. Wir möchten uns bei unseren Eltern bedanken, die uns immer unterstützt haben und denen wir es zu verdanken haben, dass unsere Buchhandlung überlebt hat, sowie bei all unseren Freunden. Die Pandemie war eine schwierige Zeit, denn in unserem Land ist das Buch, wie Sie wissen, nicht essentiell, die Buchhandlungen sind nicht gesetzlich geschützt, wir haben kein Gesetz über den Einzelpreis eines Buches, also sind die einzigen, die diesen Markt und die Bücher schützen können, die Leser.



    Wir möchten auch dem Professor und Schriftsteller Daniel Vighi danken, der, als wir noch sehr jung waren, in einer Weise an uns geglaubt hat, wie es nur wenige taten, der uns ermutigt hat, das zu werden, was wir heute sind, und von dem wir gelernt haben, dass es in der Literatur so etwas wie ein Wochenende, einen Feiertag oder ein Fest nicht gibt. Von Daniel Vighi haben wir auch gelernt, dass die größte Freude an der Literatur der Moment der Einsamkeit der Begegnung zwischen Text und Leser ist, und deshalb hoffen wir, dass wir Ihnen so viele Bücher wie möglich nahebringen können. Wir fordern Sie auf, den physischen Buchhandel zu unterstützen, denn die Buchhändler erwarten Sie dort mit großer Hingabe.



    Simona Popescu wurde bei der RRC-Gala für Das Buch der Pflanzen und Tiere (erschienen bei Nemira) ausgezeichnet. Simona Popescu ist ferner Autorin mehrerer Gedichtbände, die in der Sammlung Opera poetica (2021) vollständig abgedruckt wurden. Mein Plädoyer für die Poesie, 2006. Sie schrieb außerdem den Roman Exuvii (1997), den Essayband Volubilis (1998) und kritisch-fiktionale Arbeiten über den surrealistischen Dichter Gellu Naum. Simona Popescu bei der Entgegennahme des RRC-Preises:



    Ich danke der Jury und fühle mich geehrt, dass dies eine Auszeichnung von RRC ist. Vielen Dank für Ihren Besuch in meinem Garten mit seiner Öffnung zum Meer und zum Ozean, wie ich das Buch nenne. Es handelt sich um ein Buch von über 300 Seiten mit Dutzenden von Pflanzen und Tieren, die eigentlich ein Vorwand sind, um über die Welt im weiteren Sinne zu sprechen, über die menschliche Gattung, nicht nur über Pflanzen und Tiere, und um viele Themen der Literatur anzusprechen, seien sie groß, klein oder mittelgroß. Meine besten Gedanken gelten meinen guten Freunden, die mit mir nominiert wurden, Ștefania Mihalache und Miruna Vlada, und natürlich all jenen, die im Jahr 2021 gute und sehr gute Gedichtbücher, aber nicht nur Gedichte, geschrieben haben.



    Alina Nelega wurde in der Kategorie Prosa für ihren Roman Eine Wolke in Form eines Kamels (Verlag Polirom) ausgezeichnet und in der Kategorie Theater – das Theater Andrei Mureșanu aus Sfântu Gheorghe für die Aufführung Consent von Evan Placey unter der Regie von Radu Afrim. Der Film Otto der Barbar unter der Regie von Ruxandra Ghițescu erhielt den RRC-Preis in der Kategorie Film, und die vier Einzelausstellungen von Mircia Dumitrescu wurden in der Kategorie Bildende Kunst belohnt.



    Der Preis in der Kategorie Wissenschaft ging an Răzvan Cherecheș – er ist Leiter der Abteilung für öffentliche Gesundheit an der Fakultät für Politik-, Verwaltungs- und Kommunikationswissenschaften der Babeș-Bolyai-Universität Cluj und war für die Kampagne zur Bekämpfung von COVID im öffentlichen Gesundheitswesen in Rumänien verwantwortlich. In der Kategorie MUSIK wurden Nicu Alifantis & Zan für ihr Album Dimov – Leoneed is love ausgezeichnet und in der Kategorie Bildung die Narada Association für Projekte, die die Technologie des 21. Jahrhunderts dem Bildungswesen näher bringen.

  • “Ich ergebe mich der inneren Diktierstimme”

    “Ich ergebe mich der inneren Diktierstimme”

    Nora Iugas letzter Roman, Hipodrom (zu Deutsch in etwa Reitbahn) erschien 2020 — heute entspannt sie sich mit Gedichteschreiben. Von der am 4. Januar 1931 geborenen Nora Iuga erschienen in deutsche Sprache mehrere Titel, zum Beispiel 2003 Der Autobus mit den Buckligen, im Verlag Akademie Schloss Solitude, Stuttgart, dann 2007 der Gedichtband Gefährliche Launen bei Klett-Cotta, beide übersetzt von Ernst Wichner. Ihren Roman Die Sechzigjährige und der junge Mann, erschienen 2010 bei Matthes & Seitz in Berlin, übersetzte Eva Ruth Wemme. Ihre rumänischen Texte sind viel zahlreicher, ihre eigenen Übersetzungen aus dem Deutschen ebenfalls. 2007 wurde Nora Iuga mit dem “Friedrich-Gundolf”-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung ausgezeichnet, und 2015, bzw. 2017 verliehen ihr zunächst die Bundesrepublik und dann auch ihre eigene Heimat Rumänien den jeweiligen Verdienstorden.


