Tag: Politik

  • Krise in Moldau spitzt sich zu

    Krise in Moldau spitzt sich zu

    Der Russland nahestehende Staatspräsident Igor Dodon hat um internationale Schlichtung gebeten, um die politische Krise in Chişinău zu lösen – die Moldau hat zwar in den drei Jahrzehnten ihrer Unabhängigkeit mehrere Problemsituationen durchgemacht, keine scheint aber so gravierend gewesen zu sein wie die gegenwärtige. Drei Monate nach den Wahlen, bei denen die Stimmen fast gleichmä‎ßig auf drei Akteure verteilt wurden, ist es nun zur offenen Auseinandersetzunge gekommen. Konfliktseiten sind diesmal auf der einen Seite das Verfassungsgericht und die amtierende Regierung der Demokratischen Partei, die beide vom umstrittenen Oligarchen Vladimir Plahotniuc kontrolliert werden und auf der anderen Seite die neue gro‎ße Koalition zwischen den prowestlichen bürgerlichen Parteien im Bündnis ACUM und den prorussischen Sozialisten, die über das Wochenende eine Regierung unter der Pro-Europäerin Maia Sandu einsetzte.


    Das Verfassungsgericht suspendierte Präsident Igor Dodon und löste das Parlament auf. Jetzt gibt es praktisch zwei Regierungen, die einander die Legitimität und die Macht abstreiten. Laut Maia Sandu blockiere Plahtoniucs DP den Staat – nachdem der Polizeichef die Autorität des neuen Innenministers ablehnte forderte Sandu die Beamten auf, den friedlichen Machttransfer zu vollziehen. Plahotniuc rief seine Anhänger zu Demonstrationen auf und verlangte ihnen die Bereitschaft ab, die Behörden im Notfall zu verteidigen.



    Im Nachbarstaat Rumänien appellierte Staatschef Klaus Iohannis an alle Kräfte in Chişinău, Demokratie und Rechtsstaat zu respektieren. Die Stabilität sei für den europäischen Weg der Moldau von wesentlicher Wichtigkeit, nachdem das Land an der Ostgrenze der EU sich zu ambitionierten Struktur- und Rechtsstaatsreformen engagierte – so eine Meldung aus dem rumänischen Präsidialamt. Auch die Regierung in Bukarest verfolge aufmerksam die Entwicklungen in der Moldau und ermahnte sämtliche politischen Kräfte, den demokratischen Prozess zu achten.


    Die EU rief zu Besonnenheit auf. Man sei in Brüssel bereit mit der demokratisch legitimen Regierung zusammenzuarbeiten, auf der Basis eines gegenseitigen Engagements zugunsten Reformen und Grundsätzen, die im Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Rep Moldau vereinbart wurden, so ein gemeinsames Statement der Au‎ßenbeauftragten Federica Mogherini und des Nachbarschaftskommissars Johannes Hahn.



    Nach Ansicht Moskau sei es wichtig, dass die Kräfte, die die au‎ßenpolitische Orientierung der Moldau bestimmen, den wahren Willen des Volkes ausdrücken.




  • Weibliches bürgerliches Engagement: Frauen-Empowerment nimmt zu

    Weibliches bürgerliches Engagement: Frauen-Empowerment nimmt zu

    Das gemeinschaftliche Engagement von Frauen hat in letzter Zeit zugenommen, ebenso wie sich der Unternehmergeist von Frauen entwickelt hat, aber auch ihre Präsenz auf der politischen Bühne. Der Buchmarkt hat diesen Fortschritt bemerkt. In dieser Hinsicht wurde 2011 ein Projekt gestartet. Dabei handelt es sich um drei Bände, koordiniert von der Ökonomin und Politikerin Andreea Paul-Vass und veröffentlicht im Verlag Polirom. In diesen erzählen mehrere Frauen ihre Erfolgsgeschichten in der Politik, Wirtschaft und im Bereich des Bürger-Aktivismus. Der letzte Band mit dem Titel Die bürgerliche Kraft der Frauen“ wurde dieses Jahr veröffentlicht und zeigt, dass Frauen die Mehrheit in den NGO darstellen. Andreea Paul-Vass dazu:



    Im Jahr 2011 erschien »Die Politische Kraft der Frauen«, das über weibliche Akteure aus allen politischen Parteien berichtete. Im Jahr 2106 erschien der zweite Band, »Die wirtschaftliche Kraft der Frauen«, zu dem absolut au‎ßergewöhnliche Unternehmerinnen beitrugen, und im Jahr 2018 war es notwendig, dem bürgerlichen Geist des weiblichen Geschlechts Wert zu verleihen. Jedes Mal, wenn einer der Bände veröffentlicht wurde, war ich in den jeweiligen Bereichen aktiv. Deshalb fand das Projekt sofort Anklang bei mir und ich und hörte den Geschichten der anderen Damen zu, die so wagemutig waren, ihren bürgerlichen Geist zu aktivieren. Wir Frauen haben einen angeborenen Reflex, Dinge neu auszugleichen, die Gesellschaft zu verschönern, Ungerechtigkeiten zu korrigieren. In der Zivilgesellschaft dominieren Frauen. Auf der Karte der sozialen Erneuerer tragen Frauen zu 53% zur Gründung und zur Führung von NGO bei. Im Unternehmertum sind die Dinge nicht so gut, aber auch nicht gerade schlecht. Was die wirtschaftliche Macht der Frauen angeht, ist heute in Rumänien einer von drei Unternehmern weiblich. In der Politik ist die Situation weit entfernt von den wirtschaftlichen und zivilen Bereichen. Als das Buch »Die Politische Kraft der Frauen« erschien, hatten wir etwa 10%–11% Frauen im Parlament. Hier hat sich in weniger als einem Jahrzehnt die Zahl der Frauen im rumänischen Parlament verdoppelt.“




    Die Empathie der Frauen kann eine Erklärung dafür sein, dass sie an vielen Sozialhilfeaktionen, gemeinschaftlichen Hilfsprojekten, medizinischen oder Umweltprojekten beteiligt sind. Aber im Falle Rumäniens gibt es noch eine Erklärung, die jetzt von der Journalistin Daniela Palade Teodorescu, Chefredakteurin der Zeitschrift Cariere“ (dt. Karrieren“), erläutert wird.



    Diese Frauen zeigen praktisch, dass es Bürgerstärke gibt, und es gibt gute Beispiele von Menschen — besonders von Müttern –, die sich nie beschwert haben, dass sie ein krankes Kind haben und der Staat nichts tut, dass sie kranke Eltern oder behinderte Kinder haben. Sie sagten einfach: ‚Ich bin die Veränderung! Es hat keinen Sinn, auf etwas vom System zu erwarten, darauf zu warten, dass die Veränderung von oben kommt. Ich werde für die Rechte meiner Kinder, meiner Eltern oder der Leidenden kämpfen.‘ In der Tat beschäftigt sich dieses Buch mit dem, was ich gerne ‚die Kraft der Verwundbarkeit‘ nenne. Das sind Frauen, die einst am Limit waren, überwältigt wurden und deshalb sagten, sie wollten etwas für andere in derselben Situation tun. Es gibt viele anonyme Helden, Frauen, die in einer unverdienten Anonymität gearbeitet haben und nicht verstehen, warum man über sie spricht. Sie meinen, dass sie tun, was sie tun, weil sie ihre Not überwinden mussten. Aber nachdem sie ins Rampenlicht gerückt sind, hat man sie noch mehr motiviert, sie sahen sich darin bestätigt, dass das, was sie tun, richtig ist, also machen sie weiter und setzen ihre Arbeit fort.“




    Die Geschichten der 100 Frauen, die in dem Buch Die bürgerliche Kraft der Frauen“ veröffentlicht wurden, zeigen ebenfalls weibliche Solidarität. Der Wert einer Frau ergibt sich auch aus der Anzahl anderer Frauen, denen sie hilft, aufzustehen“, sagt eine der Protagonistinnen des Buches. Daniela Palade Teodorescu hat weitere Details:



    Wenn du ein Kind mit Autismus hast und von einer Praxis zur anderen gehst, von einem Krankenhaus zum anderen, wenn dieses Kind nicht korrekt diagnostiziert wird, sagst du dir: ‚Du kannst so nicht weitermachen, du musst etwas für das Kind tun! Irgendwann werde ich verschwinden, aber in welcher Welt wird das Kind leben? Wer wird sich um dieses Wesen kümmern? Wie wird es selbstständig leben?‘ Dank sozialer Netzwerke gelingt es ihnen, Gemeinschaften von Menschen mit ähnlichen Bedürfnissen aufzubauen, die wiederum sehr viel Kraft haben.“




    Im Allgemeinen ist der nichtstaatliche Sektor in Rumänien gut entwickelt, was nach Ansicht einiger Experten nur die Ineffizienz des Staates in bestimmten Bereichen zeige. Der Staat beteiligt sich nicht allzu sehr in den Bereichen, die für das Interesse der Gesellschaft am wichtigsten sind, und finanziert sie nicht genug, sagt Mihaela Miroiu, Universitätsprofessorin an der Nationalen Schule für politische und administrative Studien:



    Ein anderer Prozess, der in Rumänien stattfindet und in diesem Buch sichtbar wird, betrifft die Tatsache, dass eine Nichtregierungsorganisation mit der Zeit professionell wird. Dies bedeutet, dass Menschen, die dort arbeiten, immer mehr Experten in ihren Tätigkeitsfeldern werden. Während in der Politik Pfuscherei, Schwindel und Dilettantismus exponentiell ansteigen, steigt im unpolitischen oder nichtstaatlichen Sektor das Fachwissen exponentiell. Wir haben ein Gefälle in der Gesellschaft. Die gute Nachricht ist, dass zumindest ein Teil der Gesellschaft gut funktioniert: das bürgerliche Engagement.“




    Im Jahr 2017 zeigte eine von der Stiftung für die Entwicklung der Zivilgesellschaft durchgeführte Studie zum nichtstaatlichen Sektor in Rumänien, dass von den 88.000 bestehenden NGOs nur 42.000 tatsächlich aktiv waren.

  • PSD: Fehde an der Spitze der rumänischen Sozialdemokraten

    PSD: Fehde an der Spitze der rumänischen Sozialdemokraten

    Es ist kein halbes Jahr vergangen, seit die Sozialdemokraten in Bukarest die Frage des Vorsitzenden Liviu Dragnea, ob sie ihn weiter an ihrer Spitze haben wollen, unter frenetischem Applaus und Enthusiasmus mit Ja“ beantwortet haben — der kommunistischen Zeit nicht unähnlich. Heute ist die Stimmung eine ganz andere. Drei Vizevorsitzende der Partei — der Vizepremierminister Paul Stănescu, die Oberbürgermeisterin Bukarests, Gabriela Firea, und der Vizevorsitzende des Senats, Adrian Ţuţuianu, — haben eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, in der sie Liviu Dragnea zum Rücktritt aus dem Amt des Parteivorsitzenden und des Vorsitzenden der Abgeordnetenkammer auffordern.



    Der machtbewusste Politiker, der sich den Sieg bei den Parlamentswahlen im Jahr 2016 gutschreibt, als die Sozialdemokratischen Partei fast die Hälfte der Parlamentssitze und das Amt des Bürgermeisters der Landeshauptstadt errungen hat, gilt heute als Gefährder für seine Partei und die Regierungskoalition in Bukarest. Ein Gefährder vor allem aus rechtlichem Blickwinkel, wegen der Korruptionsverfahren, in denen er involviert ist. Seine Gegner werfen ihm vor, er würde die Legitimität der Reformbemühungen seiner Partei im Bereich der Justiz untergraben, weil diese Demarchen mit seinen ureigenen Interessen und denen ihm nahestehender Personen in Verbindung gebracht werden.



    Die Spitzenvertreter der Sozialdemokratischen Partei werfen Dragnea eine willkürlichen Führung, parteiinterne Konflikte, in Folge derer zwei Ministerpräsidenten abgesetzt worden waren, sowie konfliktgeladene Beziehungen mit der Opposition, dem Präsidenten, den Geheimdiensten, der Generalstaatsanwaltschaft und der Korruptionsbekämpfungsbehörde vor. All das habe das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der Partei gestärkt. Die Partei selbst ist in den Umfragen stark gesunken, obwohl es dem Lande wirtschaftlich gut gehe. Adrian Ţuţuianu behauptet, der Brief werde von vielen Parteiorganisationen unterstützt. Ţuţuianu:



    Dieser Brief ist ein Weckruf. Wir haben alle Parlamentarier der Sozialdemokratischen Partei, alle Filialevorsitzenden, Landkreisratsvorsitzenden, Landräte eingeladen, sich uns anzuschlie‎ßen. Unsere Demarche zielt einzig auf die nationalen Interessen und die Interessen der Sozialdemokratischen Partei ab. Ich glaube, wir sollten nicht über das Amt sprechen. Wir werden am Freitag, auf dem Nationalen Exekutivkomitee darüber reden und dann werden Sie alle Details erfahren.“



    In einer ersten Reaktion hat Liviu Dragnea mit Sarkasmus geantwortet und mit einen Kampf auf Leben und Tod“ gedroht:



    Ich werde der Aufforderung nachgehen, diesen Brief zu lesen. Ich habe ihn nicht bis zum Ende gelesen, aber soweit ich lesen konnte, wollen sie vor allem Eines: dass wir uns nicht mehr mit Iohannis streiten, in Grunde sollen wir uns gleichschalten lassen und ihm hörig werden, ebenso sollen wir vor dem Inlandsnachrichtendienst, dem Dienst für Personenschutz und der Korruptionsbekämpfungsbehörde klein beigeben. Ich als Vorsitzender kann und werde es nicht zulassen, dass diese Partei ein Werkzeug dieser Behörden wirf, die sich nicht in die Politik einmischen sollten. Alles andere, was noch gesagt werden muss, werde ich auf der Tagung des Exekutivkomitees hinreichend eloquent, ausführlich und mit Nachdruck sagen.“




    Die bürgerlichen Oppositionsparteien sehen den Kampf an der Spitze der Sozialdemokraten als eine Kontenregelung. Sie sollten sich jedoch vorwerfen, dass die Opposition zur Sozialdemokratischen Partei aus den Reihen der Sozialdemokraten selbst kommt, monieren die Medien.

  • Rumänische Regierung könnte umgebildet werden

    Rumänische Regierung könnte umgebildet werden

    In letzter Zeit sprechen manche rumänische Politiker und Politanalysten immer mehr von einer möglichen Neubildung der Koalitionsregierung der sozialdemokratischen Partei PSD und der Allianz der Liberalen und Demokraten ALDE. Nicht alle Sozialdemokraten sind jedoch mit dieser Variante einverstanden, es gibt schon zwei Fronten: manche wünschen sich eine schnlankere Regierung mit wenigeren Ministerien, andere lehnen die Idee komplett ab. Das Regierungsapparat sei sehr belastet und müsse effizienter gestaltet werden, meinen die Befürworter der Regierungsneubildung. Die andere Seite meint hingegen, die Regierung brauche Fortdauer und keine Auseinandersetzungen und Rivalitäten. Der Premier Mihai Tudose selbst möchte die Regierung umbilden. 28 Ministerien seien zu viel, meint er. Der Sozialdemokraten-Chef Liviu Dragnea äu‎ßerte keine klare Meinung. Man müsse sich zuerst mit den Junior-Regierungspartnern von ALDE beraten. Liviu Dragnea dazu:




    “Es kann eine Neubildung der Regierung geben, das habe ich erklärt. Es kann auch eine Regierungsumbildung geben, habe ich auch gesagt. Vielleicht wird es keine der belden geben, vielleicht wird man den administrativen Entscheidungsprozess in den Ministerien umgestalten. Wir werden darüber intensiv beim nächsten Treffen des Exekutiv-Kommittees diskutieren. Wir müssen auch mit den Partnern von ALDE darüber diskutieren, weil über eine Neubildung der Regierung im Parlament abgestimmt werden muss.”




    Der rumänische Verteidigungsminister Mihai Fifor äu‎ßerte sich auch zum Thema:




    “Der Premier Mihai Tudose hat das Recht über eine solche Umstrukturierung der Regierung nachzudenken. Es gibt aber Sachen, die innerhalb der Allianz bestimmt werden, wir regieren nicht alleine, sondern mit den Partnern von ALDE. Andere Angelegenheiten müssen vom Exekutiv-Kommittee, dem Entscheidungs-Gremium der PSD festgelegt werden.”




    Die Partner von ALDE meinen, der Premier hätte sie über seine Absicht die Regierung neuzubilden nicht informiert. Sie fordert den Premier auf sich um den Wohlstand des Landes zu kümmern. Der ALDE-Vorsitzende Calin Popescu Tariceanu sagte:




    “Die Menschen interessieren sich sehr wenig für die Anzahl der wöchentlichen Sitzungen, über die Zahl der Minister in der Regierung. Sie interessieren sich für die Qualität der politischen Tätigkeit im Parlament, für die Qualität der Regierungs-Tätigkeit. Wir müssten uns darauf konzentrieren und nicht auf die Auseinandersetzungen. Manche dieser sind steril, bringen nichts, sind sogar schädlich. Ich wurde vom Premier nicht direkt informiert, dass er sich eine Regierungsneubildung wünscht. Die jetzige Regierungsstruktur wurde durch ein Protokoll zwischen den beiden Parteien im Dezember 2016, nach den Wahlen festgelegt und genehmigt.”




    Die Sozialdemokraten werden über eine mögliche Neubildung der Regierung zwischen dem 29-31. Januar diskutieren. Dann soll im nordöstlichen Iasi ein Treffen des Exekutiv-Kommittees der Parte stattfinden.

  • Intellektuelle Bürgerallianz: ein Argument gegen Polit-Zynismus

    Intellektuelle Bürgerallianz: ein Argument gegen Polit-Zynismus

    Nach der Wende war in der rumänischen Gesellschaft besonders ein Bedürfnis nach Dialog und Diskussion zu spüren — und vor diesem Hintergrund entstand die Bürgerallianz — eine Plattform für politische Ideen und Initiativen, ein Debattenforum, ein loser Zusammenschluss vieler Akteure. Und sie war auch ein Gegenpart zur Front der Nationalen Rettung, einem Mammut-Gebilde, das nach der Wende das Machtvakuum nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes gefüllt hatte. Die Bürgerallianz war zugleich Kaderschmiede für die künftigen Oppositionspolitiker. Sie wurde am 7. November 1990 von Intellektuellen und Bürgervereinen gegründet. Eine der zentralen Figuren war die Dichterin und Regimekritikerin Ana Blandiana. Sie erinnert sich an den gesellschaftlichen Hintergrund, vor dem vor 27 Jahre die Bürgerallianz entstand:



    Nach dem als Mineriade bezeichneten Bergarbeitereinfall vom Juni 1990 in Bukarest, als Studenten verhaftet wurden, sagten wir uns, dass wir etwas tun müssen. Selbst wenn wir keinen Erfolg haben, müssen die Menschen sehen, dass wir es dennoch versuchen. Und so schalteten wir eine Anzeige in der Zeitung »România liberă«. Dass heute über diese Zeitung und ihren Chef Petre Mihai Băcanu so wenig erzählt wird, ist ungerecht. Ohne diese Zeitung, die damals auf eine Auflage von mehreren Hunderttausend Stück kam, hätte es in Rumänien keine Opposition gegeben“, erzählt die ehemalige antikommunistische Dissidentin.




    In einer Zeit ohne Facebook schaltete die frisch gegründete Bürgerallianz Inserate von 10 Quadratzentimetern auf der Titelseite der România liberă“ — Wir treffen uns am Donnerstag um 16.00 Uhr an der Universität“. Und es kamen so viele Leute, dass bei einem Marsch der Universitätsplatz noch voll war, während die ersten Demonstranten den Siegesplatz in fast 2,5 km Entfernung erreichten, wo das Regierungshauptquartier steht. In einem anderen Aufruf hie‎ß es, dass die Menschen wei‎ße Kleidung und eine Blume tragen sollten — ein Zeichen der Gewaltlosigkeit, sagt Ana Blandiana. Eines der wichtigsten Anliegen der neuen Plattform war die Etablierung einer Kultur der Erinnerung an die jüngere Geschichte der kommunistischen Diktatur in Rumänien.




    Ana Blandiana spielte eine gro‎ße Rolle bei der Einrichtung der Gedenkstätte der Opfer des Kommunismus im ehemaligen Gefängnis von Sighet. Im Namen der Bürgerallianz habe ich in Stra‎ßburg das weltweit erste Memorial des Kommunismus vorgeschlagen. Das war 1993, wir waren in Krakau auf einer Konferenz gewesen und auf Besuch auch in Auschwitz, das ganz in der Nähe liegt. In Stra‎ßburg sollte ich dann eine Rede vor dem Parlament des Europarates halten. Beim Abendessen sa‎ß ich neben der Generalsekretärin des Europarates, Catherine Lalumière — ein Zufall, dachte ich, doch jemand hatte ein gutes Wort eingelegt: Professor Enver vom Ausschuss der Menschenrechte. Die Diskussion mit Catherine Lalumière war der Grundstein des Memorials“, erinnert sich Ana Blandiana.