    Mit RRI sprach Nora Iuga, die mit dem wirklicher Namen Eleonora Almosnino hei‎ßt, vor allem über ihren neusten Roman, Hipodrom. Ein stark an ihre eigene Biografie angelehnter Lesestoff, gewidmet der Stadt, die sie als junge Frau prägte. Sibiu, deutsch Hermannstadt. Hier lernte die eigentlich in Bukarest geborene Autorin die Nonnen am Ursulinenkloster kennen, hier entdeckte sie den Schimmel Jovis im Schaufenster bei Schuster, hier unterrichtete sie im Kommunismus Deutsch, hier liebten sie ihre Schüler:



    “Dieses Buch ist ein viel älteres Projekt. Seit gut 15 Jahren spiele ich mit dem Gedanken, dass ich dieser Stadt etwas schulde. Aber es geht nicht etwa um eine Geldschuld… dass ich Geliehenes zurückzahle. Ich reite im Buch auf diesem Namen Hermannstadt herum — es ist dieser Hermannstadt, der ich mich verbunden fühle, weniger dem heutigen Sibiu. Dort habe ich als Zehnjährige zum ersten Mal das Kribbeln der Liebe gespürt und nicht begriffen, was dieses Knäuel an Gefühlen bedeutet. Ich konnte mir nicht erklären, was das genau war, als ich eines Winterabends auf der Hauptstra‎ße zum Römischen Kaiser rannte, zum grö‎ßten sächsischen Hotel der Stadt. Dort trat mein Vater als Violinist und Orchesterleiter auf und ich beeilte mich, ihm sein Bogenharz, sein Kolophonium zu bringen. Diese Stadt gab mir Gelegenheit, Menschen zu begegnen, die mein Schicksal prägten — viele von ihnen weilen nicht mehr unter uns. Meine Nonnen aus dem Ursulinenkloster, denen ich die Hälfte meines Wesens verdanke, gibt es nicht mehr. Nicht zufällig schreibe ich im Buch über Nora A und Nora B, ich bin gebaut aus zwei gegensätzlichen Hälften, aber das ist nicht ungewöhnlich. Ich bin überzeugt, dass es in jedem von uns solche zwei antagonistische und fast nicht zueinanderpassende Figuren gibt, die sich ständig streiten. Und während Nora A leichtsinnige Streiche spielt, liest ihr Nora B in ihrer Weisheit die Leviten,” erzählt die Autorin Nora Iuga.



    Ihr Roman Hipodrom spielt während nicht weniger als drei Diktaturen: Iuga lebte als Kind zuerst im Karlismus von König Carol dem II., dann unter der Militärdiktatur von Ion Antonescu und wurde schlie‎ßlich im Kommunismus erwachsen. Wie geht sie denn um mit den vielen Erinnerungen?



    “Es gibt zwei Arten von Schriftstellern: die einen konstruieren bewusst Verläufe, die anderen ergeben sich der inneren Stimme. Ich gehöre offensichtlich zur zweiten Art. Diese innere Diktierstimme kann mit einem Erinnerungsschwall verglichen werden, den wir nicht kontrollieren können. Einige dieser Erinnerungen sind derart konkret, dass man sich fast davor fürchten kann. So können wir Ereignisse fast so erleben, wie sie sich zugetragen haben. Erinnerungen sind irgendwie wie Träume: sie können die leicht veränderte Gestalt von Dingen annehmen, die sich vor langer Zeit ereignet haben. Man hat dieses bestimmte Deja-vu-Gefühl, das man das alles ja einmal erlebt hat. Wenn man dann alt wird, geht man in sich hinein und sondiert das eigene Innenleben, das ist das Schönste im Alter– das hei‎ßt aber nicht, dass man sich dabei nur auf das selbst Erlebte konzentrieren muss. Ich habe tatsächlich in drei Diktaturen gelebt, kann mir aber nicht schöneres vorstellen als die Monarchie, die ich als Kind miterlebt habe und als Zeit sehr liebe. Wir haben schon immer im Zeichen von Gegensätzen gelebt, aber als Kind erkannte ich nicht, dass es ungerecht ist, wenn Stra‎ßenverkäufer barfu‎ß herumlaufen. Wenn ich jetzt zurückdenke, kommt es mir vor, als sehe ich einen sehr poetischen Film. Ich kann mit der Welt nicht zu hart ins Gericht gehen, jeder von uns ist zutiefst in der eigenen Kindheit verwurzelt — und diese Wurzeln lassen sich nicht ziehen. Was aus heutiger Sicht verurteilt werden kann, war für mich damals ein Grund zu schierer Freude,” sagt die rumänische Literatin nachdenklich zum Schluss des Gesprächs.