    In Europa blies ein Wind der Einheit und es ging nicht nur den osteuropäischen Ländern darum, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen: Nicht einmal mit meinem Mann hatte ich über ein Memorial gesprochen. Die Idee kam uns bei diesem Gespräch. Wir kamen aus Auschwitz, wo der Europarat ein internationales Zentrum für Nazi-Studien einrichten wollte, und ich fragte dann nach, ob es nicht mindestens genauso wichtig wäre, ein Zentrum für Kommunismus-Studien zu gründen, denn über den Kommunismus wusste man so gut wie nichts. Dann sprachen wir über Europa, über die Vereinigung, die zwischen Ost und West stattfinden sollte, und ich sagte, dass wir nicht nur Politik und Wirtschaft vereinigen müssen, sondern auch unsere Obsessionen. Aber dafür müssen wir sie erst einmal kennen.“




    Sehr lebhaft sind die Erinnerungen der Schriftstellerin an die naiv-linkischen Momente von damals — bestes Beispiel ist immer noch das Memorial von Sighet. Heute kann ich nachvollziehen, wie komisch sich das anhört, aber damals dachten wir keinen Augenblick nach, wie das Memorial per se entstehen wird. Wir dachten, der Europarat kümmert sich darum und baut es. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich keinen Moment dachte, wir würden etwas tun. Und dann stand in der Projektbroschüre neben unseren Vorstellungen auch etwas über die Finanzierung — und das klang für uns surreal. Denn es stand da, wieviel die Kommunalverwaltung beisteuert, wieviel der Zentralstaat, wieviel die Privatwirtschaft. Dabei waren wir Staatsfeind Nr. 1, keine Behörde würde uns Geld geben, weder lokale, noch zentrale. Eine Bedingung des Europarates war, dass wir eine Stiftung gründen — die Bürgerakademie. Das war einfach, das haben wir gemacht — und die Idee, die uns gerettet hat, lag auf der Hand: Wir haben Filialen der Stiftung in Städten eröffnet, wo viele Exilrumänen lebten, also München, Paris, New York, Los Angeles. Die ersten Summen kamen aus Spenden dieser Exilrumänen zusammen.“




    Ana Blandianas Erinnerungen sind relevant für diese romantisch-naiven Momente der Politik nach der Wende. Doch die Alianţa Civică ist fester Bestandteile der jüngeren Geschichte geworden und auch ein Argument gegen den Zynismus der Politik neuerer Machart.

  • Bukarester Buchmesse Bookfest 2017: Politik und Anthropologie im Mittelpunkt

    Bukarester Buchmesse Bookfest 2017: Politik und Anthropologie im Mittelpunkt

    Zwei Jahre nach der Veröffentlichung des Romans Solenoid“ erschien im Verlag Humanitas ein neuer Band des europaweit berühmten Schriftstellers Mircea Cărtărescu: Landschaft nach Hysterie“ ist eine Sammlung journalistischer Texte, die der Autor in den letzten zehn Jahren geschrieben hatte. Der Roman setzt sich, genau wie ein Briefroman, aus journalistischen Texten zusammen, die aus dem politischen Zusammenhang ihrer Zeit gerissen wurden und heute eine allgemeine, staatsbürgerliche und ethische Bedeutung erhalten. Mircea Cărtărescu erläutert:



    Ich habe es immer schwer bereut, in den sozialpolitischen Journalismus eingestiegen zu sein. Ich habe es damals gemacht, um etwas zu verdienen, denn ich hatte gerade geheiratet und wollte meine Familie unterstützen. In diesen Beruf bin ich dennoch auch aus einem gewissen Komplex eingestiegen: Viele meiner Kollegen waren am Ende der neunziger Jahre schon in diesem Bereich tätig und hatten somit die Möglichkeit, ihre Meinungen frei zu äu‎ßern und Widerstand dem System und der Regierung gegenüber zu leisten, während ich ganz alleine in meinem Elfenbeinturm sa‎ß. Das hat man mir mehrmals offen vorgeworfen, dass ich gegenüber aktuellen Themen, die alle beschäftigten und beschäftigen mussten, kalt und unbeeindruckt blieb. Aus diesem Grund bin ich in diesen Beruf eingestiegen. Schritt für Schritt weckte das soziale und politische Leben des Landes meine Neugier, denn von Natur aus bin ich sehr neugierig und zeige ein gro‎ßes Interesse für zahlreiche Sachen, so zum Beispiel hat mich die vermisste Malaysia-Airlines-Maschine ein Jahr lang beschäftigt. Ich fühlte mich plötzlich vom Gefühl erfasst, unbedingt wissen zu wollen, was geschehen war, spürte das Bedürfnis, die Situation aufklären zu wollen. Dasselbe galt auch für meine Tätigkeit im politischen Journalismus, auf einmal spürte ich ein dringendes Bedürfnis, das ich vorher nie gekannt hatte, denn während des Kommunismus und gleich danach hatte ich eine 100% apolitische Haltung. Danach wollte ich hingegen wissen, was im politischen Leben des Landes passiert.“




    Ein echter Schriftsteller nimmt das Leiden der Menschen auf sich und versucht, es alchemistisch in Schönheit umzuwandeln. Es handelt sich nicht um nutzlose und vergängliche Schönheit, sondern um die Schönheit, die laut Dostoievski »die Welt retten wird«. Der Schriftsteller kann, wie jeder Intellektueller, eine wichtige politische, moralische und soziale Rolle im Leben seiner Gemeinde spielen, er kann und soll ein Fürsprecher des Guten und der Wahrheit sein, gegen die Dämonen kämpfen, die das menschliche Wesen heimsuchen. Als Künstler muss er daraus Schönheit erschaffen. Wenn ein Schriftsteller dabei scheitert, qualitativ hochwertige Werke zu schaffen, kann auch seine Zivilcourage seine Leser nicht mehr erreichen und ihnen nah am Herzen liegen“, schreibt Mircea Cărtărescu in seinem neuesten Band.




    Warum ist Rumänien anders?“ — das ist die Frage, die der Historiker Lucian Boia im Jahr 2013 aufwarf. Sein umstrittener Essay löste unter den rumänischen Intellektuellen heftige Debatten aus. Davon lie‎ß sich Vintilă Mihăilescu inspirieren. Im Band, der dieses Jahr im Verlag Polirom erschienen ist, gibt er dem Historiker eine Antwort, die über die Polemik hinausreicht.



    Oft bleiben Anthropologen, Soziologen, politische Kommentatoren, Historiker und Forscher vor der Besonderheit zurückhaltend, die das rumänische Volk auszeichnet. Im Band, der von Vintilă Mihăilescu herausgegeben wurde, beantworten sie aus Initiative des bekannten Anthropologen die Frage: Warum ist Rumänien anders?“ Vintilă Mihăilescu kommt zu Wort mit Einzelheiten:



    Dieser Band ist aus Unzufriedenheit entstanden. Ich irre mich nicht, wenn ich sage, dass dasselbe für alle Autoren gilt, die ihren Beitrag dazu gebracht haben. Es handelt sich um eine intellektuelle und bürgerliche Unzufriedenheit. Also eine Art ziviler Verantwortung, die jeder Intellektuelle gegenüber der Sichtweise haben soll, die eine Sonderstellung unseres Volkes in einer nihilistischen Überzeugung befürwortet: »Wir können sowieso nichts tun oder ändern, weil wir im Vergleich zu den anderen anders sind.« Also, wenn wir beispielsweise mit einem Taxifahrer ins Gespräch geraten, wird er immer sagen, egal worum es geht: »So sind halt die Rumänen.« Dieses Urteil ist mit der Zeit zum permanenten geistlichen Klima geworden und prägt sehr stark unsere politischen und kulturellen Überzeugungen und Handlungen. Das ist meiner Ansicht nach allgemeinschädigend. So ein Diskurs, der eine ma‎ßgebliche negative Besonderheit des rumänischen Volkes aggressiv betont, gewinnt heutzutage immer mehr an Bedeutung in der Öffentlichkeit. Ich finde es nicht in Ordnung, wenn Universitätsprofessoren diese urbane Legende befürworten.“




    Deutsch von Ana Nedelea

  • Romantik und Nationalbewusstsein im 19. Jh.: Rumänischer Raum schöpfte aus unterschiedlichen Quellen

    Romantik und Nationalbewusstsein im 19. Jh.: Rumänischer Raum schöpfte aus unterschiedlichen Quellen

    Ein Erzeugnis des westlichen Denkens, wurde die Romantik oft als Reaktion auf den Universalismus der Klassik und der weltbürgerlichen Gesellschaft betrachtet. Die Traditionen, die Vergangenheit und die Sprache einer Gemeinde, die von all ihren Mitgliedern geteilt werden, galten als Fundamente der Weltanschauung der Romantik. Der Nationalstaat war somit die politische Ausdrucksweise der Ideen der Romantik. Die rumänische Romantik machte dabei keine Ausnahme. Es war die erste Synchronisierung des rumänischen Raumes mit dem Gedankengut des Westens. In den drei rumänischen Fürstentümern kamen die Einflüsse der Romantik aus zwei Richtungen: in der Moldau und der Walachei aus der französischen Welt und im damals zu Österreich-Ungarn gehörenden Siebenbürgen aus dem deutschsprachigen Raum. Dazu hören Sie mehr aus dem folgenden Beitrag von Steliu Lambru in unserer Geschichtsreihe Pro Memoria.



    Wir haben den Literaturhistoriker und Politikwissenschaftler Ioan Stanomir gefragt, woraus das Gedankengut der Romantik bestand und wie dieses im rumänischen Raum aufgenommen wurde.



    Die Romantik im europäischen und im rumänischen Raum projiziert ein neues Bild auf die ethnischen Gemeinschaften. In diesem Bild findet eine Neuerfindung ihrer Identität statt. Man fängt mit der Erforschung eines archäologischen und kulturellen Erbguts an und schlie‎ßt mit der Schaffung eines Pantheons, in dem die Väter des Volkes und dessen Vorbilder stehen. Es ist eine Art Rezept, das im Westen Europas Verbreitung findet und mit einer beträchtlichen Verspätung im rumänischen Raum ankommt. Wenn wir aus der Perspektive der ästhetischen Reinheit sprechen, handelt es sich um eine zusammengesetzte und eklektische Romantik. Zahlreiche rumänische Romantiker haben klassische Schriftstücke verfasst. Denken wir nur an Grigore Alexandrescu. Andere sind ursprünglich Romantiker, werden aber letztendlich zu Klassikern, wie im Fall von Vasile Alecsandri. Es gibt nicht sehr viele reine Romantiker. Deren Romantik ist oft grell und auch heute unlesbar, wie im Fall von C.A. Rosetti. Die rumänische Romantik übernimmt das europäische Rezept im Sinne der Neuerfindung des Ichs. Wir haben eine ganze Reihe von Bildern, von Ruinen bis zu den Urahnen, und es werden schlie‎ßlich die Kriegstaten der Vergangenheit evoziert.“




    Die Eliten in der Walachei und in der Moldau beriefen sich in ihren Bemühungen um Modernisierung und Staatlichkeit auf die französische Romantik, während für die Rumänen, die im Habsburger Reich lebten, die deutsche Romantik dominierend war.



    Der Hauptunterschied zwischen den beiden hängt mit der Definition der Nation zusammen. Die deutsche Romantik war in einer gewissen Hinsicht organisch, konservativ und xenophob. Deren Einfluss sieht man nicht so sehr bei den Vertretern der 1848er Revolution wie bei dem Nationaldichter Eminescu. Er wurde stark durch die deutsche Romantik beeinflusst. In Siebenbürgen spürt man den Einfluss der Aufklärung nach Art des Josephinismus und die Kontaminierung mit revolutionärer Ideologie. Aber die Revolution in Siebenbürgen ist paradoxal, weil sie aus europäischem Gesichtspunkt als Konterrevolution gedacht war, als Reaktion auf die xenophoben Exzesse einer ausdrücklich europäischen Revolution, so wie die ungarische gewesen ist.“




    Die Revolution von 1848 war der Höhepunkt des Ausdrucks der rumänischen Romantik. Es war der Anfang der Reformen und der Modernisierung im rumänischen Raum. Ioan Stanomir:



    Die rumänische Romantik ist deckungsgleich mit der 1848er Revolution. Alle in diesem Familienbild waren mehr oder weniger erfolgreich in der Politik involviert, was zu der Bildung von kulturell-literarischen Gesellschaften beigetragen hat. Es handelte sich zunächst um geheime, im Exil gegründete Gesellschaften, die bei der Rückkehr aus dem Exil in den Jahren 1860-1870 dann öffentlich auftraten und wirkten, womit diese Generation praktisch erschöpft war. Es hängt sehr stark von der Langlebigkeit der Romantiker ab. Wir haben Romantiker, die in ein Schattendasein treten, wie etwa Grigore Alexandrescu, alte Romantiker, die Perioden von Mutationen und Wandlungen durchqueren, wie Heliade-Rădulescu, exponentielle und danach im Kommunismus manipulativ dargestellte Romantiker wie Nicolae Bălcescu, der schlie‎ßlich durch seinen heldenhaften Tod in den Kanon aufgenommen wurde. Es gibt Romantiker, die ihre literarische Karriere aufgeben und sich vollständig der Politik widmen, wie C. A. Rosetti. Es gibt andere Romantiker wie Cezar Bolliac, der mehr ein Journalist ist als ein Dichter. Es ist ein Familienbild, dessen Protagonisten der Literaturwissenschaftler Paul Cornea sehr treffend als ‚Wegeröffner‘ bezeichnete“.




    Die Romantik wurde mit der Zeit zum kulturellen Referenzmodell. So entstand die standardisierte Kultur oder der Kanon.



    Wenn wir uns auf eine bestimmte mechanische und verzerrte Rezeption beziehen, würde ich Dimitrie Bolintineanu nennen. Er wird besonders für seine historischen Legenden erwähnt, die eine Art kleiner Leitfaden des 1848er Patriotismus ist. Die historischen Legenden waren ein Verhaltenskodex und zugleich ein Instrument zur Mythologisierung einiger historischer Figuren. Was diese kanonische Projektion jedoch ausgelassen hat, war gerade das tiefste und meist vibrierende Werk Bolintineanus, das Gedicht »Conrad«, das ein rumänisches Pendant zu Byrons Versepos »Childe Harolds Pilgerfahrt« ist. Der Byronismus war eine Mode, der die rumänischen Romantiker nicht entgehen konnten.“




    Die nationale Einheit ist in der romantischen Auffassung der Schlüssel zur nationalen Modernisierung und Emanzipierung, sagt Professor Ioan Stanomir.



    Die nationale Einheit ist ein Ausdruck, der seine Existenz dem Diskurs der 1848er Revolution zu verdanken hat. Was wir heute als kanonisch betrachten, etwa den Fürsten Michael der Tapfere, war die Erfindung von Florian Aaron und Nicolae Bălcescu und speziell des Herrschers Gheorghe Bibescu, der anlässlich offizieller Zeremonien den Mantel des mittelalterlichen Fürsten anzieht. Das nationale Bewusstsein ist eine anachronische Formel, die dann zum Zuge kommt, wenn Verhaltensweisen zu rechtfertigen sind, die keinen Zusammenhang mit ihrer ursprünglichen Bedeutung in der Epoche haben. Die Romantiker der 1848er Revolution strebten mit Sicherheit die Vereinigung der Fürstentümer an. Was Siebenbürgen und das Banat anbelangt, waren die Dinge kompliziert, denn dort gab es eine föderalistische Strömung, der eher in Richtung Mitteleuropa blickte und weniger über die Karpaten. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass das Verhältnis der siebenbürgischen und Banater Romantiker zum Österreichischen Reich kompliziert war. Viele von ihnen stellten sich unter das Banner des Imperiums, um dem ungarischen Republikanismus standzuhalten.“




    Die Romantik war eine Strömung der Kunst, ein politisches Modell und eine gesellschaftliche Tendenz, die auf Emotionen basierte. Gerade diese Emotionen sicherten ihr über die Zeit ein positives Bild und lie‎ßen ihr den Eindruck fortschrittlicher Entwicklungen anheften.

  • Hörerpostsendung 2.7.2017

    Hörerpostsendung 2.7.2017

    Herzlich willkommen zur vorletzten Hörerpostsendung vor der Sommerpause!



    Heute möchte ich — wie vergangene Woche versprochen — ein paar Hörerfragen beantworten, die ins Detail der rumänischen Innenpolitik gehen. Unsere Stammhörerin Beate Hansen ist in Wiesbaden zu Hause, interessiert sich für viele Aspekte des Lebens in Rumänien, hat vor zwei Jahren als Gewinnerin eines Hörer-Wettbewerbs das Land auch besucht und schickte uns unlängst ausführliche Fragen zur Innenpolitik und zu unserem Rundfunkprogramm:



    Guten Tag, lieber Sorin Georgescu,



    heute habe ich mal wieder ein paar Fragen und Anmerkungen zu den RRI-Programmen der letzten Zeit:



    Über die verschiedenen im Bukarester Parlament vertretenen Parteien erfährt man als Hörer m.E. nicht genug, um sie für sich ein bisschen einordnen zu können: Die PSD-ALDE-Koalition als “linksliberal” zu bezeichnen, kommt mir manchmal etwas komisch vor — nach meinem Eindruck sind die beiden Parteien eher populistische Sammelbecken für ihre jeweilige Klientel, die sich insbesondere die Kommunalpolitiker gewogen machen bzw. halten. Aber das ist natürlich nur mein völlig laienhafter Eindruck aus der Ferne.



    Die Union Rettet Rumänien (USR) dagegen finde ich sehr interessant, weil ich denke, dass sie die Zivilgesellschaft noch am ehesten im Blick hat bzw. vertritt, alternative Ideen einbringt und ihr Mäntelchen nicht nach dem Wind hängt wie z.B. die [Partei der ungarischen Minderheit] UDMR. Auch das natürlich nur meine durch keinerlei tiefere Kenntnis getrübte Meinung. Der USR-Vorsitzende Nicuşor Dan insbesondere, immerhin zweifacher Sieger der Internationalen Mathematik-Olympiade, Absolvent der École Normale Supérieure (ENA, Paris) und freiwilliger Rumänien-Rückkehrer, ist doch sicher mal eine nähere Vorstellung bei RRI für die ausländischen Hörer wert, finde ich. Schade, dass er kürzlich vom USR-Vorsitz zurückgetreten ist. Grund oder Anlass war die Verfassungsreform zum Thema “Familie”. Was es mit dieser Definition der Ehe und dem Streit darüber auf sich hat, könnte RRI auch mal für uns ausländische Laien erklären. Vor ca. einem Jahr, als die Unterschriftensammlung dazu lief, gab es schon mal eine Sendung darüber — aber was ist seitdem passiert, was wollen die Leute eigentlich und wo verlaufen die Streitlinien?



    Dass es mit eurotopics.net seit längerem eine europäische Presseschau gibt, fand ich anfangs irritierend — habe sie aber mittlerweile schätzen gelernt, weil man, auch wenn die Medien oder Themen nicht immer einen direkten Bezug zu Mittel- und Osteuropa haben, dadurch doch noch einen anderen Eindruck von den Mediendebatten bekommt als allein aus den hiesigen Sendern. Das sollte RRI aber nicht davon abhalten, eine rumänische Presse- oder Medienschau zu installieren, finde ich.



    Im Touristischen Magazin kam Ende April und seither noch zweimal wiederholt ein Beitrag von Alex Grigorescu über Roma in Brateiu und das Projekt tzigania.com. Den fand ich super spannend! Einerseits deswegen, weil ich vor zwei Jahren auch kurz in Brateiu war und andererseits, weil ich vor ein paar Wochen im Rahmen des hiesigen “Go East”-Filmfestivals genau über dieses Projekt einen Dokumentarfilm gesehen habe. Schade, dass gerade diese Eigenproduktionen der deutschsprachigen Redaktion — obwohl besonders interessant — nicht auf der RRI-Homepage zu finden sind!



    Das solls für heute gewesen sein. Vielen Dank an die gesamte RRI-Redaktion dafür, dass sie uns immer wieder auf so sympathische Weise mit gut gemachten Sendungen auf dem Laufenden hält!



    Viele Grü‎ße aus dem hochsommerlichen Wiesbaden ins hoffentlich ebenso sonnige Bukarest


    Beate Hansen




    Liebe Frau Hansen, vielen Dank für das Feedback und Gru‎ß zurück aus dem an diesem Wochenende von der ersten Hitzewelle geplagten Bukarest! Ich beginne mal mit den Beobachtungen zu unserem Programm. Die europäische Presseschau finde ich auch nützlich, zumal allein die Auswahl der Themen durch die jeweilige Redaktion schon zeigt, was ein Land besonders interessiert im Kontext der europäischen Entwicklungen. Eine rumänische Presseschau hatten wir früher auch von der Zentralredaktion, sie wurde aber eingestellt, vermutlich weil es zu aufwendig war, die Schlagzeilen über innenpolitische Themen ohne detailreiche Hintergrundinformationen an den ausländischen Hörer zu bringen, der sich im Durchschnitt weniger dafür interessiert. Für die Rumänen in der Diaspora ist sie seit der Verbreitung schneller Internetzugänge auch nicht mehr interessant, da man die heimischen Medien mittlerweile bequem auf verschiedenen Endgeräten selber ansteuern kann. Alex Grigorescus Rubrik ist eine Mischung von Tourismusmagazin und der früheren Rubrik über Minderheiten in Rumänien, die Land und Leute“ hie‎ß und heute auch nicht mehr im Angebot der Zentralredaktion zu finden ist. Alex verfasst sie aber nur sporadisch, daher fand ich es nicht sinnvoll, eine neue Rubrik auf unserer Homepage einzurichten, die dann nur drei-viermal im Jahr aktualisiert wird.