  • Caragiale-Museum in Ploiești: Dramatiker verbrachte seine Jugend in der späteren Erdölstadt

    Caragiale-Museum in Ploiești: Dramatiker verbrachte seine Jugend in der späteren Erdölstadt

    Ion Luca Caragiale ist der Autor mehrerer berühmter Theaterstücke, darunter Ein verlorener Brief“, Eine stürmische Nacht“, D’ale carnavalului“ (Karneval“), Texte, die die rumänische Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschreiben, die ihre Zeit überdauerten und heute noch gültig sind. Wir betreten ein altes Haus, das hinter Wohnblöcken mit einer für die kommunistische Zeit typischen Architektur versteckt liegt, und sprechen mit der Kuratorin Monica Bostan über die Geschichte dieses Ortes:



    Das Museum wurde am 30. Januar 1962 eröffnet, dank der Fürsorge und den Bemühungen des Professors Nicolae Simache. Das Museum wurde als Hommage an unseren gro‎ßen Dramatiker von den Einwohnern der Stadt Ploiești 110 Jahre nach seiner Geburt eröffnet. Caragiale wurde am 30. Januar 1852 in Haimanale im Kreis Dâmbovița geboren, einem Dorf, das heute seinen Namen trägt. Im Alter von 6 Jahren zog er mit seiner Familie nach Ploiești. Nahezu seine gesamte Schulzeit, die besten Jahre seines Lebens, verbrachte er hier, in unserer Stadt.“



    Über die Jugend des gro‎ßen Schriftstellers erzählt uns Monica Bostan folgendes:



    In der zweiten Klasse fand der denkwürdige Besuch des Herrschers Alexandru Ioan Cuza in Ploiești statt, und er besuchte die Klasse, in der Caragiale Schüler war und Vasile Drăgoșescu unterrichtete. Später hielt er diesen Besuch in seiner Schrift »Nach 50 Jahren« fest. Darin nannte er seinen Lehrer seinen geistigen Vater und sagte, dass er die rumänische Sprache dank dieses Lehrers beherrscht. In der Schrift finden wir auch Erinnerungen an Zaharia Antinestu, seinen Französischlehrer, der ihm als Vorbild für eine der Hauptfiguren im Theaterstück »Der verlorene Brief« gedient haben soll. Im Jahr 1864 wurde das Gymnasium »Die Heiligen Petrus und Paulus« in Ploiești gegründet und er selbst wurde in das zweite Studienjahr eingeschrieben. Er absolvierte das Gymnasium 1867 als fünfter von acht Schülern. Wir haben auch das Klassenbuch des letzten Jahres der Sekundarstufe, des Schuljahres 1866–1867. Darin wird mit Rot die schulische Leistung Caragiales hervorgehoben, der, wie gesagt, als fünfter von acht Schülern abschloss. Er war nicht unter den Besten, hatte keine sehr guten Noten in Rumänisch, wie wir es erwartet hätten, aber sehr gute Noten in Französisch, Mathematik und Geschichte. Französisch wird er später an einem privaten Gymnasium in Bukarest unterrichten. Nach dem Abschluss des Gymnasiums in Ploiești studierte er für ein weiteres Jahr auf ein Gymnasium in Bukarest und zwei Jahre Pantomime und die Kunst der Deklamation am Konservatorium für Dramatische Kunst in Bukarest, in der Klasse seines Onkels väterlicherseits, Costache Caragiali.“



    Ion Luca Caragiale entstammte einer Schauspielerfamilie. Seine Onkel hatten die ersten Theatergruppen geleitet und gelten als die Gründer des modernen rumänischen Theaters. Sogar der Nationaldichter Mihai Eminescu war Mitglied der Theatergruppen seiner Onkel. Ihre Freundschaft reicht bis in diese Zeit zurück. Caragiale selbst arbeitete als Souffleur, Theaterkopist, Korrektor, Lehrer, Schulinspektor und Gastwirt.



    Die Kuratorin Monica Bostan führt uns weiterhin auf einem kurzen Rundgang durch das Museum und stellt uns einige Exponate vor:



    Im zweiten Raum wird das Universum der Häuser, in denen Caragiale lebte, rekonstruiert. Bekannterma‎ßen besa‎ß der Schriftsteller nie ein eigenes Haus. Er lebte zeit seines Lebens in Miete, wovon die Novelle »Caut casă« (deutsch: »Suche ein Haus«) zeugt. An der Wand hängt ein Kristallspiegel mit Palisanderrahmen, der dem Schriftsteller gehörte, genauso wie der runde einbeinige Couchtisch, auch die anderen Möbel — der Tisch, die Stühle, das Sofa, der Teppich an der Wand — gehörten dem Schriftsteller sowie die beiden Original-Gemälde, die Steingutschale und der Bierkrug mit Deckel. Bilder von Eminescu und Caragiale als Jugendliche begrü‎ßen uns im Flur, ein weniger bekanntes Bild von Caragiale stammt aus der Zeit, als er 20 Jahre alt war und die Kurse am Konservatorium für dramatische Kunst besuchte. Die Büste des Schriftstellers hat der bekannte Bildhauer Ion Jalea angefertigt, wir sehen Karikaturen, Skizzen von Kostümen, eine Porträtgalerie von Schauspielern, die Caragiales Figuren Leben einhauchten, das Porträt seiner Tochter, Ecaterina Caragiale, im reifen Alter und darüber das Gemälde des Hauses, in dem er in Bukarest lebte. Das Haus existiert heute noch, in der Maria-Rosetti-Stra‎ße. Gegenüber befindet sich eine Statue des Schriftstellers.“



    1908 zog Caragiale nach Berlin, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1912 lebte. Ihm zu Ehren wurde am Hohenzollerndamm 201 in Berlin-Wilmersdorf eine Gedenktafel errichtet. In Berlin-Pankow erinnert eine Stele an den gro‎ßen rumänischen Schriftsteller.



    Audiobeitrag hören:



  • Theaterregisseur Alexander Hausvater veröffentlicht drei Romane gleichzeitig

    Theaterregisseur Alexander Hausvater veröffentlicht drei Romane gleichzeitig

    In dieser Zeit der Pandemie, die der Kulturbranche besonders schwer zugesetzt hat, fand auf der Bühne des Theaters Stela Popescu“ in Bukarest ein literarisches Ereignis statt. Der in Rumänien geborene Regisseur Alexander Hausvater, eine umstrittene Figur im rumänischen Theater für seine kühnen Visionen, hat im Laufe des letzten Jahres drei Romane veröffentlicht. Es handelt sich um Aici Radio Eros“/Hier Spricht Radio Eros“, Penumbra“/Halbschatten“ und Dor călător“/Reisender Spleen“, alle drei erschienen im Verlag Integral.



    Über diese Bände und ihren Autor sprechen wir mit dem Schriftsteller Varujan Vosganian:



    Diese drei Bücher habe ich unlängst gelesen und sie gaben mir einen Einblick in einen Geist, der keine Ruhe hat, der ungeduldig in seiner täglichen Existenz ist, denn seine Bücher führen den Leser zu anderen Horizonten. Die Bücher erinnerten mich an einen Film, den ich jüngst gesehen habe, in dem ein Gro‎ßteil der Handlung in der 5. und dann in der 6. Dimension spielt. Genauso wirken auch Alexander Hausvaters Bücher, sie können den Leser aus seinem Wohnzimmer direkt auf die Stra‎ße oder sogar in eine andere Stadt oder ein anderes Land versetzen. Die Orte, an die uns der Schriftsteller führt, haben nicht unbedingt einen Namen — es ist das Land, das er verlassen hat oder in dem er angekommen ist, und die Handlung findet in einer unbestimmten Zeit statt. Der Autor ist auch Regisseur — und er nimmt sich sogar die Freiheit, uns Regieanweisungen zu geben, indem er uns zum Beispiel sagt, wir sollen dieses und jenes Lied bis zu einer bestimmten Minute hören, er ist sehr streng mit den Lesern bei der Lektüre seines Textes, der nicht einfach so gelesen werden kann. Er nimmt uns sanft an die Hand und nimmt uns mit auf einer Fantasie-Reise mit.“




    Der Verlagsleiter Cornel Postolache ist auch begeistert über die drei Neuigkeiten bei Integral, die er als gro‎ße Überraschung betrachtet:



    Nach mehreren Theaterbüchern, die vor einem Jahrzehnt veröffentlicht wurden, nach dem Rätselroman »Ce dacă?« (»Na und?«), erschienen 2017, kommt nun die eigentliche Überraschung, dass diese drei Romane auf einmal erscheinen. Ich hatte die Gelegenheit, der erste Leser zu sein, und ich war davon total begeistert. Alle drei sind bewegende, tief berührende Bücher, die so viele und unterschiedliche Gefühle abdecken, denn man muss nur die erste Seite lesen, um zu sagen: Wow, das ist ja ein Schriftsteller!“




    Die Veranstaltung endete mit einer Rede des Autors, der von der Reaktion des Publikums tief bewegt war. Für Alexander Hausvater war es eine Gelegenheit, sich mit dem kreativen Prozess auseinanderzusetzen, denn die drei Geschichten in den Romanen sind von der Corona-Pandemie inspiriert. Alexander Hausvater:



    Ich möchte über diese besondere Situation sprechen, die durch die Pandemie im Kopf eines Künstlers entstanden ist, der 30, ja 40 Jahre lang am Theater gearbeitet hat und vergeblich nach Autoren gesucht hat, deren Texte er adaptieren könnte. Und plötzlich findet sich dieser Künstler in einer unerträglichen Situation wieder, erdrückt von den Wänden seines eigenen Hauses, erstickt von der Maske und der Abwesenheit von menschlichen Kontakten. Und dann überfallen ihn Geschichten, die in seinem Kopf geboren werden. Mein ganzes Leben lang habe ich mich für einen Geschichtenerzähler gehalten, für jemanden, der sich Geschichten ausdenkt und am Ende auch die Rolle des Zuschauers einnimmt. Als ich diese drei Romane beendete, wurde mir klar, dass eine ähnliche Geschichte wie jene in »Halbschatten« während des Zweiten Weltkriegs im Hotel Europe in Warschau stattgefunden hatte. In diesem Hotel versammelten die Nazis die reichsten Juden der Stadt, und im Austausch für ihr Vermögen wurde ihnen ein Visum nach Argentinien angeboten. Der Roman »Hier spricht Radio Eros« hat seinen Ursprung in einem meiner Werke für das kanadische Fernsehen, während die Geschichte von »Der reisende Spleen« von der Beziehung zu meinem Vater inspiriert wurde, der tiefsten, widersprüchlichsten, schwierigsten und doch wertvollsten Beziehung, die ich je in dieser Welt hatte.“




    Der grö‎ßte Wunsch eines Schriftstellers sei es, gelesen zu werden und dass die Literatur, genau wie die Liebe, uns bis zum Ende des Lebens begleitet, sagte der Autor und Regisseur Alexander Hausvater zum Schluss unseres Gesprächs:



    Man fragt sich, warum jemand seine Zeit mit dem Schreiben verschwendet? Nun, im Gegensatz zum Theater, wei‎ß man das bei der Literatur nie. Vielleicht findet ein Kind eines Tages, am Ende unseres Jahrhunderts, eine Truhe auf einem Dachboden, öffnet sie und findet ein Buch, das Jahre zuvor veröffentlicht wurde. Und da es drau‎ßen zu hei‎ß ist, bleibt er drinnen und beginnt zu lesen. Das ist alles, worauf ein Autor hofft: gelesen zu werden. Demnach ist die Suche nach Liebe der rote Faden, der durch unser Leben zieht. Warum das so ist? Ganz einfach, weil die Liebe etwas ewig Währendes sein muss, das uns von der Geburt bis zum Tod begleitet. Also, wenn ein Leser beim Lesen meiner Romane das Bedürfnis verspürt, seine Frau in den Arm zu nehmen und zu küssen, nun, dann ist meine Wette gewonnen.“

  • Nachrichten 01.03.2021

    Nachrichten 01.03.2021

    — Das Parlament ist am Montag zusammengekommen, um im Plenum über den Entwurf des öffentlichen Haushalts und des Haushalts für die Sozialversicherung für das laufende Jahr zu debattieren. Die endgültige Abstimmung ist für morgen vorgesehen. Beide Texte passierten gestern die Haushalts- und Finanzausschüssen des Parlaments, wobei keiner der etwa 4.000 eingereichten Änderungsanträge angenommen wurde. Die meisten von ihnen wurden von ihren Initiatoren nicht mehr vorgebracht. Diese werfen der Exekutive vor, einen Sparhaushalt aufgestellt zu haben. Die Regierung behauptet hingegen, der Staatshaushalt stelle die Entwicklung sicher und unterstütze die Reformen. Nach Meinung des Finanzministers Alexandru Nazare, wird der Haushalt eine wirtschaftliche Erholung ermöglichen, ohne Lohnkürzungen oder Steuererhöhungen vornehmen zu müssen.




    — Vertreter der Föderation Gesundheitssolidarität“ protestieren am Montag und Dienstag in Bukarest, während das Parlament über den Entwurf des öffentlichen und des Sozialversicherungshaushalts für das laufende Jahr berät. Die Demonstranten wollen die Parlamentarier überzeugen, Änderungen zu verabschieden, die mehr Geld für das Gesundheitswesen und die Erhöhung der Gehälter im Gesundheitsbereich vorsehen. Darüber hinaus fordern die Demonstranten Ma‎ßnahmen, durch welche die Legislative einen besseren Schutz für das Gesundheitspersonal gewährleistet und die Zahl derer, die sich mit dem Virus infizieren oder an diesem sterben, verringert.




    – 130 neue Impfzentren sind am 1. März in Rumänien eröffnet worden. Bisher wurden über 915.000 Menschen gegen Covid-19 geimpft. Am Montag wird Rumänien eine neue Lieferung von mehr als 214.000 Dosen des Pfizer/Biontech-Impfstoffs erhalten. Darüber hinaus hat der Arzt Valeriu Gheorghiţă, der Leiter der Nationalen Impfkampagne, angekündigt, dass die dritte Etappe der Impfung im April beginnen wird. Die Rumänen, die sich einschreiben möchten, forderte er auf, beginnend mit den 15. März einen Termin auf der Online-Plattform zu reservieren. In der Zwischenzeit warnt das Gesundheitspersonal vor der dritten Corona-Welle, und ruft die Bevölkerung auf, weiterhin die Vorsorge-Ma‎ßnahmen einzuhalten, das hei‎ßt: Masken tragen, Abstand halten und Händewaschen.