    Und nun zu den schwierigen Themen aus der rumänischen Innenpolitik. Die Parteienlandschaft in Rumänien ist selbst für Einheimische manchmal schwer zu erfassen, zumal es seit den Frühneunzigern unzählige Spaltungen, Fusionen, Umbenennungen, Überläufe und plötzliches ideologisches Umschwenken einzelner Parteien und Politiker gab. Und Sie haben es absolut richtig erfasst: Ideologie — ob links, konservativ oder liberal ausgerichtet — spielt bei den hiesigen Parteien kaum eine Rolle, sie ist blo‎ß ein Etikett, das sich die Parteien aufkleben, um in die jeweilige europäische Gro‎ßfamilie aufgenommen zu werden. So etwa war die Demokratische Partei (PD) des ehemaligen Präsidenten Traian Băsescu — ursprünglich eine Nachfolgeorganisation der Front der Nationalen Rettung, die ihrerseits zur Sozialdemokratischen Partei geworden war — ab 1996 Teil der Sozialistischen Internationale. 2005 erklärte die Partei quasi über Nacht und auf Befehl des parteiintern als Zeus“ titulierten Parteichefs ihren Austritt aus der Organisation und wurde ein Jahr später Mitglied der EVP. Dahinter steckte auch politisches Kalkül: Wenige Jahre zuvor war die Christlich-Demokratische Bauernpartei in einem Wahldesaster von der Bildfläche verschwunden, mit den Sozialdemokraten lagen die Demokraten ohnehin seit Anfang an im Clinch, also erschien es vorteilhaft, urplötzlich auf konservativ zu machen. Den Liberalen ging es nicht anders — schon in den 1990ern spalteten sich diverse Flügel ab, die erst Anfang der 2000er Jahre halbwegs wieder zueinander fanden und dann mit der Demokratischen Partei (später: Liberaldemokratischen Partei PDL) Băsescus zur Nationalliberalen Partei (PNL) fusionierten. Băsescu selbst steht jetzt wiederum einer anderen Partei vor, die ihrerseits ein abtrünniger Flügel der ehemaligen Liberaldemokraten ist, sich Volksbewegung (PMP) nennt und eher national-konservative Positionen vertritt. Die Allianz der Liberalen und Demokraten (ALDE) ist nichts anderes als eine Gruppierung ehemaliger Liberaler, die sich von ihrer Partei abspalteten, um zusammen mit der PSD weiterhin am Kuchen beteiligt zu bleiben.



    Falls Sie bisher folgen konnten: Auch in der Wirtschaftspolitik hat die jeweilige ideologische Ausrichtung kaum eine Rolle gespielt. Beispielsweise haben die Sozialdemokraten unter Ministerpräsident Adrian Năstase Ende der 1990er Jahre eine drakonische neoliberale Wirtschaftspolitik betrieben, die die liberale Nachfolgeregierung sich mit Sozialma‎ßnahmen wieder abzuschwächen gezwungen sah. Obwohl Sozialdemokraten qua definitionem wenig mit gelebter Religiosität am Hut haben sollten, bekreuzigen sich namhafte Politiker inbrünstig in aller Öffentlichkeit, vor allem vor laufenden Kameras, und sagen nach jedem dritten Satz Gott befohlen!“ oder So Gott will“, um sich bei den konservativen Wählern anzubiedern. Und Politiker jeglicher Couleur ziehen gerne bei Bedarf auch nationalistische Register, wenn es im Wahlkampf oder nur als momentane Taktik von Nutzen zu sein scheint.



    Die Partei der ungarischen Minderheit nennt sich Demokratischer Verband der Rumänienungarn (UDMR) und ist eigentlich ein Parteienbund, in dem unterschiedliche ideologische Ausrichtungen koexistieren, wobei allerdings eher ungarisch-national-konservative Werte dominant sind. Die Formation mag zwar ein bisschen wendehälsig erscheinen, zumal sie prinzipiell mit dem jeweiligen Wahlgewinner koaliert und seit 1990 fast immer am Regieren beteiligt war. Ich habe da aber etwas Nachsicht. Ziel des UDMR ist es ja erklärterma‎ßen, die Rechte der ungarischen Minderheit zu verteidigen, und in der Politik gibt es nun mal diese Art Tauschgeschäft: Der Junior-Partner ermöglicht dem Wahlgewinner eine bequeme Mehrheit und bekommt dafür Zugeständnisse oder Ämter in der Regierung. Mir ist es auf jeden Fall lieber, wenn die Rumänienungarn an den Regierungsgeschäften beteiligt sind, als dass separatistische Tendenzen laut werden oder extremistisches Gedankengut aus Ungarn importiert und Oberhand bei den Mitbürgern ungarischer Zunge gewinnen würde. Wenn Sie mir den Vergleich erlauben: Es ist einigerma‎ßen ähnlich wie mit der Dänenpartei in Schleswig-Holstein, die nach der Landtagswahl nicht selten das Zünglein an der Waage ist und manchmal eben deshalb in der Kritik steht.



    Die Union Rettet Rumänien (USR) schien am Anfang tatsächlich ein Licht im Dunkeln zu sein und frische Figuren wie den Mathematiker Nicuşor Dan in den Vordergrund zu stellen. Doch im Nachhinein stellte sich heraus, dass die aus einer Bukarester Bürgerinitiative hervorgegangene Partei ideologisch keineswegs gefestigt ist und keine geschlossen auftretende Führungsriege hat. Ursprünglich setzten sich Nicuşor Dan und sein Verein Rettet Bukarest“ teils erfolgreich gegen umstrittene Bauvorhaben der Bukarester Behörden und der Immobilienmafia durch. Das gelang ihm mit einem Mix aus Demos und Klagen vor Gericht. 2012 kandidierte er zum ersten Mal für das Bukarester Bürgermeisteramt bei den Kommunalwahlen und landete mit knapp 9% auf den dritten Platz, obwohl Umfragen ihm nur 3% bescheinigt hatten. Das war umso erstaunlicher, als er als unabhängiger Kandidat keine Unterstützung eines starken Parteiapparats gehabt hatte. Auch verfehlte er nur knapp den Einzug ins Bukarester Stadtparlament, weil das Wahlgesetz eine dreifach höhere Stimmenanzahl für unabhängige Kandidaten im Vergleich zu parteigebundenen vorschreibt. Damit schützen sich die etablierten Parteien vor bösen Überraschungen. Das ambitionierte jedoch den jungen Mann: Im Juni 2016 trat er erneut bei der Kommunalwahl an, diesmal mit seiner inzwischen zur Partei gewordenen Union Rettet Bukarest, und landete mit 30% gleich auf Platz zwei, noch vor den Liberalen und gleich nach den Sozialdemokraten. Somit wurden von den insgesamt 55 Stadträten 15 von der USB aufgestellt. Im August 2016 weitete die USB seine Aktivität auf das ganze Land aus, benannte sich in Union Rettet Rumänien (USR) um und konnte bei den Parlamentswahlen vom 11. Dezember 2016 erneut Erfolg verzeichnen: Mit knapp 9% wurde sie die drittstärkste Partei im rumänischen Parlament.



    Am 1. Juni 2017 trat Nicuşor Dan als Vorsitzender seiner Partei zurück und trat sogar aus der USR aus — Grund dafür waren Auseinandersetzungen innerhalb der Partei hinsichtlich der Positionierung zur umstrittenen Initiative für die Umdefinierung der Ehe in der Verfassung. Dabei geht es um eine vergangenes Jahr durchgeführte Unterschriftenaktion der sogenannten Koalition für die Familie“. Die rund 3 Mio. Unterschreiber wollen bewirken, dass in der rumänischen Verfassung die Ehe künftig eindeutig nur zwischen einem Mann und einer Frau geschlossen werden kann. In der derzeitigen Fassung ist in Artikel 48 nur die Rede vom freiwilligen Zusammenschluss der Ehepartner, ohne das Geschlecht zu präzisieren. Die Aktion wurde auch von den wichtigsten Kirchen in Rumänien unterstützt. Zwar beteuert die mehrheitliche Rumänisch-Orthodoxe Kirche, dass sie die Aktion nicht selbst initiiert oder organisiert habe, doch laut Presseberichten gab es nicht wenige Pfarrer, die in ihrer jeweiligen Gemeinde kräftig die Trommel dafür gerührt haben. Der Aufruhr war schon vergangenes Jahr gro‎ß. LGBT-Aktivisten und liberale Geister kritisierten die Unterschriftensammlung als Versuch, die Menschenrechte einzuschränken bzw. Menschen, die dem traditionellen Vater-Mutter-Kind-Familienmodell nicht entsprechen, zu diskriminieren. Davon betroffen würden nämlich nicht allein Schwule und Lesben, sondern auch Alleinerziehende und nichteheliche und kinderlose heterosexuelle Partnerschaften. Was die Koalition für Familie wiederum mit ihrem Vorsto‎ß bezweckt, kann man nur vermuten. In Rumänien sind homosexuelle Ehen nämlich ohnehin nicht erlaubt. In Artikel 259 Absatz 1 des BGB steht ausdrücklich, dass eine Ehe die freiwillige Union zwischen einem Mann und einer Frau ist. Mehr noch: Homosexuelle Ehen und eingetragene Partnerschaften zwischen gleichgeschlechtlichen Personen sind in Rumänien verboten. Im Ausland geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen oder Partnerschaften haben überdies in Rumänien keine Gültigkeit, so Artikel 277 des BGB, übrigens auch verschiedengeschlechtliche Partnerschaften nicht. Es ist daher wahrscheinlich, dass die Unterschriftenaktion von der Angst getrieben wurde, dass die Diskussion über eine Ehe für alle irgendwann auch in Rumänien entsteht und dass die vage Definition der Ehe in der Verfassung eine Hintertür für spätere Änderungen des BGB offen lasse. Einen nicht abgeschlossenen Präzedenzfall gibt es bereits. Ein homosexuelles rumänisch-amerikanisches Ehepaar, dessen Ehe in Belgien geschlossen worden war, hat im Juni vergangenen Jahres eine Verfassungsbeschwerde gegen Artikel 277 des BGB eingereicht. Daraufhin hätte das Verfassungsgericht die Verträglichkeit des besagten BGB-Artikels mit Artikel 26 der Verfassung überprüfen sollen, der das Familien- und Privatleben unter Schutz stellt. Doch das Verfassungsgericht hat die Entscheidung mehrmals vertagt, zuletzt vor wenigen Tagen. Übrigens gibt es tatsächlich Länder in der EU, in denen die Verfassung die gleichgeschlechtliche Ehe verbietet. In einem Artikel vor wenigen Tagen in der NZZ werden die Regelungen zur gleichgeschlechtlichen Ehe in Europa Revue passiert. Ein Verfassungsverbot der gleichgeschlechtlichen Ehe gibt es beispielsweise in Polen, der Slowakei, Litauen, Lettland und Bulgarien.



    Aber zurück zu Nicuşor Dan und der USR. Die Partei hat wie gesagt keine eindeutige doktrinäre Positionierung, es gibt einen links-grünen Flügel, also Parteimitglieder und Parlamentsabgeordnete, die sich für Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit stark machen, und einen liberal-konservativen Flügel, der insbesondere den jungen Unternehmern nahe steht. Zwischen den beiden Flügeln hat es nicht nur einmal gekracht. In der Frage zur geplanten Verfassungsänderung in puncto Familie hat der linke Flügel die Oberhand gewonnen und beschlossen, die Fraktion gegen die Änderung abstimmen zu lassen. Nicuşor Dan ist da entgegengesetzter Auffassung, zog daraus die Konsequenzen und nahm folglich seinen Hut. Er schloss allerdings nicht aus, in die USR wieder einzutreten, wenn sich die mehrheitliche Position in dieser Frage wieder ändere.



    Man muss sich auch fragen, was für Menschen in dieser Koalition für Familie aktiv sind, die au‎ßer in dieser Frage auch regelmä‎ßig gegen die ohnehin kaum existente Sexualkunde im Unterricht Sturm läuft oder Aufmärsche gegen die Abtreibungsfreiheit organisiert. Sie allesamt als reaktionäre und homophobe religiöse Fanatiker zu bezeichnen, wie es die Gegner der Koalition in der Regel tun, würde über das Ziel hinausschie‎ßen und wäre genauso undemokratisch. Schlie‎ßlich kann man die Ehe für alle auch aus einer rein konservativen Grundeinstellung oder aus religiöser Überzeugung oder aufgrund einer anderen Weltanschauung ablehnen, ohne zwangsläufig homophob oder in irgend einer Hinsicht fanatisch zu sein. Doch wenn man sich die Wortmeldungen der Sympathisanten dieser Koalition in den sozialen Netzwerken anschaut, kommt vieles tatsächlich aus der ganz rechten Ecke. Als am Freitag der Deutsche Bundestag die Ehe für alle beschloss, wurde eine entsprechende Pressemeldung auf der Facebook-Seite der Koalition für die Familie gepostet. Was man da für Kommentare wenige Minuten später lesen konnte, ist so ziemlich das, was man von Rechtsextremen immer zu hören bekommt: Hitler dreht sich im Grab um“, schreibt ein Facebook-User, Deutschland schafft sich selbst ab, das künftige deutsche Volk wird aus Arabern bestehen“, behauptet ein anderer und schlie‎ßlich Rumänien sollte dieses satanisch-atheistisch-sodomitisch-freimaurerische Europa schleunigst verlassen!“, fordert ein weiterer. Doch auch die Gegner der Koalition sind nicht unbedingt Menschen mit vornehmen Manieren. Was ist das denn für ein Gott, den ihr da anbetet“, schreibt z.B. jemand, der erlaubt hat, dass die Menschen sich durch Inzest vermehren?“ — und verletzt damit sicherlich die Gefühle religiöser Menschen. Ich halte Vulgäratheismus für genauso geschmack- und hirnlos wie die Frömmelei. Und über sensible Fragen, die das intime Leben der Menschen berühren, sollten man ohnehin nur mit dem Gewissen und differenziert urteilen, nicht aus dem Bauchgefühl heraus, finde ich.



    Die Diskussion über die Öffnung der Ehe wird ganz bestimmt auch auf Rumänien überschwappen, vielleicht sogar früher als erwartet. Und wie die Vorzeichen so stehen, wird sie ganz hässlich und gehässig ausgetragen werden. Auch in Deutschland war die Debatte nicht ganz unemotional, doch zumindest blieb alles in den Grenzen eines zivilisierten Dialogs. Ich befürchte, das wird in Rumänien nicht möglich sein.




    Heute habe ich reichlich überzogen, liebe Freunde. Ich hoffe, ich habe es geschafft, das Dickicht der rumänischen Politik für Frau Hansen und alle anderen interessierten Hörer etwas zu lichten. Die Postliste gibt es nächsten Sonntag für die vergangene und kommende Woche, da ohnehin nur wenige E-Mails eingetroffen sind. Im letzten, etwas kürzeren Funkbriefkasten vor der Sommerpause werde ich u.a. eine kleine Sensation aus unserem Audioarchiv bringen. Günter Grass war 1969 kurz in Rumänien und sprach u.a. auf einer Literaturtagung. Ein damaliger Mitarbeiter unserer Redaktion war dabei und lie‎ß das Tonbandgerät laufen. Worum es dabei ging, das erfahren Sie nächsten Sonntag.




    Audiobeitrag hören:




  • Rumäniens Außenminsiter unternimmt Ungarnbesuch

    Rumäniens Außenminsiter unternimmt Ungarnbesuch

    Eine Rivalität mit einem territoriellen, ethnischen und konfessionelen Hintergrund hat Rumänen und Ungarn ein Jahrtausend lang getrennt. Die lange ungarische Herrschaft über Siebenbürgen, die sich durch Massaker und Diskriminierung charakterisierte, führte zu Vorurteilen, Abneigung und Hass, die meistens künstlich durch die Chauvinisten beider Seiten intensiviert wurden. Die zwei Nachbarsstaaten konnten erst 1989 nach dem dem Fall der kommunistischen Regime von Bukarest und Budapest ihre Beziehungen normalisieren. Die historische rumänisch-ungarische Schlichtung wird oft mit dem französich-deutschem Modell verglichen. Die zwei Länder sind NATO-Miglieder und EU-Staaten. Die bedeutendste politische Partei der ungarischen Gemeinschaft in Rumänien, der Demokratische Ungarnverband, ist seit mehr als 20 Jahren Mitglied der Koalitionsregierungen in Bukarest, egal ob diese links oder rechtsgerichtet waren.



    Der Budapestbesuch des rumänischen Außenministers Teodor Meleşcanu ist heute nichts Außergewöhnliches. Meleşcanu wird mit seinem ungarischen Gegenüber Peter Szijjarto, mit dem rechtsorientierten Premier Viktor Orban, sowie mit Vertretern der rumänischen Gemeinschaft in Ungarn zusammenkommen. Neu ist die Teilnahme des rumänischen Außenminsiters an der Jahrestagung der ungarischen Diplomatie. Teodor Meleşcanu erklärte für Radio Rumänien:



    Meiner Ansicht nach gibt es eine klare Nachricht hinsichtlich des Wunsches beider Seiten, die Beziehungen zwischen Rumänien und Ungarn neu zu lansieren. Die diplomatischen Dienste spielen da eine besonders wichtige Rolle. Deshalb kann ich ein direktes Gespräch mit allen, die Ungarn in der Welt vertreten, und die sich für reale Probleme, die wir lösen wollen, interessieren, führen.



    Meleşcanu fügte hinzu, Bukarest plädiere für die Wiederaufnahme der Arbeiten der Kommission für Minderheiten, sowie für die Organisierung von gemeinsamen Sitzungen der zwei Regierungen. Rumänien wünscht die Herausarbeitung einiger gemeinsamen Infrastrukturprojekte entlang der Grenze und der Donau, die europäische Finanzierung bekommen sollen. Die Medien in Budapest, die von Presseagenturen zitiert werden, erklären, Meleşcanus Besuch finde statt nach der Eröffnung von zehn neuen Übergangspunkten und nach einem Verkehrsunfall in Ungarn, wo Rettungswagen aus Arad und Temeswar gleich losfuhren, um Menschensleben zu retten, egal ob die Aktion auf dem Territorium eines anderen Landes war. Eine derartige Zusammenarbeit und Vorgehensweise könnte ein gutes Beispiel für die Politik sein – schlussfolgern die ungarischen Analytiker.

  • Nachrichten 06.10.2016

    Nachrichten 06.10.2016

    BUKAREST: Hochrangige Amtsträger, wichtige Vertreter der Geschäftswelt und internationale Experten sind am Donnerstag im Rahmen der Konferenz Bucharest Forum 2016 zusammengekommen. Das war die wichtigste internationale Konferenz für Politik und Wirtschaft, die in Rumänien jährlich stattfindet. Beim Treffen diskutierten die Teilnehmer über strategische Änderungen. Dieses Jahr betiligten sich 350 Vertreter aus Europa, Amerika, dem Schwarzmeer-Raum, dem Kaukasus und aus Zentralasien an dem Bucharest Forum, darunter die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, Rumäniens Ministerpräsident Dacian Ciolos und der rumänische Außenminister Lazar Comanescu. Organisiert wurde das Bucharest Forum 2016 vom Aspen Institut Rumänien und vom Bukarester Büro des Deutschen Marshall Fonds, mit der Unterstützung des rumänischen Außenministeriums.



    BUKAREST: Rumäniens Verteidigungsminister, Mihnea Motoc, und seine niederländische Amtskollegin, Jeanine Hennis, haben am Donnerstag im Rahmen eines Sicherheitsforums in Bukarest eine Absichtserklärung über die Entwicklung der bilateralen militärischen Kooperation unterschrieben. Die Migration, die NATO-Missionen und die Sicherheit im Schwarzmeer-Raum, im Kontext der Intensivierung der militärischen Präsenz Russlands in der Region waren einige der Themen, die auf der Agenda des Treffens standen. Die zwei Verteidigungsminister diskutierten über die Beteiligung von niederländischen Soldaten an der multinationalen NATO-Brigade, die in Rumanien funktionieren wird. Deutschland werde sich mit Generalstabsoffizieren an der multinationalen NATO-Brigade beteiligen; ferner hätte auch Bulgarien die Teilnahme mit bis zu 400 Militärs an der multinationalen NATO-Brigade bestätigt und Polen werde sich mit einer Kompagnie daran beteiligen. Rumänien werde sich seinerseits mit einer Kompagnie an der entsprechenden NATO-Brigade in Polen beteiligen und dabei mit einer US-Einheit zusammenarbeiten.



    BUKAREST: Rumänien leistet einen wichtigen Beitrag im Rahmen der neuen neuen Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Dies erklärte am Donnerstag der rumänische Innenminister, Dragos Tudorache, der an der Konferenz zum Starten der neuen Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den EU-Außengrenzen teilgenommen hat. Die neue Agentur wird zur Konsolidierung der EU-Grenzen beitragen und die EU-Mitglidesstaaten bei der Sicherung der Grenzen und bei der Bewältigung der Migrationsprobleme unterstützen, sagte Dragos Tudorache. Bis Jahresende wird Rumänien 75 Grenzpolizisten der neuen Frontex-Agentur zu Verfügung stellen. Bis jetzt beteiligten sich 400 rumänische Polizeibeamte, 4 Patrouille-Seeschiffe und 10 Besatzungen an 14 Frontex-Einsätzen, so der rumänische Verteidigungsminister. Die neue Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union stellt sich aus der Frontex-Agentur und den nationalen Behörden der Mitgliedstaaten zusammen. Die Agentur koordiniert die operative Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten im Bereich des Schutzes der Außengrenzen, einschließlich der Seeaußengrenzen, unterstützt die Mitgliedstaaten bei der Ausbildung von nationalen Grenzschutzbeamten und legt unter anderem gemeinsame Ausbildungsnormen fest.

  • Aktualisiert: Ex-Innenminister Oprea legt Mandat nieder

    Aktualisiert: Ex-Innenminister Oprea legt Mandat nieder

    Nach der Sommerpause lagen auf den Schreibtischen des Parlamentariern neue Anträge der Staatsanwälte zur Zustimmung für Strafermittlungen. Die Ermittler wollen gegen Ex-Innenminister Gabriel Oprea vorgehen, den sie u.a. der fahrlässigen Tötung verdächtigen. Im Herbst letzten Jahres war ein Motorradpolizist im Geleitschutz Opreas tödlich verunglückt, aber der Innenminister war gar nicht zu dem Geleitschutz berechtigt. Als die Parlamentarier den Ermittlungsantrag der Behörden ablehnten, platzte den Bürgern der Kragen – tausende Menschen demonstrierten in Bukarest und anderen Städten gegen die Entscheidung: Die Chefermittlerin der DNA, Laura Codruţa Kovesi, nannte sie eine politische Entscheidung, die die Rechtspflege verhindert. Experten und Kommentatoren aus den Medien sind jedoch der Auffassung, dass die Argumente der Ermittler in diesem Fall eher fadenscheinig sind und Oprea keine Verurteilung in dieser Sache riskiert – wohl aber in anderen, schwerer Verfahren, die bereits gegen ihn laufen. Die Bürger wollen aber trotzdem, dass die Justiz sich der Sache annimmt und lie‎ßen ihrer Empörung freien Lauf. Wir wollen Gerechtigkeit, keine Immunität, aber diese Parlamentarier verstehen nichts andereres als klauen und sich hinter der Immunität verstecken – wie lange müssen wir uns das noch gefallen lassen”, fragte ein Demonstrant. Andere klagten, dass die Politiker über dem Recht stehen und für sie nicht die gleichen Regeln wie für Normalsterbliche gelten.