    In den letzten 24 Stunden wurden in Rumänien über 2.096 Corona-Fälle registriert. 53 Menschen sind im Zusammenhang mit dem Virus gestorben. 1.022 Corona-Patienten befinden sich auf Intensivstationen. Seit Beginn der Pandemie haben sich in Rumänien über 804 Tausende Menschen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert. Über 741.000 von ihnen gelten als gesund, mehr als 20.400 Infizierte sind gestorben.




    — Die Dacia-Werke in der südrumänischen Stadt Mioveni, die zum französischen Hersteller Renault gehören, werden im März und möglicherweise auch im April die Produktion für je fünf Tage aussetzen. Ein Mangel an Halbleitern führte zu dieser Entscheidung. Nur einige wenige Abteilungen werden ihre Arbeit wie gewohnt fortsetzen.




    — Ein Online-Marathon der Gaudeamus-Buchmesse startet an diesem Montag. Die Veranstaltung wird von Radio Rumänien organisiert und findet den ganzen März über unter www.gaudeamus.ro statt. Mehr als 70 Aussteller, darunter die renommiertesten Verlage des Landes, Dutzende von Veranstaltungen, die neuesten Buchveröffentlichungen und auch viele Überraschungen erwarten die Besucher dieser Marathon-Ausgabe, die im Zeichen des Frühlingsanfangs steht. Dabei werden auch Sachbücher, Lyrik und Kinderliteratur vorgestellt.




    — Im Süden und Südosten Rumäniens ist der Himmel bedeckt. Vereinzelt werden Regen und Graupel erwartet. Der Wind weht mit mehr als 50 km/h, stärker auf den Berggipfeln, besonders in den Südkarpaten, wo die Böen 90 km/h erreichen. Die Höchsttemperaturen lagen am Mittag zwischen 4 und 12 Grad. In Bukarest wurden am Montagmittag 4 Grad gemessen.


  • Marian Ochoa de Eribe: Spanische Literaturübersetzerin aus dem Rumänischen mit Preis geehrt

    Marian Ochoa de Eribe: Spanische Literaturübersetzerin aus dem Rumänischen mit Preis geehrt

    Die spanische Version des Romans Der Sommer, als Mutter grüne Augen hatte“ von Tatiana Țîbuleac, der 2019 im Verlag Impedimenta erschien, wurde mit dem Europäischen Romanpreis Casino de Santiago“ ausgezeichnet. Die spanische Literaturkritikerin und Schriftstellerin Marian Ochoa de Eribe unterzeichnet die spanische Übersetzung. Werke von Eric Vuillard, Paolo Giordano und Pedro Feijo sind ebenfalls auf der Kurzliste dieser Auszeichnung zu finden. Bisherige Preisträger des renommierten Preises sind allerdings Jonathan Coe, Kazuo Ishiguro, John Lanchester und Emmanuel Carrère. Der Sommer, als Mutter grüne Augen hatte“ ist der Debütroman von Tatiana Țîbuleac, einer ehemaligen Journalistin aus Chișinău, Moldaurepublik, die heute in Paris lebt. Die spanische Version des Romans wurde 2019 mit dem Cálamo-Preis ausgezeichnet, der von der Buchhandlung Cálamo in Zaragoza verliehen wird. Tatiana Tîbuleacs Debütroman wurde in Rumänien 2016 veröffentlicht. Im Mittelpunkt des Romans steht die emotionale Beziehung einer Mutter zu ihrem Sohn. Ihr Roman Der gläserne Garten“, der 2018 im Cartier Verlag in Chișinău erschienen ist, wurde 2019 mit dem Literaturpreis der Europäischen Union geehrt.



    Wir haben mit Marian Ochoa de Eribe gesprochen. Sie erzählte über Entstehungsgeschichte der Übersetzung und wie der Roman im spanischsprachigen Raum aufgenommen wurde. Marian Ochoa de Eribe:



    Die Geschichte der Übersetzung ist absolut wunderbar. Bei der Madrider Buchmesse 2018 war Rumänien Ehrengastland, und ich leitete die Preisverleihung, bei der auch Mircea Cărtărescu dabei war. Noch während der Messe bin ich auf eine Zeitung gesto‎ßen, wo ein ausführlicher Artikel über die rumänische Gegenwartsliteratur zu lesen war, und ich habe dort ein paar Fotos gesehen. Bis auf zwei Schriftsteller kannte ich alle Autoren, die dabei vorgestellt wurden. Tatiana Țîbuleac war eine von ihnen. Ich erinnere mich, dass ich ein Foto von dem Artikel machte und es an eine Freundin von mir an der Universität in Constanța, Dr. Eta Hrubaru, schickte. Ich fragte sie, ob sie überhaupt etwas über Tatiana Țîbuleac wisse, sie antwortete, sie sei im Besitz ihres Romans »Der Sommer, als Mutter grüne Augen hatte«. Als ich also Anfang Juli in Constanța ankam, war das erste, was ich dort machte, den Roman zu lesen, und die Lektüre war äu‎ßerst spannend. Darüber hinaus habe ich bei einigen Treffen mit der Presse und mit Lesern in Spanien erzählt, dass ich den Roman am Strand von Mamaia zu Ende gelesen habe und dass ich, sobald ich nach Hause kam, meinen PC startete und nach einem Kontakt zu Tatiana Țîbuleac suchte. Ich schrieb ihr eine Nachricht und lie‎ß sie wissen, dass ich den Roman gerne übersetzen würde, ich rief Enrique Redel an, den Gründer des Verlages Impedimenta. Ich sagte ihm, dass ich eine Schriftstellerin entdeckt habe und dass ich ihren Roman übersetzen würde, egal ob er es nun veröffentlichen würde oder nicht. Enrique vertraute mir und das Ergebnis davon ist dieser wunderbare Weg des Buches und dieser wunderbare Weg von Tatiana Țîbuleac in der hispanischen Welt.“




    Marian Ochoa de Eribe entdeckte die rumänische Literatur in den 1990er Jahren, als sie an der Ovidius-Universität in Constanța Vergleichende Literaturwissenschaft lehrte. Die ersten rumänischen Bücher, die sie ins Spanische übersetzte, waren Panait Istratis Kyra Kyralina“ und Moș Anghel“ sowie Der Roman des kurzsichtigen Jungen“ von Mircea Eliade. Seit 2009 übersetzt Marian Ochoa de Eribe, auf Anregung von Enrique Redel, die Werke von Mircea Cărtărescu. Der Verlag Impedimenta brachte zwischen 2010 und 2013 Marian Ochoa de Eribes spanische Versionen von Der Roulettespieler“, Travestie“, Nostalgie“ und Schöne Fremde“ von Mircea Cărtărescu heraus. Die spanische Version von Solenoid“ wurde 2017 veröffentlicht und gewann im nächsten Jahr den renommierten Preis Formentor de las Letras“. Der rumänische Autor erhielt damit einen der weltweit renommiertesten Literaturpreise für sein Lebenswerk,




    Über die Werke von Mircea Cărtărescu und Tatiana Țîbuleac, deren Fassungen auf Spanisch sie kürzlich übersetzte, sagte Marian Ochoa de Eribe:



    Eigentlich habe ich nie aufgehört, aus Mircea Cărtărescus Werk zu übersetzen. Naja, ab und zu habe ich auch etwas anderes gemacht, in letzter Zeit habe ich an der Lyrik-Anthologie gearbeitet, die im Herbst dieses Jahres erscheinen soll. Um ehrlich zu sein, nachdem ich »Der Körper« übersetzt habe, den zweiten Teil der »Orbitor«-Trilogie (in Deutsch unter dem Titel »Blendwerk« erschienen — Anm. d. Red.), ein sehr schwieriges Buch, brauchte ich eine kleine Pause, weil ich beim Übersetzen des Bandes meine ganze Konzentration einsetzte. Aber ich will nicht verschweigen, dass Tatiana Țîbuleacs Roman »Der gläserne Garten« ein schwieriges Buch war, ein extrem komplexes Buch, was die Sprache angeht. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Mircea Cărtărescu geht mir nicht mehr aus dem Kopf, es ist, als würde ich ständig in seiner Welt und in seinen Obsessionen leben.“




    Der Impedimenta Verlag hat kürzlich bekannt gegeben, dass Marian Ochoa de Eribes spanische Version von Tatiana Țîbuleacs zweitem Roman, Der gläserne Garten“, im Buchhandel erhältlich ist. Ihre spanische Version eines weiteren rumänischen Romans erscheint 2021 im Verlag Acantilado: Gabriela Adameșteanus Roman Provizorat“.

  • Anansi World Fiction: Bukarester Verlag bringt Reihe von Übersetzungen aus der Weltliteratur heraus

    Anansi World Fiction: Bukarester Verlag bringt Reihe von Übersetzungen aus der Weltliteratur heraus

    Die Sammlung mit dem Titel ANANSI. World Fiction“ wird von Bogdan-Alexandru Stănescu koordiniert, einem Schriftsteller und einem der am meisten geschätzten rumänischen Herausgeber mit einer 15-jährigen Erfahrung im Bereich der literarischen Übersetzung. Die neue Sammlung, die den Namen von Anansi, dem afrikanischen Gott der Geschichten, trägt, besteht aus fünf Reihen mit unterschiedlichen Schwerpunkten: zeitgenössische Literatur, Klassiker des 20. Jahrhunderts, literarische Essays, Memoiren und Dichtkunst. Zu den Schriftstellern, die Teil dieser Sammlung sind, gehören der Syrer Samar Yazbek, ein glühender Kritiker des Assad-Regimes; die Schwedin Linda Boström Knausgård; der amerikanische Schriftsteller, Dichter und Literaturkritiker Ben Lerner, Finalist des Pulitzer-Preises, des National Book Award und des National Book Critics Circle Award; und Ahmet Altan, einer der meistgelesenen türkischen Schriftsteller und ein herausragender Journalist. Alle sind zum ersten Mal im Pandora M-Verlagshaus ins Rumänische übersetzt worden.