    Die Proteste erinnern an die Atmosphäre von vor einem knappen Jahr, als die Regierung unter Premierminister Victor Ponta unter dem Druck der Stra‎ße nach dem Brandunglück im Musikklub Colectiv kündigen musste. Knappe drei Monate vor den Parlamentswahlen scheinen es die Politiker auch jetzt mit der Angst zu tun zu bekommen. Präsident Klaus Iohannis verlangte eine Überprüfung des Systems von Immunitäten – auch für sein eigenes Amt. Am Freitag nachmittag hat Gabriel Oprea sein Mandat als Senator niedergelegt.

  • Urbane Projekte für Jugendliche: Be yourSelfie in Bukarest

    Urbane Projekte für Jugendliche: Be yourSelfie in Bukarest

    Die Hochschule für Politikwissenschaften an der Bukarester Universität setzt seit Februar das Projekt Be yourSelfie in Bukarest. Ausbildung und urbane Geschichte für Studenten und Jugendliche“ um. Be yourSelfie in Bukarest“ verfolgt einen doppelten Zweck: Es will die multikulturelle Dimension der Stadt fördern und gleichzeitig die Stadt Bukarest durch einen kulturellen Rechercheprozess den Einwohnern näherbringen. Das Projekt umfasst Ausbildungs-Module und Workshops zur Geschichte der Stadt. Die Studenten und die Bukarester Gymnasiasten (Schüler der 9.–12. Klasse) haben die Möglichkeit, an geführten Stadtrundgängen teilzunehmen. Dazu Alexandra Iancu, Lektorin an der Hochschule für Politikwissenschaften an der Bukarester Universität:



    Wir gingen von einigen einfachen Fragen aus: Was ist eine Stadt, wie wird sie gebaut, wie entwickelt sie sich. Wir wollen diese Fragen fachübergreifend betrachten. Dafür organisieren wir eine Reihe von Workshops für Studenten, an denen Ausbilder mitwirken, die verschiedene Fachrichtungen vertreten — Anthropologen, Historiker, Journalisten, Politologen, Werbeleute. Es sind Kurse zu allgemeinen Themen, die darauf abzielen, den Jugendlichen bewusst zu machen, in welchem Verhältnis wir zur Stadt, in der wir leben, stehen. Die Theorieblöcke werden durch praktische Workshops, in den Stra‎ßen der Stadt Bukarest ergänzt. Somit treten die Studenten direkt in Kontakt mit der Welt, in der sie leben, unabhängig davon, ob es um eine Umgebung wie das noble Villenviertel Cartierul Primăverii oder um ein etwas verkommenes Stadtviertel wie Rahova geht. Unabhängig davon, ob sie sich die Altstadt anschauen, mit ihren alten Gassen und den alten Bojarenhäusern, oder sich in den neuen Stadtvierteln aufhalten. Im Rahmen des Projektes wollen wir eben auf diese Vielfalt hinweisen.“




    Das Vorhaben geht von einfachen Fragen aus, wie die Projektleiterin Alexandra Iancu betonte. Es werden Fragen gestellt wie z.B.: Wie funktioniert eine Stadt? Dabei werden mehrere Aspekte erwägt — die soziale, politische, wirtschaftliche sowie kulturelle Dimension einer Stadt. Doch fragen sich die Projektinitiatoren auch, mit welchen Schwierigkeiten eine Gro‎ßstadt wie Bukarest zu kämpfen hat. Dazu Alexandra Iancu:



    Studenten und Gymnasial-Schüler gehen dieses Thema unterschiedlich an. Werden Studenten zum Auftakt eines Projektes zu den Schwierigkeiten, mit denen die Stadt konfrontiert wird, befragt, so sind sie dazu geneigt, Standardantworten zu geben, die sie vermutlich in den Massenmedien gelesen oder gehört haben. Sie erwähnen die Infrastruktur, den öffentlichen Verkehr, die Sauberkeit der Stadt bzw. die Tatsache, dass die Stadt nicht so sauber sei, kurz und gut die gleichen Probleme, die auch die Politiker auflisten. Ein Ziel des Projektes ist, über diese Aspekte hinaus zu schauen. Selbstverständlich dürfen diese nicht vernachlässigt werden, doch müssen auch andere Probleme erkannt werden. Wir wollen erkennen, was die Stadt über diese Klischees hinweg zu bieten hat.“




    Alexandra Iancu, Lektorin an der Hochschule für Politikwissenschaften an der Bukarester Universität, erzählte uns über die Erfahrung der Jugendlichen im Projekt und schilderte uns ihre ersten Eindrücke in Bezug auf die umgesetzte Initiative:



    Wir haben uns in einem ersten Schritt auf die Ausbildung von Studenten konzentriert. Ihr Feedback war positiv, vor allem wenn man berücksichtigt, dass wir viele Ausbildungsseminare hatten. Das Programm war voll, dennoch beteiligten sich viele Studenten an unseren Ausbildungen. Sie waren sehr enthusiastisch, denn es handelt sich um eine au‎ßerschulische Weiterbildungsmethode. Die Theorie wird durch praktische Erfahrungen ergänzt. Dazu unterzeichneten wir Verträge mit mehreren Gymnasien in Bukarest — wir arbeiten mit den Schulen Colegiul Naţional Cantemir, Sfântul Sava, Matei Basarab, Spiru Haret, Gheorghe Lazăr zusammen. Die Lehrer, die im Projekt mitwirken, erzählten, die Schüler seien ganz begeistert von unserem Vorhaben. Es gefalle ihnen besonders die spielerische Dimension des Projektes, die den informativen Teil ergänzt. Daher machen sie gerne mit. Wir organisieren z.B. eine Ausstellung mit Preisverleihung — eine öffentliche Ausstellung, die Bilder zusammenbringt, die von den Schülern in den Stra‎ßen von Bukarest geschossen wurden und die kulturelle Vielfalt der rumänischen Hauptstadt widerspiegeln. Denn sie sind sehr begeistert von dem, was sie in der Stadt entdecken. Nach jedem Workshop, nach jeder Stadtführung, unterhalten wir uns mit ihnen, um zu schauen, wie sie die urbanen Erfahrungen wahrgenommen haben. Die Ergebnisse geben uns Mut, weiter zu machen.“




    Das Projekt Be yourSelfie in Bukarest. Ausbildung und urbane Geschichte für Studenten und Jugendliche“ wird durch Fördermittel aus Norwegen, Island und Lichtenstein finanziert. Für die Co-Finanzierung trägt der rumänische Staat Sorge. Es ist ein Projekt der Hochschule für Politikwissenschaften, das ursprünglich von dem Gedanken ausging, eine au‎ßerschulische Alternative zum herkömmlichen Unterricht zu bieten. Dazu sollte eine Brücke zwischen Schulen und Hochschulen geschaffen werden. Zum Abschluss des Projektes soll ein Fotografie-Preisausschreiben und eine Ausstellung mit Bildern, die Bukarest abbilden und von den teilnehmenden Jugendlichen geschossen wurden, veranstaltet werden.

  • Nachrichten 25.02.2016

    Nachrichten 25.02.2016

    Der rumänische Staatspräsident Klaus Iohannis hat am Donnerstag auf der Jahresbilanzsitzung der Antikorruptionsbehörde DNA erklärt, die Bekämpfung der Korruption müsse fortgesetzt werden. Die DNA solle sich weiter darauf konzentrieren, da die Auswirkungen der Korruption unsere Gesellschaft treffen. Die Chefermittlerin der DNA, Laura Codruta Kövesi, erklärte, die Institution müsse Korruptionsfälle konsequent weiter verfolgen. Zum ersten Mal in der rumänischen Justizgeschichte wurde letztes Jahr ein Verfahren gegen einen amtierenden Premierminister eingeleitet. Verhaftet wurden zudem ein Verfassungsrichter, ein amtierender Oberbürgermeister der Hauptstadt und mehrere Bezirksbürgermeister.



    Am Donnerstag sind zwei Mitglieder des Parlaments für 24 Stunden festgenommen worden. Der Abgeordnete Nicolae Paun, Vertreter der Roma-MInderheit im rumänischen Parlament, soll zusammen mit dem sozialdemokratischen Abgeordneten Madalin Voicu europäische Fördergelder in Höhe von 6 Millionen Euro für die Inklusion der Roma unterschlagen haben. Letzte Woche haben die Abgeordneten gegen die Festnahme und Untersuchungshaft von Madalin Voicu gestimmt. Der liberalen Senatorin Doina Tudor wird hingegen Beihilfe zur Bestechlichkeit vorgeworfen. Die Ermittlungen laufen auch gegen ihren unter Hausarrest gestellten Ehemann und früheren Vizepräsidenten der Finanzmarktaufsicht. Die Parlamentarierin soll ihrem Mann geholfen haben, 200.000 Euro von einem Versicherungsunternehmen zu kassieren, um die Firma nach einer Kontrolle zu begünstigen.



    Der rumänische Gesundheitsminister Patriciu Achimaş Cadariu hat den Rücktritt der Leitung des Kinderkrankenhauses Piteşti gefordert, nachdem ein neuer Fall von hämolytisch-urämischem Syndrom bei einem Kind im Alter von 16 Monaten verzeichnet wurde. Das Kind wurde vor 11 Tagen in mehrere Krankenhäuser in Arges und danach mit Darminfektionen nach Bukarest gebracht. Die Ursache der Erkrankung, die bis jetzt zum Tode von 3 Babys geführt hat, ist auch heute unbekannt.



    Rumäniens Kulturminister Vlad Alexandrescu hat in Vatikan das erste Kulturabkommen zwischen Rumänien und dem Heiligen Stuhl unterzeichnet. Das Dokument soll die Organisierung von kulturellen Veranstaltungen, besonders für die rumänische Gemeienschaft in Italien, ermutigen. In Italien leben rund eine Million Rumänen. Alexandrescu nahm an der Generalaudienz bei Papst Franziskus teil. Der rumänische Kulturminister kam auch mit dem Bibliothekar der Heiligen Römischen Kirche, Monsegnieur Jean Louis Brugues, und dem Direktor der Vatikanischen Museen, Professor Antonio Paolucci zusammen. Besprochen wurde die Möglichkeit, dass die Ausstellung Schätze Rumäniens“, die zur Zeit in China vorgestellt wird, 2018 im Vatikan gezeigt wird. Alexandrescu schlug auch die Organisierung einer Ausstellung der Vatikanischen Museen in Zusammenarbeit mit der Rumänischen Nationalbibliothek und den Staatsarchiven vor.



    Rumäniens Außenminister Lazar Comănescu ist am Donnerstag mit den Botschaftern asiatischer Staaten in Bukarest zusammengekommen. Angegangen wurden Themen wie die Migration und die Ostnachbarschaft der EU. Dem rumänischen Außenministerium zufolge wurden auch konkrete Möglichkeiten der Kooperation Rumäniens und der EU mit den asiatischen Staaten im wirtschaftlichen Bereich besprochen. Ein weiteres Thema war die Zusammenarbeit zwischen den europäischen und den asiatischen Staaten im so genannten Format Asien-Europa. Rumänien engagiert sich intensiv in Bereichen wie regionale Entwickung und Wasserwirtschaft.



    Mehr als 280 Reiseunternehmen aus 15 Ländern zeigen bis Sonntag ihre Angebote auf der Rumänischen Tourismusmesse in Bukarest. Die Teilnehmer wollen mit Preisrabatten und traditionellen oder neuen Reisezielen möglichst viele Touristen heranziehen. Die Nationale Tourismusbehörde organisiert bei ihrem Stand Veranstaltungen, die Rumänien als Reiseziel promoten sollen. Die Vertreter der Reiseveranstalter erwarten einen Anstieg der Touristenzahlen trotz der Angebote Bulgariens, Griechenlands und der Türkei. Die Messe findet Ende Februar statt, so dass sich die Rumänen für die early-booking Angebote entscheiden können.



    Angesichts zunehmender nationaler Alleingänge setzt sich die Europäische Union eine Frist bis zum EU-Türkei-Gipfel, um die Flüchtlingskrise in den Griff zu bekommen. Bis zum 7. März müsse die Zahl der ankommenden Migranten an der Schengen-Außengrenze in Griechenland deutlich reduziert werden, sagte der deutsche Bundesinnenminister Thomas de Maiziere am Donnerstag vor einem Treffen mit seinen EU-Kollegen in Brüssel. Andernfalls müssten andere Maßnahmen auf europäischer Ebene ergriffen werden. Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras drohte mit einer Blockade aller EU-Beschlüsse, wenn es zu keiner fairen Lastenteilung in der Flüchtlingskrise kommt. Am 7. März wollen sich die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Staaten und die türkische Führung in Brüssel zu Beratungen treffen.

  • Nachrichten 24.02.2016

    Nachrichten 24.02.2016

    Die Bergarbeiter im Jiu-Tal im Zentrum von Rumänien protestieren weiter gegen den Umstrukturierungs-Plan des Energie-Konzerns Hunedoara. Der Konzern hat insgesamt mehr als 6000 Beschäftigte in den Zechen in Lonea, Lupeni, Livezeni und Vulcan und bei den Wärmekraftwerken in Mintia und Paroşeni. Der KOnzern Hunedoara hat Insolvenz angemeldet und riskiert den Bankrott. Die Schulden liegen bei knapp 380 Millionen Euro.



    Der rumänische Senat hat am Mittwoch die Immunität Ex-Vizeministerpräsident und Ex-Innenminister Gabriel Oprea gegen Strafverfolgung aufgehoben. Oprea ist zur Zeit Senator im rumänischen Parlament. Die Nationale Antikorruptionsbehörde hatte in einer zweiten Akte Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs gegen ihn eingeleitet. In derselben Akte wird auch gegen andere Verantwortliche im Innenministerium ermittelt. Seit Anfang des Monats wird Oprea strafrechtlich wegen zweifachen Amtsmissbrauchs verfolgt. Er soll als Innenminister für sich selbst und andere Würdenträger unrechtmä‎ßig Geleitschutz durch Polizeiwagen veranlasst haben. Ebenfalls am Mittwoch hat die Abgeordnetenkammer der Untersuchungshaft von Nicolae Paun, dem Vertreter der Roma-MInderheit im rumänischen Parlament, zugestimmt. Er soll zusammen mit dem sozialdemokratischen Abgeordneten Madalin Voicu europäische Fördergelder in Höhe von 6 Millionen Euro für die Inklusion der Roma unterschlagen haben. Letzte Woche haben die Abgeordneten gegen die Festnahme und Untersuchungshaft von Madalin Voicu gestimmt.



    Der frühere rumänische Europaabgeordnete Adrian Severin ist am Dienstag vom Obersten Gerichtshof in Bukarest zu drei Jahren und drei Monaten Haft für Annahme von Bestechungsgeldern und Einflussnahme verurteilt worden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Severin sagte, er werde Berufung einlegen und kämpfen, um seine Unschuld zu beweisen. Laut Ermittlungen habe Adrian Severin in 2011 das Versprechen zweier Journalisten von der britischen Zeitung The Sunday Times” akzeptiert, gegen ein Schmiergeld von 100 Tausend Euro den Fachausschüssen des Europaparlaments Gesetzesänderungsanträge vorzulegen. In die Falle der Journalisten waren damals auch weitere zwei Europaabgeordnete aus Slowenien und Österreich getappt. Diese hatten ihre Ämter niedergelegt, Severin weigerte sich, auf sein Amt zu verzichten.



    Eine erste Gruppe von maximal 15 Flüchtlingen soll Anfang März aus Griechenland und Italien nach Rumänien im Zuge der verbindlichen Umverteilung verlegt werden. Sie werden in Galaţi im Osten des Landes wohnen. In 2016 und 2017 muss Rumänien mindestens 4.180 Flüchtlinge übernehmen. Im Moment sind für Asylbewerber und Flüchtlinge sechs Auffangstellen eingerichtet, die zusammen nur 1.500 Menschen aufnehmen können.



    In der Republik Moldau erreichen die linken prorussischen Parteien die höchsten Vertrauenswerte in der Bevölkerung. Wären am kommenden Sonntag Wahlen, würden die jetzigen Regierungsparteien nicht einmal die Parlamentshürde mehr nehmen, so eine Meinungsumfrage. Die Partei des umstrittenen Geschäftsmanns Renato Usatîi würde demnach auf 19,8% der Stimmen kommen, während die Sozialisten 12,8% erreichen würden. Ins Parlament schaffen würden es auch zwei neue Parteien — die Plattform Würde und Wahrheit, die die jüngsten Demonstrationen in Chişinău organisiert hat, ist bei 8,3% der Bürger beliebt, die Initiative der früheren Bildungsministerin Maia Sandu bei 6,2%.



    Die rumänische Tennisspielerin Monica Niculescu (Nr. 37 WTA) ist am Mittwochabend aus dem Premier-Turnier von Doha ausgeschieden. Im Achtelfinale unterlag sie Agnieszka Radwanska aus Polen (Nr. 3 WTA) in zwei Sätzen 5-7, 1-6.



  • Nachrichten 28.01.2016

    Nachrichten 28.01.2016

    Der rumänische Premierminister Dacian Cioloş wird in den kommenden Tagen mit den Vorsitzenden der Parlamentsparteien über die Wiedereinführung der Zwei-Wahlrunden-Regel für die Kommunalwahlen diskutieren. Staatschef Klaus Iohannis hatte vor kurzem die Initiative der Liberalen, das zwei-Runden-Wahlsystem wiedereinzuführen, als eine gute Idee bezeichnet. Die Entscheidung liege doch bei Parlament und Regierung, so Iohannis. Die anderen Parlamentsparteien sind geteilter Meinung. Voriges Jahr hatte das Parlament ein neues Wahlgesetz verabschiedet, in dem für die Kommunalwahken ein einziger Wahldurchgang vorgesehen war. Damals hatten Sozialdemokraten und Liberalen zusammen dafür gestimmt.



    Rumänien ist das Land mit der drittgrößten Anzahl von Verfahren beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, in denen mindestens eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention nachgewiesen wird. Nach einem Bericht des Strassburger Gerichts werden die meisten Beschwerden gegen Russland und die Türkei geführt – 109 bzw. 79 Verfahren gegen diese Länder wurden im Jahr 2015 beim EGMR anhängig. Gegen Rumänien wurde 72 Mal Klage erhoben. Gerichtspräsident Guido Raimondi wies darauf hin, dass die Mitgliedstaaten des Europarates die Lösung wichtiger Fragen auf interner Ebene sicherstellen sollten, anstatt sie dem EGMR zu überlassen.



    Rumänische Grenzpolizisten haben in Italien bei einem FRONTEX-Einsatz 119 Migranten aus einem Schlauchboot nahe Lampedusa gerettet. 34 von ihnen waren minderjährig. Die Menschen kamen aus afrikanischen Ländern und wollten in den Schengenraum. Ziel der FRONTEX-Mission ist die Begrenzung der illegalen Migration und die Rettung von Personen in Not.



    Das 2. Infanterie-Regiment Calugareni ist am Donnerstag in Afghanistan eingetroffen. Die rumänischen Soldaten beteligen sich an der NATO-Operation Resolute Support, wo sie die Ausbildung und Beratung der afghanischen Sicherkeitskräfte und die Bewachung des Stützpunkts in Kandahar sichern werden. Vor dem Aufbruch erklärte Präsident Klaus Iohannis, dass die Soldaten einen schwierigen Auftrag haben – es gelte, das Leben in Afghanistan zu normalisieren und den Terrorismus zu bekämpfen. Rund 40.000 rumänische Soldaten wurden in den letzten Jahren in internationalen Missionen der UNO, NATO, OSZE oder EU in Afghanistan, Irak und dem Westbalkan eingesetzt, sagte Iohannis. Resolute Support wurde Anfang vorigen Jahres gestartet und gilt als Folgemission des 2014 beendeten Einsatzes der NATO-internationalen Sicherheitsunterstützungsgruppe in Afghanistan.



    In der Republik Moldau ist am Donnerstag das Ultimatum abgelaufen, das opositionelle Demonstranten letzte Woche der politischen Führung des Landes zur Veranstaltung von Neuwahlen und zu dem Rücktritt der Regierung gestellt hatten. Sie wollen nun am Freitag entscheiden, wie es weitergeht. Eine noch vor Ablauf des Ultimatums durch den Parlamentspräsidenten erfolgte Einladung zur Diskussion lehnten sie ab. Tausende Demonstranten waren vorige Woche in der Hausptstadt Chisinau auf die Straße gegangen, nachdem die neue proeuropäische Regierung von Pavel Filip ins Amt eingeführt wurde. Die Proteste gegen die Korruption der moldauischen Politiker finden auf Initiative der Zivillgesellschaft und zwei prorussischer Parteien statt.



    Simona Halep hat sich dem rumänischen Tennisnationalteam für die laufende Runde des Fed-Cup sangeschlossen. Im wichtigsten Wettbewerb für Nationalmannschaften im Damentennis trifft Rumänien am 6.und 7. Februar in Cluj auf Tschechien. Die Weltranglistenzweite Halep hatte vor kurzem die Teilnahme abgesagt, da sie sich wegen einer Verkrümmung der Nasenscheidewand operieren lassen wolle. Das Team besteht nun aus Simona Halep, Monica Niculescu (Weltrangnummer 40) und Andreea Mitu (Platz 96). Für Tschechien tritt unter anderen die Weltranglistensiebte Petra Kvitova an.