    Bogdan Alexandru Stănescu erzählt uns mehr über die ANANSI-Sammlung:



    Viele Redakteure träumen davon, eine solche Sammlung zu koordinieren, aber sie finden oft nicht die nötige Unterstützung. Die Tatsache, dass die ersten sechs Titel der Sammlung ausverkauft sind, ist auch für mich eine Überraschung. Die Neuheit und Qualität der Titel hat sicherlich eine Rolle gespielt, ebenso wie die Grafik, also die von Andrei Gamarţ signierten Cover. Ich würde dies als eine eher subjektive Sammlung bezeichnen. Ich habe Autoren aufgenommen, die ich sehr mag und die ich gerne ins Rumänische übersetzt sehen würde. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass José Luís Peixoto, einer der grö‎ßten zeitgenössischen portugiesischen Schriftsteller, der von Kritikern als der neue Saramago bezeichnet wird, nicht vollständig ins Rumänische übersetzt worden ist. Ich erinnere mich, dass es irgendwann eine Facebook-Gruppe gab, die versuchte, Verlage zu überzeugen, seine Bücher weiter zu übersetzen. Und trotzdem ist das nicht passiert. Es ist also kein Zufall, dass José Luís Peixoto mit seinem von Simina Popa übersetzten Buch »Autobiographie« in die erste Welle der Anansi-Sammlung aufgenommen wurde, und für mich ist damit ein Traum in Erfüllung gegangen. Auch war es für mich schwer zu verstehen, warum Martin Amis, eine der einflussreichsten und innovativsten Stimmen der britischen Gegenwartsliteratur, nicht übersetzt wurde. Im Fall von Paul Auster muss ich zugeben, dass dies mein Lieblingsbuch von allen seinen Büchern ist — »Mondpalast«, übersetzt von Michaela Niculescu. Ich glaube, die Aufgabe eines Verlags ist es auch, den Geschmack der Leser zu schulen. Ich halte es nicht für richtig, Meisterwerke nicht in unseren Bibliotheken zu haben, weil sie vor 20 Jahren übersetzt und veröffentlicht wurden und eine Neuauflage als nicht sinnvoll angesehen wird. Leider verstehen viele Leute in der Buchbranche den Wert eines Lektorats nicht. Sein Zweck ist es, eine Reihe von Meisterwerken auf dem Markt und in der Gunst der Leser zu halten. So ist die Neuauflage von »I, Claudius«, einem historischen Roman von Robert Graves, übersetzt von Silvian Iosifescu, gerechtfertigt.“




    Das am meisten erwartete Comeback der rumänischen Poesie, so beschreibt seinerseits der Literaturkritiker Mihai Iovănel den Gedichtband von Ruxandra Novac, der ebenfalls als Teil der Anansi-Sammlung veröffentlicht wurde:



    Ruxandra Novac ist in gewisser Weise der Grund für die Poesie-Reihe »Anansi Blues«. Denn als wir uns entschieden, diesen Gedichtband mit dem Titel »Alwarda« zu veröffentlichen, war die Sammlung schon fast fertig skizziert. Erst als wir uns entschieden, den Band von Ruxandra Novac zu veröffentlichen, dachten wir an eine Reihe, die sich ganz der Lyrik widmet. Ab diesem Jahr werden wir das Werk der Literaturnobelpreisträgerin 2020, Louise Glück, veröffentlichen. Als der Preis bekannt gegeben wurde, sagten viele Leute in den sozialen Netzwerken, dass sie noch nie von ihr gehört hätten, obwohl sie in den letzten 50 Jahren ein gro‎ßer Name der amerikanischen Lyrik war. Ich verspreche, dass auch in Rumänien mehr Menschen von Louise Glück hören werden.“




    Zur Anansi-Sammlung gehören auch Bände, die 2020 die wichtigsten Literaturpreise der Welt gewonnen haben, wie L’Anomalie“, das dem französischen Schriftsteller Hervé Le Tellier den Goncourt-Preis einbrachte, das Buch von Maggie O’Farrell, das ihr den Women’s Prize for Fiction einbrachte, der Roman The Discomfort of Evening“ der niederländischen Schriftstellerin Marieke Lucas Rijneveld, der mit dem International Booker Prize ausgezeichnet wurde, und auch Shuggie Bain“, der Debütroman des schottischen Schriftstellers Douglas Stuart, der den Booker Prize 2020 gewann.